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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 01.02.2007
Aktenzeichen: III ZR 126/06
Rechtsgebiete: BGB, BPflV (1994)
Vorschriften:
BGB § 134 | |
BGB § 242 Ca | |
BGB § 242 Cd | |
BGB § 812 | |
BPflV (1994) § 22 Abs. 2 Satz 1 |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 1. Februar 2007
in dem Rechtsstreit
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 1. Februar 2007 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Dr. Wurm, Streck, Dörr und Dr. Herrmann
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 10. April 2006 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin befand sich in dem Zeitraum von Dezember 1999 bis November 2001 wiederholt in ambulanter und stationärer Behandlung des Kreiskrankenhauses W. . Der Betrieb dieses Krankenhauses wurde mit Wirkung zum 1. Januar 2002 auf die Beklagte zu 1, eine (gemeinnützige) Gesellschaft mit beschränkter Haftung, übertragen. Der Beklagte zu 2 ist in der Klinik als liquidationsberechtigter Chefarzt tätig und hat die Klägerin, die Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung ist und nicht über eine private Zusatzversicherung verfügt, aufgrund von jeweils inhaltsgleichen Wahlleistungsvereinbarungen ärztlich behandelt. Diese Wahlleistungsvereinbarungen lauteten - soweit hier von Bedeutung - wie folgt:
[Die Wahlleistungen erstrecken sich auf]
"die ärztlichen Leistungen aller an der Behandlung beteiligten Ärzte des Krankenhauses, soweit diese zur gesonderten Berechnung ihrer Leistungen berechtigt sind (= 'Chefarztbehandlung') einschließlich der von diesen Ärzten veranlaßten Leistungen von Ärzten oder ärztlich geleiteten Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses, dies gilt auch soweit sie vom Krankenhaus berechnet werden; die Liquidation erfolgt nach der GOÄ/GOZ in der jeweils gültigen Fassung. Die GOÄ ist auszugsweise an den Informationstafeln (gegenüber der Patientenaufnahme und im Stationsdienstzimmer) zur Einsichtnahme."
Der Klägerin wurden für die Chefarztbehandlung elf Abrechnungen erteilt. Den sich daraus ergebenden Gesamtbetrag von 24.424,06 € hat sie aus eigenen Mitteln bezahlt.
Sie nimmt nunmehr beide Beklagten gesamtschuldnerisch auf Rückzahlung der geleisteten Beträge mit der Begründung in Anspruch, die Wahlleistungsvereinbarungen seien wegen Verstoßes gegen § 22 Abs. 2 Satz 1 der - vorliegend anwendbaren - Bundespflegesatzverordnung (BPflV) vom 24. September 1994 (BGBl. I S. 2750) unwirksam. Das Berufungsgericht hat ihr insoweit lediglich 5.211,37 € zugesprochen. Mit der von diesem zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Mehrforderung gegen beide Beklagten weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist nicht begründet.
I.
1. Zu Unrecht macht die Revision geltend, bei den hier in Rede stehenden Wahlleistungsvereinbarungen sei bereits die Schriftform des § 22 Abs. 2 Satz 1 BPflV nicht gewahrt worden, weil sie nur von einem Vertreter des Rechtsvorgängers der Beklagten zu 1 und nicht auch vom Beklagten zu 2 unterschrieben worden seien. Die Wahlleistungen werden nach § 22 Abs. 1 Satz 1 BPflV mit dem "Krankenhaus" vereinbart; allein dessen Träger ist Vertragspartner der Vereinbarung über die gesonderte Berechung (Senatsurteil vom 22. Juli 2004 - III ZR 355/03 = VersR 2005, 120).
2. Jedoch sind beide Vorinstanzen mit Recht davon ausgegangen, dass die vorstehend wiedergegebene Wahlleistungsvereinbarung inhaltlich nicht den Anforderungen des § 22 Abs. 2 Satz 1 BPflV genügte.
a) Danach sind Wahlleistungen vor der Erbringung schriftlich zu vereinbaren; der Patient ist vor Abschluss der Vereinbarung über die Entgelte der Wahlleistungen und deren Inhalt im Einzelnen zu unterrichten. Nach der Rechtsprechung des Senats, von der abzugehen kein Anlass besteht, ist eine Wahlleistungsvereinbarung, die ohne hinreichende vorherige Unterrichtung des Patienten abgeschlossen worden ist, unwirksam (vgl. Senatsurteile vom 27. November 2003 - III ZR 37/03 = BGHZ 157, 87, 90 = NJW 2004, 684, vom 8. Januar 2004 - III ZR 375/02 = NJW 2004, 686 und vom 22. Juli 2004 - III ZR 355/03 = VersR 2005, 120).
