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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 22.01.2009
Aktenzeichen: III ZR 233/07
Rechtsgebiete: EGV, Verpackungsrichtlinie, VerpackV
Vorschriften:
EGV Art. 28 | |
Verpackungsrichtlinie Art. 7 | |
VerpackV § 6 Abs. 1 | |
VerpackV § 8 Abs. 1 | |
VerpackV § 9 Abs. 2 |
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 22. Januar 2009
durch
den Vorsitzenden Richter Schlick,
die Richter Dörr und Wöstmann,
die Richterin Harsdorf-Gebhardt und
den Richter Seiters
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revisionen der Klägerinnen gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 9. August 2007 werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Revisionsrechtszugs haben die Klägerin zu 1 80,5 v.H. und die Klägerin zu 2 19,5 v.H. zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerinnen nehmen die Beklagte nach den Grundsätzen des gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs im Zusammenhang mit der Inkraftsetzung der Pfanderhebungs- und Rücknahmepflicht nach der Verordnung über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen vom 21. August 1998 (BGBl. I S. 2379; im Folgenden: VerpackV 1998) zum 1. Januar 2003 auf Schadensersatz in Anspruch.
Die Klägerinnen sind Hersteller und Abfüller von Erfrischungsgetränken mit Sitz in Österreich, die ihre Produkte in Einwegverpackungen in Verkehr bringen und einen erheblichen Teil ihrer Umsätze mit dem Export ihrer Produkte nach Deutschland erzielen, wo diese Getränke ganz überwiegend von großen Handelsketten als Handelsmarken vertrieben werden. Sie waren hinsichtlich ihrer Verpackungen an das Rücknahme- und Entsorgungssystem "Duales System Deutschland" angeschlossen und demzufolge von der gemäß § 8 Abs. 1 VerpackV (in der Fassung vom 9. September 2001, BGBl. I S. 2331) an sich bestehenden Pfanderhebungspflicht für Getränkeverpackungen nach § 9 Abs. 1 VerpackV 1998 befreit.
Diese Befreiung stand indes nach § 9 Abs. 2 VerpackV 1998 unter dem Vorbehalt, dass der Gesamtanteil der in Mehrwegverpackungen abgefüllten Getränke im Kalenderjahr bundesweit die Quote von 72 v.H. nicht wiederholt unterschritt. Erhebungen in den Jahren 1997 bis 2001 ergaben, dass der Mehrweganteil des Referenzjahres 1991 in den Getränkebereichen Mineralwasser, Bier und kohlensäurehaltige Erfrischungsgetränke unterschritten wurde. Entsprechend einem Beschluss des Bundeskabinetts vom 20. März 2002 wurden die Nacherhebungsergebnisse am 2. Juli 2002 im Bundesanzeiger bekannt gegeben, die sofortige Vollziehung der Bekanntmachung angeordnet und die Rechtsmittelbelehrung erteilt, dass innerhalb eines Monats beim Verwaltungsgericht Berlin Klage erhoben werden könne. Mit dieser Bekanntmachung war nach § 9 Abs. 2 VerpackV 1998 die Rechtsfolge verbunden, dass ab 1. Januar 2003 die Berechtigung nach § 6 Abs. 3 VerpackV 1998 als widerrufen galt, die Verpackungen über das Duale System Deutschland zu sammeln und zu entsorgen, und dass die Pfanderhebungspflicht nach Maßgabe des § 8 Abs. 1 VerpackV 1998 ausgelöst wurde.
Die Beklagte führte ab dem Frühjahr 2002 Gespräche mit den beteiligten Wirtschaftskreisen über die Einrichtung eines ab 2003 wirksamen einheitlichen Pfand- und Rücknahmesystems für Einwegverpackungen, die allerdings zu keinem Erfolg führten. Die Beklagte forderte deshalb am 20. Dezember 2002 die für den Vollzug zuständigen Länder auf, vom 1. Januar bis 1. Oktober 2003 eine nur eingeschränkte Erfüllung der Pfanderhebungs- und Rücknahmepflichten zu dulden, indem das Pfand zunächst nur vom Endabnehmer erhoben und nur am Ort des Einkaufs wieder erstattet werden sollte. Obwohl die betroffenen Wirtschaftskreise im Gegenzug den Aufbau eines einheitlichen Pfandsystems zum 1. Oktober 2003 zugesagt hatten, gelang die Einführung eines solchen Systems bis zu diesem Zeitpunkt nicht. An dessen Stelle etablierten sich ab dem Jahr 2003 verschiedene offene Pfand- und Rücknahmesysteme, die nicht miteinander kompatibel und zum Teil auch nur regional tätig waren. Einige große Handelsketten richteten sogenannte Insellösungen ein, die auf der Grundlage von § 6 Abs. 1 Satz 4 VerpackV 1998 eine Pfand- und Rücknahmeregelung nur für die von ihnen vertriebenen Produkte enthielten. Darüber hinaus entschlossen sich andere Teile des Handels, bestimmte Getränke in Einwegverpackungen aus ihrem Sortiment zu entnehmen.
