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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 21.02.2008
Aktenzeichen: III ZB 74/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 519 Abs. 2
ZPO § 522 Abs. 1 Satz 4
ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

III ZB 74/07

vom 21. Februar 2008

in dem Rechtsstreit

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Februar 2008 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Dr. Wurm, Dörr, Dr. Herrmann und Wöstmann

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde der Kläger wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Baden-Baden vom 20. August 2007 aufgehoben.

Die Sache wird zur Entscheidung über die Berufung und die Kosten der Rechtsbeschwerde an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Durch Urteil des Amtsgerichts vom 18. Mai 2007 wurde die zunächst von der D. GmbH erhobene und später im Wege des Parteiwechsels nach einer Rückabtretung von den Klägern fortgeführte Klage auf Zahlung des von ihnen geltend gemachten Zahnarzthonorars von 4.950,65 € nebst Zinsen abgewiesen. Gegen dieses den Prozessbevollmächtigten der Kläger (und zuvor auch der D. GmbH) am 24. Mai 2007 zugestellte Urteil legten diese am 25. Juni 2007 - einem Montag - in Sachen D. GmbH (Klägerin/Berufungsklägerin) gegen S. (Beklagte/Berufungsbeklagte) namens der Klägerin unter Beifügung des angefochtenen Urteils Berufung ein. Mit einem am 10. Juli 2007 beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz begründeten sie für die Kläger, die jetzt zutreffend im Kurzrubrum des Schriftsatzes aufgeführt waren, die eingelegte Berufung. Nach einem Hinweis des Vorsitzenden der Berufungskammer vom 16. Juli 2007, dass die Berufung der Kläger verspätet eingelegt und diejenige der D. GmbH mangels Beschwer unzulässig sei, verwarf das Landgericht die Berufung der Kläger durch Beschluss vom 20. August 2007 als unzulässig. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Berufungsschrift vom 25. Juni 2007 sei ausdrücklich für die D. GmbH eingelegt worden. Innerhalb der Berufungsfrist habe sich nicht durch Auslegung des angefochtenen Urteils ergeben, dass es sich bei der Aufnahme der D. GmbH als Klägerin um eine offensichtlich fehlerhafte Bezeichnung gehandelt habe. Dies habe sich erst aus der nach Ablauf der Berufungsfrist eingegangenen Berufungsbegründung ergeben.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde der Kläger.

II.

1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), und begründet, weil der angefochtene Beschluss den Zugang der Kläger zur Berufungsinstanz in nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert.

2. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass nach § 519 Abs. 2 ZPO das Urteil zu bezeichnen ist, gegen das die Berufung gerichtet wird, und dass hierzu insbesondere die vollständige und eindeutige Bezeichnung des Berufungsführers gehört. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist hierzu anerkannt, dass an die eindeutige Bezeichnung des Rechtsmittelführers strenge Anforderungen zu stellen sind. Der Formvorschrift des § 519 Abs. 2 ZPO (früher § 518 Abs. 2 ZPO) ist nur entsprochen, wenn bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist angegeben wird, für wen und gegen wen das Rechtsmittel eingelegt werden soll (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. November 2005 - XI ZB 43/04 - NJW-RR 2006, 284; vom 10. Oktober 2006 - XI ZB 14/06 - NJW-RR 2007, 413, 414 Rn. 8). Daran fehlt es, wenn in der Berufungsschrift anstelle des wirklichen Berufungsklägers ein anderer, mit ihm nicht identischer Beteiligter bezeichnet wird (BGH, Beschlüsse vom 16. Juli 1998 - VII ZB 7/98 - VersR 1998, 1529, 1530; vom 20. Januar 2004 - VI ZB 68/03 - NJW-RR 2004, 862 f). Das bedeutet aber nicht, dass die erforderliche Klarheit über die Person des Rechtsmittelklägers ausschließlich durch dessen ausdrückliche Bezeichnung zu erzielen wäre. Vielmehr kann sie - nicht zuletzt unter Beachtung des Grundsatzes, dass der Zugang zu den Instanzen aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht unzumutbar erschwert werden darf - auch im Wege der Auslegung der Berufungsschrift und der etwa sonst vorhandenen Unterlagen gewonnen werden (vgl. Senatsurteil vom 8. April 2004 - III ZR 20/03 - NJW-RR 2004, 851, 852 m.w.N.). Dabei kommt es maßgeblich darauf an, ob die Person des Rechtsmittelführers bis zum Ablauf der Berufungsfrist für das Berufungsgericht und den Gegner in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise erkennbar wird (BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2006 aaO).