b) Der Senat hat in seinen vorgenannten Urteilen die Anforderungen präzisiert, die an eine ausreichende Unterrichtung zu stellen sind. Danach reicht es einerseits nicht aus, wenn der Patient lediglich darauf hingewiesen wird, dass die Abrechnung des selbst liquidierenden Chefarztes nach der Gebührenordnung für Ärzte erfolge; andererseits ist es nicht erforderlich, dass dem Patienten unter Hinweis auf die mutmaßlich in Ansatz zu bringenden Nummern des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für Ärzte detailliert und auf den Einzelfall abgestellt die Höhe der voraussichtlich entstehenden Arztkosten - in Form eines im Wesentlichen zutreffenden Kostenanschlags - mitgeteilt wird. Der Senat hat vielmehr Kriterien aufgestellt, an denen sich die Unterrichtung des Patienten zu orientieren hat. Ausreichend ist danach in jedem Falle:
- eine kurze Charakterisierung der Inhalts wahlärztlicher Leistungen, wobei zum Ausdruck kommt, dass hierdurch ohne Rücksicht auf Art und Schwere der Erkrankung die persönliche Behandlung durch die liquidationsberechtigten Ärzte sichergestellt werden soll, verbunden mit dem Hinweis darauf, dass der Patient auch ohne Abschluss einer Wahlleistungsvereinbarung die medizinisch notwendige Versorgung durch hinreichend qualifizierte Ärzte erhält;
- eine kurze Erläuterung der Preisermittlung für ärztliche Leistungen nach der Gebührenordnung für Ärzte bzw. für Zahnärzte (Leistungsbeschreibung anhand der Nummern des Gebührenverzeichnisses; Bedeutung von Punktzahl und Punktwert; Möglichkeit, den Gebührensatz je nach Schwierigkeit und Zeitaufwand zu erhöhen); Hinweis auf Gebührenminderung nach § 6a der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ);
- ein Hinweis darauf, dass die Vereinbarung wahlärztlicher Leistungen eine erhebliche finanzielle Mehrbelastung zur Folge haben kann;
- ein Hinweis darauf, dass sich bei der Inanspruchnahme wahlärztlicher Leistungen die Vereinbarung zwingend auf alle an der Behandlung des Patienten beteiligten liquidationsberechtigten Ärzte erstreckt (vgl. § 22 Abs. 3 Satz 1 BPflV);
- und ein Hinweis darauf, dass die Gebührenordnung für Ärzte/Gebührenordnung für Zahnärzte auf Wunsch eingesehen werden kann; die ungefragte Vorlage dieser Gesetzestexte erscheint demgegenüber entbehrlich, da diesen für sich genommen kein besonderer Informationswert zukommt. Der durchschnittliche Wahlleistungspatient ist auch nicht annähernd in der Lage, sich selbst anhand des Studiums dieser umfänglichen komplizierten Regelungswerke einen Überblick über die Höhe der auf ihn zukommenden Arztkosten zu verschaffen.
c) Die hier in Rede stehende Wahlleistungsvereinbarung enthielt weder den Hinweis, dass der Patient auch ohne Abschluss einer solchen die medizinisch notwendige Versorgung durch hinreichend qualifizierte Ärzte erhielt, noch eine kurze Erläuterung der Preisermittlung für die ärztlichen Leistungen. Ebenso fehlte eine Belehrung darüber, dass die Vereinbarung wahlärztlicher Leistungen eine erhebliche finanzielle Mehrbelastung zur Folge haben konnte.
3. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen wurden diese Hinweise bei den späteren Wahlleistungsvereinbarungen nicht dadurch entbehrlich, dass die Klägerin die ersten Rechnungen beanstandungsfrei bezahlt hatte. Die Anforderungen des § 22 Abs. 2 BPflV beziehen sich nach Wortlaut und Sinn dieser Bestimmung auf die jeweilige einzelne Vereinbarung. Ein Fortwirken früherer Hinweise oder sonstiger Informationen enthebt den Krankenhausträger als den Vertragspartner der Wahlleistungsvereinbarung daher nicht der Obliegenheit, diese Anforderungen einzuhalten.
II.
