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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 30.11.2006
Aktenzeichen: III ZB 23/06
Rechtsgebiete: StrEG, ZPO


Vorschriften:

StrEG § 13
ZPO § 167
Stellt die Partei wegen einer beabsichtigten Klage auf Entschädigung für eine Strafverfolgungsmaßnahme einen Prozesskostenhilfeantrag, ohne innerhalb der Frist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG ihre persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen unter Verwendung des vorgeschriebenen Vordrucks und unter Beifügung der erforderlichen Belege darzulegen, kommt ihr die Rückwirkung der späteren Zustellung der Klage auf den Eingang ihres Gesuchs nicht zugute.
BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

III ZB 23/06

vom 30. November 2006

in dem Rechtsbeschwerdeverfahren

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. November 2006 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und Dr. Herrmann beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 1. Zivilsenat, vom 8. Februar 2006 - 1 W 104/05 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Antragsteller verlangt von der beklagten Freien und Hansestadt Hamburg eine Entschädigung für erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 21. Mai 2002 stellte das Amtsgericht fest, dass der Antragsteller wegen des durch den Vollzug der Untersuchungshaft erlittenen Schadens zu entschädigen sei. Mit am 9. Mai 2005 zugestelltem Bescheid vom 2. Mai 2005 lehnte die Justizbehörde den Entschädigungsantrag des Antragstellers ab.

Der Antragsteller reichte am 8. August 2005 beim Landgericht eine durch seine Prozessbevollmächtigte unterzeichnete "Klage sowie Antrag auf Prozesskostenhilfe" ein. Am Ende der Klageschrift wird zum Prozesskostenhilfeantrag ausgeführt, der Antragsteller sei nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen außerstande, die Kosten des Rechtsstreits aufzubringen, da er von Arbeitslosengeld II lebe. Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse werde umgehend nachgereicht. Dies geschah - nach gerichtlicher Aufforderung vom 6. Oktober 2005 - am 20. Oktober 2005. Mit Verfügung vom 9. August 2005 ist der Antragsgegnerin eine unbeglaubigte Abschrift der Klage mit dem Prozesskostenhilfeantrag mit der Möglichkeit zur Stellungnahme zugeleitet worden. Die Klage ist noch nicht zugestellt worden.

Das Landgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag am 21. November 2005 zurückgewiesen, weil die Prozessführung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Der Antragsteller habe die Frist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG versäumt. Ihm komme auch die Rückwirkungsfiktion des § 167 ZPO nicht zugute. Zu einer Zustellung "demnächst" könne es nicht mehr kommen, weil der Antragsteller innerhalb der zu wahrenden Frist keine Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht, sondern diese erst nach mehr als zwei Monaten nachgereicht habe. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Prozesskostenhilfe kann dem Antragsteller nicht gewährt werden, weil die Vorinstanzen mit Recht davon ausgegangen sind, dass eine etwa noch vorzunehmende Zustellung der Klage die Frist des § 13 StrEG nicht wahrt.

1. a) Nach § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG ist die Klage, mit der die Entscheidung über den Entschädigungsanspruch im Rechtsweg zu überprüfen ist, innerhalb von drei Monaten nach Zustellung der Entscheidung zu erheben. Für die Erhebung der Klage kommt es nach § 253 Abs. 1 ZPO grundsätzlich auf deren Zustellung an. Soll durch die Zustellung - wie hier - eine Frist gewahrt werden, tritt diese Wirkung nach § 167 ZPO bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt. Diese Bestimmung ist auch auf die Klagefrist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG anwendbar (vgl. Senatsurteil vom 17. März 1983 - III ZR 154/81 - MDR 1983, 1002 f zu § 270 Abs. 3 ZPO a.F.).

