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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 23.02.2006
Aktenzeichen: III ZR 164/05
Rechtsgebiete: BGB, SGB VIII (F: 8. Dezember 1998), VerwRecht
Vorschriften:
BGB § 839 A, Fm | |
SGB VIII (F: 8. Dezember 1998) § 42 | |
SGB VIII (F: 8. Dezember 1998) § 43 | |
VerwRecht - Allgemeines (öffentlich-rechtliche Verpflichtungen) |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 23. Februar 2006
in dem Rechtsstreit
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. Februar 2006 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Dr. Wurm, Streck, Dörr und Dr. Herrmann
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision der Klägerinnen gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 20. Juli 2005 wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Revisionsrechtszuges haben die Klägerin zu 1 4/5 und die Klägerin zu 2 1/5 zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die klagende Krankenkasse und die klagende Pflegekasse nehmen aus übergegangenem Recht eines bei ihnen versicherten, am 30. November 2000 geborenen Kindes den beklagten Landkreis als Träger des Jugendamts wegen erbrachter Sozialleistungen auf Schadensersatz in Anspruch.
Bei einem unangemeldeten Hausbesuch am 11. Januar 2001 fanden Mitarbeiter des Jugendamts den Säugling, in einer schmutzigen Decke eingewickelt, in Gesellschaft zweier Männer und zweier Kampfhunde in einer Wohnung. Die drogenabhängige und wohnsitzlose Mutter war nicht anwesend. Auf Veranlassung des Jugendamts wurde das Kind am selben Tag in einer "Notaufnahmefamilie", die seit 1999 in eine Liste für Pflegeeltern aufgenommen und bereits als Pflegefamilie eingesetzt gewesen war, untergebracht. Die Pflegemutter, Kinderkrankenschwester und Mutter von drei Kindern, war auf die Versorgung eines Säuglings eingestellt. Die leibliche Mutter unterschrieb am 12. Januar 2001 einen Formularantrag des Jugendamts auf Gewährung von Leistungen nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz. Eine Mitarbeiterin des Jugendamts besuchte das Kind bei den Pflegeeltern; ein weiter verabredeter Besuch gemeinsam mit der Mutter wurde von dieser verschoben.
Am 22. Januar 2001 wurde das Kind mit schwersten Kopfverletzungen ins Krankenhaus eingeliefert. Es ist seither zu 100 v.H. schwerbehindert. Nach der Darstellung der Pflegemutter war das Kind durch unglückliche Umstände von der Wickelauflage gefallen und dabei mit dem Kopf an ein Waschbecken angeschlagen. Die Klägerinnen, die sich zunächst auf diese Angaben bezogen haben, bezweifeln jedoch angesichts der eingetretenen Verletzungen des Kindes diesen Geschensablauf.
Die auf Zahlung von insgesamt 50.842,46 € nebst Zinsen und auf Feststellung der weiteren Ersatzpflicht gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Klägerinnen ihr Begehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist nicht begründet. Mit Recht hat das Berufungsgericht, dessen Urteil in NJW 2005, 3579 veröffentlicht ist, auf die Klägerinnen nach § 116 Abs. 1 SGB X übergegangene Ansprüche des verletzten Kindes verneint.
1. Der Beklagte haftet nicht nach § 839 BGB i.V. mit Art. 34 GG, weil die Mitarbeiter des Jugendamts keine Amtspflichten verletzt haben.
a) Grundlage für die Herausnahme des Kindes aus der Wohngemeinschaft, in der seine wohnsitzlose Mutter es hinterlassen hatte, war § 43 Abs. 1 SGB VIII in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Dezember 1998 (BGBl. I S. 3546). Die Voraussetzungen für eine Herausnahme des Kindes lagen nach dieser Vorschrift vor. Aufgrund der Auffindesituation des Säuglings, der verschmutzt war und sich in der Gesellschaft insbesondere von zwei Kampfhunden befand, bestand die begründete Besorgnis, dass das Kind bei Nichteingreifen geschädigt werde. Nach der Situation, wie sie sich für die Mitarbeiter des Jugendamts darstellte, war nicht zu erwarten, dass die drogenabhängige Mutter, die ihr Kind nur selten betreute und telefonische Anweisungen zur Versorgung gab, bereit oder in der Lage war, Gefahren für das Kind abzuwenden. Da Gefahr im Verzug war, durften die Mitarbeiter des Jugendamts nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII das Kind von dort entfernen und bei einer geeigneten Person, in einer Einrichtung oder in einer sonstigen betreuten Wohnform vorläufig unterbringen. Das wird auch von der Revision nicht beanstandet.
