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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 05.03.1998
Aktenzeichen: III ZR 183/96
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 167 |
Zur Haftung eines Wirtschaftsberatungs- und Finanzbetreuungsunternehmens kraft Anscheinsvollmacht für einen als Handelsvertreter tätigen Außendienstmitarbeiter, der weisungswidrig Kapitalanlagen vermittelt, die nicht in dem gültigen Produktplan des Unternehmens enthalten sind.
BGH, Urt. v. 5. März 1998 - III ZR 183/96 - OLG Celle LG Hannover
LG Hannover Entsch. v. 9.8.95 - 13 O 141/95
OLG Celle Entsch. v. 26.6.96 - 11 U 338/95
III ZR 183/96
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 5. März 1998
Freitag Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 5. März 1998 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne, die Richter Dr. Werp, Dr. Wurm, Dörr und die Richterin Ambrosius
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 26. Juni 1996 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger begehren von der Beklagten Rückzahlung von 100.000 DM aus einem Kapitalanlagegeschäft.
Die Beklagte ist ein in ganz Deutschland tätiges Wirtschaftsberatungs- und Finanzbetreuungsunternehmen, das Kapitalanlagen, Bauspar- und Versicherungsverträge vermittelt. Sie unterhält mit Hilfe selbständiger Handelsvertreter eine Außendienstorganisation. Ihre Außendienstmitarbeiter werden je nach ihrer Position in der Hierarchie als Geschäftsstellenleiter, Direktionsassistenten, Direktionsmanager, Direktoren oder Landesdirektoren bezeichnet. Die Mitarbeiter sind berechtigt, das Firmenzeichen der Beklagten in Briefbögen und an den Geschäftsstellengebäuden zu benutzen und die Geschäftsräume nach außen als Geschäftsstelle der Beklagten zu bezeichnen. Sie dürfen grundsätzlich nur solche Verträge vermitteln, die von der Beklagten und ihren Partnergesellschaften angeboten werden und in dem jeweils gültigen Produktplan enthalten sind.
Im Bereich der Landesdirektion Berlin war der Direktionsmanager S. von 1989, seit Februar 1990 aufgrund eines Zusatzvertrages für Führungskräfte, bis zur Kündigung durch die Beklagte im Juli 1993 tätig. Er betrieb mit seinem Kollegen F. eine Geschäftsstelle. Die Beklagte hatte S. im Februar 1992 die Genehmigung erteilt, im Rahmen einer privaten Nebentätigkeit Handelsgeschäfte mit Bankgarantien zu vermitteln, wobei er keine Mitarbeiter der Beklagten einbeziehen durfte und den Kunden gegenüber klarzustellen hatte, daß diese Tätigkeit nicht im Zusammenhang mit den für die Beklagte erbrachten Beratungsleistungen stehe. S. vermittelte insoweit auch im Produktplan der Beklagten nicht enthaltene sogenannte SLC-Geschäfte (standby letters of credit). Im Mai 1992 mahnte die Beklagte S. ab, seine Nebentätigkeit nicht in ihrem Namen und unter Verwendung von Briefbögen mit ihrem Firmenzeichen auszuüben. Am 15. Februar 1993 unterzeichnete S. eine Erklärung, in der er sich unter anderem verpflichtete, den Vertrieb oder die Vermittlung von Produkten zu unterlassen, die nicht von der Beklagten zum Vertrieb freigegeben wurden. Die Beklagte forderte S. mit Schreiben vom 16. März 1993 auf, alle Transaktionen gemäß einer in diesem Rechtsstreit nicht vorgelegten Aufstellung umgehend rückabzuwickeln und entsprechend der Unterlassungserklärung künftig nur noch durch das Produktmanagement genehmigte Produkte zu vertreiben.
