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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 17.09.2009
Aktenzeichen: III ZR 207/08
Rechtsgebiete: BGB, GG


Vorschriften:

BGB § 306a
BGB § 307 Abs. 1
GG Art. 12 Abs. 1
Zur Frage der Wirksamkeit der in einem Ausbildungsvertrag (hier: Prüfingenieur) enthaltenen Klausel, die einen (Teil-)Erlass der Ausbildungskosten für den Fall des vorfristigen Ausscheidens aus der "Prüforganisation" des die Ausbildung durchführenden Unternehmens vorsieht, dabei aber nicht nach dem Grund der Beendigung der Zugehörigkeit zu dieser Organisation differenziert.
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat

auf die mündliche Verhandlung vom 17. September 2009

durch

den Vizepräsidenten Schlick und

die Richter Dörr, Dr. Herrmann, Hucke und Tombrink

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 17. Juli 2008 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsrechtszugs zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Zahlung anteiliger Kosten einer von ihr durchgeführten Ausbildung des Beklagten zum Kraftfahrzeug-Prüfingenieur. Die Parteien streiten um Inhalt und Wirksamkeit der zugrunde liegenden Zahlungsregelung aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Ausbildungsvertrag.

Bei der Klägerin handelt es sich um eine nach Anlage VIIIb zur Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) amtlich anerkannte Überwachungsorganisation, die mit der technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen, insbesondere den Haupt- und Abgasuntersuchungen nach §§ 29 und 47a StVZO, befasst ist. Hierbei bedient sie sich der Dienste von Prüfingenieuren, die als selbständige Inhaber von Ingenieurbüros mit der Klägerin durch sog. "G. -Partnerschafts-Verträge" verbunden sind, oder aber, wie im Fall des Beklagten, in solchen Büros angestellt sind. Die Klägerin betreibt zudem eine Akademie zur theoretischen Fortbildung von Ingenieuren zu KFZ-Prüfingenieuren.

Am 23. August 2004 schloss der Beklagte als Diplom-Ingenieur (FH) einen "Anstellungsvertrag" mit dem Sachverständigenbüro B. in H. , einem Partnerbüro der klägerischen Prüforganisation. Dieser Vertrag sah vor, dass der Beklagte sich durch Teilnahme an einem etwa acht- bis zehnmonatigen Lehrgang bei der Klägerin zum KFZ-Prüfingenieur ausbilden lässt (Ziffer 2 Abs. 1) und bis zur Vollendung der Ausbildung als "auszubildender KFZ-Sachverständiger des Ingenieurbüros" tätig ist (Präambel). Des Weiteren verpflichtete sich der Beklagte, mit der Klägerin einen (Partnerschafts-) Vertrag abzuschließen, der ihm die Tätigkeit als Prüfingenieur erlaubt, wobei die sich aus diesem Vertrag mit der Klägerin ergebenden Rechte und Pflichten zugleich auf das Büro B. als Arbeitgeber übertragen wurden (Ziffer 2 Abs. 3). Unter Ziffer 13 bestimmte der Anstellungsvertrag, dass der Arbeitgeber die sich aus Anlass der Schulung bei der Klägerin ergebenden Kosten übernimmt und sich die Parteien darüber einig sind, dass sich die voraussichtlichen Ausbildungs- und Nebenkosten auf ca. 25.000 EUR belaufen; der Arbeitnehmer sollte zur Rückzahlung dieser Kosten verpflichtet sein, wenn das Anstellungsverhältnis auf Veranlassung des Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers gekündigt wird, wobei für jeden Monat der Beschäftigung nach Aufnahme der Tätigkeit als Prüfingenieur 1/36 des gesamten Rückzahlungsbetrages erlassen wird. Nach Ziffer 15 berechtigt der Widerruf der Betrauung des Ingenieurs als Prüfingenieur durch die Klägerin das Ingenieurbüro zur fristlosen Kündigung des Anstellungsvertrags.