b) Ob eine Zustellung "demnächst" im Sinne des § 167 ZPO erfolgt, beurteilt sich nach dem Sinn und Zweck dieser Regelung. Danach soll die Partei bei der Zustellung von Amts wegen vor Nachteilen durch Zustellungsverzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebs bewahrt werden. Denn derartige Verzögerungen liegen außerhalb ihres Einflussbereichs. Dagegen sind der Partei die Verzögerungen zuzurechnen, die sie oder ihr Prozessbevollmächtigter (§ 85 Abs. 2 ZPO) bei gewissenhafter Prozessführung hätte vermeiden können. Eine Zustellung "demnächst" nach der Einreichung oder Anbringung des zuzustellenden Antrags oder der zuzustellenden Erklärung bedeutet daher eine Zustellung innerhalb einer nach den Umständen angemessenen, selbst längeren Frist, wenn die Partei oder ihr Prozessbevollmächtigter unter Berücksichtigung der Gesamtsituation alles Zumutbare für die alsbaldige Zustellung getan hat. Die Zustellung ist dagegen nicht mehr "demnächst" erfolgt, wenn die Partei, der die Fristwahrung obliegt, oder ihr Prozessbevollmächtigter durch nachlässiges - auch leicht fahrlässiges - Verhalten zu einer nicht bloß geringfügigen Zustellungsverzögerung beigetragen hat (vgl. Senatsurteil vom 7. April 1983 - III ZR 140/81 - VersR 1983, 661, 662; Senatsbeschluss vom 2. November 1989 - III ZR 181/88 - BGHR ZPO § 270 Abs. 3 demnächst 4; siehe auch BGHZ 145, 358, 362 m.w.N.).

Diese Grundsätze gelten auch bei Verzögerungen durch ein Prozesskostenhilfeverfahren. Deshalb wahrt die Einreichung der Klageschrift auch in diesem Fall rückwirkend die Frist, wenn die Klage nur unverzüglich nach der vom Kläger nicht verzögerten (positiven oder negativen) Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag zugestellt wird (vgl. Senatsurteil vom 21. März 1991 - III ZR 94/89 - NJW 1991, 1745, 1746).

2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist es hier aus Gründen, die dem Antragsteller zuzurechnen sind, zu Verzögerungen gekommen, die es ausschließen, dass die Klage noch "demnächst" im Sinne des § 167 ZPO zugestellt werden kann.

a) Zwar ist hier in der Frist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG nicht nur ein mit einem Prozesskostenhilfeantrag versehener Klageentwurf eingegangen, sondern bereits die von einem postulationsfähigen Anwalt unterzeichnete Klageschrift. Die Frage einer Einzahlung oder Anforderung eines Gerichtskostenvorschusses für die Zustellung der Klage stellte sich nicht, da der Antragsteller mit der Stellung seines Prozesskostenhilfeantrags deutlich machte, dass er im Hinblick auf seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse von entstehenden Gerichtskosten befreit werden wollte. Dies setzte notwendigerweise eine nähere Prüfung seines Prozesskostenhilfeantrags und - nach Maßgabe des § 118 Abs. 1 ZPO - eine Anhörung des Gegners voraus. Eine solche, im Bewilligungsverfahren angelegte Verzögerung steht der Möglichkeit einer (späteren) Zustellung "demnächst" im Sinne des § 167 ZPO nicht entgegen.

b) Der Senat hat weiter durch Beschluss vom 30. November 2006 (III ZB 22/06 - für BGHZ vorgesehen) entschieden, eine unbemittelte Partei, die innerhalb der Frist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG lediglich einen Prozesskostenhilfeantrag stelle, könne die Rückwirkung des § 167 ZPO in Anspruch nehmen, wenn sie alles ihr Zumutbare für die alsbaldige Zustellung der Klage tue. Zwar genügt die Stellung eines Prozesskostenhilfeantrags und seine Übermittlung an die Gegenseite für sich gesehen nicht, die Ausschlussfrist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG zu wahren (vgl. Meyer, StrEG, 6. Aufl. 2005, § 13 Rn. 8; Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl. 2006, Anhang 5 § 13 StrEG Rn. 1; BGHZ 98, 295, 298 zur Wahrung der Frist des § 12 Abs. 3 VVG). Insoweit kommt es - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - vielmehr auf die Zustellung der Klage an. Das Kammergericht (KG-Report Berlin 2005, 168) hat erwogen, die Wertung des § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB entsprechend heranzuziehen, der für die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe - neben einer Klageerhebung (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) - eine eigenständige Möglichkeit der Verjährungshemmung eingeführt hat. Dem kann in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Zwar ist die entsprechende Anwendung einzelner Verjährungsvorschriften, insbesondere soweit sie Hemmungstatbestände betreffen, je nach dem Sinn und Zweck der in Rede stehenden Ausschlussfrist in Betracht zu ziehen (vgl. Senatsurteil BGHZ 79, 1, 2 zu § 12 StrEG und § 206 BGB a.F.). Ein Bedürfnis hierfür besteht hier indes nicht, weil den Interessen der finanziell unbemittelten Partei dadurch Rechnung getragen werden kann, dass sie innerhalb der Ausschlussfrist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG Prozesskostenhilfe beantragt und die Klage unverzüglich nach der von ihr nicht verzögerten (positiven oder negativen) Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag zugestellt wird (so wohl auch OLG Schleswig JurBüro 2000, 208; Schätzler/Kunz, StrEG, 3. Aufl. 2003, § 13 Rn. 3). Dies hat der Bundesgerichtshof bereits für die Frist des § 12 Abs. 3 Satz 1 VVG entschieden, wonach der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei wird, wenn der Anspruch auf die Leistung nicht innerhalb von sechs Monaten gerichtlich geltend gemacht wird (vgl. BGHZ 98, 295, 299 ff; Urteil vom 8. März 1989 - IVa ZR 17/88 - NJW-RR 1989, 675).