Die Kläger, die in der Vergangenheit über einen weiteren Mitarbeiter der Beklagten, B., bereits mehrere Anlagegeschäfte mit der Beklagten erfolgreich abgewickelt hatten, schlossen am 25. Mai 1993 mit B. eine Vereinbarung über eine gemeinsame Beteiligung an einem SLC- Geschäft, das über ein Treuhandkonto des S. abgewickelt werden sollte. Sie zahlten 100.000 DM auf dieses Konto ein; sie erhielten weder den Geldbetrag zurück noch wurden ihnen Gewinnanteile aus der Anlage ausgezahlt. Das Landgericht hat der auf Rückzahlung des Geldbetrages gerichteten Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit ihrer Revision begehren die Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat vertragliche Ansprüche der Kläger gegen die Beklagte verneint. Das SLC-Geschäft habe nicht zum Produktplan der Beklagten gehört. Daß die Kläger und B. ihre Vereinbarung über die Geldanlage auf einem Formular mit der Firmenbezeichnung der Beklagten festgehalten hätten, mache die Beklagte nicht zum Vertragspartner. Weder B. noch S. seien befugt gewesen, die Beklagte insoweit zu vertreten. Aufgrund einer Duldungsvollmacht hafte die Beklagte nicht, weil sie S. mit Schreiben vom 16. März 1993 untersagt habe, andere als genehmigte Produkte zu vertreiben. Eine Haftung aufgrund eines Rechtsscheins bestehe gleichfalls nicht. Äußerungen von Handelsvertretern in einer Geschäftsstelle der Beklagten erzeugten einen solchen Rechtsschein nicht. Dies gelte auch für die Verwendung von Briefbögen, denen in der Fußzeile der Hinweis zu entnehmen sei, Erklärungen in diesem Schreiben seien keine der Beklagten, sondern des obigen Absenders, und rechtsverbindliche Erklärungen für die Beklagte bedürften der zusätzlichen schriftlichen Bestätigung durch die Geschäftsführung. Etwas anderes ergebe sich weder aus Erklärungen in einer Versammlung von 400 Mitarbeitern in Berlin am 23. Juni 1992, wonach diese Geschäfte mit der Beklagten abgestimmt seien, noch aus sogenannten Probeläufen, an denen sich Mitarbeiter der Beklagten beteiligt hätten, noch aus Ranglisten und einem Artikel in der Hauspostille der Beklagten, in der S. als Finanzgenie dargestellt worden sei. Wann den Klägern diese Umstände bekannt geworden seien und daß sie auf einen etwa daraus zu entnehmenden Rechtsschein Vertraut hätten, sei nicht erkennbar. Angesichts der ungewöhnlichen Anlageform und des Anlageweges hätten die Kläger nicht auf die Bevollmächtigung des S. vertrauen können. Die Beklagte habe auch ihre Sorgfaltspflicht nicht verletzt, weil sie nach ihrem Schreiben vom 16. März 1993 davon habe ausgehen dürfen, S. werde die dubiosen Geschäfte in Zukunft unterlassen.
Ansprüche aus unerlaubter Handlung bestünden gleichfalls nicht. Zwar könne grundsätzlich davon ausgegangen werden, daß S. das eingezahlte Geld unterschlagen habe. Die Beklagte habe hierfür aber weder nach § 831 BGB noch nach §§ 30, 31 BGB einzustehen. S. sei als Handelsvertreter nicht Verrichtungsgehilfe. Er sei auch nicht verfassungsmäßig berufener Vertreter, weil ihm durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung keine bedeutsamen wesensmäßigen Funktionen der juristischen Person zur selbständigen eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen worden seien. Eine entsprechende Anwendung des § 31 BGB komme nicht in Betracht, weil es bei einem Strukturvertrieb - wie ihn die Beklagte unterhalte - nicht als Hauptaufgabe darum gehe, einzelne Kunden zu werben, sondern den Vertriebsweg zu organisieren. Die Art und Weise der jeweiligen Kundenwerbung bleibe den Handelsvertretern überlassen.
II.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.