Mit Datum vom 18./27. August 2004 schlossen die Parteien einen "Ausbildungsvertrag". Hierin verpflichtete sich die Klägerin, den Beklagten zum Prüfingenieur auszubilden. Als Ausbildungsentgelt war unter Ziffer 6 eine Vergütung von 12.300 EUR zuzüglich Umsatzsteuer vorgesehen, deren erster Teil in Höhe von 4.100 EUR netto mit Ausbildungsbeginn und deren zweiter Teil in Höhe von 8.200 EUR netto nach Ablauf von vier Monaten seit Ausbildungsbeginn zur Zahlung fällig werden sollte. Die - hier allein streitgegenständliche - zweite Hälfte der zweiten Rate, mithin netto 4.100 EUR, sollte auf die Dauer von längstens drei Jahren ab dem erfolgreichen Abschluss der Ausbildung zinslos gestundet werden, sofern und solange der Ingenieur ununterbrochen bei einem Vertragspartner der Klägerin zur Ausbildung zum Prüfingenieur oder als Prüfingenieur angestellt ist oder selbst als Vertragspartner der Klägerin Fahrzeuguntersuchungen für diese durchführt; sofern diese Voraussetzungen nach Ablauf von drei Jahren seit erfolgreichem Bestehen der Ausbildung noch vorliegen, sollte dieser Teil der Vergütung durch die Klägerin erlassen werden (Ziffer 6 Abs. 3). Unter Ziffer 13 des Vertrages verpflichtete sich das Sachverständigenbüro B. gegenüber der Klägerin als Gesamtschuldner neben dem Kläger zur Zahlung der Ausbildungsvergütung sowie zur Förderung der Fortbildung des Klägers zum Prüfingenieur; dem entsprechend wurde der Ausbildungsvertrag von dem Inhaber des Ingenieurbüros B. mit unterzeichnet.

Neben dem Ausbildungsvertrag schlossen die Parteien am 30. September 2004 einen "Kreditvertrag zur Finanzierung der Ausbildungskosten" über eine Darlehenssumme von 9.512 EUR zur Finanzierung der ersten Rate und der Hälfte der zweiten Rate der Ausbildungskosten unter Vereinbarung einer jährlichen Verzinsung von 5 %. Die Darlehensrückzahlung - unter Einschluss jeweils aufgelaufener Zinsen - war in drei unterschiedlichen Raten (10 %, 20 % und 70 % der Kreditsumme) nach 20, 32 und 44 Monaten vorgesehen. Nach Ziffer 6 waren Voraussetzung der Darlehensvereinbarung ein gültiger Partnerschaftsvertrag oder Vorvertrag mit der Klägerin sowie ein Ausbildungsvertrag mit der Klägerin. Sollte das Vertragsverhältnis der Parteien, gleich aus welchem Grund, enden, so sollten die noch offenen Beträge mit einer Frist von zwei Wochen zur Zahlung fällig sein.

Schließlich schlossen die Parteien einen "G. -Partnerschafts-Vertrag" mit vorgesehenem Beginn am 12. Juli 2005, der den Beklagten berechtigte, Fahrzeuguntersuchungen im Namen und auf Rechnung der Klägerin durchzuführen. Für die von ihm durchgeführten Untersuchungen erhielt der Prüfingenieur von der Klägerin eine nach Art der Untersuchung differenzierte Vergütung. In Ziffer III. 1. wurde ferner bestimmt, dass der Vertrag mit dem Zeitpunkt endet, in dem das Anstellungsverhältnis des angestellten Prüfingenieurs mit dem Partnerbüro beendet wird.

Am 29. Juni 2005 schloss der Beklagte seine Ausbildung zum Prüfingenieur erfolgreich ab und war sodann im Betrieb des Sachverständigenbüros B. als angestellter Ingenieur tätig. Zum 15. Mai 2007 schied er dort infolge eigener Kündigung aus und wechselte zu einer anderen Prüforganisation. Daraufhin stellte die Klägerin die offene Darlehenssumme aus dem Kreditvertrag fällig und forderte mit Rechnung vom 24. Mai 2007 das gestundete letzte Drittel der Ausbildungsvergütung ein. Die letztgenannte Forderung ist Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Das Amtsgericht hat unter Aufhebung eines zuvor erlassenen klagestattgebenden Versäumnisurteils die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch weiter.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet.

I.

Das Berufungsgericht hat die formularvertragliche Regelung in Ziffer 6 Abs. 3 des Ausbildungsvertrages ("Erlassklausel") gemäß § 307 Abs. 1 BGB für unwirksam erachtet, da sie den Beklagten als Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige.

