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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 29.06.2000
Aktenzeichen: III ZB 23/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 519 b Abs. 2
ZPO § 238 Abs. 2
ZPO § 233
ZPO § 234
ZPO § 85 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

III ZB 23/00

vom

29. Juni 2000

in dem Rechtsstreit

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Juni 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter Dr. Wurm, Schlick, Dr. Kapsa und Dörr

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluß des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 22. März 2000 aufgehoben.

Der Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung gegen das Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 22. März 1999 gewährt.

Gründe

I.

1. Mit der Klage hat der Kläger die Beklagte auf Zahlung einer vereinbarten Pauschalvergütung von 50.000 DM sowie auf Erstattung von Auslagen in Höhe weiterer 16.512,20 DM in Anspruch genommen. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 50.000 DM stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen. Gegen das ihr am 15. April 1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 1. Juni 1999 Berufung eingelegt und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung hat sie vorgetragen und glaubhaft gemacht:

Entsprechend der Organisation im Büro ihrer erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten sei die Berufungsfrist berechnet und zunächst von der Büroleiterin H. auf dem Deckblatt des Urteils vermerkt worden. Im selben Zuge sei die Frist auch noch auf dem Aktendeckel und im Fristenkalender notiert worden. Nachdem der Justitiar der Beklagten Rechtsanwalt D., einem der erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Beklagten, am 23. April 1999 telefonisch die Weisung zur Berufungseinlegung erteilt habe, habe Rechtsanwalt M. als Sachbearbeiter am 27. April 1999 entweder der Büroleiterin H. oder deren Assistentin K. die Anweisung erteilt, die Berufungsdurchführung zu veranlassen. Dies habe, wie in solchen Fällen üblich, in der Weise geschehen sollen, daß die Akte mit einem kurzen Auftragsvermerk über das Gerichtsfach dem Büro des jetzigen Prozeßbevollmächtigten der Beklagten zugeleitet würde. Die Erledigung dieser Weisung sei jedoch unterblieben, weil die langjährig in der Kanzlei beschäftigte und sonst als absolut zuverlässig und gewissenhaft bekannte Büroleiterin H. wegen einer am 28. April 1999 eingegangenen Ladung des Landgerichts zu einem Verhandlungstermin über einen von Rechtsanwalt M. gestellten Tatbestandberichtigungsantrag zu der irrigen Vorstellung gekommen sei, daß die Sache nun zunächst doch noch beim Landgericht weitergehe und sich die Berufungseinlegung jedenfalls vorläufig erledigt habe. Sie habe daraufhin die im Kalender eingetragene Frist gestrichen und die Versendung der Akten nicht veranlaßt, ohne zuvor mit einem der erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Beklagten Rücksprache zu nehmen. In deren Büro bestehe die Weisung, in derartigen Fällen Rücksprache mit einem der Anwälte zu halten, bevor eine Frist gestrichen werde. Wegen dieser Streichung sei auch die übliche Kontrolle, ob der zweitinstanzliche Prozeßbevollmächtigte die Übernahme des Mandats rechtzeitig bestätigt habe, nicht möglich gewesen. Im übrigen habe sich Rechtsanwalt M. ohne Rücksicht auf den Antrag auf Tatbestandsberichtigung auf die Ausführung seiner mündlichen Weisung zur Berufungseinlegung verlassen dürfen.

2. Durch den angefochtenen Beschluß hat das Oberlandesgericht den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen. Die Weisung zur Berufungseinlegung habe Rechtsanwalt M. unter den besonderen Umständen des Falles schuldhaft nicht hinreichend deutlich formuliert. Für ihn habe auf der Hand liegen müssen, daß die Handakten für die Behandlung des Tatbestandsberichtigungsantrags in erster Instanz noch benötigt würden. Jedenfalls unter diesen Umständen habe eine pauschale Weisung an die Angestellte nicht genügt; vielmehr hätte der Rechtsanwalt eine genaue Anweisung geben müssen, wie mit den Handakten wegen des Tatbestandsberichtigungsantrags zu verfahren sei. Die Behauptung, alle für das Tatbestandsberichtigungsverfahren notwendigen Schriftstücke und Vorgänge wären jedenfalls in der Retentakte des erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten verblieben, sei nicht glaubhaft.

II.

Die Beschwerde ist zulässig (§§ 519 b Abs. 2, 238 Abs. 2 ZPO) und begründet. Die Beklagte hat zwar die Berufungsfrist versäumt. Auf ihren rechtzeitig gestellten Antrag ist ihr jedoch gemäß §§ 233, 234 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Damit wird der die Berufung als unzulässig verwerfende Beschluß des Oberlandesgerichts gegenstandslos.

Nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen der Beklagten war sie ohne ein ihr zuzurechnendes (§ 85 Abs. 2 ZPO) Verschulden ihrer erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten gehindert, die Berufungsfrist zu wahren. Ob die von Rechtsanwalt M. einer der Kanzleiangestellten erteilte Einzelweisung, in der üblichen Form - d. h. unter Übersendung der Handakten an den zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten - Auftrag zur Berufungseinlegung zu erteilen, im Hinblick auf das noch anhängige Tatbestandsberichtigungsverfahren vor dem Landgericht hier zu ungenau war, wie das Berufungsgericht meint, mag dahinstehen. Ein solcher Mangel wäre jedenfalls für die Versäumung der Berufungsfrist im Ergebnis nicht ursächlich geworden. Da die Berufungsfrist im Fristenkalender notiert war, wäre bei der von der Beklagten näher dargelegten und glaubhaft gemachten üblichen Überwachung der Fristen mit Sicherheit und rechtzeitig aufgedeckt worden, daß ein Mandat an den zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten zur Berufungseinlegung unterblieben war. Erst die weitere, eigenmächtige Streichung auch dieser Kontrollfrist seitens der Büroleiterin H. hat also letztlich zu dem Fristversäumnis geführt. Hieran tragen die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten jedoch angesichts ihrer eindeutigen Anweisung, Fristen nicht ohne Rücksprache mit dem betreffenden Anwalt zu streichen, und der sonst erprobten Zuverlässigkeit der Angestellten H. kein Verschulden.

Ende der Entscheidung

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