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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 22.02.2001
Aktenzeichen: III ZB 71/99
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 1065 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 561 Abs. 1
ZPO §§ 1065 Abs. 2 Satz 2, 561 Abs. 1

Die nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts ergangene Entscheidung im Erlaßstaat über die Verbindlichkeit oder Aufhebung des Schiedsspruchs kann im Verfahren der Rechtsbeschwerde berücksichtigt werden.

BGH, Beschluß vom 22. Februar 2001 - III ZB 71/99 - OLG Rostock


BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

III ZB 71/99

vom

22. Februar 2001

in dem Rechtsstreit

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Februar 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und Galke

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 28. Oktober 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Schiedsspruch der Schiedskommission für Schiffahrtsfragen bei der Industrie- und Handelskammer der Russischen Föderation in Moskau vom 20. August 1998 - 7/1998 - im Inland nicht anerkannt worden ist.

Der vorbezeichnete Schiedsspruch, durch den die Antragsgegnerin verurteilt worden ist, an die Antragstellerin 1.171.192,78 Rubel zu zahlen, wird für vollstreckbar erklärt.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Die Antragstellerin beansprucht für Instandsetzungsarbeiten an einem Motorschiff der Antragsgegnerin Werklohn, Verzugsschadensersatz sowie Erstattung von Standzeitkosten. Aufgrund einer mit der Antragsgegnerin geschlossenen Schiedsvereinbarung rief sie die Schiedskommission für Schiffahrtsfragen bei der Industrie- und Handelskammer der Russischen Föderation in M. an. Diese verurteilte die Antragsgegnerin durch Schiedsspruch vom 20. August 1998, 1.171.192,78 Rubel an die Antragstellerin zu zahlen.

Die Antragsgegnerin war der Auffassung, der Schiedsspruch sei in einem Streitfall gefaßt worden, der von dem Schiedsabkommen nicht vorgesehen sei. Sie erwirkte einen Gerichtsbescheid des M. Städtischen Gerichts vom 12. April 1999, durch den der Schiedsspruch aufgehoben wurde. Das Gerichtskollegium für Zivilsachen des Obersten Gerichts der Russischen Föderation bestätigte diese Entscheidung durch Gerichtsbescheid vom 25. Juni 1999.

Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs. Das Oberlandesgericht hat den Schiedsspruch im Inland nicht anerkannt. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin.

Am 24. November 1999 - nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts - gab der Vorstand des Obersten Gerichts der Russischen Föderation einem Protest des stellvertretenden Vorsitzenden dieses Gerichts gegen den Gerichtsbescheid vom 25. Juni 1999 statt und hob die Gerichtsbescheide des M. Städtischen Gerichts und des Gerichtskollegiums für Zivilsachen des Obersten Gerichts der Russischen Föderation auf. Die Sache wurde an das M. Städtische Gericht zurückverwiesen. Dieses wies den Aufhebungsantrag der Antragsgegnerin durch Beschluß vom 20. März 2000 zurück. Die dagegen von der Antragsgegnerin eingelegte Beschwerde blieb erfolglos.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist begründet; der angefochtene Beschluß beruht auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 1065 Abs. 2 Satz 1 ZPO n.F.

1. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet:

Die formellen Voraussetzungen eines Antrags auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs seien erfüllt. Die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs müsse jedoch aufgrund des Art. V Abs. 1 lit. e des Übereinkommens vom 10. Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (BGBl. 1961 II S. 121, im folgenden UNÜ) versagt werden. Der Schiedsspruch sei nach seiner Aufhebung durch den Gerichtsbescheid des M. Städtischen Gerichts vom 12. April 1999 und den Gerichtsbescheid des Gerichtskollegiums für Zivilsachen des Obersten Gerichts der Russischen Föderation vom 25. Juni 1999 nicht mehr verbindlich und könne daher im Inland nicht mehr anerkannt werden.

