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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 31.01.2002
Aktenzeichen: III ZR 136/01
Rechtsgebiete: GBBerG, SachenR-DV, DDR - WasserG


Vorschriften:

GBBerG § 9
SachenR-DV § 1
DDR - WasserG § 40 F. 2. Juli 1982
a) Zugunsten des Betreibers einer Abwasserleitung, die eine im Beitrittsgebiet gelegene Bahnlinie kreuzt, konnte an dem Trassengrundstück keine beschränkte persönliche Dienstbarkeit nach § 9 Abs. 1 Satz 1 GBBerG i.V.m. §§ 1 und 4 SachenR-DV entstehen, da zu den öffentlichen Verkehrswegen und Verkehrsflächen, bei denen diese Bestimmungen nach § 9 Abs. 2 GBBerG keine Anwendung finden, auch Bahnlinien (Schienenwege i.S.d. § 2 Abs. 3 Satz 1 AEG) gehören.

b) Auf der Grundlage der Verwaltungsvorschrift für die Kreuzung und Näherung fremder Versorgungs-, Informations- und Verkehrsanlagen mit Bahnanlagen der Deutschen Reichsbahn und Anschlußbahnen vom 29. Dezember 1967 hat ein Wasserversorgungsunternehmen ohne den Nachweis einer ihm günstigen (gestattungs-)vertraglichen Folgekostenregelung die Kosten zu tragen, die dadurch entstehen, daß durch den Ausbau der Bahnlinie eine die Trasse querende Abwasserleitung verlegt werden muß. Es kann insbesondere nicht davon ausgegangen werden, daß vor dem 3. Oktober 1990 zugunsten des Versorgungsunternehmens ein wasserrechtliches Mitnutzungs- oder Mitbenutzungsrecht i.S.d. § 40 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c DDR-WasserG 1982 begründet worden war.


BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

III ZR 136/01

vom

31. Januar 2002

in dem Rechtsstreit

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. Januar 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter Dr. Wurm, Streck, Schlick und Dörr

beschlossen:

Tenor:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 26. April 2001 - 21 U 2400/00 - wird nicht angenommen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Streitwert: 240.000 DM (= 122.710,05 €).

Gründe:

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 554 b ZPO a.F.). Die Revision hat im Ergebnis auch keine Aussicht auf Erfolg (BVerfGE 54, 277).

I.

Im Auftrag der Klägerin, der Betreiberin der Infrastruktur der Bundeseisenbahnen, wird im Rahmen der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit die Eisenbahnverbindung Leipzig-Dresden ausgebaut. Im Zuge der Ausbaumaßnahme mußte die im Bereich der T.-Straße in Leipzig die Bahnlinie kreuzende, bereits vor dem 3. Oktober 1990 errichtete Abwasserleitung der Beklagten verlegt werden. Da zwischen den Parteien unterschiedliche Auffassungen darüber bestanden, wer die Kosten der Umverlegung der Abwasserleitung zu tragen hat, vereinbarten sie im Frühjahr 1999, daß die Klägerin die Baukosten vorfinanzieren und die endgültige Abrechnung gegebenenfalls nach einer gerichtlichen Klärung der Kostenfrage erfolgen solle.

Die Klägerin begehrt festzustellen, daß die Beklagte die anläßlich der Umverlegung der Abwasserleitung entstandenen notwendigen Kosten nebst Zinsen zu tragen habe. Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Beklagte weiterhin Abweisung der Klage.

II.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die die Vorinstanzen ihrer Entscheidung zutreffend zugrunde gelegt haben, ist der Streit zwischen dem Träger des Verkehrswegs - hier der Klägerin - und dem von der Ausbaumaßnahme nachteilig betroffenen Versorgungsunternehmen - hier der Beklagten - darüber, wer die Kosten der infolge des Verkehrswegeausbaus notwendig gewordenen Verlegung oder Umgestaltung einer kreuzenden Versorgungsleitung zu tragen hat, danach zu beantworten, ob der Träger des Verkehrswegeausbaus, wenn sich das Versorgungsunternehmen mit der erforderlichen Verlegung der Leitung nicht einverstanden erklärt hätte, dieses Ziel nur unter Übernahme der Kosten oder gegen Entschädigung hätte durchsetzen können. Dabei ist die Frage der Kostentragungspflicht dann, wenn die Nutzung des Verkehrswegs für Versorgungszwecke durch eine Dienstbarkeit (§§ 1018, 1090 BGB) dinglich gesichert (vgl. § 1023 BGB) ist oder aufgrund eines entgeltlichen Nutzungsverhältnisses wie Miete oder Pacht erfolgt, grundsätzlich zugunsten, bei (jederzeit kündbaren) Leih- oder ähnlichen Verträgen, die keine nach Art. 14 GG geschützte Rechtsposition vermitteln, grundsätzlich zum Nachteil des Versorgungsunternehmens zu beantworten (Senatsurteile BGHZ 144, 29, 50 f; 138, 266, 268 m.w.RsprNachw.).

