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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 21.05.2007
Aktenzeichen: II ZR 96/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 707
Eine schlichte Mehrheitsklausel in dem Gesellschaftsvertrag einer Personengesellschaft ist keine Legitimationsgrundlage für eine Änderung des Gesellschaftsvertrages, durch die eine Nachschusspflicht eingeführt werden soll. Vielmehr bedarf es zur Bindung des Betroffenen seiner Zustimmung zu dieser nachträglichen Vermehrung seiner Beitragspflichten.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL

II ZR 96/06

Verkündet am: 21. Mai 2007

in dem Rechtsstreit

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. Mai 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly, Kraemer, Dr. Strohn und Dr. Reichart

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Sprungrevision der Beklagten wird - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - das Urteil der Zivilkammer 5 des Landgerichts Berlin vom 14. Februar 2006 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klägerin wird verurteilt, an die Beklagte 3.780,92 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. November 2005 zu zahlen.

Die Klage und die weitergehende Widerklage werden abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 4/5 und die Beklagte zu 1/5 zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte, die mit einer Einlage von 33.000,00 DM der als geschlossener Immobilienfonds ausgestalteten Klägerin beigetreten war, zur Zahlung von als Nachschuss bezeichneten Geldbeträgen verpflichtet ist und ob sie solche bereits gezahlten Beträge von der Klägerin zurückfordern kann.

Die klagende BGB-Gesellschaft ist im Jahr 1989 gegründet worden und dient dem Zweck, das Grundstück M. straße 19 in B. zu erwerben, zu bebauen und zu verwalten. Der notariell beurkundete Gesellschaftsvertrag (GV) der Klägerin vom 26. Oktober 1989 enthält keine Bestimmung über Nachschusszahlungen der Gesellschafter. § 12 Nr. 3 b GV regelt, dass eine Änderung des Gesellschaftsvertrags der Mehrheit von 3/4 der in der Gesellschafterversammlung abgegebenen Stimmen bedarf.

Im September 2000 zahlte die Beklagte weitere 1.394,43 €. Anlass der Zahlung war, dass in der vorausgegangenen Gesellschafterversammlung der Klägerin Einvernehmen bestanden hatte, zur Abwendung einer erneut von der Kredit gebenden Bank erwirkten Zwangsverwaltung die rückständigen Verbindlichkeiten der Klägerin gegenüber der Finanzierungsbank durch Zahlungen der Gesellschafter zu tilgen, dass dafür aber die Erhebung einer ursprünglich in Aussicht genommenen "Sonderumlage im Beschlusswege kompetenzrechtlich nicht möglich" sei und ein dahingehender Beschluss nicht gefasst werden könne; die Rückstände sollten deshalb durch freiwillige Leistungen der Gesellschafter ("Gesellschafterdarlehen") ausgeglichen werden.

Im Dezember 2001 fasste die Gesellschafterversammlung der Klägerin - in Abwesenheit der Beklagten - mit 3/4 Mehrheit den Beschluss, den Gesellschaftsvertrag durch eine Nachschussregelung zu ergänzen, und beschloss einstimmig, eine Sonderumlage in Höhe von 400.000,00 DM zu erheben.

Die in § 4 GV eingefügte Nr. 6 lautet:

"Die Gesellschafter sind im Falle der Unterdeckung des Gesellschaftsvermögens quotal im Verhältnis ihrer Gesellschaftsanteile zu Nachschussleistungen verpflichtet, wobei die Nachschusspflicht betragsmäßig durch die Höhe der Kapitaleinlage begrenzt ist. Insoweit wird § 707 BGB abbedungen.

Die Nachschusspflicht wird vom Verwaltungsbeirat durch einstimmigen Beschluss dem Grunde und der Höhe nach für den Einzelfall festgestellt und den Gesellschaftern schriftlich verbunden mit einer entsprechenden Zahlungsaufforderung bekannt gemacht; die Nachschussbeträge sind von den Gesellschaftern unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Wochen ab Zugang der Zahlungsaufforderung zu entrichten."

Auf der Grundlage dieser Bestimmung fassten der Verwaltungsbeirat und - jeweils in Abwesenheit der Beklagten - die Gesellschafterversammlung der Klägerin in den Jahren 2002 bis 2005 Beschlüsse über weitere Sonderumlagen und Nachschusszahlungen. Den daraus folgenden Zahlungspflichten kam die Beklagte bis zum dritten Quartal 2004 in Höhe von insgesamt 3.780,92 € nach, für das vierte Quartal 2004 und das Jahr 2005 verweigerte sie die Zahlung weiterer Beträge.

Das Landgericht hat der auf Zahlung der ausstehenden Nachschüsse (1.733,55 €) gerichteten Klage entsprochen und hat die auf Rückzahlung der geleisteten Nachschussbeträge gerichtete Widerklage (5.175,35 €) abgewiesen. Hiergegen richtet sich die von dem Senat zugelassene Sprungrevision der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

I. Über die Sprungrevision der Beklagten ist, da die Klägerin trotz ordnungsgemäßer Ladung im Revisionsverhandlungstermin nicht vertreten war, durch Versäumnisurteil zu entscheiden, das inhaltlich aber nicht auf der Säumnis, sondern auf einer sachlichen Prüfung des Antrags beruht (BGHZ 37, 79, 81).

II. Die Sprungrevision ist überwiegend begründet und führt in Abänderung des angefochtenen Urteils zur Abweisung der Klage und - teilweise - zur Verurteilung der Klägerin.