Die Regelung stelle eine übermäßige Beeinträchtigung der arbeitsplatzbezogenen Berufswahlfreiheit des Beklagten (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) dar. Unter Berücksichtigung der mit dem Vertragsverhältnis der Parteien untrennbar verknüpften Vertragsbeziehung des Beklagten zu dem Sachverständigenbüro B. als Partnerunternehmen der Klägerin komme diese Bestimmung letztlich einer Erstattungspflicht des Beklagten für den Fall des vorzeitigen Ausscheidens aus der Prüforganisation der Klägerin gleich. Dies folge daraus, dass einerseits das Ausbildungsentgelt zum überwiegenden Teil aufgrund des Darlehensvertrags der Parteien für die Dauer von etwa drei Jahren kreditiert worden sei und zum anderen das Sachverständigenbüro B. sich als Arbeitgeber in dem Anstellungsvertrag zur Übernahme der Ausbildungskosten verpflichtet habe. In ihrer Gesamtheit hätten die von der Klägerin sowie dem Partnerbüro B. mit dem Beklagten abgeschlossenen Verträge somit vorgesehen, dass der Beklagte die Ausbildungskosten gerade nicht tragen sollte, sofern er für die Dauer von drei Jahren nach abgeschlossener Ausbildung in der Organisation der Klägerin beschäftigt ist. Die Regelung in Ziffer 6 Abs. 3 des Ausbildungsvertrages stelle daher faktisch eine Rückzahlungsregelung dar und keinen Erlass. Vor diesem Hintergrund sei die Regelung an den Maßstäben der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Rückzahlungsabreden für Aus- und Fortbildungskosten bei Arbeitnehmern zu messen. Danach sei im Rahmen der nach § 307 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung auch der die Rückzahlungspflicht auslösende Tatbestand zu berücksichtigen. Eine Rückzahlungsklausel stelle nur dann eine ausgewogene Gesamtregelung dar, wenn es der Arbeitnehmer in der Hand habe, durch eigene Betriebstreue der Rückzahlungspflicht zu entgehen. Deshalb sei eine Regelung, die die (Rück-)Zahlungspflicht für jeden Fall des Ausscheidens vorsehe, ohne nach dem Anlass und Grund der Beendigung der Tätigkeit des Beklagten in der Organisation der Klägerin zu differenzieren, unzulässig.

Die sich daraus ergebende Unwirksamkeit der Vertragsbestimmung müsse in Anwendung von § 306a BGB dazu führen, dass die von Ziffer 6 Abs. 3 des Ausbildungsvertrages erfassten Kosten nicht gegenüber der Klägerin zu erstatten seien, sondern die Erlasswirkung eintrete.

II.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung stand.

Zu Recht haben die Vorinstanzen die Unwirksamkeit der Entgeltregelung (Erlassklausel) in Ziffer 6 Abs. 3 des Ausbildungsvertrages angenommen und hieraus die Unbegründetheit des streitgegenständlichen (restlichen) Vergütungsanspruchs der Klägerin hergeleitet.

1.

Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass die formularvertragliche Regelung in Ziffer 6 Abs. 3 des Ausbildungsvertrages unter Berücksichtigung der Bestimmungen in den weiteren Verträgen zwischen den Parteien sowie mit dem Sachverständigenbüro B. einer Regelung über die Erstattung von Ausbildungskosten durch den Arbeitnehmer an den Arbeitgeber gleich zu stellen und als solche - unter Anwendung der in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Wirksamkeit von Ausbildungskostenerstattungs- und -rückzahlungsklauseln entwickelten Grundsätze - gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nichtig ist.

a)