b) Die vorläufige Unterbringung, die einer Inobhutnahme nach § 42 Abs. 1 SGB VIII (gleichfalls in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Dezember 1998, BGBl. I S. 3546) entspricht und ähnliche Pflichten für das Jugendamt begründet, wurde hier bei einer "geeigneten Person" vorgenommen. Die Pflegeeltern waren erfahren und auf die Versorgung eines Säuglings eingestellt, die Pflegemutter hatte selbst kleine Kinder und war von Beruf Kinderkrankenschwester. Das Jugendamt, das die Familie bereits früher als Pflegefamilie eingesetzt hatte, durfte daher dieser Familie den Säugling anvertrauen. Auch die Klägerinnen haben dem Beklagten nicht vorgeworfen, die Mitarbeiter des Jugendamts hätten eine falsche Auswahlentscheidung getroffen.
c) Die Mitarbeiter des Jugendamts haben auch keine sonstigen Pflichten verletzt, die ihnen im Rahmen einer Inobhutnahme nach §§ 42, 43 SGB VIII oblagen. Die sorgeberechtigte Mutter wurde von der vorläufigen Unterbringung unverzüglich verständigt (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII). Sie unterzeichnete am Folgetag einen Formularantrag des Jugendamts auf Gewährung von Leistungen nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz. Zu Recht hat das Berufungsgericht diesem Antrag entnommen, dass die Mutter der Aufnahme des Kindes in eine Notaufnahmefamilie zugestimmt hat. Deswegen war die unverzügliche Herbeiführung einer Entscheidung des Familiengerichts (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 3 SGB VIII) entbehrlich. Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe den Beweisantritt übergangen, wonach die Mutter des verletzten Kindes zur Abgabe der Zustimmungserklärung genötigt worden sei, ist nicht begründet. Erstinstanzlich hatten die Klägerinnen insoweit unter Beweis gestellt, man habe die Mutter mit einem Gerichtsverfahren bedroht, mit dem man ihr die Sorge entziehen lassen würde, wenn sie den Antrag nicht unterschreibe. Die Klägerinnen haben diese Information durch die Mutter mit der Bemerkung versehen, es sei wohl gemeint gewesen - was bei dem gegebenen Fall nicht beanstandet werde -, dass man die Mutter darauf aufmerksam gemacht habe, man werde die elterliche Sorge gemäß § 1666 BGB gerichtlich regeln lassen, wenn sie nicht zustimme. Dieser Vortrag gab in der Tat keinen Anlass, der Frage näher nachzugehen, ob in diesem Hinweis auf die Gesetzeslage eine unredliche Einwirkung im Sinne einer Nötigung gelegen hat. Der in der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz gestellte Beweisantrag ist zwar durch die Verwendung des Wortes "genötigt" in einer Weise formuliert worden, die ein Fehlverhalten der Mitarbeiter des Jugendamts belegen soll. Aufgrund der im Hinblick auf § 531 ZPO abgegebenen klarstellenden Erklärung der Klägerinnen, der Beweisantritt entspreche demjenigen erster Instanz, durfte das Berufungsgericht auch ohne Beweiserhebung von einer wirksamen Zustimmung der Mutter ausgehen, die es durch weitere Indizien als bekräftigt angesehen hat.