2. Der angefochtene Beschluß hält der rechtlichen Prüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.

Die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs der Schiedskommission für Schiffahrtsfragen bei der Industrie- und Handelskammer der Russischen Föderation in M. vom 20. August 1998 richtet sich nach dem UNÜ. Das ergibt sich aus § 1061 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die dort bestimmte Verweisung auf das UNÜ greift Platz, weil es um die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs geht (§ 1025 Abs. 4 i.V.m. §§ 1061 bis 1065 ZPO). Denn der insoweit maßgebliche Schiedsort (vgl. § 1025 Abs. 1 ZPO) lag in M./Russische Föderation.

a) Das Oberlandesgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, daß die Vorlageerfordernisse des Art. IV UNÜ erfüllt sind.

aa) Gemäß Art. IV Abs. 1 lit. a UNÜ hat die Partei, welche die Anerkennung und Vollstreckung nachsucht, zugleich mit ihrem Antrag die gehörig legalisierte (beglaubigte) Urschrift des Schiedsspruchs oder eine Abschrift, deren Übereinstimmung mit einer solchen Urschrift ordnungsgemäß beglaubigt ist, vorzulegen. Die Antragstellerin hat jedoch eine Abschrift des Schiedsspruchs vorgelegt, die nicht von einer gehörig legalisierten Urschrift des Schiedsspruchs genommen worden ist. Denn notariell beglaubigt ist nur die Übereinstimmung der Abschrift mit der Urschrift des Schiedsspruchs, nicht die Echtheit der Unterschriften der Schiedsrichter. Diesen Legalisationsmangel hat das Oberlandesgericht indes zu Recht für unbeachtlich gehalten. Die Vorlage einer beglaubigten, wenn auch nicht von einer legalisierten Urschrift des Schiedsspruchs gefertigten Abschrift kann hier als den Antragsvoraussetzungen des Art. IV Abs. 1 lit. a UNÜ genügend angesehen werden. Denn die Existenz und Authentizität des Schiedsspruchs ist unstreitig (vgl. Senatsbeschluß vom 17. August 2000 - III ZB 43/99 - NJW 2000, 3650, 3651).

bb) Gemäß Art. IV Abs. 1 lit. b UNÜ hat die um Anerkennung und Vollstreckung nachsuchende Partei ferner die Urschrift der Schiedsvereinbarung oder eine Abschrift, deren Übereinstimmung mit einer solchen Urschrift ordnungsgemäß beglaubigt ist, - nebst Übersetzung (Art. IV Abs. 2 UNÜ) - vorzulegen. Das hat die Antragstellerin nicht getan.

In Anknüpfung an den oben genannten Senatsbeschluß zu Art. IV Abs. 1 lit. a UNÜ und Stein/Jonas/Schlosser (ZPO 21. Aufl. 1994 Anhang zu § 1044 Rn. 52) kann von dem Vorlageerfordernis des Art. IV Abs. 1 lit. b UNÜ aber Abstand genommen werden, wenn - wie im vorliegenden Fall - der Gegner den behaupteten Inhalt der Schiedsvereinbarung nicht bestreitet. Das Oberlandesgericht hat als unstreitig festgestellt, daß die Parteien unter Punkt 8.12 des Vertrages vom 12. Mai 1997 als Schiedsgericht für die Klärung von Streitigkeiten die Schiedskommission der Stadt M. vereinbart haben. Die Rechtsbeschwerdeerwiderung hat insoweit keine Beanstandungen erhoben, sondern ausdrücklich erklärt, die nach § 1061 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit dem UNÜ erforderlichen Voraussetzungen für die Vollstreckbarkeitserklärung seien im Streitfall "grundsätzlich erfüllt".

b) Der von dem Oberlandesgericht angenommene Versagungsgrund des Art. V Abs. 1 lit. e UNÜ ist nach dem für die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde maßgeblichen Sachstand nicht gegeben. Art. V Abs. 1 lit. e UNÜ lautet, soweit hier maßgeblich:

"Die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs darf auf Antrag der Partei, gegen die er geltend gemacht wird, nur versagt werden, wenn diese Partei ... den Beweis erbringt ..., daß der Schiedsspruch für die Parteien noch nicht verbindlich geworden ist oder daß er von einer zuständigen Behörde des Landes, in dem oder nach dessen Recht er ergangen ist, aufgehoben ... worden ist."