Durch die Dritte Verordnung zur Änderung der Verpackungsverordnung vom 24. Mai 2005 (BGBl. I S. 1407) wurden unter anderem die §§ 8, 9 neu gefasst. Für die Vertreiber von Einweggetränkeverpackungen ergibt sich die Verpflichtung zur Pfanderhebung und Rücknahme jetzt unmittelbar aus der Verordnung, ohne dass es auf bestimmte Anteile ankommt, die in Mehrwegverpackungen vertrieben werden; eine Freistellung bei Beteiligung an einem Sammelsystem nach § 6 Abs. 3 VerpackV ist nicht mehr vorgesehen. Zugleich werden Insellösungen (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 7 VerpackV) mit Wirkung zum 1. Mai 2006 nicht mehr zugelassen. Seit diesem Zeitpunkt betreibt die von den beteiligten Wirtschaftskreisen gegründete Deutsche Pfandsystem GmbH bundesweit ein einheitliches Pfandclearingsystem für Einweggetränkeverpackungen.
Die Klägerinnen haben im Mai 2002 gegen das Land Baden-Württemberg Klage vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben, mit der sie im Wesentlichen festgestellt wissen wollten, dass sie bei Beteiligung am Dualen System nicht verpflichtet seien, auf ihre in Einwegverpackungen in den Verkehr gebrachten Getränke ein Pfand zu erheben und die gebrauchten Verpackungen gegen Erstattung des Pfandes unentgeltlich zurückzunehmen. Auf Vorlagebeschluss dieses Gerichts vom 21. August 2002 hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften durch Urteil vom 14. Dezember 2004 (Rs. C-309/02 - Slg. 2004, I-11794 = NVwZ 2005, 190) einige Fragen zur Auslegung und Anwendung der Richtlinie 94/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 1994 über Verpackungen und Verpackungsabfälle (ABlEG Nr. L 365 S. 10; im Folgenden: Verpackungsrichtlinie) und des Art. 28 des EG-Vertrages (im Folgenden: EG) beantwortet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage sodann abgewiesen. Im weiteren Verfahrensablauf hat sich der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg nach Zurückverweisung der Sache durch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwGE 129, 199) nur noch mit der Vereinbarkeit der Vorschriften der Verpackungsverordnung in der seit dem 28. Mai 2005 geltenden Fassung mit den Regelungen des Gemeinschaftsrechts befassen müssen und insoweit die Klage mit Urteil vom 22. Juli 2008 (DVBl. 2008, 1386) abgewiesen.
Die Klägerinnen haben geltend gemacht, die Inkraftsetzung der Pflichtpfandregelung zum 1. Januar 2003 habe gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen. Ihnen sei ein erheblicher Schaden entstanden, da sie einerseits wegen der Verwendung von Einwegverpackungen in beträchtlichem Ausmaß von der Auslistung ihrer Produkte durch den deutschen Handel betroffen gewesen seien und es ihnen andererseits mangels eines flächendeckenden Systems zur Erfüllung der Pfanderhebungs- und Rücknahmepflicht nicht möglich gewesen sei, sich an einem solchen System zu beteiligen. Die zuletzt auf Zahlung von 7.677.999 EUR für die Klägerin zu 1 und von 1.857.107,50 EUR für die Klägerin zu 2 jeweils mit Zinsen gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit ihren vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen verfolgen die Klägerinnen ihre Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revisionen sind unbegründet.
Das Berufungsgericht (NVwZ 2008, 468) hat einen gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch verneint. Es hat zwar in Betracht gezogen, dass die Beklagte im Zusammenhang mit der Umstellung vom Dualen System Deutschland auf ein Pfandsystem ihre Pflichten aus Art. 28 EG und aus Art. 7 der Verpackungsrichtlinie verletzt habe, weil die Übergangsfrist nicht angemessen gewesen sei, der Systemwechsel nicht ohne Bruch vorgenommen worden sei und die Möglichkeit für Marktteilnehmer gefährdet gewesen sei, sich tatsächlich an dem neuen System ab dessen Inkrafttreten zu beteiligen. Denn es habe am 1. Januar 2003 kein einheitliches System zur Handhabung und Abwicklung der Pfand- und Rücknahmepflicht gegeben, und es sei zweifelhaft, ob die von einigen Vertreibern aufgebauten "Insellösungen" ein System dargestellt hätten, wie es nach den Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vorauszusetzen sei.