Es ist auch nicht als relevante Amtspflichtverletzung anzusehen, dass das Antragsblatt für die Gewährung von Leistungen nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz nach der Unterzeichung durch die Kindesmutter nachträglich verändert worden ist. Zunächst war als Hilfeart "§ 42 KJHG" eingetragen. Die Angabe "§ 42" sowie die danach hinzugesetzte Angabe "§ 34" wurde später durchgestrichen, so dass das Formular jetzt noch die Eintragung "§ 33 Bereitschaftspflege" enthält. Die ursprüngliche Eintragung beruhte ersichtlich auf der von den Mitarbeitern des Jugendamts eingeleiteten Maßnahme. Der Hinweis auf § 33 (Vollzeitpflege) und § 34 (Heimerziehung, sonstige betreute Wohnform) betraf Maßnahmen der Hilfe zur Erziehung, auf die ein Personensorgeberechtigter nach Maßgabe der §§ 27 ff SGB VIII Anspruch hat und die die Mutter des Kindes mit dem in Rede stehenden Formular beantragte. Dementsprechend erging am 31. Januar 2001 (zunächst) ein Hilfebescheid in Form von Pflegegeld für Kurzzeitpflege vom 11. Januar 2001 bis 29. Januar 2001. Die nachträglichen Änderungen der Eintragungen im Formularantrag sind daher ohne Auswirkungen geblieben. Sie stehen auch mit dem hier zu beurteilenden Geschehen ersichtlich in keinem Zusammenhang.
2. Die Revision ist unter Bezugnahme auf das Senatsurteil BGHZ 121, 161 der Auffassung, der Beklagte müsse nach Amtshaftungsgrundsätzen für ein Fehlverhalten der Pflegemutter, unter deren Händen das Kind verletzt worden sei, einstehen. Denn die Pflegemutter habe die Bereitschaftspflege in Ausübung der ihr hierzu anvertrauten hoheitlichen Aufgaben durchgeführt und sei während der Dauer der Pflege im haftungsrechtlichen Sinn Beamter gewesen. Dem folgt der Senat nicht.
a) Dass das Jugendamt selbst hoheitlich tätig geworden ist, steht außer Frage. Das gilt sowohl für den Bereich, in dem das Jugendamt nach §§ 27 ff SGB VIII Hilfen zur Erziehung gewährt, als auch für die Ergreifung vorläufiger Maßnahmen zum Schutz von Kindern oder Jugendlichen nach §§ 42, 43 SGB VIII. Allerdings handelt es sich bei der Hilfe zur Erziehung um Leistungen der Jugendhilfe im Sinn des § 2 Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII, während die Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen nach § 42 und die Herausnahme nach § 43 zu den anderen Aufgaben der Jugendhilfe im Sinn des § 2 Abs. 3 Nr. 1 und 2 SGB VIII gehören. Das ist auch unter Berücksichtigung des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe vom 8. September 2005 (BGBl. I S. 2729) unangetastet geblieben, das die bisherigen Regelungen der §§ 42, 43 SGB VIII in dem neuen § 42 SGB VIII zusammengefasst hat. Ungeachtet des Umstands, dass auch während einer Inobhutnahme Fragen der sozialrechtlichen Leistungsgewährung sowie der sozialpädagogischen Beratung und Betreuung des Kindes eine wesentliche Rolle spielen (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts, BT-Drucks. 11/5948 S. 79 zum späteren § 42 SGB VIII = § 41 des Entwurfs), geht es im Kern um eine auf dem staatlichen Wächteramt (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG) beruhende Intervention, die die Rechte der betroffenen Kinder und Sorgeberechtigten berührt und insoweit als "Eingriffsverwaltung" anzusehen ist (vgl. Strick, in: MünchKomm-BGB, 4. Aufl. 2002, § 42 SGB VIII Rn. 1). Die Überlegungen der Revisionserwiderung, das Jugendamt habe lediglich - im Vorgriff auf eine Leistungsgewährung nach § 33 SGB VIII - von privatrechtlichen Befugnissen (§ 679 BGB) Gebrauch gemacht, wird der Sachlage daher nicht gerecht. Nach § 42 Abs. 1 Satz 4 SGB VIII, der nach § 43 Abs. 2 SGB VIII entsprechend gilt, übt das Jugendamt während der Inobhutnahme das Recht der Beaufsichtigung, Erziehung und Aufenthaltsbestimmung aus. Nach Satz 5 dieser Vorschrift hat es für das Wohl des Kindes zu sorgen, es in seiner gegenwärtigen Lage zu beraten und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Auch nach § 42 Abs. 2 Satz 4 SGB VIII in der jetzt geltenden Fassung vom 8. September 2005 ist das Jugendamt während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind.