Grundlage hierfür ist die Überlegung, dass es im Bereich der Verwirklichung des Rechtsschutzes der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gebietet, die prozessuale Stellung von Bemittelten und Unbemittelten weitgehend anzugleichen (vgl. BVerfGE 81, 347, 356 m.w.N.). Es ist daher in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schon früher anerkannt worden, dass ein ordnungsgemäß begründetes und vollständiges Armenrechtsgesuch, das am letzten Tag vor Ablauf der Frist bei Gericht eingereicht wird, die Hemmungswirkung des § 203 Abs. 2 BGB a.F. auslöst (vgl. BGHZ 70, 235, 237 ff). Verlangt die in Rede stehende Vorschrift darüber hinaus die Erhebung der Klage oder - dem weitgehend gleichbedeutend - die gerichtliche Geltendmachung eines Anspruchs (vgl. BGHZ 98, 295; Senatsurteil vom 21. März 1991 - III ZR 94/89 - NJW 1991, 1745), muss hinzukommen, dass die unbemittelte Partei, soweit noch nicht geschehen, alsbald die Klage einreicht, sobald über das Prozesskostenhilfegesuch entschieden worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 1989 aaO). Sie bleibt daher auch bei Stellung eines Prozesskostenhilfeantrags in der Pflicht, nach der Entscheidung über ihr Gesuch weiterhin alles ihr Zumutbare zu tun, damit die Klage "demnächst" im Sinne des § 167 ZPO zugestellt werden kann.

c) Mit Recht haben die Vorinstanzen dem Antragsteller aber als Säumnis zugerechnet, dass er seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Frist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG unter Einreichung des hierfür vorgesehenen Vordrucks (§ 117 Abs. 4 ZPO) und unter Beifügung der erforderlichen Belege dargelegt hat. Auch wenn dies den zeitlichen Ablauf des konkreten Prozesskostenhilfeverfahrens, in dem die Parteien über die Erfolgsaussicht der Klage mehrere Schriftsätze gewechselt haben, nicht hinausgezögert haben mag, gehört es zu den Pflichten einer unbemittelten Partei, in Fällen, in denen eine fristgebundene Prozesshandlung vorzunehmen ist, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe innerhalb der Frist ordnungsgemäß darzulegen. Das ist im Zusammenhang mit der Einlegung eines Rechtsmittels ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHZ 148, 66, 69; Senatsbeschluss vom 28. Oktober 2004 - III ZR 381/03 - FamRZ 2005, 196 f; Beschluss vom 6. Juli 2006 - IX ZA 10/06 - FamRZ 2006, 1522 f) und kann auch für die Ausschlussfrist des § 13 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht anders beantwortet werden. Dass einer unbemittelten Partei unter solchen, von ihr zu vertretenden Umständen nicht die Wirkung des § 167 ZPO zugute kommen kann, hat auch das Bundesverfassungsgericht in einer Kammerentscheidung gebilligt (NJW 1994, 1853).



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