1. Nicht zu beanstanden ist allerdings der Ausgangspunkt, daß S. nach den Verträgen, die die Beklagte mit ihm geschlossen hatte, nicht befugt war, in ihrem Namen das hier in Rede stehende SLC-Geschäft zu vermitteln. Dabei kann offenbleiben, ob die im Februar 1992 erteilte Genehmigung, im Rahmen einer Nebentätigkeit eigenen Namens Handelsgeschäfte mit Bankgarantien zu vermitteln, durch das Schreiben der Beklagten vom 16. März 1993 hinfällig geworden ist. Schon aus der Nebentätigkeitsgenehmigung ergab sich keine Berechtigung für S., solche Geschäfte im Namen der Beklagten abzuschließen. Das Schreiben vom 16. März 1993 enthält zudem die deutliche Aufforderung, entsprechend der im Februar 1993 unterzeichneten Unterlassungserklärung künftig ausschließlich genehmigte Produkte zu vertreiben, zu denen die SLC- Geschäfte unstreitig nicht gehörten. Mit Rücksicht auf dieses Schreiben ist auch die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe jedenfalls im Mai 1993, als die Kläger ihr Geld anlegten, ein SLC- Geschäft nicht mehr geduldet, rechtlich nicht zu beanstanden.
2. Dagegen lassen sich vertragliche Ansprüche der Kläger gegen die Beklagte auf der Grundlage eines erzeugten Rechtsscheins nicht ohne nähere Sachaufklärung verneinen. Die diesbezüglichen Ausführungen des Berufungsgerichts schöpfen den Vortrag der Kläger nicht aus.
a) Bei der Anscheinsvollmacht kann sich der Vertretene auf den Mangel der Vertretungsmacht seines Vertreters nicht berufen, wenn er schuldhaft den Rechtsschein einer Vollmacht veranlaßt hat, so daß der Geschäftsgegner nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte von einer Bevollmächtigung ausgehen darf und von ihr ausgegangen ist. Das kommt in Betracht, wenn er nach Lage der Dinge ohne Fahrlässigkeit annehmen darf, der Vertretene kenne und dulde das Verhalten des für ihn auftretenden Vertreters (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 8. Oktober 1986 - IVa ZR 49/85 - NJW-RR 1987, 308). Dieser Rechtsgrundsatz greift aber in der Regel nur dann ein, wenn das Verhalten des einen Teils, aus dem der Geschäftsgegner auf die Bevollmächtigung eines Dritten schließen zu können glaubt, von einer gewissen Häufigkeit und Dauer ist (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 1986 - II ZR 193/85 = NJW-RR 1986, 1169).
b) Gemessen an diesen Grundsätzen haben die Kläger die Erzeugung eines relevanten Rechtsscheins hinreichend unter Beweis gestellt. Denn sie haben unter Beweisantritt vorgetragen, S. habe bereits im Mai und Juni 1992 in großem Umfang SLC-Geschäfte vermittelt und über die Beklagte abgewickelt. Die in diesen Monaten erarbeiteten "Eigeneinheiten", die S. in der - in der hauseigenen Zeitschrift "Report" der Beklagten veröffentlichten - Rangliste erfolgreicher Mitarbeiter einen herausragenden Spitzenplatz verschafft hätten, hätten fast ausschließlich auf der Vermittlung solcher Geschäfte beruht. Die Beklagte habe im Rahmen eines "Vorlaufgeschäftes" die SLC-Geschäfte mit eigenen Mitarbeitern getätigt und getestet. Nachdem sich der Vorlauf bewährt habe, habe die Beklagte Stammkunden hierfür gewinnen wollen, wobei es besonderen Eindruck gemacht habe, wenn sich Mitarbeiter der Beklagten beteiligt hätten. Der Landesdirektor V. der Beklagten, der uneingeschränkte Vollmachten gehabt habe, habe von diesen Vorgängen Kenntnis gehabt und bei einem Meeting vom 23. Juni 1992 vor 400 Mitarbeitern auf den großen Erfolg hingewiesen, den S. mit der Vermittlung von SLC-Geschäften gehabt habe; er habe angekündigt, daß weitere Direktionsmanager der Beklagten in diese Geschäfte, die mit der Geschäftsleitung der Beklagten abgestimmt seien, eingewiesen werden sollten. Der Mitarbeiter B. habe ihnen die Zeitschrift "Report" der Beklagten mit der Rangliste erfolgreicher Mitarbeiter und einem Artikel über internationale Kapitalanlagen des S. zur Verfügung gestellt, sie hätten im Oktober 1992 in der Geschäftsstelle eine Informationsveranstaltung aufgesucht, bei der S. neben der Präsentation anderer Anlagemöglichkeiten das Konzept der SLC-Geschäfte erläutert habe. Die Kläger haben schließlich behauptet, die Beklagte habe von den Interbankgeschäften des S. und der Nutzung ihrer logistischen Strukturen Kenntnis gehabt.