Zu Recht weist das Berufungsgericht darauf hin, dass die Regelung in Ziffer 6 des Ausbildungsvertrages (insbesondere: Ziffer 6 Abs. 3) - die der Senat selbständig auslegen kann (BGHZ 163, 321, 323 f) - nicht isoliert, sondern unter Berücksichtigung des gesamten Vertragsinhalts einschließlich der Individualbestandteile und des Zusammenwirkens dieser Klausel mit anderen, nicht angegriffenen Vertragsbestimmungen zu würdigen ist (BGHZ 106, 259, 263 ; 116, 1, 4 ; BGH, Beschluss vom 2. Dezember 1992 - VIII ARZ 5/92 - NJW 1993, 532 ; jeweils m. w. N.). Das Berufungsgericht zeigt weiterhin rechtsfehlerfrei auf, dass die vertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien untereinander (Ausbildungsvertrag; Kreditvertrag; "G. -Partnerschafts-Vertrag") sowie zwischen den Parteien und dem Sachverständigenbüro B. (Einbeziehung in den Ausbildungsvertrag; Anstellungsvertrag; "G. -Partnerschafts-Vertrag") in einem engen, wechselbezüglichen Zusammenhang stehen: Ausbildungsvertrag und Anstellungsvertrag sind ausdrücklich aufeinander bezogen ausgestaltet und verflochten mit der (über jeweilige "G. -Partnerschafts-Verträge" bzw. diesbezügliche Vorverträge vermittelten) Einbindung des Beklagten als (künftiger) Prüfingenieur und seines Arbeitgebers, des Sachverständigenbüros B. , als Partnerunternehmen in die Prüforganisation der Klägerin. Der Ausbildungsvertrag, der Anstellungsvertrag und der "G. -Partnerschafts-Vertrag" sind aufeinander abgestimmt und voneinander abhängig gemacht; diese Verträge sind untrennbar miteinander verbunden. Dies gilt auch für den Kreditvertrag, der einen Ausbildungsvertrag sowie einen Partnerschaftsvertrag (bzw. einen Vorvertrag hierzu) mit der Klägerin voraussetzt. Die Regelungen im Ausbildungs-, Anstellungs- und Partnerschaftsvertrag sowie im Kreditvertrag zielen bei einer Gesamtbetrachtung darauf ab, den Beklagten als (künftigen) Prüfingenieur dazu anzuhalten, für die Dauer von zumindest drei Jahren nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung zum Prüfingenieur ausschließlich für die Prüforganisation der Klägerin und für das Sachverständigenbüro B. tätig zu werden. Zum (mindestens dreijährigen) Verbleib im Büro B. und in der Prüforganisation der Klägerin soll der Beklagte dadurch bewogen werden, dass er in diesem Falle von den Kosten seiner bei der Klägerin durchgeführten Fortbildung zum Prüfingenieur letztlich freigehalten wird, und zwar zu einem (durch den Kreditvertrag verzinslich gestundeten) Anteil von zwei Dritteln durch seinen Arbeitgeber, das Büro B. , (im Wege der Kostenübernahme bzw. -erstattung) und zu einem weiteren Anteil von einem Drittel durch die Klägerin (im Wege des auch zugunsten des Büros B. wirkenden Teilerlasses).

b)

Diese Gestaltung rechtfertigt die Annahme, dass die formularvertragliche Regelung in Ziffer 6 Abs. 3 des Ausbildungsvertrages einer Regelung über die Erstattung von Ausbildungskosten durch den Arbeitnehmer an den Arbeitgeber gleich zu stellen und als solche gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nichtig ist.

Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine formularmäßige Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Letzteres ist der Fall, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (st. Rspr.; vgl. nur Senat, BGHZ 175, 102, 107 f Rn. 19 und Urteil vom 12. Februar 2009 - III ZR 179/08 -NJW 2009, 1334, 1337 Rn. 29; BAG NZA 2003, 668, 669; NZA 2009, 435, 438 Rn. 31; NZA 2009, 666, 667 Rn. 14). So liegt es hier.

aa)

