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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 22.11.2007
Aktenzeichen: III ZR 210/06
Rechtsgebiete: KAGG, AuslInvestmG


Vorschriften:

KAGG § 20 Abs. 5
AuslInvestmG § 12 Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL und VERSÄUMNISURTEIL

III ZR 210/06

Verkündet am: 22. November 2007

in dem Rechtsstreit

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. November 2007 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Dr. Wurm, Dörr, Wöstmann und die Richterin Harsdorf-Gebhardt

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers zu 6 wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 2. August 2006 im Kostenpunkt - mit Ausnahme der Entscheidung über die Kostentragungspflicht des Klägers zu 8 - und insoweit aufgehoben, als die Klage des Klägers zu 6 gegen die Beklagten zu 2 bis 5 und 7 abgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist in Bezug auf die Beklagte zu 2 vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger zu 6 zeichnete am 4. November 2000 - unter Einschaltung der D. GmbH, der früheren Beklagten zu 6, als Treuhänderin - eine Kommanditeinlage von 200.000 DM an dem Filmfonds V. KG, der früheren Beklagten zu 1 (im Folgenden Fondsgesellschaft). Die Fondsgesellschaft, deren frühere Komplementärin die Beklagte zu 2 war, geriet im Jahr 2002 im Zusammenhang mit der Insolvenz der T. GmbH, der Produktionsdienstleisterin der V. -Fondsgesellschaften, in eine wirtschaftliche Schieflage. Es stellte sich heraus, dass an die Produktionsdienstleisterin überwiesene Gelder nicht zurückzuerlangen waren und Erlösausfallversicherungen für aufgenommene Produktionen nicht abgeschlossen waren. In der außerordentlichen Gesellschafterversammlung der Fondsgesellschaft vom 5. September 2002 stimmten die Gesellschafter für ein Vergleichsangebot des britischen Versicherungsunternehmens R. , das eine Freistellung des Versicherers von allen tatsächlich und möglicherweise bestehenden Ansprüchen gegen Zahlung von 6,171 Mio. € für vier verschiedene Fonds, darunter die Fondsgesellschaft, vorsah. Im Zuge der genannten Schwierigkeiten wurde in die Fondsgesellschaft anstelle der Beklagten zu 2 eine neue Komplementärin, die V. D. GmbH, aufgenommen.

Wegen behaupteter Mängel des Prospekts begehrten in der ersten Instanz insgesamt 17 Kläger Zug um Zug gegen Abtretung aller Ansprüche aus ihrer Beteiligung Rückzahlung der von ihnen eingezahlten Beträge nebst Zinsen. Insoweit nahmen sie die Herausgeberin des Prospekts, die Beklagte zu 7, die Fondsgesellschaft (Beklagte zu 1), deren frühere Komplementärin (Beklagte zu 2) und den Beklagten zu 3 als Gründungskommanditisten der Beklagten zu 1 und geschäftsführenden Gesellschafter der Beklagten zu 2 in Anspruch. Sie hielten auch den Beklagten zu 4, Geschäftsführer der Prospektherausgeberin, aufgrund seiner im Prospekt herausgestellten Sachkenntnis und die Beklagte zu 5 - Tochtergesellschaft einer international tätigen Großbank - als (Mit-)Initiatorin und Hintermann für prospektverantwortlich. Diese war von der Fondsgesellschaft mit der Beratung bei der Auswahl und Heranziehung potentieller Vertragspartner und der Optimierung des gesamten Vertragswerks sowie der gesamten Koordination des Eigenkapitalvertriebs und von der Beklagten zu 7, der Herausgeberin des Prospekts, mit der Erstellung eines Prospektentwurfs beauftragt worden und nahm als Einzahlungstreuhänderin für die Fondsgesellschaft die Gelder der Anleger entgegen. Schließlich hielten die Kläger die Beklagte zu 6 als Treuhandkommanditistin aufgrund eigener Prüfungspflicht für die Abläufe in der Fondsgesellschaft für verantwortlich.

Das Landgericht hat die Klagen insgesamt abgewiesen. In der Berufungsinstanz haben nur noch der Kläger zu 6 gegen die Beklagten zu 2 bis 5 und 7 und der Kläger zu 8 gegen die Beklagte zu 5 ihre Klagen weiterverfolgt. Das Berufungsgericht hat die Berufungen zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger zu 6 seine Klage auf Zahlung von 102.258,38 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Abtretung seiner Rechte aus dem Treuhandvertrag weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit es die gegen die Beklagten zu 2 bis 5 und 7 gerichteten Klagen des Klägers zu 6 (im Folgenden: Kläger) betrifft. Dies ist in Bezug auf die Beklagte zu 2, die im Verhandlungstermin nicht vertreten war, durch Versäumnisurteil auszusprechen, das inhaltlich allerdings auf einer Sachprüfung beruht (BGHZ 37, 79, 81).