1. In den Tatsacheninstanzen stand im Zentrum des Rechtsstreits die Frage, ob zugunsten der Beklagten an dem von der Abwasserleitung in Anspruch genommenen Bahntrassengrundstück kraft Gesetzes eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit nach §§ 1 und 4 der Sachenrechts-Durchführungsverordnung vom 20. Dezember 1994 (BGBl. I S. 3900) i.V.m. § 9 Abs. 1 des Grundbuchbereinigungsgesetzes (GBBerG) vom 20. Dezember 1993 (Art. 2 des Registerverfahrenbeschleunigungsgesetzes, BGBl. I S. 2182, 2192) entstanden ist. Dies haben die Vorinstanzen zu Recht verneint.

Aufgrund der durch die Bestimmungen der Sachenrechts-Durchführungsverordnung auf wasserwirtschaftliche Anlagen wie Abwasserleitungen erweiterten Regelung des § 9 Abs. 1 GBBerG entstand an den im Beitrittsgebiet gelegenen Grundstücken, die am 3. Oktober 1990 für Zwecke der Energieversorgung genutzt worden waren, eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit an den von den vorhandenen Energieanlagen in Anspruch genommenen Grundstücken. Begünstigt ist das Versorgungsunternehmen, das die jeweilige Anlage bei Inkrafttreten der das dingliche Recht begründenden Bestimmung betrieben hatte.

Nach § 9 Abs. 2 GBBerG ist jedoch das Entstehen einer Dienstbarkeit bei solchen Leitungen ausgeschlossen, die sich über oder in öffentlichen Verkehrswegen und Verkehrsflächen befinden. Um eine derartige Leitung geht es hier.

Entgegen der Meinung der Beklagten sind Verkehrsflächen im Sinne dieser Bestimmung insbesondere auch Bahnlinien. Die in etwa zeitgleich mit dem Erlaß des Registerverfahrenbeschleunigungsgesetzes einhergehende Organisationsprivatisierung der Deutschen Bundesbahn steht dem schon deshalb nicht entgegen, weil der Gemeinwohlauftrag der Bahn zur Erbringung öffentlicher Verkehrsdienstleistungen von dieser Umstrukturierung unberührt geblieben ist (Art. 87 e Abs. 4 GG; vgl. dazu BVerwGE 102, 269, 271 f). Die Richtigkeit dieser auch in der Literatur, soweit ersichtlich einhellig, für zutreffend befundenen Auffassung (Seeliger, DtZ 1995, 34, 35; Möller, RdE 1997, 101, 103; Schulze, RPfleger 1999, 167, 168) wird bestätigt durch § 2 Abs. 2 Nr. 3 des Verkehrsflächenbereinigungsgesetzes vom 26. Oktober 2001 (Art. 1 des Grundstücksrechtsbereinigungsgesetzes, BGBl. I S. 2716), der ausdrücklich klarstellt, daß Verkehrsflächen im Sinne dieses Gesetzes (unter anderem) auch Flächen mit Eisenbahninfrastruktur im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 1 (Schienenwege) und 2 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes sind.

2. Eine vertragliche Regelung der Benutzung der Bahnlinie für die Abwasserleitung, insbesondere darüber, welche Vertragspartei im Falle einer notwendig werdenden Veränderung der Leitung die Kosten hierfür zu tragen hat, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Entgegen der Auffassung der Revision läßt sich ein derartiger Vertragsschluß dem Vorbringen der Parteien nicht entnehmen. In dem von der Revision angeführten Schriftsatz der Klägerin sind nur allgemeine Ausführungen dazu enthalten, welche Abreden nach den jeweils gültigen Richtlinien und Verwaltungsvorschriften in der Bundesrepublik Deutschland, vor und nach der Herstellung der deutschen Einheit, und in der früheren DDR üblicherweise anläßlich der Verlegung von Versorgungsleitungen in oder über Bahntrassen getroffen wurden bzw. werden. Dessen ungeachtet ist in den Tatsacheninstanzen von keiner Partei ein konkreter Vertragsschluß bezüglich der streitgegenständlichen Abwasserleitung behauptet worden.

a) Danach kann nach dem der revisionsrechtlichen Nachprüfung unterliegenden Sach- und Streitstand insbesondere nicht davon ausgegangen werden, daß - wie die Revision erstmals geltend macht - vor dem 3. Oktober 1990 im Zusammenhang mit der Errichtung und dem Betrieb der Abwasserleitung zugunsten des Rechtsvorgängers der Beklagten an dem für diesen wasserwirtschaftlichen Zweck in Anspruch genommenen Trassengrundstück ein Mitnutzungs- oder Mitbenutzungsrecht nach § 27 Abs. 1 des Wassergesetzes (WasserG 1963) vom 17. April 1963 (DDR-GBl. I S. 77) i.V.m. § 46 des Wassergesetzes (WasserG 1982) vom 2. Juli 1982 (DDR-GBl. I S. 467) oder nach § 40 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c WasserG 1982 begründet worden war.

