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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 22.11.2001
Aktenzeichen: III ZB 52/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 547
ZPO § 238 Abs. 2
ZPO § 519b Abs. 2
ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 234 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

III ZB 52/01

vom

22. November 2001

in dem Rechtsstreit

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und Galke am 22. November 2001

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Kläger gegen den Beschluß des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 19. September 2001 - 6 U 1153/01 - und ihr in der Beschwerdeinstanz gestellter Wiedereinsetzungsantrag werden zurückgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf 14.700 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Kläger legten gegen das ihrem Prozeßbevollmächtigten am 11. April 2001 zugestellte Urteil des Landgerichts am 8. Mai 2001 beim Oberlandesgericht Berufung ein. Nach einem Hinweis vom 13. Juni 2001 auf die Nichtwahrung der Begründungsfrist begründeten sie durch einen am 18. Juni 2001 eingegangenen Schriftsatz ihr Rechtsmittel und beantragten zugleich mit folgender Begründung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Die gewissenhafte, seit vier Jahren tätige Rechtsanwaltsfachangestellte im Büro ihres Prozeßbevollmächtigten, der die Aufgabe der Fristeintragung und Fristüberwachung zur eigenständigen Bearbeitung übertragen gewesen sei, habe die Berufungsbegründungsfrist nicht - wie es normalerweise geschehe - sofort notiert, als die Eingangsbestätigung des Oberlandesgerichts eingegangen sei. Sie habe diese einem weiteren Schreiben des Oberlandesgerichts vom 8. Mai 2001 beigeheftete Bestätigung nämlich übersehen. Auf die Beanstandung der Beklagten, die Eintragung der Berufungsbegründungsfrist habe nicht bis zur Mitteilung über den Eingang des Rechtsmittels zurückgestellt werden dürfen, haben die Kläger mit einem am 30. Juli 2001 eingegangenen Schriftsatz geltend gemacht, im Büro ihres Prozeßbevollmächtigten habe die Weisung bestanden, die Berufungsbegründungsfrist sofort nach Einlegung der Berufung zu notieren und bei Eingang einer Bestätigung des Oberlandesgerichts zu kontrollieren und gegebenenfalls zu korrigieren. Auch die sofortige Eintragung des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist sei versehentlich unterblieben. Im übrigen sei eine Wiedervorlage der Akte in der Woche nach Pfingsten (5. bis 8. Juni 2001) wegen Arbeitsüberlastung der Mitarbeiterin unterblieben.

Das Berufungsgericht hat die Erteilung von Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist versagt und das Rechtsmittel als unzulässig verworfen.

II.

Die nach §§ 238 Abs. 2, 519b Abs. 2, 547 ZPO statthafte und auch sonst (§§ 569, 577 ZPO) zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet.

1. Zu Recht hat das Berufungsgericht den Klägern keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erteilt, da die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auf einem Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten beruht, das sich die Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müssen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein Rechtsanwalt die Berechnung üblicher und in seiner Praxis häufig vorkommender Fristen sowie die Führung des Fristenkalenders seinem gut ausgebildeten und sorgfältig überwachten Büropersonal überlassen. Er muß aber durch geeignete organisatorische Maßnahmen dafür sorgen, daß Fristversäumnisse möglichst vermieden werden (vgl. BGH, Beschluß vom 6. Juli 1994 - VIII ZB 26/94 - NJW 1994, 2551 m.w.N.). Solche dem Prozeßbevollmächtigten zurechenbaren organisatorischen Fehler liegen hier jedoch vor.

