Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 08.03.2001
Aktenzeichen: III ZR 110/00
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 559 Abs. 2 Satz 1
BGB § 615
BGB § 133
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

III ZR 110/00

Verkündet am: 8. März 2001

Freitag Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. März 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter Dr. Wurm, Schlick, Dr. Kapsa und Galke

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 29. März 2000 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Beklagte zur Zahlung eines 55.665,77 DM nebst Zinsen übersteigenden Betrags verurteilt worden ist. Die Widerklage bleibt abgewiesen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kläger stellte dem Beklagten gemäß Vertrag vom 14. Oktober 1991 Räume für den Betrieb eines Möbelgeschäfts in G. zur Verfügung und übernahm die Leitung der Filiale. Als Vergütung war unter anderem eine Provision von 10 % der Verkaufspreise (zuzüglich 14 % Mehrwertsteuer) vereinbart. Ab Mai 1994 verwehrte der Beklagte dem Kläger den Zugang zu einem Teil der Lagerräume und entzog ihm die Geschäftsführung. Mit Schreiben vom 17. Juni 1994 kündigte daraufhin der Kläger die Vereinbarung vom 14. Oktober 1991 zum 31. Dezember 1994; im September 1994 stellte er seine Tätigkeit als Verkäufer ein und eröffnete in anderen Räumen des Objekts ein eigenes Möbelgeschäft.

Mit der Klage macht der Kläger Provisionsansprüche für die Zeit vom 1. Mai bis zum 31. Dezember 1994 geltend, die er in erster Instanz zuletzt auf 90.840,87 DM beziffert hat. Der Beklagte hat sich unter anderem auf Zahlungen an den Kläger sowie vom Kläger nicht abgeführte Einnahmen berufen und widerklagend Erstattung von 5.743,68 DM gefordert. Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 65.516,90 DM verurteilt und die Widerklage abgewiesen. Hiergegen haben beide Parteien Berufung eingelegt, der Kläger mit dem Ziel einer Verurteilung des Beklagten zur Zahlung weiterer 25.323,97 DM, der Beklagte zum Zweck völliger Klageabweisung. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung des Klägers den Beklagten zur Zahlung von insgesamt 68.427,97 DM nebst Zinsen verurteilt. Die dagegen gerichtete Revision des Beklagten hat der Senat nur insoweit angenommen, als dieser zur Zahlung eines 55.665,77 DM nebst Zinsen übersteigenden Betrags verurteilt worden ist. Entscheidungsgründe

Im Umfang der Annahme hat die Revision Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht wertet den Vertrag vom 14. Oktober 1991 als Dienstvertrag, der nicht vor dem 31. Dezember 1994 beendet worden sei. Soweit der Beklagte den Kläger nach dem 1. Mai 1994 an der Ausführung seiner Tätigkeiten gehindert habe, sei er in Annahmeverzug gekommen und bleibe demnach gemäß § 615 BGB weiterhin zur Zahlung der vollen Vergütung verpflichtet. Das läßt, wie der Senat bereits durch teilweise Nichtannahme der Revision entschieden hat, Rechtsfehler zum Nachteil des Beklagten nicht erkennen.

II.

Von durchgreifenden Rechtsfehlern beeinflußt sind jedoch die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Höhe des Provisionsanspruchs.

1. Aus den vorgelegten Ablichtungen der Kassenbücher ergeben sich, wie die Revision mit Recht rügt, für den streitigen Zeitraum vom 1. Mai bis 31. Dezember 1994 lediglich die auch vom Landgericht errechneten Gesamtumsätze (Schecks und Einnahmen) von 563.409,61 DM, nicht von 567.945,61 DM. Das gilt jedenfalls dann, wenn man die auf jedem Formblatt unten ausgewiesenen Summen zugrunde legt. Soweit der Kläger in seiner Revisionserwiderung - freilich nicht in jedem Punkt nachvollziehbar - geltend macht, wegen nicht berücksichtigter Beträge und Additionsfehlern in den Kassenbüchern sei gleichwohl von einem höheren Betrag auszugehen, fehlt es an hinreichenden Feststellungen des Berufungsgerichts. Der Kläger hat Gelegenheit, hierauf in der erneuten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht zurückzukommen.