b) Mit Recht geht das Berufungsgericht auch davon aus, dass die Inobhutnahme zum Zeitpunkt des Unfalls noch nicht beendet war. § 42 SGB VIII in der hier maßgebenden Fassung vom 8. Dezember 1998 enthält zwar keine Bestimmung über die Beendigung der Inobhutnahme, so dass man überlegen könnte, ob sie nicht mit der Unterrichtung des Personensorgeberechtigten kurzzeitig beendet wird, wenn er der Maßnahme zustimmt (in diesem Sinn Happe/Saurbier, in: Jans/Happe/Saurbier/Maas, Kinder- und Jugendhilferecht, 3. Aufl. [13. Lfg. 2/1998], § 42 Rn. 10). Damit würde jedoch übersehen, dass die in §§ 42, 43 SGB VIII umschriebene Krisenintervention letztlich darauf abzielt, im Zusammenwirken mit den Erziehungsberechtigten die Möglichkeiten einer dauerhaften Hilfe und Unterstützung zu erarbeiten (vgl. Münder u.a., Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, 4. Aufl. 2003, § 42 Rn. 8). Während dieser Zeit haben die Pflicht des Jugendamts, den notwendigen Unterhalt des Kindes und die Krankenhilfe sicherzustellen, sowie die Befugnisse zur Beaufsichtigung, Erziehung und Aufenthaltsbestimmung (§ 42 Abs. 1 Satz 2, 4 SGB VIII) weiterhin ihre Berechtigung (vgl. auch BVerwG NVwZ-RR 2005, 119). Dem entspricht auch die Neuregelung in § 42 Abs. 4 SGB VIII, nach der die Inobhutnahme mit der Übergabe des Kindes an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten oder mit der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch endet.
c) Für den - daher hier grundsätzlich betroffenen - Bereich der Eingriffsverwaltung hat der Senat entschieden, die öffentliche Hand könne sich der Amtshaftung für fehlerhaftes Verhalten ihrer Bediensteten grundsätzlich nicht dadurch entziehen, dass sie die Durchführung einer von ihr angeordneten Maßnahme durch privatrechtlichen Vertrag auf einen privaten Unternehmer übertrage (BGHZ 121, 161, 165 f). In dem angeführten Fall hatte die Polizei zur Bergung eines verunfallten Kraftfahrzeugs einen Abschleppunternehmer herangezogen; während der Bergung kam es durch unachtsames Verhalten eines Bediensteten des Abschleppunternehmers zu einem weiteren Unfall. In anderen Fallgestaltungen hat der Senat eine Haftung nach Amtshaftungsgrundsätzen oder Ansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff in Betracht gezogen, wenn die öffentliche Hand auf die Durchführung der Arbeiten in einem Maße Einfluss genommen hat, dass sie die Arbeiten des Unternehmers wie eigene gegen sich gelten lassen und es so angesehen werden müsse, wie wenn der Unternehmer lediglich als Werkzeug der öffentlichen Behörde bei der Durchführung ihrer hoheitlichen Aufgaben tätig geworden wäre (vgl. Senatsurteile vom 18. Mai 1967 - III ZR 94/65 - VersR 1967, 859, 861; BGHZ 48, 98, 103 f; vom 14. Juni 1971 - III ZR 120/68 - NJW 1971, 2220, 2221; vom 7. Februar 1980 - III ZR 153/78 - NJW 1980, 1679). Anwendungsbeispiele einer Amtshaftung für Private betreffen schließlich die Fälle, in denen ein beliehener Unternehmer (BGHZ 49, 108, 111 ff) oder ein Verwaltungshelfer (Senatsurteile BGHZ 161, 6, 10 f und vom 2. Februar 2006 - III ZR 131/05 - zur Veröffentlichung vorgesehen) tätig geworden ist.
