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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 23.04.1998
Aktenzeichen: III ZR 194/96
Rechtsgebiete: ZPO, EGBGB, EuÜbK


Vorschriften:

ZPO § 1041 Abs. 1 Nr. 1 a.F.
EGBGB Art. 7 Abs. 1 Satz 1
EGBGB Art. 12
EuÜbK ü. d. internat. Handelsgerichtsbarkeit Art. VI Abs. 2
ZPO § 1041 Abs. 1 Nr. 1 a.F.; EGBGB Art. 7 Abs. 1 Satz 1, Art. 12; EuÜbk. ü. d. internat. Handelsgerichtsbarkeit Art. VI Abs. 2

Zur Frage der Wirksamkeit eines Schiedsvertrages zwischen einem deutschen und einem jugoslawischen/kroatischen Unternehmen, dem nach seinem Heimatrecht die Fähigkeit zum Abschluß von Außenhandelsverträgen fehlte.

BGH, Urt. v. 23. April 1998 - III ZR 194/96 - Hanseatisches OLG in Bremen LG Bremen

LG Bremen Entsch. v. 16.9.94 - 15 O 318/93

OLG Bremen Entsch. v. 30.5.96 - 2 U 120/94

III ZR 194/96


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

III ZR 194/96

Verkündet am: 23. April 1998

Freitag Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. April 1998 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne, die Richter Dr. Werp, Streck, Dörr und die Richterin Ambrosius

für Recht erkannt:

Die Revision der Antragstellerin gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen - 2. Zivilsenat - vom 30. Mai 1996 wird mit folgender Maßgabe zurückgewiesen:

Der Schiedsspruch des Schiedsgerichts, bestehend aus dem Vorsitzenden, Rechtsanwalt Dr. Dieter Ahlers, Bremen, dem Dipl.-Ing. Davor Vucina, Split, und dem Rechtsanwalt Dr. Lutz Weipert, Bremen, vom 15. April 1993, niedergelegt am 10. Mai 1993 beim Landgericht Bremen unter dem Aktenzeichen Sch 6/93, wird aufgehoben.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Antragstellerin erstrebt die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs, mit dem die Antragsgegnerin zur Zahlung von Schadensersatz an die Antragstellerin verurteilt worden ist. Die Antragsgegnerin leugnet die Wirksamkeit der Schiedsabrede.

Die Antragstellerin bestellte durch Verträge vom 26. Oktober 1988 und 5. Januar 1989 bei der Antragsgegnerin, einem jugoslawischen Unternehmen, stählerne Schiffslukendeckel. Sie stand seit 1984 mit der Antragsgegnerin in Geschäftsverbindung, hatte jedoch damals den Vertrag wegen der fehlenden Außenhandelsbefugnis der Antragsgegnerin mit einem anderen jugoslawischen Unternehmen schließen müssen, das die Außenhandelserlaubnis besaß. Diesmal hingegen kontrahierte die Antragstellerin direkt mit der Antragsgegnerin. Die Verträge enthielten eine Schiedsabrede. Der Ort des Schiedsgerichts sollte Bremen sein, "subject to F.R.G. law regulations". Bei der nachfolgenden Lieferung der bestellten Lukendeckel überschritt die Antragsgegnerin die vereinbarten Lieferfristen zumindest teilweise erheblich. Wer dafür verantwortlich war, ist zwischen den Parteien streitig. Die Antragstellerin rief wegen ihres Verzögerungsschadens das Schiedsgericht an. Dieses verurteilte durch Schiedsspruch vom 15. April 1993 die Antragsgegnerin zur Zahlung von rund 1.300.000 DM Schadensersatz.

Der Antrag der Antragstellerin auf Vollstreckbarerklärung dieses Schiedsspruchs hatte vor dem Landgericht Erfolg, wurde jedoch vom Oberlandesgericht auf die Berufung der Antragsgegnerin zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision der Antragstellerin, mit der sie die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils begehrt.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

I.