c) Mit diesem Vortrag haben die Kläger hinreichend dargetan, daß S. SLC-Geschäfte im Rahmen seiner normalen Tätigkeit für die Beklagte vermittelte und daß der Beklagten diese Vorgänge bekannt waren. Dann aber lag für einen Kunden, der sich in einer mit der Firmenbezeichnung der Beklagten gekennzeichneten Geschäftsstelle Verträge dieser Art vermitteln ließ, nach Lage der Dinge die Annahme nahe, daß die Beklagte das Verhalten des S. und weiterer Mitarbeiter, die sich hieran beteiligten, duldete. Die gegenteilige Annahme des Berufungsgerichts läßt die notwendige Gesamtbetrachtung der für den Rechtsschein sprechenden Einzelelemente vermissen. Es kommt hinzu, daß der Beklagten, wie ihre erste Abmahnung vom 7. Mai 1992 zeigt, auch unabhängig von ihrem Bestreiten des Vortrags der Kläger bekannt war, daß sich S. nicht daran gehalten hatte, die ihm im Rahmen einer Nebentätigkeit erlaubten Geschäfte mit Bankgarantien ausschließlich im eigenen Namen zu betreiben. Schon aus dem unstreitigen Vorbringen läßt sich entnehmen, daß S. sein die Grenzen seiner Nebentätigkeitsgenehmigung verletzendes Verhalten fortgesetzt hatte. Denn die Beklagte mahnte ihn im Februar 1993 erneut ab und veranlaßte ihn am 15. Februar 1993 zur Unterzeichnung einer Unterlassungsverpflichtungserklärung, in der S. wegen des Umfangs und der wirtschaftlichen Bedeutung seines bisher gezeigten Fehlverhaltens für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die eingegangene Unterlassungsverpflichtung eine Vertragsstrafe in Höhe von 25.000 DM versprach. Die Beklagte behielt sich vor, über die Genehmigung oder Ablehnung der von S. praktizierten Sondergeschäfte nach Aktenlage zu entscheiden, und forderte ihn mit Schreiben vom 16. März 1993 auf, aus einer dem Gericht nicht vorgelegten Aufstellung ersichtliche Transaktionen umgehend rückabzuwickeln. Hieraus folgt, daß die den Rechtsschein begründenden Vorgänge über eine Dauer von mehr als neun Monaten währten. Daß sich die Kläger nach ihrem Vortrag hierauf verlassen haben, hat das Berufungsgericht - wie sein Tatbestandsberichtigungsbeschluß vom 25. September 1996 zeigt - nicht gesehen und dementsprechend nicht gewürdigt.
d) Dem Berufungsgericht kann auch nicht darin beigetreten werden, die Beklagte habe im Zusammenhang mit dem Verhalten des S. ihren Sorgfaltsanforderungen genügt, um der Erzeugung oder Veranlassung eines Rechtsscheins entgegenzuwirken. Bei pflichtgemäßer Sorgfalt hatte die Beklagte bereits im Zusammenhang mit ihrer ersten Abmahnung vom 7. Mai 1992, die sich auf ein Geschäft der hier in Rede stehenden Art bezog, die Obliegenheit, sich mit den Umständen näher zu beschäftigen und S. - über die Abmahnung hinausgehend - zu kontrollieren. Auch wenn es sich bis dahin, wie die Beklagte behauptet, um den einzigen ihr bekannt gewordenen Verstoß des S. handelte, Fremdprodukte in ihrem Namen zu vermitteln, gaben die Meldungen über die von den Mitarbeitern erarbeiteten Eigeneinheiten Anlaß, den Geschäftsbereich des S. näher zu überprüfen. Auch wenn die Zahlen in der Rangliste ihrer Zeitschrift, die - wie es in ihrem Untertitel heißt - für Mitarbeiter und Freunde der Beklagten bestimmt ist, auf deren eigenen Angaben beruhten, wie die Beklagte geltend macht, hätte - gerade wegen des zeitlichen Zusammenhangs mit der ersten Abmahnung - die Prüfung der Frage nahegelegen, worauf sich die im Vergleich zu den anderen Mitarbeitern besondere Tüchtigkeit des S. gründete. Der Veröffentlichung der Rangliste und des Artikels über das "Finanzgenie von seltenen Gnaden" in der Zeitschrift kam damit gerade auch unter den Mitarbeitern Bedeutung für die Frage zu, mit welchen Geschäften und unter Einsatz welcher Fertigkeiten und Methoden man für die Beklagte erfolgreich tätig werden kann. Duldete die Beklagte sonach, daß Mitarbeiter wie S. für andere Vertreter ihrer Organisation als Vorbild erscheinen mußten, hatte sie besonderen Anlaß, die Korrektheit seines Verhaltens zu überprüfen, nachdem ihr ein Verstoß gegen ihre Regeln bekannt geworden war.