a) Nach dem - zuletzt erst in der Beschwerdeinstanz durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung der Rechtsanwaltsfachangestellten K. vom 24. September 2001 und von Kopien des Fristenkalenders vom 6. und 11. Juni 2001 - glaubhaft gemachten Vorbringen der Kläger hat die angesprochene Mitarbeiterin nach Zustellung des Urteils am 11. April 2001 den Ablauf der Berufungsfrist auf den 11. Mai 2001 und der Berufungsbegründungsfrist auf den 11. Juni 2001 notiert. Da die Berufungsschrift bereits am 8. Mai 2001 verfaßt war und die Mitarbeiterin davon ausging, die Berufung werde voraussichtlich am kommenden Tag beim Berufungsgericht eingereicht, strich sie "rein vorsorglich" im Fristenkalender die Frist zum 11. Juni 2001. Der Weisung des Prozeßbevollmächtigten, im Zusammenhang mit der Einlegung der Berufung die Berufungsbegründungsfrist zu notieren bzw. zu aktualisieren, kam sie nicht nach. Sie nahm auch keine Überprüfung ihrer Eintragung vor, als sie die Eingangsmitteilung des Berufungsgerichts erreichte. Schließlich legte sie die Handakten nicht zur Bearbeitung am 6. Juni 2001 vor, obwohl die Sache mit dem Vermerk "VF!" an diesem Tag im Fristenkalender eingetragen war, sondern erst im Laufe der folgenden Woche, als bereits der telefonische Hinweis über die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist die Kanzlei erreicht hatte. Als Grund für die Nichtwiedervorlage werden der vermehrte Arbeitsaufwand in der nach dem Pfingstwochenende verkürzten Arbeitswoche und der Umstand genannt, die Wiedervorlagen erfolgten in der Regel im zweiwöchigen Rhythmus, was nach dem verkürzten Wochenende (gemeint möglicherweise: wegen der verkürzten Arbeitswoche) nicht möglich gewesen sei.

b) Es ist schon fraglich, ob das Wiedereinsetzungsgesuch zulässig ist. Denn grundsätzlich sind innerhalb der Zweiwochenfrist des § 234 Abs. 1 ZPO alle Umstände, die für die Frage von Bedeutung sind, auf welche Weise und durch wessen Verschulden es zur Versäumung der Frist gekommen ist, darzulegen und gegebenenfalls glaubhaft zu machen (vgl. BGH, Beschluß vom 5. Oktober 1999 - VI ZB 22/99 - NJW 2000, 365, 366). Der Senat braucht die Frage, ob einzelne Umstände verspätet dargelegt oder glaubhaft gemacht worden sind, jedoch nicht abschließend zu beantworten, da auch bei Würdigung des gesamten Vorbringens der Kläger ein ihnen zurechenbares organisatorisches Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten vorliegt. Es fehlen nämlich klare Angaben über die der Mitarbeiterin des Prozeßbevollmächtigten erteilten Weisungen zur Eintragung und zeitlichen Bemessung einer Vorfrist in Bezug auf das System der Wiedervorlage von Handakten im zweiwöchigen Rhythmus, so daß nicht festgestellt werden kann, ob die eingetragene Vorfrist in der Büroorganisation des Prozeßbevollmächtigten die Aufgabe wahrnehmen konnte, dem Rechtsanwalt durch rechtzeitige Vorlage der Akten auch für den Fall der hier eingetretenen Unregelmäßigkeiten des Büropersonals noch eine ausreichende Zeit zur fristgerechten Bearbeitung zu belassen. Darüber hinaus ist ihm als organisatorisches Verschulden zuzurechnen, daß er gegen die durch Urlaub und verkürzte Arbeitszeit verursachte Überlastung seiner allein im Büro verbliebenen Mitarbeiterin keine Vorkehrungen getroffen, insbesondere nicht beachtet hat, daß durch ein Ausbleiben von Wiedervorlagen Fristen versäumt werden können, wie es sich hier verwirklicht hat. Der in der Beschwerdeinstanz nochmals gestellte Antrag auf Erteilung der Wiedereinsetzung ist danach jedenfalls unbegründet.

2. Die Beschwerde beanstandet nicht, daß das Rechtsmittel nicht innerhalb der Frist von einem Monat begründet worden ist und darum unzulässig ist (§§ 519 Abs. 2, 519b Abs. 1 ZPO).

Ende der Entscheidung

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