2. Die Revision muß ferner insofern Erfolg haben, als das Berufungsgericht in seine Berechnung auch diejenigen Umsätze einbezogen hat, die in den Vertragsbüchern der Verkäufer H. und M., nicht aber in den Kassenbüchern, enthalten sind (137.494 DM abzüglich 4.300 DM, 546 DM und 3.498 DM, insgesamt somit 129.150 DM). Eine Provisionspflicht des Beklagten besteht, wovon im Ansatz auch das Berufungsgericht ausgeht, nur für die in dessen Namen abgeschlossenen und vom Beklagten auch ausgeführten Geschäfte. Für beide Voraussetzungen beweispflichtig ist der Kläger; der Beklagte darf sich in dieser Beziehung, soweit er hierüber nicht aus besonderen Gründen Kenntnis erlangt hat, wozu ebenfalls hinreichende Feststellungen fehlen, auf ein Bestreiten mit Nichtwissen beschränken (§ 138 Abs. 4 ZPO). Als solches ist aber sein Vorbringen in den von der Revision angeführten Schriftsätzen vom 5. Juni 1998, S. 4, und vom 2. November 1999, S. 6, es werde bestritten, daß die weiter behaupteten Verkäufe im Namen und auf Rechnung des Beklagten erfolgt und auch tatsächlich ausgeführt worden seien, zu verstehen. Wenn das Berufungsgericht dennoch vom Beklagten die Darlegung weiterer Einzelheiten verlangt, verkennt es entweder die Beweislast oder überspannt die Anforderungen an ein - nicht notwendig immer substantiiertes - Bestreiten. Das Berufungsgericht wird daher mit Blick auf die in erster Linie maßgebende Beweislast des Klägers das Parteivorbringen zu diesem Komplex insgesamt neu zu würdigen haben. Dabei werden zugleich die Rügen der Revision in bezug auf einzelne Verkäufe (Stornierungen der Verkäufe an den Zeugen P.; Verkäufe H. Nr. 90 bis 94; Vertrag D.; Einnahmen bei dem Kunden N. am 1. August 1994 über 2.698 DM; Kaufverträge W.) zu beachten sein.

3. Einen weiteren Umsatz in Höhe von 248 DM (Kunde Dr. R.) hat das Berufungsgericht unangegriffen festgestellt.

4. Auf dieser Grundlage ergibt sich für die Revisionsinstanz:

Umsatz 563.409,61 DM zuzüglich 248,00 DM 563.657,61 DM netto 490.137,05 DM Provision 10 % 49.013,71 DM.

Hinzu kommt die gesetzliche Mehrwertsteuer von damals 15 % 7.352,06 DM Provisionsforderung brutto 56.365,77 DM

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist ein Mehrwertsteuersatz von 15 % zugrunde zu legen. Die gegenteilige Vertragsauslegung des Berufungsgerichts verstößt, was das Revisionsgericht gemäß § 559 Abs. 2 Satz 1 ZPO auch ohne Rüge von Amts wegen zu prüfen hat (vgl. etwa BGH, Urteil vom 5. Februar 1999 - V ZR 353/97 - NJW 1999, 1702, 1703), gegen anerkannte Auslegungsregeln; sie haftet insbesondere entgegen § 133 BGB am Wortlaut und verletzt das Gebot nach beiden Seiten interessengerechter Auslegung. Der Beklagte ist kein mit der Mehrwertsteuer endgültig belasteter Endverbraucher, sondern Kaufmann, für den infolge der Möglichkeit des Vorsteuerabzugs der Mehrwertsteuerbetrag ein durchlaufender Posten ist. Dann liegt es aber auf der Hand, daß der Kläger trotz des insoweit möglicherweise unklaren Vertragstextes zur Berechnung der jeweils von ihm selbst gesetzlich geschuldeten Mehrwertsteuer befugt sein sollte. Da weitere tatsächliche Feststellungen insoweit nicht in Betracht kommen, kann der Senat diese Entscheidung selbst treffen.

5. Der Zahlungsanspruch des Klägers vermindert sich aufgrund der unstreitigen Zahlung des Beklagten vom 15. Juli 1994 um 700 DM auf 55.665,77 DM. Die vom Beklagten darüber hinaus geltend gemachten Abzüge und Gegenforderungen (Leistungen an den Kläger, angeblich unberechtigte Einbehalte in unterschiedlicher Höhe; Einnahmen an Eigengeschäften) mindern den Anspruch nach den jedenfalls im Ergebnis zutreffenden Erwägungen des Berufungsgerichts nicht. Insoweit hat der Senat die Revision deshalb auch nicht angenommen.

III.

Wegen des 55.665,77 DM nebst Zinsen übersteigenden Betrags ist infolgedessen das Berufungsurteil aufzuheben und der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung entsprechend den vorstehenden Hinweisen an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

Zurück