Das Berufungsgericht hat den Antrag auf Vollstreckbarerklärung zurückgewiesen, weil der Antragsgegnerin für Außenhandelsverträge und damit verbundene 5chiedsabreden die Rechtsfähigkeit gefehlt habe. Einen Gutglaubensschutz für die Antragstellerin nach Art. 12 Satz 1 EGBGB hat es mit der Begründung abgelehnt, daß diese Vorschrift sich ihrem eindeutigen Wortlaut nach nur auf natürliche Personen beziehe und deshalb - entgegen einer im Schrifttum verbreiteten Meinung - nicht auf juristische Personen angewendet werden dürfe. Selbst wenn aber Art. 12 Satz 1 EGBGB einschlägig sein sollte, komme der Antragstellerin diese Vorschrift im Ergebnis gleichwohl nicht zugute, weil sie nicht auf die Rechtsfähigkeit der Antragsgegnerin habe vertrauen dürfen, nachdem in ihre früheren Auftragsverhältnisse mit dieser stets ein anderes, zum Außenhandel befugtes jugoslawisches Unternehmen eingeschaltet gewesen sei. Allein auf die angebliche Erklärung des Verhandlungsvertreters C. der Antragsgegnerin, daß diese inzwischen direkt kontrahieren könne, habe die Antragstellerin sich nicht verlassen dürfen.

II.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs ist nicht begründet, weil der nach § 1042 Abs. 2 ZPO a.F. die Ablehnung des Antrags rechtfertigende Aufhebungsgrund des § 1041 Abs. 1 Nr. 1 ZPO a.F. gegeben ist, daß dem Schiedsspruch kein gültiger Schiedsvertrag zugrunde liegt. Denn die Antragsgegnerin war nach dem insoweit maßgebenden jugoslawischen bzw. kroatischen Recht für Außenhandelsgeschäfte nicht rechtsfähig und infolgedessen auch zum Abschluß von Schiedsvereinbarungen mit einem ausländischen Handelspartner rechtlich nicht imstande.

Für gerichtliche Verfahren, die, wie das vorliegende, bei Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung des Schiedsverfahrenrechts vom 22. Dezember 1997 - BGBl. I S. 3224 -, also am 1. Januar 1998 schon anhängig waren, ist nach dessen Art. 4 § 1 Abs. 3, Art. 5 Abs. 1 das bisher geltende Recht anzuwenden.

1. Die Wirksamkeit der Schiedsabrede ist nach deutschem Recht zu beurteilen. Die Klausel, daß der Schiedsort Bremen sein soll, "den deutschen Rechtsvorschriften unterworfen", mag sich dem Wortlaut nach auf das Statut des Schiedsverfahrens beschränken. Haben die Parteien aber das auf das Schiedsverfahren anwendbare Recht festgelegt, so ergibt sich daraus in der Regel auch das Schiedsvertragsstatut (Zöller/Geimer, ZPO 20. Aufl. § 1025 Rn. 79). Nach dem somit anzuwendenden deutschen Recht kann eine juristische Person sich nur insoweit vertraglich verpflichten, als sie rechtsfähig ist.

2. Der Ansicht des Berufungsgerichts, daß die Antragsgegnerin zum Abschluß von Außenhandelsverträgen rechtlich nicht fähig war, ist zu folgen.

a) Nach Art. VI Abs. 2 S. 1 des zwischen Deutschland und der ehemaligen Sozialistischen Bundesrepublik Jugoslawien geschlossenen und im Verhältnis zu ihrem Nachfolgestaat Kroatien fortgeltenden Europäische Übereinkommens über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21. April 1961 (BGBl. 1964 II S. 427) - wie auch nach allgemeinem deutschen Kollisionsrecht - beurteilt sich die Rechtsfähigkeit der Antragsgegnerin nach ihrem Personalstatut, also nach dem Recht der Teilrepublik Kroatien der ehemaligen Sozialistischen Bundesrepublik Jugoslawien, das aus transformiertem Bundesrecht der ehemaligen Sozialistischen Bundesrepublik Jugoslawien (im folgenden: jugoslawisches Recht) und Republiksrecht der Teilrepublik bestand.

b) An die Feststellung des Berufungsgerichts, daß der Antragsgegnerin nach ihrem Heimatrecht die Rechtsfähigkeit für Außenhandelsverträge fehlte, ist der erkennende Senat bei seiner revisionsrechtlichen Überprüfung des Berufungsurteils gebunden.