3. Gemessen hieran bestanden bei verständiger Würdigung keine Zweifel, dass die Kläger - und nicht die D. GmbH - Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts eingelegt hatten.

a) Dabei kann allerdings nicht - wie die Rechtsbeschwerde meint - bereits darauf abgestellt werden, dass die Geschäftsstelle des Landgerichts die Berufung unter dem zutreffenden Kurzrubrum K. gegen P.-S. zugestellt hat. Mehr als eine - eher gering zu veranschlagende - Indizwirkung kann dem nicht zukommen. Denn die Geschäftsstelle hatte hier keine nähere Prüfung vorzunehmen, und die zutreffende Angabe der Klägerseite im Kurzrubrum konnte auch auf der Übernahme aus dem angefochtenen Urteil beruhen.

b) Aus der der Berufungsschrift beigefügten Abschrift des angegriffenen Urteils ergab sich indes, dass die Kläger ihre Honorarforderungen an die D. GmbH abgetreten hatten, die diese zunächst klageweise geltend machte, und dass diese Ansprüche während des streitigen Verfahrens an die Kläger zurückabgetreten wurden, worauf diese anstelle der D. GmbH in den Rechtsstreit eintraten. In den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils wird dieser Vorgang als sachdienliche und daher zulässige Parteiänderung bezeichnet.

Danach konnte für die Beklagte von vornherein nicht zweifelhaft sein, dass die Kläger Rechtsmittelführer waren. Denn der Parteiwechsel beruhte entscheidend auf dem Umstand, dass die Beklagte die Aktivlegitimation der D. GmbH und die Wirksamkeit der Abtretung der Honoraransprüche bestritten hatte.

Aber auch aus der Sicht des Berufungsgerichts, dem bis zur Übersendung der Prozessakten außerhalb der Berufungsfrist die genaue Vorgeschichte für den Parteiwechsel verborgen war, waren bei einer verständigen Würdigung nur die Kläger als Rechtsmittelführer in Betracht zu ziehen. Denn aus dem angefochtenen Urteil ergab sich der mögliche Hintergrund für die versehentliche Bezeichnung der D. GmbH als Rechtsmittelführerin und zugleich mit hinreichender Gewissheit, dass als von der angefochtenen Entscheidung beschwerte Parteien nur die Kläger in Betracht kamen, die anstelle der D. GmbH in den Rechtsstreit eingetreten waren. Das Berufungsgericht will zwar nicht die Deutung ausschließen, dass die D. GmbH sich mit der Berufung gegen die vom Amtsgericht angenommene Zulässigkeit des Parteiwechsels und die Klageabweisung richten wollte und sich insofern als beschwert ansah. Das liegt aber angesichts der aus dem angefochtenen Urteil zu entnehmenden Prozessgeschichte, der das materiell-rechtliche Rechtsgeschäft der Rückabtretung der Ansprüche zugrunde lag, und des Umstands, dass der von denselben Prozessbevollmächtigten begleitete Parteiwechsel offensichtlich einvernehmlich vorgenommen wurde, so fern, dass man die D. GmbH schwerlich als durch das angefochtene Urteil beschwert ansehen kann. Hiervon ist auch der Vorsitzende der Berufungskammer in seiner Verfügung vom 16. Juli 2007 noch ausgegangen. Dann sprachen aber schon bei Einlegung der Berufung keine vernünftigen Gründe für die Annahme, dass die D. GmbH das Urteil des Amtsgerichts anfechten wollte.

Ende der Entscheidung

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