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Vereinbarung der Pflicht des Arbeitnehmers zur Rückzahlung oder Erstattung von Ausbildungskosten an den Arbeitgeber für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis vor dem Ablauf einer bestimmten (Bindungs-)Frist endet, allerdings grundsätzlich zulässig und stellt nicht schon für sich genommen eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers dar (BAG NJW 2006, 3083, 3085 Rn. 24; NZA 2009, 435, 438 Rn. 34; NZA 2009, 666, 667 Rn. 17; s. auch BAG NZA 1994, 937, 938; NJW 2004, 3059, 3060) . Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass ein billigenswertes Interesse des Arbeitgebers anzuerkennen ist, die von ihm finanzierte Ausbildung des Arbeitnehmers für den eigenen Betrieb möglichst langfristig nutzen zu können. Dieses Interesse ist jedoch mit der in Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG verankerten arbeitsplatzbezogenen Berufswahlfreiheit des Arbeitnehmers und seinem Interesse, den Arbeitsplatz ohne Belastung mit Kosten frei wählen zu können, abzuwägen. Im Rahmen einer Güter- und Interessenabwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und unter Heranziehung der Umstände des Einzelfalles ist zu prüfen, ob die Erstattungspflicht dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben zumutbar ist (BAG NZA 1991, 178, 179; NZA 1994, 937, 938 ; NZA 2002, 551, 552 ; NJW 2004, 3059, 3060 ; NJW 2006, 3083, 3085 Rn. 25; NZA 2009, 666, 668 Rn. 17). Bei dieser Abwägung ist zu berücksichtigen, ob und inwieweit der Arbeitnehmer aus der vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung einen Vorteil erlangt, der seine Arbeitsmarktchancen erhöht und sich als geldwerte Verbesserung seiner beruflichen Position darstellt (vgl. BAG NZA 1991, 178, 179; NZA 1994, 937, 940 ; NZA 2002, 551, 552 f) . Zudem darf die Erstattungspflicht des Arbeitnehmers nur durch ein Ereignis ausgelöst werden, das in die (Verantwortungs- und Risiko-) Sphäre des Arbeitnehmers und nicht in die Sphäre des Arbeitgebers fällt. Die Verpflichtung zur Erstattung der Ausbildungskosten vor Ablauf einer angemessenen Bindungsfrist ist nur dann gerechtfertigt, wenn die vorzeitige Lösung des Arbeitsverhältnisses dem Bereich des Arbeitnehmers zuzurechnen ist, er die Beendigung des Arbeitsverhältnisses also beeinflussen kann und es in der Hand hat, der Erstattungspflicht durch eigene Betriebstreue zu entgehen (BAG NJW 2004, 3059, 3060; NJW 2006, 3083, 3085 Rn. 27; NJW 2007, 3018, 3019 Rn. 21; NZA 2009, 435, 439 Rn. 35; Schmidt, Die Beteiligung der Arbeitnehmer an den Kosten der beruflichen Bildung - Umfang und Grenzen der Vertragsgestaltung, NZA 2004, 1002, 1004 f). Genügt die vertragliche Regelung diesen Anforderungen nicht, so ist sie unwirksam. Diese Unwirksamkeit hat das Bundesarbeitsgericht für den Zeitraum vor dem Inkrafttreten der Regelungen der Schuldrechtsreform aus einer Einzelfallbetrachtung unter Zugrundelegung von §§ 138, 242, 315 BGB und Art. 12 Abs. 1 GG hergeleitet. Seit dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform (am 1. Januar 2003; Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB) und dem damit verbundenen Wegfall der ehedem in § 23 Abs. 1 AGBG angeordneten Bereichsausnahme für Arbeitsverträge unterzieht das Bundesarbeitsgericht arbeitsvertragliche Bestimmungen über die Erstattung von Ausbildungskosten der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB n.F. (s. dazu BAG NJW 2006, 3083, 3084 Rn. 17; NJW 2007, 3018 f Rn. 14 ff; NZA 2009, 666, 667 Rn. 16). Dabei sind derartige Klauseln in Arbeitsverträgen kontrollfähig, weil sich die Erstattungsregelungen im Kern nicht (isoliert) als Regelungen über die Gegenleistung für die erhaltenen Ausbildungsleistungen des Arbeitgebers darstellen, sondern als arbeitsvertragliche Abreden einzustufen sind, die die Vertragsbeendigung durch den Arbeitnehmer faktisch erschweren (BAG NZA 2003, 668, 669). Im Übrigen knüpft das Bundesarbeitsgericht an die zuvor entwickelten Grundsätze an; allerdings kommt es bei der Kontrolle nun nicht mehr darauf an, ob die Beendigung des Arbeitsverhältnisses im konkreten Fall - wie hier - in der Sphäre des Arbeitnehmers liegt. Die vertragliche Formularregelung ist im Rahmen der Inhaltskontrolle anhand einer überindividuellen, typisierenden und generalisierenden Betrachtung zu würdigen (s. dazu BGHZ 105, 24, 31 ; 110, 241, 244 ; BGH, Urteil vom 13. Dezember 2001 - I ZR 41/99 - NJW 2002, 1713, 1715) und deshalb stets nichtig, wenn sie dem Arbeitnehmer ohne Ausnahme und ohne Differenzierung nach der Sphäre der auslösenden Umstände für jeden Fall der vorfristigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Erstattungspflicht für entstandene Ausbildungskosten auferlegt (BAG NJW 2006, 3083, 3085 f Rn. 27 ff; NJW 2007, 3018, 3019 ff Rn. 19 ff; NZA 2009, 435, 439 Rn. 35; Schmidt aaO 1010). Dabei ist es unerheblich, ob die Pflicht des Arbeitnehmers zur Rückzahlung oder Erstattung der Ausbildungskosten erst mit der vorfristigen Beendigung des Arbeitsvertrages begründet wird oder ob der Arbeitnehmer diese Kosten dem Arbeitgeber, gegebenenfalls aufgrund einer gesonderten Vereinbarung, als "Darlehen" schuldet und der Erlass dieser Darlehensforderung an die Einhaltung der Bindungsfrist geknüpft wird. Denn bei derartigen Abreden ist in Wahrheit - entgegen dem Wortlaut - kein Darlehen im Rechtssinne gewollt, sondern eine arbeitsvertragliche Vereinbarung über die Tragung der Ausbildungskosten (s. BAG NZA 1991, 178 f; NJW 2007, 3018 f Rn. 15 ff; NZA 2009, 435, 438 Rn. 32; Schmidt aaO 1006).