Zwar konnte ein Versorgungsträger bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die Einräumung eines solchen Rechts verlangen. Für das Entstehen des Rechts war aber - nicht anders als bei den energierechtlichen Mitbenutzungsrechten (vgl. eingehend dazu Senatsurteil BGHZ 144, 29, 31 ff) - grundsätzlich eine Vereinbarung des Versorgungsträgers mit dem Eigentümer oder Rechtsträger des Grundstücks erforderlich. Nur dann, wenn ein solcher Vertrag nicht zustande gekommen war, konnte das Mitnutzungs- oder Mitbenutzungsrecht durch eine Entscheidung des zuständigen Staatsorgans geschaffen werden (§ 27 Abs. 3 WasserG 1963; § 40 Abs. 4 WasserG 1982).

b) Im übrigen legt die von der Klägerin zu den Akten gereichte Verwaltungsvorschrift für die Kreuzung und Näherung fremder Versorgungs-, Informations- und Verkehrsanlagen mit Bahnanlagen der Deutschen Reichsbahn und Anschlußbahnen - VKN-DR - vom 29. Dezember 1967 (VuM/Ministerium für Verkehrswesen 1968 S. 1) den Schluß nahe, daß in der Rechts- und Verwaltungspraxis der DDR bei der Inanspruchnahme von Bahnanlagen für Zwecke der Energie- oder Wasser-/Abwasserversorgung keine Mitbenutzungsrechte im Sinne der jeweils geltenden Wassergesetze oder Energieverordnungen, die ihrerseits nur spezialgesetzliche Unterfälle des allgemeinen (privatrechtlichen) Rechts zur vorübergehenden oder dauernden Mitbenutzung eines Grundstücks in bestimmter Weise (vgl. § 321 Abs. 1 ZGB) darstellten (Senatsurteil aaO), begründet, sondern - nicht anders als im Bereich des Straßenwesens - typischerweise "verkehrsrechtliche" Nutzungsbefugnisse eingeräumt wurden. Ausweislich der vorgelegten Verwaltungsvorschrift wurde jedoch zur Begründung dieses Nutzungsrechts bei Bahnanlagen, im Unterschied zu den öffentlichen Straßen, nicht eine (öffentlich-rechtliche) Sondernutzungsgenehmigung (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 1 der Straßenverordnung vom 22. August 1974, DDR-GBl. I S. 525) erteilt, sondern ein besonderer "Gestattungsvertrag" abgeschlossen (8.2.8 und 10.1 VKN-DR). Dies mag als Beleg dafür dienen, daß in der DDR im Bereich der Bahnanlagen an dem herkömmlichen, in den alten Bundesländern von Anfang an auch bei öffentlichen Straßen beibehaltenen System der freien Vereinbarung zwischen Verkehrsträger und Versorgungsunternehmen festgehalten wurde.

Auch wenn nach 3.7 VKN-DR in den jeweiligen Gestattungsverträgen nicht von vornherein die Verteilung der Folgekosten festzulegen waren, sondern insoweit die Vertragsparteien im Bedarfsfalle die zur "Aufhebung der Anlage" erforderlichen Maßnahmen und den Zeitpunkt ihrer Realisierung zu vereinbaren hatten, so ergibt doch eine Gesamtschau dieser Regelungen, daß - insoweit vergleichbar der Rechtslage im Straßenbereich (Senatsurteil aaO S. 38 f) und im Unterschied zu den Regelungen im Wasser- und Energierecht - die verkehrliche Nutzung im Vordergrund stand und demgegenüber die Interessen der Versorgungsträger zurückzutreten hatten.

Weiterhin ist festzuhalten, daß nach 8.2.10 und 8.2.11 VKN-DR das Versorgungsunternehmen der Deutschen Reichsbahn lediglich für die Prüfung der Bauunterlagen eine Verwaltungsgebühr zu entrichten und darüber hinaus für alle im Zusammenhang mit der Errichtung, Unterhaltung oder dem Betrieb der kreuzenden Energieversorgungs- oder Wasser-/Abwasseranlage auftretenden Erschwernisse Aufwendungsersatz zu leisten hatte. Für die Überlassung des durch die Leitung beanspruchten Grund und Bodens war jedoch - anders als dies etwa in den im Bundesgebiet (früher) geltenden Gas- und Wasserleitungskreuzungsrichtlinien der Deutschen Bundesbahn aus dem Jahre 1980 und (später) der Deutschen Bahn AG aus dem Jahr 2000 vorgesehen ist - ein Entgelt nicht zu entrichten.

c) Danach kann auch unter Berücksichtigung der VKN-DR nicht davon gesprochen werden, daß der Beklagten eine enteignungsrechtlich geschützte Rechtsposition zustand, aufgrund derer sie eine Geldentschädigung für die ihr durch die schienenbaubedingte Änderung der Abwasserleitung entstandenen Nachteile hätte verlangen können (vgl. Senatsurteil BGHZ 125, 293, 297 ff).



Ende der Entscheidung

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