1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Die Beklagte sei aufgrund der Beschlüsse der Gesellschafterversammlung und des Beirats in Verbindung mit dem neu eingefügten § 4 Nr. 6 GV zu den angeforderten Zahlungen verpflichtet. Diese Bestimmung habe mit der in § 12 Nr. 3 b GV vorgesehenen 3/4 Mehrheit wirksam beschlossen werden können. Sie entspreche den Anforderungen der Rechtsprechung an die Bestimmtheit gesellschaftsvertraglicher Nachschussregelungen. Dementsprechend könne die Beklagte die - mit Ausnahme der Zahlung vom September 2000 mit Rechtsgrund - geleisteten Nachschüsse nicht zurückfordern. Der Anspruch auf Rückzahlung des vor der Änderung des Gesellschaftsvertrages gezahlten Betrages sei verjährt.

2. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die Beklagte nicht zu Nachschusszahlungen verpflichtet. Dem steht § 707 BGB entgegen. Die nachträglich beschlossene Nachschussregelung (§ 4 Nr. 6 GV) ist der Beklagten gegenüber unwirksam (vgl. Sen.Urt. v. 5. März 2007 - II ZR 282/05, ZIP 2007, 766).

aa) Nachträgliche Beitragspflichten können mit einer jeden einzelnen Gesellschafter bindenden Wirkung nur mit der - u.U. auch antizipiert erteilten - Zustimmung der Betroffenen eingeführt werden. Dies gilt nicht nur für eine Beschlussfassung im Einzelfall, sondern ebenso für die spätere Einführung einer gesellschaftsvertraglichen Nachschussklausel.

An dieser Zustimmung der Beklagten fehlt es. Sie ist weder auf dem Weg der Zustimmung zur Änderung des Gesellschaftsvertrages noch - antizipiert - durch Unterwerfung unter die für Gesellschaftsvertragsänderungen bestimmte Mehrheitsklausel erteilt worden. An der Abstimmung über die Änderung des Gesellschaftsvertrages hat die Beklagte unstreitig nicht teilgenommen, und die allgemeine Mehrheitsklausel enthält eine den Anforderungen des § 707 BGB entsprechende antizipierte Zustimmung schon deswegen nicht, weil sie Ausmaß und Umfang einer möglichen zusätzlichen Belastung nicht erkennen lässt, nämlich weder eine Obergrenze noch sonstige Kriterien festlegt, die das Erhöhungsrisiko eingrenzen (st.Rspr., vgl. z.B. Sen.Urt. v. 5. März 2007 aaO Tz. 13; v. 23. Januar 2006 - II ZR 126/04, ZIP 2006, 754, 755 Tz. 20; grundlegend hierzu Sen.Urt. v. 15. Januar 2007 - II ZR 245/05, ZIP 2007, 475, 476 Tz. 9).

bb) Der Annahme des Landgerichts, die Neuregelung in § 4 Nr. 6 GV begründe eine über den bezifferten Einlageanteil hinausgehende Beitragspflicht, steht - selbst wenn ihr die Beklagte zugestimmt hätte - außerdem entgegen, dass dort die Höhe der nachzuschießenden Beiträge nicht in objektiv bestimmbarer Weise festgelegt ist. § 4 Nr. 6 GV beschränkt zwar die Verpflichtung der Gesellschafter, weitergehende Zahlungen zu erbringen, auf den Fall der Unterdeckung des Gesellschaftsvermögens. Weder wird aber das für das Entstehen der Beitragspflicht maßgebliche Kriterium der "Unterdeckung" konkretisiert, noch bestimmt der Gesellschaftsvertrag, nach welchen Vorgaben eine Unterdeckung festzustellen ist und welche Positionen hierbei einzubeziehen sind.

§ 4 Nr. 6 GV ist das Ausmaß des zulässigen Eingriffs nicht deshalb zu entnehmen, weil "die Nachschusspflicht betragsmäßig durch die Höhe der Kapitaleinlage begrenzt ist". Die Regelung lässt nicht hinreichend erkennen, ob die Höhe der Kapitalbeteiligung für alle Nachschussleistungen, für solche innerhalb eines bestimmten Zeitraums oder für jede einzelne Zahlungsaufforderung gelten soll.

b) Die - entgegen der Auffassung des Landgerichts - somit ohne Rechtsgrund geleisteten Nachschusszahlungen unterliegen grundsätzlich der Rückforderung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt.1 BGB), so dass die Widerklage in Höhe von 3.780,92 € begründet ist.

c) Keinen Erfolg hat die Beklagte hingegen, soweit sie Rückgewähr des im September 2000 gezahlten Betrages (1.394,43 €) fordert; dieses Begehren scheitert an § 814 BGB. Nach dieser Vorschrift ist die Rückforderung des zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleisteten ausgeschlossen, wenn der Leistende gewusst hat, dass er nach der Rechtslage nichts schuldet (vgl. BGHZ 113, 62, 70).

So liegt der Fall hier. Die Beklagte hatte nach ihrem eigenen Vortrag Kenntnis davon, dass der Gesellschaftsvertrag keine Nachschussregelung enthielt und dass die Gesellschafterversammlung einen die Gesellschafter zur Zahlung einer Sonderumlage verpflichtenden, als rechtswidrig, nämlich "kompetenzrechtlich nicht möglich" erkannten Beschluss nicht gefasst hatte. Wenn die Beklagte - wie sie vorträgt - die Zahlung dennoch in der - allerdings unzutreffenden und auch durch das Protokoll der Gesellschafterversammlung nicht gestützten - Annahme geleistet haben sollte, die Gesellschafterversammlung hätte eine solche Umlage beschließen können, ändert dies nichts an ihrer Kenntnis, dass ihrer Zahlung schon in Ermangelung eines Gesellschafterbeschlusses ein Rechtsgrund fehlte.

Ende der Entscheidung

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