d) Die Rolle der Pflegemutter - auch im Fall der Bereitschaftspflege als Folge einer Inobhutnahme nach §§ 42, 43 SGB VIII - lässt sich mit keiner der vorerwähnten Fallgestaltungen vergleichen. Die hier ausgeübten Eingriffsbefugnisse stehen nur dem Jugendamt selbst zu. Der Pflegefamilie sind weder hoheitliche Befugnisse verliehen noch wird sie als Verwaltungshelfer in ein Verwaltungsverfahren eingeschaltet. Sie unterstützt das Jugendamt zwar in seiner Aufgabe, für Wohnung und Betreuung des Kindes Sorge zu tragen, was Teil dessen hoheitlicher Aufgabe ist. Daraus folgt jedoch nicht, dass man die Pflegeeltern als Beamte im haftungsrechtlichen Sinn ansehen müsste. Ihre auf die Betreuung und Versorgung des Kindes ausgerichtete Tätigkeit unterscheidet sich von der Tätigkeit, die sonst von den leiblichen Eltern wahrgenommen wird, nicht. Es besteht auch, was den hier in Rede stehenden Zusammenhang der Betreuung angeht, im Tatsächlichen kein ins Gewicht fallender Unterschied zur Situation in einer Dauerpflege nach § 33 SGB VIII. Zwar kommt einer Pflegefamilie, die ein Kind lediglich während einer kurzen Übergangszeit der Bereitschaftspflege zu betreuen hat, verfassungsrechtlich nicht derselbe anerkannte Rang zu wie einer Pflegefamilie, die wegen der insbesondere bei einem länger andauernden Pflegeverhältnis gewachsenen Bindungen unter dem Schutz von Art. 6 Abs. 1, 3 GG steht (vgl. zu einem Fall der Dauerpflege nach § 33 SGB VIII Senatsurteil vom 21. Oktober 2004 - III ZR 254/03 - NJW 2005, 68, 71). Ungeachtet dessen nimmt auch die in der Bereitschaftspflege eingebundene Pflegefamilie ihre Tätigkeit ohne besondere Weisungen des Jugendamts wahr. Soweit es um die normale Betreuung und das Leben des Kindes in der Pflegefamilie geht, handelt es sich um einen Bereich, der zwar weiterhin der Aufsicht des Jugendamts unterliegt, der aber prinzipiell in die Verantwortung der Pflegeeltern gegeben ist. Es besteht nach Auffassung des Senats kein hinreichender Grund, den amtshaftungsrechtlichen Schutz bei einer Inobhutnahme auf allgemeine Lebensbereiche des Kindes auszudehnen, die mit der Vollziehung der Kindesschutzmaßnahmen in keinem unmittelbaren Zusammenhang stehen. Das Jugendamt könnte auch als Amtsvormund, soweit es seinen Aufsichtsaufgaben ausreichend nachkommt, nicht nach § 1833 BGB oder nach Amtshaftungsgrundsätzen für ein Fehlverhalten von zulässigerweise eingesetzten Pflegepersonen verantwortlich gemacht werden, wie es hier in Rede steht (vgl. Soergel/Zimmermann, BGB, 13. Aufl. 2000, § 1833 Rn. 5; Staudinger/Engler, BGB, Neubearbeitung 2004, § 1833 Rn. 40; teilweise abweichend für den Vormund - differenzierend nach Geschäften, die der Vormund selbst vornehmen könnte - Wagenitz, in: MünchKomm-BGB, 4. Aufl. 2002, § 1833 Rn. 9; Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, 4. Aufl. 1994, § 71 V 3; RGZ 76, 185 f). Ob anderes zu gelten hat, wenn ein Kind in eine von der öffentlichen Hand getragene Einrichtung in Obhut genommen wird, ist hier nicht zu entscheiden.