I.

Das Berufungsgericht verneint unter Bezugnahme auf das Urteil des OLG München vom 22. September 2005 (19 U 2529/05) Mängel des Prospekts. Im Kapitel "Projekt im Überblick" finde sich der Hinweis, dass "im Extremfall das eingesetzte Kapital vollständig verloren" sei. Diese Warnung vor einem Totalverlust werde nicht dadurch aufgehoben, dass an anderer Stelle von einer Absicherung des Risikos gesprochen werde. Auch in den "Leitgedanken" werde nur von einer Begrenzung, nicht aber von einem Ausschluss des Risikos gesprochen. Aus dem Prospekt werde hinreichend deutlich, dass der vorgesehene Abschluss von Erlösausfallversicherungen projektbezogen und damit mit einem Durchführungsrisiko behaftet sei. Auch die auf S. 38 des Prospekts dargestellte "Restrisiko-Betrachtung" sei inhaltlich nicht zu beanstanden, da sie unter der Annahme stehe, dass die Geschäftsführung der Fondsgesellschaft das Absicherungskonzept wirksam umsetze. Unter diesen Umständen könne offen bleiben, ob die Beklagten prospektverantwortlich seien und ihre Einrede der Verjährung durchgreife.

II.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung in einem maßgebenden Punkt nicht stand. Der Senat teilt nicht die Auffassung der Vorinstanzen, dass der Prospekt nicht zu beanstanden sei.

1. Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Prospekthaftungsgrundsätzen hat der Prospekt über ein Beteiligungsangebot, der für einen Beitrittsinteressenten im Allgemeinen die einzige Unterrichtungsmöglichkeit darstellt, den Anleger über alle Umstände, die für seine Entschließung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, sachlich richtig und vollständig zu unterrichten (vgl. BGHZ 79, 337, 344; 116, 7, 12; 123, 106, 109 f; BGH, Urteile vom 29. Mai 2000 - II ZR 280/98 - NJW 2000, 3346; vom 6. Februar 2006 - II ZR 329/04 - NJW 2006, 2042, 2043 Rn. 7). Dazu gehört eine Aufklärung über Umstände, die den Vertragszweck vereiteln oder den vom Anleger verfolgten Zweck gefährden können (vgl. BGHZ 79, 337, 344; Urteil vom 26. September 1991 - VII ZR 376/89 - NJW 1992, 228, 230 <insoweit ohne Abdruck in BGHZ 115, 213>). Ob ein Prospekt unrichtig oder unvollständig ist, ist daher nicht allein anhand der wiedergegebenen Einzeltatsachen, sondern nach dem Gesamtbild zu beurteilen, das er von den Verhältnissen des Unternehmens vermittelt (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 1982 - II ZR 175/81 - NJW 1982, 2823, 2824). Dabei dürfen die Prospektverantwortlichen allerdings eine sorgfältige und eingehende Lektüre des Prospekts bei den Anlegern voraussetzen (vgl. BGH, Urteil vom 31. März 1992 - XI ZR 70/91 - NJW-RR 1992, 879, 881).

2. Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht die sachliche Richtigkeit und Vollständigkeit des Prospekts nicht rechtsfehlerfrei festgestellt. Bei seiner Sicht berücksichtigt es nämlich nicht hinreichend den in den Leitgedanken vorbereiteten und durch die als "worst-case-Szenario" bezeichnete "Restrisiko-Betrachtung" vermittelten Gesamteindruck, dass der Anleger mit seiner Beteiligung ein nur begrenztes Risiko eingehe. Dies hat der Senat - nach Erlass der angefochtenen Entscheidung - in seinen Urteilen vom 14. Juni 2007, die eine Beteiligung an derselben Fondsgesellschaft betrafen, entschieden (III ZR 300/05 - NJW-RR 2007, 1329, 1331 Rn. 13 f; III ZR 125/06 - WM 2007, 1503, 1504 f Rn. 14 f) und auf die Beschwerde des Anlegers auch die Revision gegen das vom Berufungsgericht in Bezug genommene Urteil des OLG München vom 22. September 2005 (19 U 2529/05) durch Beschluss vom 31. Oktober 2007 (III ZR 298/05) zugelassen. An der in den Urteilen vom 14. Juni 2007 vertretenen Auffassung, auf die im Einzelnen Bezug genommen wird, hält der Senat fest.

III.

Die angefochtene Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO)

1. Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zur Frage getroffen, inwieweit die Beklagten als Prospektverantwortliche in Betracht kommen. Nach dem im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Vorbringen kann deren Verantwortlichkeit für Prospektmängel nicht ausgeschlossen werden.