Das Berufungsgericht hat sich bei seiner Feststellung, die Beklagte sei nach jugoslawischem Recht für Außenhandelsverträge nicht rechtsfähig gewesen, auf ein Sachverständigengutachten des wissenschaftlichen Referenten beim Institut für Ostrecht, P., gestützt. Dieser hat ausgeführt: Nach dem jugoslawischen Obligationenrecht sei die Rechtsfähigkeit einer juristischen Person auf den durch ihr Statut festgelegten und im Gerichtsregister, das dem deutschen Handelsregister entspreche, eingetragenen Bereich ihrer Geschäftstätigkeit beschränkt; insoweit habe das jugoslawische Recht die englische ultra-vires-Lehre übernommen. Außerdem sei nicht jedes Unternehmen befugt gewesen, Außenhandelsgeschäfte zu tätigen. Dazu sei eine Eintragung im Gerichtsregister erforderlich gewesen. Da die Beklagte nicht für die Durchführung von Außenhandelsgeschäften eingetragen gewesen sei, habe sie sich beim Abschluß der zu begutachtenden Verträge außerhalb des eingetragenen Bereichs ihrer Geschäftstätigkeit bewegt. Infolgedessen sei sie im Hinblick auf den Abschluß von Außenhandelsverträgen nicht rechtsfähig gewesen. Diese Ansicht des Sachverständigen hat das Berufungsgericht sich zu eigen gemacht. Damit hat es auf verfahrensgerechte Weise das ausländische Recht festgestellt und angewandt. Die Anwendung derart festgestellten ausländischen Rechts ist nicht revisibel (Zöller/Gummer § 548 Rn. 9 m.w.N.).

c) Die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörterte Frage, ob die jugoslawischen Außenhandelsbestimmungen in Verbindung mit dem Obligationenrecht, welche die fehlende Rechtsfähigkeit der Antragsgegnerin für Außenhandelsverträge herbeiführten, als international zwingende Normen (Eingriffsnormen) anzusehen und als solche für die deutschen Gerichte unbeachtlich sind (vgl. hierzu Fischer, IPRax 1996, 332, 333 und BGHZ 31, 367, 371 f; 64, 183, 188 f; 128, 41, 52), ist zu verneinen. Eingriffsnormen im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Regelungen des ausländischen Wirtschaftsrechts, die nach ihrem Geltungswillen - vornehmlich als Veräußerungsverbote oder Verfügungsbeschränkungen - in den Bereich des inländischen Vertragsstatuts hineinwirken. Hier dagegen geht es um Regelungen des nach deutschem Kollisionsrecht maßgebenden ausländischen Personalstatuts. Daß diese zugleich geeignet waren, das jugoslawische Außenhandelsmonopol zu stützen, führt nicht zu einer anderen Beurteilung.

d) Der deutsche ordre public ist nicht verletzt. Eine Rechtsnorm eines anderen Staates ist nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist (Art. 6 Satz 1 EGBGB). Die Anwendung dieser Ausnahmevorschrift setzt voraus, daß die Anwendung des ausländischen Rechts im konkreten Fall zu einem Ergebnis führen würde, das den Kernbestand der deutschen Rechtsordnung antastet (Amtl. Begründung BT-Drucks. 10/504 S. 42). Das ist, wenn das ausländische Recht die Fähigkeit zum Abschluß von Außenhandelsverträgen besonders regelt, nicht der Fall.

2. Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht der Antragstellerin einen Gutglaubensschutz versagt.

a) Mit Recht rügt die Revision allerdings, daß das Berufungsgericht bei seiner Sicht, wonach der den guten Glauben des Vertragspartners an die Rechtsfähigkeit des anderen Teils schützende Art. 12 Satz 1 EGBGB nicht anwendbar sein soll, verkannt hat, daß diese Vorschrift im 2. Abschnitt des EGBGB steht, der nur das Recht der natürlichen Person regelt, und daß der Gesetzgeber des deutschen internationalen Privatrechts auf Kollisionsregeln für das Recht der juristischen Personen bislang bewußt verzichtet und damit dessen Entwicklung bis auf weiteres der Rechtsprechung und Lehre überlassen hat, so daß eine rechtsanaloge Anwendung des Art. 12 Satz 1 EGBGB auf juristische Personen durchaus in Betracht gezogen werden könnte (vgl. nur Palandt/Heldrich, BGB, 57. Aufl., Anhang zu EGBGB 12 (IPR) Rn. 1). Jedoch braucht die Frage, ob eine solche Analogie geboten ist (zum Meinungsstand vgl. Palandt/Heldrich aaO Rn. 7), vom erkennenden Senat nicht beantwortet zu werden, weil jedenfalls die hilfsweise gegebene Begründung des Berufungsgerichts, die Antragstellerin sei nicht gutgläubig gewesen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist.

b) Durch Art. 12 EGBGB wird nicht geschützt, wer die Rechtsunfähigkeit seines Vertragspartners bei Vertragsschluß kannte oder kennen mußte. Gutgläubigkeit der Antragstellerin ist somit schon dann zu verneinen, wenn ihre Annahme, die Antragsgegnerin sei inzwischen zum Außenhandel befugt, von auch nur leichter Fahrlässigkeit beeinflußt war (Palandt/Heldrich aaO Rn. 3; Fischer, Verkehrsschutz im internationalen Vertragsrecht S. 363). Das hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei bejaht und dabei insbesondere die der Antragstellerin obliegende Sorgfaltspflicht nicht überspannt. Wenn es entscheidendes Gewicht auf den Umstand gelegt hat, daß bei den vorangegangenen Geschäften der Parteien stets ein anderes jugoslawisches Unternehmen mit Außenhandelsbefugnis eingeschaltet worden war, und demgegenüber die - zugunsten der Antragstellerin unterstellte - Erklärung des Vertreters C. der Antragsgegnerin, daß dies jetzt nicht mehr nötig sei, auch in Anbetracht der - ebenfalls zugunsten der Antragstellerin unterstellten - wirtschaftspolitischen Umwälzungen im Jugoslawien des Jahres 1988 für nicht gewichtig genug erachtet hat, um die Bedeutung der früheren Handhabung der Geschäftsverbindung zu entkräften, so ist diese Wertung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe den Vortrag der Antragstellerin übergangen, daß ihr wegen der Eilbedürftigkeit des Auftrags eine zeitaufwendige Überprüfung des Bestehens der Außenhandelsberechtigung der Beklagten nicht möglich gewesen sei. Diese Behauptung reichte in Anbetracht verschiedener auf der Hand liegender schneller Auskunftsmöglichkeiten wie z.B. einer telefonischen Anfrage beim Bundesministerium für Wirtschaft, bei der jugoslawischen Botschaft in Deutschland, der deutschen Botschaft in Jugoslawien oder der Industrie- und Handelskammer in Kroatien, nicht aus, um eine Fahrlässigkeit ausschließende Unzumutbarkeit der Nachprüfung der Äußerung des Zeugen C. darzulegen.

3. Die Berufung der Antragsgegnerin auf die Unwirksamkeit des Schiedsvertrages verstößt nicht deshalb gegen Treu und Glauben, weil sie den Hauptvertrag - wenn auch teilweise verspätet - zumindest im wesentlichen erfüllt hat. Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens im Zusammenhang mit der Durchführung des Hauptvertrages zwingt die Antragsgegnerin nicht, sich einer nach der Rechtslage unwirksamen Schiedsklausel zu unterwerfen und damit ihrem Anspruch auf den gesetzlichen Richter zu entsagen.

4. Nach alledem war wegen der fehlenden Rechtsfähigkeit der Antragsgegnerin zum Abschluß von Außenhandelsverträgen und der daraus herrührenden Unwirksamkeit des Schiedsvertrages das den Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs zurückweisende Berufungsurteil zu bestätigen. Zugleich war die nach § 1042 Abs. 2 ZPO mit der Ablehnung des Antrags zu verbindende Aufhebung des Schiedsspruchs nachzuholen.

Ende der Entscheidung

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