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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 31.01.2008
Aktenzeichen: III ZR 186/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 839 Fc
Es wird daran festgehalten, dass die Behandlung eines Patienten in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Landeskrankenhauses auch dann öffentlich-rechtlicher Natur ist, wenn sie im Einverständnis des Patienten und seines Betreuers und nicht etwa aufgrund einer hoheitlichen Unterbringung erfolgt. Grundlage für Schadensersatzansprüche aus Behandlungsfehlern ist daher die Amtshaftung und nicht etwa eine privatrechtliche Haftung wegen positiver Vertragsverletzung (Bestätigung der Senatsurteile BGHZ 38, 49 und vom 19. Januar 1984 - III ZR 172/82 = NJW 1985, 677).
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

III ZR 186/06

vom 31. Januar 2008

in dem Rechtsstreit

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. Januar 2008 durch den Vorsitzenden Richter Schlick, die Richter Dr. Wurm, Dörr und Wöstmann und die Richterin Harsdorf-Gebhardt

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerinnen gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 10. Juli 2006 - 1 U 12/06 - wird zurückgewiesen.

Von den Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens und den außergerichtlichen Kosten des beklagten Landes haben die Klägerin zu 1 60 v.H. und die Klägerin zu 2 40 v.H. zu tragen. Im Übrigen werden außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht erstattet.

Streitwert: 103.786,67 €

Gründe:

Einer Zulassung der Revision bedarf es nicht. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

1. Die Klägerin zu 1 ist der gesetzliche Krankenversicherer und die Klägerin zu 2 der gesetzliche Pflegeversicherer der J. W. . Die Klägerinnen machen gemäß § 116 SGB X auf sie übergegangene Ersatzansprüche gegen das beklagte Land als Träger des Niedersächsischen Landeskrankenhauses L. geltend. Die Versicherte der Klägerinnen wurde seit dem 2. November 1995 mit ihrem und ihres Betreuers Einverständnis in der geschlossenen Abteilung des Landeskrankenhauses behandelt. Dort wurde ihr Lithium verabreicht. Wegen nicht ausreichender Überwachung des Lithiumspiegels kam es zu einer Lithiumintoxikation, die zu schweren gesundheitlichen Schädigungen der Versicherten führte. Die Klägerinnen, die bereits in einem früheren Rechtsstreit das beklagte Land erfolgreich auf Erstattung ihrer Kranken- und Pflegeversicherungsleistungen in Anspruch genommen hatten, machen nunmehr weitere Schadenspositionen geltend, die nicht Gegenstand jenes Prozesses gewesen waren. Beide Vorinstanzen haben die Klage im jetzt noch anhängigen Umfang wegen Verjährung abgewiesen. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Nichtzulassungsbeschwerde beider Klägerinnen können keinen Erfolg haben.

2. Mit Recht haben beide Vorinstanzen angenommen, dass die Rechtsbeziehungen zwischen der Versicherten und dem beklagten Land als Träger des Landeskrankenhauses öffentlich-rechtlicher Natur gewesen sind. Deshalb beurteilt sich die Haftung des beklagten Landes ausschließlich nach Amtshaftungsgrundsätzen (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG), und nicht etwa nach den privatrechtlichen Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung.

a) Der Senat hat bereits in seinem Urteil BGHZ 38, 49, das beide Vorinstanzen der Beurteilung des jetzigen Falles mit Recht zugrunde gelegt haben, entschieden, dass die Behandlung eines Patienten in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Landeskrankenhauses auch dann öffentlich-rechtlicher Natur ist, wenn sie im Einverständnis des Patienten und nicht etwa aufgrund einer hoheitlichen Unterbringung erfolgt. Der Senat hat sich hierbei von der Erwägung leiten lassen, dass die Aufgabe des Landeskrankenhauses in der Verwahrung und Heilbehandlung von Geistes- und Gemütskranken und gegebenenfalls auch in dem Schutz der Außenwelt vor ihnen besteht. Es geht also um Aufgaben, die schon seit langem vom Staat als öffentliche Aufgaben angesehen werden und die im Rahmen sozialstaatlicher, mithin öffentlicher Pflichten des Staates liegen. Der Wahrnehmung von Hoheitsbefugnissen steht nicht entgegen, dass der Patient selbst sich mit der Aufnahme einverstanden erklärt hat. Diese Einverständniserklärung hat nicht die Bedeutung, dass damit etwa die Regelung des Verhältnisses des Krankenhauses zu den mit der Unterbringung einverstandenen Patienten zum Gegenstand einer bürgerlich-rechtlichen vertraglichen Abmachung gemacht wird. Der Einverständniserklärung kommt vielmehr lediglich einmal die Bedeutung zu, dass es bei ihrem Vorliegen des besonderen in den Unterbringungsgesetzen geregelten Unterbringungsverfahrens nicht bedarf. Zum anderen bedeutet das Einverständnis des Betroffenen mit der Unterbringung, dass die mit dieser in einer geschlossenen Anstalt verbundenen Freiheitsbeschränkungen weder im Blick auf die Bestimmungen des Art. 104 GG und des § 823 Abs. 1 BGB noch im Blick auf strafrechtliche Vorschriften rechtswidrig sind. Dementsprechend ist die hier in Rede stehende Einverständniserklärung nicht Rechtsgeschäft oder Willenserklärung im technischen Sinne, sondern die Gestattung von Handlungen oder sonstigen Maßnahmen, die in rechtlich geschützte Güter des Betroffenen eingreifen. Aus alledem folgt, dass das Einverständnis der Versicherten mit ihrer Aufnahme in das Landeskrankenhaus für die Frage, ob die Rechtsbeziehungen zwischen ihr und dem Landeskrankenhaus dem bürgerlichen Recht zuzuordnen sind oder nicht, nicht von entscheidender Bedeutung ist (Senatsurteil BGHZ 38, 49, 53 f). Entgegen der Betrachtungsweise der Beschwerde ändert sich daran durch das Hinzutreten der weiteren Einverständniserklärung des Betreuers nichts. Diese besagt lediglich, dass auch aus seiner Sicht gegen die freiheitsentziehenden Maßnahmen keine Einwände bestehen.

b) Ebenso wenig kann der Beschwerde darin gefolgt werden, dass diese Grundsätze durch das spätere Senatsurteil vom 19. Januar 1984 (III ZR 172/82 = NJW 1985, 677, 678) modifiziert worden seien. Dieses Urteil betrifft lediglich die Haftung für die Verletzung der Pflicht zur Beaufsichtigung von Patienten, die sich freiwillig oder im Einverständnis ihrer gesetzlichen Vertreter in einer von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts getragenen offenen psychiatrischen Klinik befinden. Der Senat hat dort vielmehr ausdrücklich hervorgehoben, dass es bei geschlossenen Anstalten in vollem Umfang bei den Grundsätzen des früheren Urteils BGHZ 38, 49 verbleibt (aaO).

3. Daraus folgt zugleich weiter, dass sich die Verjährung der streitgegenständlichen Amtshaftungsansprüche noch nach § 852 BGB a.F. beurteilt. Beide Vorinstanzen haben einen Verjährungseintritt nach dieser Bestimmung rechtsfehlerfrei bejaht.

Ende der Entscheidung

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