Die Beklagte genügte ihrer Sorgfaltspflicht auch nicht, als sie sich im Frühjahr 1993 darauf beschränkte, S. in seine Schranken zu weisen und allein darauf zu vertrauen, er werde sich künftig an seine Unterlassungsverpflichtung halten. Die Fassung der Erklärung, insbesondere die Höhe der ausbedungenen Vertragsstrafe, lassen erkennen, daß die Beklagte von schwerwiegenden Verstößen des S. gegen seine Pflichten ausgegangen ist. Da S. als Führungskraft bei der Beklagten eingestuft war, mußte sich für die Beklagte - auch im Hinblick auf frühere Darstellungen seiner Qualitäten - aufdrängen, daß auch weitere Mitarbeiter in seinem Umfeld einbezogen und dementsprechend auf ihre Pflichten hinzuweisen waren. Abgesehen davon, daß die Beklagte Altkunden, zu denen nach dem unwidersprochenen Vortrag auch die Kläger gehörten, informieren konnte, hätte sie zumindest ihre in Berlin tätigen Mitarbeiter unterrichten müssen, um sicherzustellen, daß der nach außen sichtbar gewordene Rechtsschein von S. oder anderen Mitarbeitern seiner Umgebung nicht aufrechterhalten, sondern wirksam beseitigt wurde (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 1991 - IX ZR 121/90 = NJW 1991, 1225). Eine solche Maßnahme hätte aller Voraussicht nach dazu geführt, daß die Kläger das Anlagegeschäft nicht über den Mitarbeiter B. eingegangen wären.
e) Danach kommt in Betracht, daß zwischen den Parteien ein Geschäftsbesorgungsvertrag zustande gekommen ist, der die Beklagte verpflichtet, den eingezahlten Geldbetrag zu erstatten. Daß die Kläger den Geldbetrag auf ein Treuhandkonto des S. eingezahlt haben, steht dem nicht entgegen. Denn die Kläger konnten unter den Voraussetzungen des hier zugrunde gelegten Rechtsscheins davon ausgehen, daß S. für die Beklagte tätig war und daß die Einzahlung auf ein Treuhandkonto die Gewähr für eine korrekte Abwicklung des Geschäfts bot. Für das Verhalten des S. hat die Beklagte unter diesen Umständen nach § 278 BGB einzustehen, weil sie das mit der Arbeitsteilung verbundene Personalrisiko zu tragen hat. Daß sie sich hierzu selbständiger Handelsvertreter bedient, ändert daran nichts (vgl. BGHZ 82, 219, 222 f; Urteil vom 24. November 1995 - V ZR 40/94 = NJW 1996, 451; vom 24. September 1996 - XI ZR 318/95 = NJW-RR 1997, 11b).
III.
Die Beurteilung des Berufungsgerichts hat auch insoweit keinen Bestand, als es Ansprüche der Kläger aus unerlaubter Handlung verneint. Allerdings ist die Sache nicht, wie die Revision meint, für eine abschließende Entscheidung zugunsten der Kläger reif. Ob die Beklagte für eine unerlaubte Handlung des S., der im Juli 1995 wegen Betruges und Untreue zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden ist, als ihres Repräsentanten nach §§ 30, 31 BGB oder als ihres Verrichtungsgehilfen nach § 831 BGB einzustehen hat, bedarf weiterer tatrichterlicher Klärung.