bb)

Nach diesen Grundsätzen, denen sich der erkennende Senat anschließt, ergibt sich die Unwirksamkeit der Entgeltregelung in Ziffer 6 Abs. 3 des Ausbildungsvertrags.

Die Klägerin ist zwar nicht der Arbeitgeber des von ihr ausgebildeten Prüfingenieurs. Bei gebotener Gesamtbetrachtung der wechselbezüglichen Vertragsverhältnisse und der Interessenlage der Beteiligten nimmt die Klägerin aber eine Stellung ein, die der eines Arbeitgebers, der seinem Arbeitnehmer die Fortbildungskosten finanziert und ihn hierdurch an seinen Betreib zu binden versucht, vergleichbar ist; auch erweist sich der von ihr ausgebildete Prüfingenieur im Verhältnis zu der Klägerin in gleicher Weise schutzwürdig wie gegenüber seinem eigentlichen Arbeitgeber, dem Sachverständigenbüro B. .

Der Klägerin geht es bei der Entgeltregelung insgesamt darum, den Prüfingenieur in ihrem eigenen Erwerbsinteresse dauerhaft - zumindest für eine bestimmte Frist - ausschließlich in ihre Prüforganisation einzubinden und ihm den Wechsel zu einer anderen Prüforganisation zu erschweren. Der Ingenieur darf neben der G. keiner anderen Überwachungsorganisation oder Technischen Prüfstelle angehören und diese auch nicht unterstützen (Ziffer 9. 3. des Ausbildungsvertrags; Ziffer I. 4. des Partnerschaftsvertrags), und die Anstellung bei dem Ingenieurbüro sowie die Zugehörigkeit des Ingenieurs zur Prüforganisation der Klägerin werden voneinander abhängig gemacht (Ziffer 2 Abs. 3 und Ziffer 15 des Anstellungsvertrags; Ziffer III. 1. des Partnerschaftsvertrags). Insbesondere führt der Wechsel des Arbeitgebers (Ingenieurbüro) zugleich auch zum Ausscheiden aus der Prüforganisation der Klägerin (Ziffer III. 1. des Partnerschaftsvertrags). Verbleibt der Prüfingenieur zumindest drei Jahre (ausschließlich) in der Prüforganisation der Klägerin (und im Ingenieurbüro seines Arbeitgebers), so wird er von den Kosten seiner Ausbildung vollumfänglich freigehalten. Auf diese Weise wird ein Wechsel der Prüforganisation - der mit einem Wechsel des Arbeitgebers einhergeht - vor Ablauf der Dreijahresfrist faktisch behindert, weil der Ingenieur solchenfalls mit Kosten belastet würde, die er sonst nicht zu tragen hätte. Die Fortbildung der Ingenieure zu Prüfingenieuren dient - (weit) über die Erzielung von Einnahmen aus der Ausbildungsvergütung hinaus - dem eigenen Erwerbsinteresse der Klägerin, da sie die von ihr ausgebildeten Prüfingenieure zur Erfüllung ihrer Aufgaben einsetzt und hierbei einen Teil der dafür vereinnahmten Vergütungen einbehält. Die von diesem Erwerbsinteresse der Klägerin geleitete Einbindung des Prüfingenieurs in ihre Prüforganisation und die enge Verflechtung dieser Zugehörigkeit mit dem Arbeitsverhältnis zwischen dem Prüfingenieur und dem Ingenieurbüro seines Arbeitsgebers unterscheiden die Klägerin von einem Unternehmen, das lediglich Ausbildungsleistungen erbringt und hierfür die geschuldete Vergütung verlangt, und rechtfertigen bezüglich der Entgeltregelung die Gleichstellung der Klägerin mit einem Arbeitgeber, der seinem Arbeitnehmer die Ausbildungskosten finanziert.