Dieser Versagungsgrund greift nicht durch, weil inzwischen feststeht, daß der Schiedsspruch für die Parteien verbindlich und nicht aufgehoben worden ist. Es ist nicht ersichtlich, daß er bei einer höheren schiedsrichterlichen Instanz oder mit einem Rechtsmittel bei einem staatlichen Gericht angegriffen werden könnte (vgl. Senatsurteil vom 14. April 1988 - III ZR 12/87 - NJW 1988, 3090, 3091). Das von der Antragsgegnerin bei dem M. Städtischen Gericht eingereichte Gesuch auf Aufhebung des Schiedsspruchs ist - was das Oberlandesgericht noch nicht hat berücksichtigen können - inzwischen rechtskräftig abgewiesen worden; die dem Gesuch stattgebenden Instanzentscheidungen sind durch Rechtspruch des Vorstandes des Obersten Gerichts der Russischen Föderation vom 24. November 1999 aufgehoben worden. Die Antragstellerin hat im Verfahren der Rechtsbeschwerde einen - mit der Apostille nach dem Haager Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Legalisation vom 5. Oktober 1961 (BGBl. 1965 II S. 875) versehenen - Abdruck der verfahrensabschließenden Entscheidung des Obersten Gerichts der Russischen Föderation vom 21. April 2000 vorgelegt. Aufgrund dieses - unstreitigen - Ausgangs des von der Antragsgegnerin angestrengten Aufhebungsverfahrens kann offenbleiben, ob schon die dem Gesuch der Antragsgegnerin stattgebenden Instanzentscheidungen dem Schiedsspruch die Verbindlichkeit nehmen oder ihn aufheben konnten (Art. V Abs. 1 lit. e UNÜ). Denn sie sind ihrerseits aufgehoben worden.

§ 1065 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 561 ZPO verbietet allerdings die Einführung neuer Tatsachen im Verfahren der Rechtsbeschwerde. Wie im Revisionsrechtszug erfährt dieser Grundsatz aber eine Ausnahme bei Tatsachen, die die prozessuale Rechtslage erst während des Verfahrens der Rechtsbeschwerde verändern (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 1995 - II ZR 75/94 - WM 1995, 1806, 1807) oder vom Gericht der Rechtsbeschwerde von Amts wegen zu berücksichtigen sind (vgl. Senatsurteil vom 6. Oktober 1983 - III ZR 61/82 - VersR 1984, 77, 78 und BGH, Urteil vom 24. Juni 1980 - VI ZR 106/79 - VersR 1980, 822). Darüber hinaus können Entscheidungen Berücksichtigung finden, die eine vorgreifliche Frage rechtskräftig klären, von deren Beantwortung das Ergebnis des zur Beurteilung stehenden Rechtsstreits abhängt (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 1980 aaO und Urteil vom 19. Oktober 1988 - IVb ZR 70/87 - BGHR ZPO § 561 Abs. 1 Satz 1 Durchbrechung 2; Senatsbeschluß vom 28. Februar 1991 - III ZR 252/89 - BGHR ZPO § 561 Abs. 1 Satz 1 Durchbrechung 4). Im Streitfall ist eine vergleichbare Abhängigkeit des Vollstreckbarerklärungsverfahrens von der Entscheidung im Erlaßstaat über die Verbindlichkeit oder Aufhebung des Schiedsspruchs gegeben. Ist der Schiedsspruch im Erlaßstaat noch nicht verbindlich oder ist er aufgehoben worden, dann ist ihm die Anerkennung im Vollstreckungsstaat zu versagen (Art. V Abs. 1 lit. e UNÜ); ist im Erlaßstaat ein Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruchs gestellt, kann das Anerkennungsverfahren ausgesetzt werden (Art. VI erster Halbsatz UNÜ).

c) Versagungsgründe außerhalb des Art. V Abs. 1 lit. e UNÜ werden nicht geltend gemacht und sind auch sonst nicht ersichtlich, so daß der Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären ist.

Ende der Entscheidung

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