1. a) Nach § 31 BGB ist die juristische Person für den Schaden verantwortlich, den ein Organ oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt. Zwar gehörte S. dem Vertretungsorgan der Beklagten nicht an. Über den Wortlaut der §§ 30, 31 BGB hinaus hat die Rechtsprechung jedoch eine Repräsentantenhaftung für solche Personen entwickelt, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, so daß sie die juristische Person im Rechtsverkehr repräsentieren (vgl. nur BGHZ 49, 19, 21). Da es der juristischen Person nicht freisteht, selbst darüber zu entscheiden, für wen sie ohne Entlastungsmöglichkeit haften will, kommt es nicht entscheidend auf die Frage an, ob die Stellung des "Vertreters" in der Satzung der Körperschaft vorgesehen ist oder ob er über eine entsprechende rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht verfügt. Der Bundesgerichtshof hat bisher zu diesem Personenkreis vor allem Filialleiter (BGHZ 49, 19, 21 f; Urteil vom 12. Juli 1977 - VI ZR 159/75 = NJW 1977, 2259, 2260; Senatsurteil vom 19. Oktober 1989 - III ZR 92/88 = NJW-RR 1990, 484) und Chefärzte von Krankenhäusern und Krankenhausabteilungen (Urteil vom 21. September 1971 - VI ZR 122/70 = NJW 1972, 334; BGHZ 77, 74, 79; 101, 215, 218) gezählt. Im Schrifttum wird als Sammelbegriff für diesen Personenkreis der des leitenden Angestellten vorgeschlagen (vgl. Reuter, in: MünchKomm/BGB, 3. Aufl. 1993, § 31 Rn. 14; Soergel-Hadding, BGB, 12. Aufl. 1988, § 31 Rn. 10).
b) Die Revision beanstandet mit Recht, daß das Berufungsgericht die tatsächlichen Grundlagen für seine Bewertung, bei einem sogenannten Strukturvertrieb, wie ihn die Beklagte gewählt habe, gehöre es nicht zu den wichtigen Aufgaben innerhalb eines Betriebes, einzelne Kunden zu werben, sondern den Vertriebsweg zu organisieren, nicht auf Parteivortrag stützt. Gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts sprechen auch die Mitarbeiterverträge, aus denen sich ergibt, daß die Beklagte sich als Vermittlungsgesellschaft mit der Vermittlung von Kapitalanlagen, Bauspar- und Versicherungsverträgen befaßt und sich zur Durchführung ihrer Vermittlungsaufgaben einer eigenen Außendienstorganisation bedient. Danach steht die Vermittlungstätigkeit der Beklagten eindeutig im Vordergrund. Daß sie sich im Außendienst selbständiger Handelsvertreter bedient, um ihren Aufgaben gerecht zu werden, stellt zwar besondere Anforderungen an die Organisation der Vertriebswege, schöpft damit aber die Aufgaben der Beklagten ersichtlich nicht aus.
Die Beklagte hat eine Verantwortlichkeit nach § 31 BGB im wesentlichen mit der Erwägung in Abrede gestellt, S. sei lediglich selbständiger Handelsvertreter gewesen, der nicht einmal abschlußberechtigt, sondern nur berechtigt gewesen sei, Vertragsofferten an die Beklagte weiterzuleiten. Der letztgenannte Umstand würde zwar gegen eine Repräsentantenhaftung in der Person des S. sprechen. Daß sich die Beklagte für ihre Außendienstorganisation selbständiger Handelsvertreter bedient, schließt jedoch nicht von vornherein aus, daß ein solcher Handelsvertreter nach außen Aufgaben wahrzunehmen hat, die eine Vertreterstellung nach § 31 BGB begründen (vgl. BGHZ 49, 19, 21 f). Wie der bei der Beklagten verwendeten Bezeichnung ihrer Mitarbeiter zu entnehmen ist und wie es in einer so großen Organisation, wie sie von der Beklagten unterhalten wird, auch nicht anders sein wird, hatten die Handelsvertreter bei ihr eine durchaus unterschiedliche Stellung. In der Hierarchie der Beklagten wurde S. als Führungskraft bezeichnet; er hatte mit der Beklagten einen dem Gericht bislang nicht vorgelegten Zusatzvertrag für Führungskräfte geschlossen. Danach räumt die Beklagte mit dem Hinweis auf die Handelsvertreterstellung nicht die naheliegende Überlegung aus, daß einzelne Handelsvertreter neben der Kundenwerbung auch übergeordnete Aufgaben zu erfüllen hatten. Wenn auch grundsätzlich die Kläger die haftungsbegründenden Umstände darzulegen haben, obliegt der Beklagten doch eine nur ihr mögliche Aufklärung über den Aufgabenbereich des S. oder des ihm übergeordneten Landesdirektors V., wenn die allgemeine Charakterisierung der Aufgaben bereits anhand des normalen Mitarbeitervertrages nicht ausreichend bestimmt werden kann und wenn das - nicht rein interne - Publikationsorgan der Beklagten auf die hohe Sachkompetenz des S. hinweist (vgl. zur Darlegungs- und Beweislast BGH, Urteil vom 12. Juli 1977 - VI ZR 159/75 = NJW 1977, 2259, 2260).
