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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 29.01.2009
Aktenzeichen: III ZB 62/08
Rechtsgebiete: ZPO, GG
Vorschriften:
ZPO § 574 Abs. 2 | |
GG Art. 2 Abs. 1 | |
GG Art. 20 Abs. 3 |
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
am 29. Januar 2009
durch
den Vorsitzenden Richter Schlick,
die Richter Dr. Herrmann, Wöstmann, Hucke und Seiters
beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des 21. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 8. Juli 2008 - 21 U 75/08 - wird als unzulässig verworfen.
Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.488 EUR festgesetzt.
Gründe:
In dem der Rechtsbeschwerde zugrunde liegenden Verfahren nehmen insgesamt acht Kläger die Beklagte auf Schadensersatz in unterschiedlicher Höhe in Anspruch. Sämtliche Kläger waren in erster Instanz durch die Kanzlei P. vertreten, der das klageabweisende Urteil des Landgerichts Berlin (5 O 390/06) am 8. Februar 2008 zugestellt wurde. Am 10. März 2008 legten sowohl die Kläger zu 1 (H. ) bis 7, vertreten durch die Kanzlei P. , als auch die Klägerin zu 8 und Rechtsbeschwerdeführerin, vertreten durch die Kanzlei M. , Berufung ein. Unter dem 19. März 2008 beantragte die Kanzlei P. in der Sache "H. u.a. ./. C. " namens und in Vollmacht der Berufungskläger die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 8. Mai 2008. Am 26. März 2008 wurde die Frist durch den Senatsvorsitzenden antragsgemäß verlängert.
In dem von der Geschäftsstelle des Senats unter dem Aktenzeichen 21 U 75/08 an die "Rechtsanwaltskanzlei P. " gerichteten Schreiben vom 26. März 2008 heißt es:
"In Sachen H. u.a. / C.
wird die Frist zur Begründung der Berufung um einen Monat bis zum 8. Mai 2008 einschließlich verlängert."
Das Schreiben, versehen mit dem Stempelaufdruck "Abschrift zur Kenntnisnahme", wurde auch den Bevollmächtigten der Klägerin zu 8 zusammen mit einem an die "Rechtsanwaltskanzlei M. " adressierten Begleitschreiben ["in der Sache H. u.a. ./. C. erhalten Sie beiliegende(s) Schriftstück(e)."] übersandt.
Diese wurden am 17. April 2008 im Rahmen eines Telefongesprächs durch den Senatsvorsitzenden darauf hingewiesen, dass ihre in dem Parallelverfahren 21 U 41/08 am 14. April 2008 eingereichte Berufungsbegründung möglicherweise als verspätet betrachtet werden könne, da sie dort - anders als die P. - keinen eigenen Verlängerungsantrag gestellt hätten.
Daraufhin reichten die Bevollmächtigten noch am selben Tag im hiesigen Verfahren die Berufungsbegründung ein und beantragten vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Durch die Verfügung des Vorsitzenden sei die Frist im Verfahren 21 U 75/08 in Sachen "H. u.a." und damit auch zugunsten ihrer Mandantin verlängert worden. Ob dies zu Recht erfolgt sei oder nicht, spiele keine Rolle, da die Verfügung keiner Rechtsmäßigkeitskontrolle unterliege. Jedenfalls hätten sie darauf vertrauen können, dass die Fristverlängerung auch für ihre Mandantin gelte; ein etwaiger Irrtum ihrerseits beruhe letztlich auf der zumindest missverständlichen Mitteilung des Gerichts, die ihrer Mandantin nicht angelastet werden könne.
Durch Beschluss vom 8. Juli 2008 hat das Kammergericht die Berufung der Klägerin zu 8 als unzulässig verworfen und ihren Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen. Die Berufungsbegründungsfrist sei lediglich zugunsten der Kläger zu 1 bis 7 verlängert worden. Dies hätten die Bevollmächtigten der Klägerin zu 8 bei der gebotenen Sorgfalt erkennen müssen. Dass in weiteren Parallelverfahren auf eigenen Antrag der Bevollmächtigten die Frist verlängert worden sei, entlaste sie nicht; die Führung mehrerer Verfahren entbinde einen Anwalt nicht davon, in jeder Akte den Fristablauf gesondert zu überwachen.
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin zu 8.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie ist jedoch unzulässig, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern (§ 574 Abs. 2 ZPO).
1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde verletzt der angegriffene Beschluss die Rechtsbeschwerdeführerin nicht in ihrem Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG), so dass eine Zulassung der Beschwerde auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist.
a) Die Berufungsbegründungsfrist für die Rechtsbeschwerdeführerin lief am 8. April 2008 ab. Ihre Berufungsbegründung ist erst am 17. April 2008 bei Gericht eingegangen. Durch die Verfügung des Vorsitzenden vom 26. März 2008 ist - wie das Berufungsgericht zutreffend annimmt - die Frist für die Rechtsbeschwerdeführerin nicht verlängert worden.
Der Antrag der Anwaltskanzlei P. vom 19. März 2008 bezog sich nur auf die von ihnen vertretenen Kläger zu 1 bis 7. In deren Namen hatte die Kanzlei Berufung eingelegt. Der Angabe im Rubrum "H. u.a." bzw. der Formulierung "namens und in Vollmacht der Berufungskläger" kann vor diesem Hintergrund - anders als es die Rechtsbeschwerde meint - nicht der Sinn beigelegt werden, der Antrag sei von seinem objektiven Inhalt für alle Berufungskläger und insoweit auch für die Klägerin zu 8 gestellt worden.