Die Beklagte zu 7 wird im Emissionsprospekt als für die Prospektherausgabe verantwortlich bezeichnet (S. 18, 21), kommt also primär als Haftungssubjekt in Betracht. Der Beklagte zu 4 ist nach dem Prospekt ihr Alleingesellschafter und Geschäftsführer (S. 21). Er wird im Prospekt als "Mitinitiator verschiedener Medienfonds (...)" bezeichnet, der "über hervorragende Marktkenntnisse verfügt" (S. 15). Darüber hinaus ist er neben dem Beklagten zu 3 als Gesellschafter der Beklagten zu 2 angegeben. Seine Haftung als (Mit-)Initiator oder Hintermann steht daher im Raum. Die Beklagte zu 2 war unter ihrer früheren Bezeichnung V. GmbH die ursprüngliche Komplementärin der Fondsgesellschaft; sie wird im Prospekt im Abschnitt "3.1 Initiator" neben anderen Gesellschaften der T. -Gruppe aufgeführt (S. 14 f). Der Beklagte zu 3 war Gründungskommanditist (S. 16), Geschäftsführer der Beklagten zu 2 und neben dem Beklagten zu 4 deren Gesellschafter; im Prospekt ist er an erster Stelle als Initiator aufgeführt (S. 14 f). Wegen der Beklagten zu 5 hat der Senat in seinen Urteilen vom 14. Juni 2007 eine Prospektverantwortlichkeit als (Mit-) Initiator oder Hintermann nicht ausgeschlossen (III ZR 125/06 - WM 2007, 1503, 1505 f Rn. 17-22; III ZR 185/05 - NJW-RR 2007, 1479 f Rn. 9-13).

2. Es fehlen auch tragfähige Feststellungen zu den von den Beklagten erhobenen Verjährungseinreden.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verjähren Prospekthaftungsansprüche im engeren Sinn bei einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung in analoger Anwendung der in den gesetzlich geregelten Fällen der Prospekthaftung bestimmten kurzen Verjährung (§ 20 Abs. 5 KAGG, § 12 Abs. 5 AuslInvestmG, jeweils in der bis zum 30. Juni 2002 geltenden Fassung) in - seinerzeit - sechs Monaten ab Kenntnis des Prospektmangels, spätestens jedoch in drei Jahren nach dem Beitritt (vgl. BGHZ 83, 222, 224; BGH, Urteil vom 8. Juni 2004 - X ZR 283/02 - NJW 2004, 3420, 3421; Senatsbeschluss vom 31. Oktober 2007 - III ZR 258/05). Die Beklagten haben sich darauf berufen, der Kläger habe seit der Gesellschafterversammlung vom 21. August 2001 von möglichen Prospektmängeln Kenntnis gehabt, wobei er sich die Kenntnis des Geschäftsführers der Treuhandkommanditistin, der Beklagten zu 6, der das Protokoll dieser Gesellschafterversammlung geführt habe, zurechnen lassen müsse. In dieser Gesellschafterversammlung sei der Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses 2000 der Wirtschaftsprüfergesellschaft erörtert worden, aus dem sich ergeben habe, dass einzelne nach dem Gesellschaftsvertrag vorgesehene Kriterien für Filmprojekte nicht erfüllt gewesen seien. Auf Nachfrage der Treuhandkommanditistin vom 24. August 2001 habe die Wirtschaftsprüfergesellschaft am 30. August 2001 mitgeteilt, zu den fehlenden Riskmanagerempfehlungen sei den Prüfern erklärt worden, dass vor allem aufgrund eines geplanten Versicherungswechsels keine weitere Rahmenversicherung geschlossen worden sei, so dass die drei (näher bezeichneten) Filme sich insoweit noch in einem Schwebezustand befänden. Ob die Kenntnis der Treuhandkommanditistin hiervon ohne weiteres allen Anlegern zuzurechnen wäre, kann der Senat offen lassen. Denn die vorerwähnten Vorgänge mögen zwar darauf schließen lassen, dass der Geschäftsführung der Fondsgesellschaft Fehler unterlaufen sind. Ihnen dürfte sich jedoch - abgesehen davon, dass es hierbei auch um den Abschluss von Erlösausfallversicherungen gegangen sein mag - nicht entnehmen lassen, dass der Kläger hierdurch von dem hier festgestellten Prospektmangel, nämlich der unklaren Aussage über das Ausmaß der mit der Beteiligung einzugehenden Risiken, Kenntnis erlangt hätte. Sollte sich eine Kenntnis des Klägers sechs Monate vor dem Eingang der Klage am 18. Dezember 2002 bei Gericht nicht sicher feststellen lassen, könnte die Abweisung der Klage nicht bestehen bleiben.

3. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, die erforderlichen Feststellungen zu treffen.

Ende der Entscheidung

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