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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 25.06.2008
Aktenzeichen: II ZR 96/07
Rechtsgebiete: ZPO, AktG, BGB


Vorschriften:

ZPO § 287
ZPO § 544 Abs. 7
AktG § 93
AktG § 116
BGB § 988
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

II ZR 96/07

vom 25. Juni 2008

in dem Rechtsstreit

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 25. Juni 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly, Dr. Strohn, Dr. Reichart und Dr. Drescher

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Klägerin wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 26. April 2007 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an den 5. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.870.494,91 € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde ist begründet und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an einen anderen Senat des Berufungsgerichts.

I. Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

1. Das Berufungsgericht hat einen schlüssigen Vortrag der Klägerin zu der von ihr geltend gemachten Wertminderung des Grundstücks infolge der langfristigen Vermietung an den Beklagten zu 1 vermisst. Dazu hat es das von der Klägerin vorgelegte Schreiben der A. vom 26. April 2004 als nicht ausreichend angesehen, weil darin zwar gesagt werde, der mögliche Kaufpreis für die Immobilie betrage 4,6 Mio. € - statt der tatsächlich nur erzielten 3,1 Mio. € -, dabei aber unklar sei, ob bei dieser Kaufpreisschätzung von dem Grundstück in unvermietetem Zustand ausgegangen oder der 30-jährige Mietvertrag berücksichtigt worden sei.

Das Berufungsgericht hat nicht beachtet, dass die Klägerin jedenfalls in der Berufungsbegründungsschrift unmissverständlich als ihre Behauptung klargestellt hat, dass der "eigentliche" Marktwert 4,6 Mio. € betragen und der langfristige Mietvertrag einen Preisabschlag von 1,5 Mio. € erzwungen habe (GA 751). Dazu hat sie zudem Beweis durch Sachverständigengutachten und Zeugen angeboten. Diesem Vortrag hätte das Berufungsgericht nachgehen müssen. Dabei hätte es auch bedenken müssen, dass ein Objekt, das eine gemischte Büro- und Wohnnutzung ermöglicht, schon nach der allgemeinen Lebenserfahrung weniger wert ist, wenn die Wohn(eigen)nutzung des Erwerbers aufgrund des streitigen Mietvertrages auf restliche 25 Jahre ausgeschlossen sein kann, zumal wenn die vereinbarte Wertsicherungsklausel keinen vollständigen Inflationsausgleich erlaubt.

2. Dieser Gehörsverstoß ist auch entscheidungserheblich. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht eine Schadensersatzpflicht der Beklagten aus §§ 93, 116 AktG angenommen hätte, wenn es festgestellt hätte, dass die Immobilie durch den Abschluss des 30-jährigen, hinsichtlich seiner Wirksamkeit streitigen Mietvertrages im Wert gemindert war. Die beiden von dem Berufungsgericht für den Ausschluss eines solchen Schadensersatzanspruchs gegebenen Hilfsbegründungen tragen dieses Ergebnis nicht.

a) So hat das Berufungsgericht angenommen, die Klägerin hätte die Wohnung im Juni 2000 auch auf eine Dauer von sechs Jahren vermieten können, so dass die Immobilie im April 2004 ebenfalls nicht mietfrei hätte veräußert werden können. Dabei ist schon unklar, wieso das Berufungsgericht - ohne sachverständige Beratung - offenbar unterstellt, dass eine Vermietung nicht auch für eine feste Dauer von drei oder vier Jahren möglich gewesen wäre. Wenn das Kündigungsrecht für nur drei oder vier Jahre ausgeschlossen worden wäre, hätte der Mietvertrag zum Zeitpunkt des Grundstücksverkaufs jedenfalls wegen Eigenbedarfs gekündigt werden können. Im Übrigen hätte eine kürzere Mietbindung nach der Lebenserfahrung auch zu einem geringeren Preisabschlag geführt.

b) Auch die weitere Hilfsbegründung, die Klägerin trage widersprüchlich vor, weil sie einerseits sage, sie habe das Grundstück wegen drohender Zahlungsunfähigkeit verkaufen müssen, und andererseits den Mindererlös allein auf die langfristige Vermietung zurückführe, trägt das Ergebnis nicht. Auch wenn nach der Lebenserfahrung davon auszugehen ist, dass bei einem Notverkauf eines Grundstücks im Regelfall nicht der Marktpreis erzielt werden kann, liegt es nahe, dass eine langfristige Vermietung des Objekts jedenfalls noch zusätzlich den Preis gemindert hat. Das Berufungsgericht wird daher zu entscheiden haben, ob sich der Beklagte zu 1 auf die nur von der Klägerin geltend gemachte Unwirksamkeit des Mietvertrages überhaupt berufen kann. Verneint es diese Frage, wird es - ggf. sachverständig beraten - den Preisabschlag, der auch bei einem Verkauf ohne Zeitdruck wegen der langfristigen Vermietung angefallen wäre, nach § 287 ZPO zu schätzen haben.

II. Die neu eröffnete mündliche Verhandlung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, die auf Zahlung der Mietdifferenz - errechnet aus der gezahlten Miete und der nach der richtigen qm-Zahl und dem ortsüblichen qm-Satz zu erzielenden Miete - und der Nebenkosten gerichteten Klagepositionen erneut zu prüfen. Bei seiner bisherigen Prüfung hat es nämlich verfahrensfehlerhaft § 287 ZPO nicht angewandt.

Zwar ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass ein Schadensersatzanspruch aus §§ 93, 116 AktG nur dann bestehen kann, wenn der Klägerin durch die Vermietung an den Beklagten zu 1 - wegen der angeblich zu niedrigen Miete - ein Schaden entstanden ist, wenn sie also die Möglichkeit gehabt hätte, die Wohnung zu einer höheren Miete zu vermieten. Ebenso zutreffend ist die Annahme, die Darlegungs- und Beweislast für den Schaden trage die Klägerin. Das Berufungsgericht hat aber nicht beachtet, dass nach der Rechtsprechung des Senats in diesem Rahmen § 287 ZPO anwendbar ist (BGHZ 152, 280, 287). Das Berufungsgericht wird also - ggf. sachverständig beraten - zu prüfen haben, ob ausreichende Tatsachen vorgetragen sind, die eine Schätzung des Schadens nach § 287 ZPO zulassen. Dabei wird es bedenken müssen, dass die ortsübliche Miete für das Mietobjekt in § 27 Abs. 2 des Mietvertrages von den Vertragspartnern einvernehmlich auf 30,00 DM/qm beziffert worden ist und die qm-Zahl der Wohnung sich im Zweifel aus den von der Klägerin mit der Berufungsbegründung vorgelegten Plänen des Hauses ergibt (GA 784).

Ob der Mietvertrag vom 2. Juni 2000 wirksam war, kann dabei offen bleiben. Denn jedenfalls ist der Klägerin durch die Überlassung der Wohnung an den Beklagten zu 1 die nach § 287 ZPO zu beurteilende Möglichkeit entgangen, die Wohnung zu einem angemessenen Mietzins zu vermieten. Im Übrigen hat der Beklagte zu 1 analog § 988 BGB bei einer Unwirksamkeit des Mietvertrages eine Nutzungsentschädigung - im Zweifel in Höhe der ortsüblichen Miete - zu zahlen (vgl. BGHZ 10, 350, 357; Erman/Ebbing, BGB 12. Aufl. Vor §§ 987-993 Rdn. 84 ff.).

Ende der Entscheidung

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