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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 25.06.2009
Aktenzeichen: III ZB 75/08
Rechtsgebiete: GVG, ZPO
Vorschriften:
GVG § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b | |
ZPO § 253 Abs. 1 | |
ZPO § 261 Abs. 1 | |
ZPO § 261 Abs. 3 Nr. 2 |
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
am 25. Juni 2009
durch
den Vorsitzenden Richter Schlick sowie
die Richter Dörr, Wöstmann, Seiters und Schilling
beschlossen:
Tenor:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 19. September 2008 - 6 S 62/08 - aufgehoben.
Die Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung über die Berufung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 2.500 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
In dem der Rechtsbeschwerde zugrunde liegenden Verfahren nimmt der Kläger den Beklagten vor dem Amtsgericht Waldbröl auf Rückzahlung von 2.500 EUR im Zusammenhang mit der Teilnahme an einem sogenannten Schenkkreis in Anspruch. In der am 12. Januar 2007 zugestellten Klage vom 29. Dezember 2006 sowie in dem weiteren persönlichen Schreiben des Klägers an das Amtsgericht vom 17. März 2007 ist als Adresse des Klägers jeweils "E. straße 26, K. " angegeben. Unter dieser Anschrift erreichten den Kläger, dessen persönliches Erscheinen das Amtsgericht angeordnet hatte, auch die Ladung vom 14. Februar 2007 zum Termin am 9. März 2007 sowie die Umladungen vom 28. Februar 2007 zunächst auf den 30. März 2007 sowie vom 27. März 2007 auf den 27. April 2007. Im Termin am 27. April 2007 wurde der Kläger, nachdem das Amtsgericht den Rechtsstreit mit zwei Parallelverfahren zum Zwecke der Beweisaufnahme verbunden hatte, als Zeuge vernommen. Hierbei gab er zur Person an: "Tierarzt, geschäftsansässig in K. , wohnhaft in Belgien". Im Laufe des weiteren Verfahrens überreichte der Kläger mit Schriftsatz vom 13. September 2007 zwei von ihm gegen andere Teilnehmer des Spielkreises unter dem 24. Januar und dem 5. März 2007 erwirkte Urteile des Amtsgerichts Waldbröl (3 C 386/06) sowie des Amtsgerichts Westerburg (23 C 2/07), in denen ebenfalls als seine Adresse jeweils "E. straße 26, K. " angegeben war. Mit Urteil vom 22. Februar 2008 verurteilte das Amtsgericht Waldbröl den Beklagten zur Zahlung von 2.500 EUR nebst Zinsen; im Rubrum war der Kläger unter der obigen Anschrift aufgeführt.
Der Beklagte legte gegen dieses Urteil fristgemäß Berufung zum Landgericht Bonn ein. Unter dem 7. Mai 2008 forderte der stellvertretende Vorsitzende der 6. Zivilkammer den Kläger auf, "seinen Wohnsitz, der sich nach seinen Angaben im Termin vom 27.4.2007 in Belgien befindet, näher bekannt zu geben und mitzuteilen, seit wann er dort wohnhaft ist". Nachdem der Kläger auf diese Aufforderung nicht reagierte, wiederholte das Landgericht die Anfrage unter dem 4. August 2008. Der Kläger teilte daraufhin nunmehr mit, sein Wohnsitz befinde sich in der Rue A. A. 6/A in S. L. ; insoweit legte er einen Personalausweis, ausgestellt am 29. September 2000, vor, in dem diese Anschrift aufgeführt war.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 19. September 2008 hat das Landgericht die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen, da sie entgegen § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG nicht beim zuständigen Oberlandesgericht Köln eingelegt worden sei. Dieses Gericht sei zuständig, weil der Kläger bereits zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Rechtsstreites seinen Wohnsitz außerhalb des Geltungsbereiches des Gerichtsverfassungsgesetzes gehabt habe; dies sei durch Vorlage der Kopie des belgischen Personalausweises glaubhaft gemacht.