3. Der Beklagte ist auch nicht aus dem Gesichtspunkt eines verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses unter sinngemäßer Zurechnung eines Verschuldens der Pflegemutter nach § 278 BGB zum Schadensersatz verpflichtet.
a) Die sinngemäße Anwendung des vertraglichen Schuldrechts als Ausdruck allgemeiner Rechtsgedanken auch auf öffentlich-rechtliche Verhältnisse entspricht gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wenn ein besonders enges Verhältnis des Einzelnen zum Staat oder zur Verwaltung begründet worden ist und mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung ein Bedürfnis für eine angemessene Verteilung der Verantwortung innerhalb des öffentlichen Rechts vorliegt (Senatsurteil BGHZ 21, 214, 218 ff). Nach diesen Maßstäben hat der Senat wegen Pflichtverstößen von Bediensteten des Strafvollzugs gegenüber Strafgefangenen lediglich Amtshaftungsansprüche für möglich gehalten und entschieden, dass die nur als Nebenpflicht bestehende Fürsorgepflicht des Staates keinen Anlass bietet, ein öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis zum Strafgefangenen anzunehmen (BGHZ 21, 214, 220). Vertragsähnliche Beziehungen, die die Anwendung des vertraglichen Schuldrechts erlauben, hat der Bundesgerichtshof hingegen im Verhältnis eines Anschlussnehmers zur Gemeinde hinsichtlich des Betriebs einer gemeindlichen Abwasserkanalisation (Senat, BGHZ 54, 299, 303), beim Betrieb der Wasserversorgung als öffentliche Einrichtung (BGHZ 59, 303, 305), für ein anstaltliches Nutzungsverhältnis zwischen dem Benutzer und dem hoheitlichen Träger eines kommunalen Schlachthofs (Senat, BGHZ 61, 7, 11; Urteil vom 20. Juni 1974 - III ZR 97/72 - NJW 1974, 1816) und für das Rechtsverhältnis zwischen dem Bund und dem Träger der Beschäftigungsstelle angenommen, das mit der Anerkennung einer privatrechtlich organisierten Beschäftigungsstelle des Zivildienstes nach § 4 ZDG begründet wird (Senatsurteil BGHZ 135, 341, 344 ff).
b) An diesen Maßstäben gemessen ist ein verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis mit dem von der Revision beanspruchten Inhalt nicht anzuerkennen. Zwar weist die Revision zutreffend darauf hin, dass zwischen dem Jugendamt und dem Kind ein Fürsorgeverhältnis besteht und dass die hieraus folgenden Pflichten nicht als bloße Nebenpflichten angesehen werden können, wie es der erkennende Senat in seiner Entscheidung BGHZ 21, 214 im Verhältnis zum Strafgefangenen angenommen hat. Denn § 42 Abs. 1 Satz 5 SGB VIII (vgl. jetzt § 42 Abs. 2 Satz 3 SGB VIII n.F.) weist dem Jugendamt die Pflicht zu, für das Wohl des Kindes zu sorgen. Hieraus folgt indessen nicht, dass das Jugendamt uneingeschränkt für ein Verhalten der Pflegeeltern, die das Kind in ihre Verantwortung übernommen haben, einzustehen hätte. Haftungsrechtlich wird das Kind damit, wie die Revisionserwiderung zutreffend hervorhebt, nicht schlechter als jedes andere Kind gestellt. Ein Bedürfnis, ein Kind während der Dauer der Inobhutnahme so weitgehend durch Amtshaftungsansprüche zu schützen - die Gewährleistung der Krankenhilfe ist dem Jugendamt nach § 42 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII (vgl. jetzt § 42 Abs. 2 Satz 3 SGB VIII n.F.) aufgegeben -, ist nicht anzuerkennen.
4. Die Rüge der Revision, dem beklagten Landkreis sei vorzuwerfen, dass er keine Haftpflichtversicherung zugunsten des Kindes abgeschlossen oder nicht darauf hingewirkt habe, dass die beauftragte Bereitschaftspflegerin einen solchen Versicherungsvertrag abschließe, geht ins Leere. Abgesehen davon, dass die Klägerinnen mit neuem Vorbringen in der Revisionsinstanz ausgeschlossen wären, ergibt sich aus dem von ihnen vorgelegten Schreiben der W. a.G. vom 8. Juli 2003, dass für die persönliche gesetzliche Haftpflicht der Pflegeeltern Deckungsschutz besteht.
Ende der Entscheidung
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