Unerheblich ist, dass in dem von der Geschäftsstelle übersandten Schreiben vom 26. März 2008 an die P. Kanzlei im Rubrum "in Sachen H. u.a. ./. C. " angegeben war.
Für den Umfang einer gerichtlichen Fristverlängerung, auf den sich eine Partei grundsätzlich verlassen kann, ist der objektive Inhalt der an sie gerichteten Mitteilung maßgeblich(Senatsbeschluss vom 30. April 2008 - III ZB 85/07 -NJW-RR 2008, 1162, 1163 m.w.N.).
Die Bevollmächtigten der Rechtsbeschwerdeführerin konnten von ihrem objektiven Empfängerhorizont her, zumal sie keinen Antrag auf Fristverlängerung gestellt hatten, der ihnen in "Abschrift zur Kenntnisnahme" übersandten, unmittelbar aber an die Bevollmächtigten der Kläger zu 1 bis 7 gerichteten Fristverlängerung nicht entnehmen, dass die Berufungsbegründungsfrist auch zugunsten ihrer Mandantin verlängert werden sollte. Sie mussten das Schreiben in Verbindung mit der Angabe im Rubrum "H. u.a." so verstehen, dass die Kanzlei P. für die Kläger zu 1 bis 7 Berufung eingelegt und Fristverlängerung für diese beantragt hatte und nunmehr das Berufungsverfahren - wie bereits in erster Instanz - unter diesem nach allgemein üblicher Form verkürzten Rubrum beim Kammergericht geführt wurde.
Auf die Ausführungen in der Rechtsbeschwerde, wonach eine Fristverlängerung auch dann wirksam sein könne, wenn kein entsprechender Antrag gestellt wurde, und zudem (unter Hinweis auf BGH, Beschluss vom 13. Juli 1972 - VII ZB 9/72 - VersR 1972, 1128, 1129) die Möglichkeit bestehe, dass die auf Antrag einer Partei bewilligte Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist auch Wirkungen für eine andere Partei des Berufungsverfahrens haben könne, kommt es deshalb nicht an. Denn es fehlt (siehe entsprechend auch BGH, aaO) an der Voraussetzung, dass sich aus der gerichtlichen Verfügung ergibt, dass die Verlängerung auch für die betreffende Partei bewilligt worden ist.
b) Das Berufungsgericht hat zutreffend die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt, da die Frist zur Berufungsbegründung nicht unverschuldet versäumt wurde.
Nach § 85 Abs. 2 ZPO steht das Verschulden des Bevollmächtigten dem Verschulden der Partei gleich.
Die Bevollmächtigten der Rechtsbeschwerdeführerin trifft aus den oben genannten Gründen ein Verschulden. Da sie selbst keinen - von Gesetzes wegen erforderlichen - Antrag auf Fristverlängerung gestellt hatten, konnten sie bei Anwendung der einem Rechtsanwalt abzuverlangenden Sorgfalt der ihnen abschriftlich zur Kenntnisnahme übermittelten und an die Bevollmächtigten der Kläger zu 1 bis 7 gerichteten Fristverlängerung nicht entnehmen, dass auch die Frist zur Berufungsbegründung gegenüber ihrer Mandantin verlängert werden sollte.
Zu Unrecht beruft sich die Rechtsbeschwerde darauf, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (NJW 2004, 2887 m.w.N.) ein Gericht nach dem Gebot eines fairen Verfahrens aus eigenen oder ihm zuzurechnenden Fehlern, Unklarheiten oder Versäumnissen keine Verfahrensnachteile ableiten darf, wobei diese das Verschulden einer Partei überlagern und deren Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gebieten können (NJW 2005, 2137).
Denn um eine solche Fallgestaltung geht es hier nicht. Die den Bevollmächtigten der Rechtsbeschwerdeführerin zugegangenen Schriftstücke waren nach ihrem Erklärungsinhalt eindeutig. Die Gefahr von Missverständnissen bestand objektiv nicht - dass die Bevollmächtigten subjektiv den Inhalt missverstanden haben wollen, begründet gerade ihr Verschulden -, so dass es unerheblich ist, ob das Berufungsgericht bei einer ausdrücklichen Erwähnung der Kläger zu 1 bis 7 in der Verlängerungsverfügung diesen Irrtum hätten vermeiden können. Denn mit einer solchen Fehlinterpretation der übersandten Schriftstücke musste nicht gerechnet werden.
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch nicht zur Klärung der Frage zuzulassen, ob in einem Berufungsverfahren, in dem mehrere Berufungskläger von verschiedenen Bevollmächtigten vertreten werden, von denen nur einer einen Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist stellt, die daraufhin ergangene Verlängerungsverfügung des Vorsitzenden, wonach die Frist verlängert wird, für alle Berufungsführer gilt oder nur für denjenigen, dessen Bevollmächtigter den in der Verfügung nicht angesprochenen Antrag gestellt hat.
Für den Umfang einer gerichtlichen Fristverlängerung ist - wie bereits ausgeführt - deren objektiver Inhalt maßgebend. Die diesbezügliche Auslegung ist aber eine Frage des jeweiligen Einzelfalles, hat mithin weder rechtsgrundsätzliche noch rechtsfortbildende Bedeutung.
Ende der Entscheidung
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