Der Beklagte hat, nachdem ihn der Berichterstatter der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bonn mit Verfügung vom 28. August 2008 auf die beabsichtigte Verwerfung der Berufung als unzulässig hingewiesen hatte, beim Oberlandesgericht Köln nochmals Berufung eingelegt und gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Insoweit ist im Hinblick auf das anhängige Rechtsbeschwerdeverfahren noch keine Entscheidung ergangen.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO i.V.m. § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg, da das Landgericht seine Zuständigkeit zu Unrecht verneint hat.
Nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG sind die Oberlandesgerichte in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel in Streitigkeiten über Ansprüche, die von einer oder gegen eine Partei erhoben werden, die ihren allgemeinen Gerichtsstand im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit in erster Instanz außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes hatte.
Die Anknüpfung an den allgemeinen Gerichtsstand - d.h. bei natürlichen Personen an den Wohnsitz (§ 13 ZPO) - soll insoweit eine hinreichende Bestimmtheit und damit Rechtssicherheit für die Abgrenzung der Berufungszuständigkeit zwischen Land- und Oberlandesgericht gewährleisten (vgl. BT-Drucks. 14/6036, S. 119). Maßgeblich ist der Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit, also grundsätzlich gemäß § 253 Abs. 1, § 261 Abs. 1 ZPO der Zeitpunkt der Zustellung der Klageschrift, hier der 12. Januar 2007. Spätere Veränderungen, wie z.B. ein Umzug ins Ausland oder vom Ausland ins Inland, sind damit - genauso wie es § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO für die Zuständigkeit des Prozessgerichtes im Verfahren des ersten Rechtszugs vorsieht - grundsätzlich unerheblich (vgl. nur BGH, Beschluss vom 3. Mai 2006 - VIII ZB 88/05 - NJW 2006, 2782, 2783; Urteil vom 27. März 2008 - VII ZR 76/07 - BGHReport 2008, 763, 764; Zöller/Lückemann, ZPO, 27. Aufl., § 119 GVG, Rn. 14; Münch-KommZPO/Zimmermann, 3. Aufl., § 119 GVG, Rn. 9; Musielak/Wittschier, ZPO, 6. Aufl., § 119 GVG, Rn. 19, jeweils m.w.N.).
Durch die Regelung in § 119 Abs. 1 Nr. 2 GVG soll bereits bei Verfahrensbeginn erkennbar sein, bei welchem Gericht ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Amtsgerichts einzulegen ist. Dies entspricht dem aus dem Gebot der Rechtssicherheit abgeleiteten Gebot der Rechtsmittelklarheit, dem Rechtsuchenden den Weg zur Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen klar vorzuzeigen. Hieraus folgt, dass der im Verfahren vor dem Amtsgericht unbestritten gebliebene inländische oder ausländische Gerichtsstand einer Partei zum Zeitpunkt der Zustellung der Klage im Rechtsmittelverfahren zugrunde zu legen ist und einer Nachprüfung durch das Rechtsmittelgericht grundsätzlich entzogen bleibt (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 28. Januar 2004 - VIII ZB 66/03 - BGHReport 2004, 983, 984; 1. Juni 2004 - VIII ZB 2/04 - NJW-RR 2004, 1505; 9. November 2004 - VIII ZB 60/04 - [...] Rn. 3; 6. Dezember 2005 - VIII ZB 48/05 - [...] Rn. 2; 1. März 2006 - VIII ZB 28/05 - BGHReport 2006, 809, 810; 28. März 2006 - VIII ZB 100/04 - NJW 2006, 1808, 1809; 10. Juli 2007 - VIII ZB 73/06 - NJW-RR 2008, 144). Neuer Vortrag im Berufungsverfahren ist insoweit ausgeschlossen (vgl. auch BGH, Urteil vom 15. Februar 2005 - XI ZR 171/04 - NJW-RR 2005, 780 f), sodass dann, wenn eine Partei aufgrund der erstinstanzlichen Darstellung der Gegenseite zu ihrem Wohnsitz zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit Berufung - bei einem inländischen Wohnsitz zum Landgericht oder bei einem ausländischen Wohnsitz zum Oberlandesgericht -einlegt, es der Gegenseite versagt ist, ihre frühere Darstellung in zweiter Instanz zu korrigieren (siehe auch BGH, Beschluss vom 28. März 2006 - VIII ZB 100/04 - NJW 2006, 1808, 1809). Insoweit kommt es in diesen Fällen letztlich nicht darauf an, wo der allgemeine Gerichtsstand zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit tatsächlich gelegen hat.