Gleichwohl hält die Abweisung der Klage im noch anhängigen Umfang im Ergebnis der revisionsgerichtlichen Nachprüfung stand. Die Beklagten können nämlich, wie das Berufungsgericht in seiner Hilfsbegründung in rechtsfehlerfreier tatrichterliche Würdigung ausführt, dem Bereicherungsanspruch der Klägerin den Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegensetzen.
1. Die Klägerin hat über einen langen Zeitraum die Wahlleistungen entgegengenommen und Vorteile aus ihnen gezogen. Sie war durch die schriftliche Wahlleistungsvereinbarung - wenn auch inhaltlich unzureichend - zumindest ansatzweise über die Tragweite der eingegangenen Verpflichtungen informiert worden. Durch die ersten Abrechnungen der Beklagten (die nicht mehr Gegenstand des jetzigen Revisionsverfahrens sind) war ihr auch die Technik der Preisermittlung für ärztliche Leistungen nach der Gebührenordnung für Ärzte vor Augen geführt worden. Sie hat über Jahre hinweg die in Rechnung gestellten Entgelte anstandslos bezahlt. Da sie über keine private Zusatzversicherung verfügte, war ihr bewusst, dass sie diese Geldleistungen aus ihrem eigenen Vermögen zu erbringen hatte. Auf diese Weise hatte sie zumindest daran mitgewirkt, dass bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1 und bei dem Beklagten zu 2 der Eindruck entstehen musste, die Klägerin werde sich im Nachhinein nicht darauf berufen, dass den gegenseitigen Leistungen eine rechtliche Grundlage gefehlt habe.
2. Zwar gibt es keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass derjenige, der die Vorteile eines unwirksamen Rechtsgeschäfts endgültig genossen hat, die von ihm erbrachten Gegenleistungen nicht zurückfordern kann. Indessen hat die Rechtsprechung schon mehrfach gegen einen Bereicherungsanspruch dieses Inhalts den Einwand unzulässiger Rechtsausübung durchgreifen lassen (vgl. z.B. RGZ 135, 374; BGH, Urteil vom 23. Januar 1981 - I ZR 40/79 = NJW 1981, 1439, 1440; s. auch Senatsurteile vom 1. Februar 2007 - III ZR 281/05 und 282/05; zum Ganzen Staudinger/Sack [2003] § 134 Rn. 187 bis 189). Insoweit bedarf es einer einzelfallbezogenen tatrichterlichen Würdigung. Bei dieser kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass die vorstehend wiedergegebenen Grundsätze über die Anforderungen einer ausreichenden Unterrichtung nach § 22 Abs. 2 Satz 1 BPflV in der Rechtsprechung des Senats erst geraume Zeit nach den hier in Rede stehenden Vorgängen präzisiert worden sind. Dies lässt den - objektiv vorliegenden - Verstoß der Beklagten zu 1 gegen die Unterrichtungspflicht in einem milderen Licht erscheinen (vgl. zu einer ähnlichen Problematik bei einem Verstoß gegen Art. 1 § 1 RBerG auch die Senatsurteile vom 1. Februar 2007 aaO). Im Gegensatz zu dem Sachverhalt, der dem Senatsurteil vom 17. Oktober 2002 (III ZR 58/02 = NJW 2002, 3772) zugrunde gelegen hatte, handelte es sich hier nicht um eine einmalige Behandlung aufgrund einer Wahlleistungsvereinbarung, bei der zudem nicht einmal die Schriftform gewahrt gewesen war; vielmehr hatte die Klägerin immer wieder die Wahlleistungen beider Beklagten abgerufen und in Anspruch genommen. Unter diesen Umständen ist es bei wertender Gesamtschau nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht insbesondere in der problemlosen Aufrechterhaltung und Abwicklung der vertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien über einen Zeitraum von mehreren Jahren hinweg einen besonderen Umstand erblickt hat, der der Rückforderung der von der Klägerin erbrachten Gegenleistungen entgegensteht.
III.
1. Die Verfahrensrügen, mit denen die Revision im Wesentlichen geltend macht, das Berufungsurteil enthalte keine Wiedergabe der Berufungsanträge der Klägerin, greifen ebenfalls nicht durch. Vielmehr werden sowohl das von der Klägerin im Berufungsrechtszug verfolgte Rechtsschutzziel als auch der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entscheiden wollte und tatsächlich entschieden hat, aus den Gründen des Berufungsurteils hinreichend deutlich. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 564 Satz 1 ZPO ab.
2. Die Revision war daher, obwohl die Beklagten im Revisionsrechtszug nicht anwaltlich vertreten waren, durch unechtes Versäumnisurteil zurückzuweisen.
Ende der Entscheidung
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