Auch aus der Sicht des fortzubildenden Ingenieurs stellt sich das Verhältnis zur Klägerin im Wesentlichen ebenso dar wie für einen Arbeitnehmer zu seinem die Fortbildungskosten finanzierenden Arbeitgeber. Unbeschadet der Erstattungsregelung in Ziffer 13 des Anstellungsvertrags und der gesamtschuldnerischen Mithaftung des Ingenieurbüros gemäß Ziffer 13 des Ausbildungsvertrags wird der Ingenieur gegenüber der Klägerin zur Zahlung der Fortbildungskosten verpflichtet und durch die Teilerlassregelung in Ziffer 6 Abs. 3 des Ausbildungsvertrags für eine gewisse Frist an die Prüforganisation der Klägerin gebunden. Die Schutzbedürftigkeit des Ingenieurs entfällt nicht deshalb, weil er nach Maßgabe von Ziffer 13 des Anstellungsvertrags von dem Ingenieurbüro die (vollständige bzw. anteilige) Übernahme der Ausbildungskosten verlangen kann und das Ingenieurbüro gemäß Ziffer 13 des Ausbildungsvertrags als schuldbeitretender Gesamtschuldner für die Zahlung der Ausbildungsvergütung an die Klägerin mithaftet. Denn die umfassende Einstandspflicht des Ingenieurs gegenüber der Klägerin bleibt hiervon unberührt, und im Falle der Insolvenz des Ingenieurbüros liefe ein gegen dieses bestehender Erstattungsoder Freistellungsanspruch leer. Zudem wird der Anspruch des Ingenieurs gegen das Ingenieurbüro auf Übernahme der Ausbildungskosten dem Umfang nach - die Wirksamkeit dieser arbeitsvertraglichen Regelung dahingestellt - davon abhängig gemacht, dass er nach dem (erfolgreichen) Abschluss seiner Fortbildung zum Prüfingenieur weiterhin bei dem Ingenieurbüro angestellt bleibt (Ziffer 13 des Anstellungsvertrags). Der Prüfingenieur kann auch nicht darauf verwiesen werden, dass er im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit seinem (bisherigen) Arbeitgeber die Möglichkeit habe, eine Anstellung bei einem anderen der bundesweit 600 mit der Prüforganisation der Klägerin verbundenen Ingenieurbüros zu erlangen oder als selbständiger Prüfingenieur ein "Partner" der Klägerin zu werden. Die arbeitsplatzbezogene Berufswahlfreiheit eines bei der Klägerin ausgebildeten Prüfingenieurs wird schon dadurch erheblich eingeschränkt, dass es ihm erschwert wird, zu einem außerhalb der Prüforganisation der Klägerin stehenden Arbeitgeber zu wechseln oder sich sonst als selbständiger Prüfingenieur zu betätigen. Darüber hinaus liegt es auf der Hand, dass in der Lebenswirklichkeit ohnehin nur ein geringer Bruchteil dieser 600 Betriebe als potentielle (neue) Arbeitgeber in Betracht kommen (etwa diejenigen, die sich in zumutbarer Entfernung zum Lebensmittelpunkt des Ingenieurs und seiner Familie befinden). Zudem ist zu beachten, dass aufgrund der vertraglichen Regelungen mit der Anstellung im Ingenieurbüro seines Arbeitgebers auch die über den "G. -Partnerschafts-Vertrag" vermittelte Zugehörigkeit des Prüfingenieurs zur Prüforganisation der Klägerin mit sofortiger Wirkung endet (Ziffer III. 1. des Partnerschaftsvertrages), ohne dass dem Prüfingenieur zugleich ein Anspruch eingeräumt wird, bei einem anderen zur Prüforganisation der Klägerin gehörenden Ingenieurbüro angestellt oder selbständig zum "Partner" der Klägerin zu werden. Hinzu kommt, dass die (Teil-)Erlassregelung in Ziffer 6 Abs. 3 des Ausbildungsvertrages eine "ununterbrochene" Anstellung (bzw. Zugehörigkeit zur Prüforganisation der Klägerin) voraussetzt; es ist aber, etwa im Falle einer von der Klausel ebenfalls erfassten Arbeitgeberkündigung, keineswegs selbstverständlich, dass es einem Prüfingenieur in kurzer Zeit gelingt, "nahtlos" bei einem anderen, der Organisation der Klägerin angehörigen Ingenieurbüro eine Anstellung zu annehmbaren Bedingungen zu finden.