In der Klageschrift soll jede natürliche Person ihren Wohnort angeben (§ 253 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4, § 130 Nr. 1 ZPO). Hiervon ausgehend sind - abgesehen von Veränderungen bis zur Zustellung - für die Bestimmung des inländischen oder ausländischen Wohnsitzes der klagenden Partei zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit grundsätzlich die von der Gegenseite unbestrittenen Angaben in der Klagschrift heranzuziehen (BGH, Beschlüsse vom 28. Januar 2004 - VIII ZB 66/03 - BGHReport 2004, 983, 984; 9. November 2004 - VIII ZB 60/04 - [...] Rn. 3; 6. Dezember 2005 - VIII ZB 48/05 - [...] Rn. 2), jedenfalls soweit diese eindeutig sind (BGH, Beschlüsse vom 19. September 2006 - X ZB 31/05 - und 8. Januar 2008 - X ZB 26/07 - [...] Rn. 12 f bzw. 6 f zu der insoweit nicht eindeutigen Bezeichnung eines gewerbetreibenden Beklagten in der Klageschrift im Hinblick auf §§ 17, 21 ZPO).
Danach war hier von einem Wohnsitz des Klägers in K. auszugehen, zumal der Kläger unter dieser Adresse auch in zwei Parallelverfahren Klage erhoben sowie im streitgegenständlichen Verfahren um Terminsverlegung gebeten hatte und vom Amtsgericht unter dieser Adresse geladen werden konnte.
Der vorstehend erörterte Sinn und Zweck des § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG, aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit grundsätzlich schon zu Beginn des Verfahrens die Rechtsmittelzuständigkeit für die Parteien erkennbar festzulegen, erfordert es, dass eine Partei, will sie sich an ihren eindeutigen Angaben in der Klageschrift zum Wohnsitz nicht festhalten lassen, bereits im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens konkret und substantiiert zu einem davon abweichenden inländischen oder ausländischen Wohnsitz vortragen muss.
Diesen Anforderungen genügte die in zwei verbundenen Parallelverfahren gemachte Erklärung des Klägers als Zeuge vom 27. April 2007 nicht. Sie bezog sich auf den Sachstand vom Tag der Vernehmung und war daher ohne nähere Erläuterung nicht geeignet, die Bedeutung der Angaben in der Klage zum Wohnsitz in K. und damit zum allgemeinen Gerichtsstand zum Zeitpunkt der Zustellung am 12. Januar 2007 zu entkräften. Hierzu hätte der Kläger bereits in erster Instanz konkret seine Angaben in der Klage korrigieren und entweder vortragen müssen, dass er zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit nicht mehr in K. , sondern bereits in Belgien wohnhaft war oder dass er in K. nie wohnhaft gewesen ist, da es sich bei der in der Klage angegebenen Adresse entgegen § 130 Nr. 1 ZPO nur um eine Geschäftsadresse oder - wie es dem jetzigen Vortrag des Klägers in seiner Stellungnahme zum Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten vom 27. Oktober 2008 entspricht - um die Adresse eines Freundes gehandelt hat, an dessen Haus absprachegemäß sein Namensschild angebracht war und der ihn über die eingehende Post informiert hat.
Vor diesem Hintergrund war es dem Landgericht verwehrt, in der Berufungsinstanz die Frage eines etwaigen ausländischen Gerichtsstandes des Klägers zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit nachzuprüfen; die auf das zweifache Insistieren des Landgerichtes gemachten Angaben des Klägers waren insoweit unbeachtlich.
Ende der Entscheidung
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