c) Das Berufungsgericht hat auch nicht geprüft, ob eine Haftung der Beklagten entsprechend § 31 BGB in Betracht kommt, weil ihre Geschäftsführung nicht durch geeignete organisatorische Maßnahmen dafür gesorgt hat, daß die Tätigkeit ihrer Handelsvertreter, insbesondere des S., für den wegen der ihm gestatteten Nebentätigkeit besondere Verhältnisse bestanden, ausreichend überwacht wurde oder weil sie einen für den fraglichen Aufgabenkreis zuständigen Vertreter nicht berufen hat (vgl. BGHZ 24, 200, 213; 39, 124, 129 f; Urteil vom 30. Januar 1996 - VI ZR 408/94 = NJW-RR 1996, 867, 868).
d) Ein mögliches Einstehenmüssen nach § 31 BGB scheitert nicht daran, daß S. seine Pflichten vorsätzlich verletzt und sich möglicherweise auch im Verhältnis zu den Klägern strafbar gemacht hat. Er handelte dabei aus der maßgebenden Sicht der Kläger, die über die Ausgestaltung des Innenverhältnisses zwischen ihm und der Beklagten, insbesondere den Produktplan, nichts Näheres wußten, in Ausführung seiner ihm allgemein zukommenden Aufgaben (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 1989 - III ZR 92/88 = NJW-RR 1990, 484 f) als Vermittler von Kapitalanlagen.
2. Das Berufungsgericht hat eine Haftung der Beklagten nach § 831 BGB mit der Erwägung verneint, S. sei nicht Verrichtungsgehilfe der Beklagten gewesen, weil es seine Sache gewesen sei, inwieweit er für sie habe tätig sein wollen.
Zutreffend ist der Ausgangspunkt, daß Handelsvertreter grundsätzlich selbständige Gewerbetreibende (§ 84 HGB) und nicht Verrichtungsgehilfen des Unternehmers sind, für den sie tätig werden (vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 1979 - I ZR 140/77 = NJW 1980, 941). Allerdings kommt auch für selbständige Handelsvertreter die Eigenschaft eines Verrichtungsgehilfen ausnahmsweise in Betracht, wenn sie bei Ausübung der Tätigkeiten weisungsgebunden sind (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 1956 - I ZR 129/54 - NJW 1956, 1715). Die Revision macht unter Bezugnahme auf verschiedene Bestimmungen des Mitarbeitervertrages geltend, die Tätigkeit des Mitarbeiters sei nach Art und Gegenstand durch umfängliche Weisungsrechte und Genehmigungsvorbehalte gebunden und auf die Beklagte beschränkt. Soweit eine vertragliche Haftung oder eine Haftung der Beklagten nach § 31 BGB nicht in Betracht kommt, wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob S. unter Einbeziehung des für ihn maßgebenden Zusatzvertrages für Führungskräfte als Verrichtungsgehilfe angesehen werden kann. Die Parteien haben im weiteren Verfahren Gelegenheit, hierzu ergänzend
Ende der Entscheidung
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