Nach dem zuvor Gesagten ergibt sich Unwirksamkeit der als Allgemeine Geschäftsbedingung anzusehenden (Teil-)Erlassregelung daraus, dass sie nicht nach dem Grund der Beendigung des Verbleibs in der Prüforganisation der Klägerin differenziert und damit auch Beendigungsgründe aus der Sphäre der Klägerin oder des Arbeitgebers des Prüfingenieurs erfasst. Für die rechtliche Bewertung ist es dabei ohne Belang, ob mit dem vorzeitigen Ausscheiden des Ingenieurs aus der Prüforganisation der Klägerin die Erstattungspflicht erst begründet oder ein in Aussicht gestellter (Teil-)Erlass hinfällig wird, da beide Regelungsmöglichkeiten wirtschaftlich auf den gleichen Erfolg - nämlich die nachträgliche (anteilige) Kostenbelastung des Ingenieurs im Falle seines vorfristigen Ausscheidens - abzielen.

2.

Die Nichtigkeitsfolge besteht nicht - wie bei Annahme einer Unwirksamkeit der (Teil-)Erlassklausel in Ziffer 6 Abs. 3 des Ausbildungsvertrages als solcher - darin, dass der Ingenieur unabhängig von der Dauer seines Verbleibs in der Prüforganisation der Klägerin verpflichtet wäre, dieser den vollen Betrag der vereinbarten Vergütung zu entrichten. Die Unwirksamkeit der Entgeltregelung hat gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB vielmehr die Folge, dass der Klägerin kein Anspruch auf Zahlung des von der Erlassklausel erfassten und hier streitgegenständlichen Drittels des Ausbildungsentgelts zusteht. Bei gebotener wertender Betrachtung stellt sich die betroffene (Teil-)Erlassklausel als eine (formularvertragliche) Entgeltregelung dar, die insgesamt auf eine befristete Bindung des Ingenieurs an die Prüforganisation der Klägerin abzielt, dabei nicht nach der Sphäre der Beendigungsgründe differenziert und deshalb unzulässig ist. Die Unwirksamkeit der Entgeltregelung betrifft nicht den (Teil-)Erlass als solchen, sondern seine Bedingungen, und führt deshalb zum Verlust des Zahlungsanspruchs. Insoweit gilt nichts anderes als in dem Falle, dass ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer die von ihm finanzierten Ausbildungskosten kreditiert und den Erlass der "Darlehensschuld" ohne gebotene Differenzierung nach der Sphäre des die Auflösung begründenden Umstandes formularvertraglich davon abhängig macht, dass das Arbeitsverhältnis nicht vor dem Ablauf einer bestimmten Bindungsfrist endet. Hierzu bedarf es entgegen der Ansicht der Vorinstanzen der Heranziehung von § 306a BGB nicht. Die Folge des Verlusts des Zahlungsanspruchs (gerichtet auf Vergütung, Erstattung oder Rückzahlung) ergibt sich direkt aus § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, der die Beseitigung einer vertraglichen Regelung anordnet, die den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.

3.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist bei Unwirksamkeit einer formularmäßigen "Ausbildungskostenrückzahlungsklausel", insbesondere bei einer zu langen Bindungsdauer, eine ergänzende Vertragsauslegung nicht von vorneherein ausgeschlossen (vgl. BAG NZA 2009, 666, 668 Rn. 27 ff). Die Frage, ob auch bei der vorliegenden Fallgestaltung eine ergänzende Vertragsauslegung hätte in Betracht kommen können, braucht, da hierzu jeder Sachvortrag fehlt und die Revision insoweit auch keine Rügen erhoben hat, nicht vertieft zu werden.

Ende der Entscheidung

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