Ein etwaiger Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht sei aber in der Gesamtschau der maßgeblichen Umstände nicht hinreichend qualifiziert. Er sei nicht einmal ansatzweise offenkundig, denn zahlreiche nationale Gerichte hätten unter teilweise weitgehender Auseinandersetzung mit der Materie einen Verstoß verneint. Er sei auch nicht erheblich, weil etwaige Fehler nicht beim "Ob", sondern allenfalls beim "Wie", nämlich bei der tatsächlichen Inkraftsetzung lange bekannter und im Ausgangspunkt gemeinschaftsrechtlich zulässiger Regelungen unterlaufen seien. Der Vorwurf, nicht rechtzeitig ein einheitliches Pfandsystem aufgebaut zu haben, treffe in erster Linie die beteiligten Wirtschaftskreise. Es erscheine kaum vorwerfbar, dass sich die Beklagte auf Zusagen dieser Wirtschaftskreise verlassen und sich durch die vorübergehende Duldung einer nur eingeschränkten Pfanderhebungs- und Rücknahmepraxis um einen sanften Vollzug bemüht habe. Alle Maßnahmen hätten unterschiedslos für Inländer, Importeure und Ausländer gegolten. Etwaige Schwierigkeiten der Klägerin bei einer möglichen Umstellung auf Mehrwegsysteme hätten auf einer Entfernungsproblematik, nicht aber auf einer Ausländerdiskriminierung beruht. Kein Hersteller habe einen Anspruch auf eine bestimmte Marktsituation, wobei die Marktchancen der Klägerinnen durch das Fehlen eines bundeseinheitlichen Pfandclearingsystems lediglich vorübergehend eingeschränkt, nicht aber ausgeschlossen worden seien. Schließlich sei der Wortlaut der verletzten Norm auch nicht so eindeutig, dass sich die aufgeworfenen Fragen von Anfang an mit der erforderlichen Klarheit und Genauigkeit hätten beantworten lassen. Bei der Umsetzung der Verpackungsrichtlinie habe der Beklagten ein weiter Gestaltungsspielraum zugestanden.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung stand.
1.
Das Berufungsgericht hat die tatbestandlichen Voraussetzungen eines gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs zutreffend wiedergegeben. Danach kommt eine Haftung des Mitgliedstaats in Betracht, wenn er gegen eine Gemeinschaftsrechtsnorm verstoßen hat, die bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und zwischen diesem Verstoß und dem dem Einzelnen entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht (vgl. EuGH, Urteil vom 30. September 2003 - Rs. C-224/01 - Köbler - Slg. 2003, I-10290, 10305 = NJW 2003, 3539 zu Rn. 30, 31 m.umfangr.w.N.; aus der Rechtsprechung des Senats BGHZ 134, 30, 37 ; 146, 153, 158 f ; 161, 224, 233 ; 162, 49, 51 f ;Beschluss vom 12. Oktober 2006 - III ZR 144/05 - NVwZ 2007, 362, 363 Rn. 8). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, haben die nationalen Gerichte unter Beachtung der vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften entwickelten Leitlinien festzustellen (vgl. EuGH, Urteile vom 1. Juni 1999 - Rs. C-302/97 - Konle - Slg. 1999, I-3122, 3139 Rn. 58 f.; vom 4. Juli 2000 - Rs. C-424/97 - Haim II - Slg. 2000, I-5148, 5163 Rn. 44; vom 13. März 2007 - Rs. C-524/04 - Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation - Slg. 2007, I-2157, 2204 Rn. 116).
2.
Das Berufungsgericht legt weiter zutreffend zugrunde, dass hier die Verletzung von gemeinschaftsrechtlichen Normen in Rede steht, die bezwecken, den Klägerinnen Rechte zu verleihen. In Art. 7 der Verpackungsrichtlinie, der den Mitgliedstaaten aufgibt, erforderliche Maßnahmen zur Einrichtung von System für die Rücknahme von gebrauchten Verpackungen und Verpackungsabfällen sowie für deren Wiederverwendung oder Verwertung zu ergreifen, ist nämlich ausdrücklich bestimmt, dass sich alle Marktteilnehmer der betreffenden Wirtschaftszweige an diesen Systemen beteiligen können, dass sie auch für Importprodukte gelten, die dabei keine Benachteiligung erfahren dürfen, und dass der Zugang zu diesen Systemen so beschaffen sein muss, dass gemäß dem Vertrag keine Handelshemmnisse oder Wettbewerbsverzerrungen entstehen. Das deckt sich mit der 1. und der 18. Begründungserwägung der Richtlinie, die neben der Sicherstellung eines hohen Umweltschutzniveaus die Gewährleistung des Binnenmarkts verlangen sowie Handelshemmnisse und Wettbewerbsverzerrungen oder -beschränkungen verhindert sehen wollen. Daneben kommt die dem Einzelnen Rechte verleihende Warenverkehrsfreiheit (Art. 28 EG) als verletzt in Betracht, die als Prüfungsmaßstab herangezogen werden kann, weil die Verpackungsrichtlinie die Organisation der nationalen Systeme, mit denen die Wiederverwendung von Verpackungen gefördert werden soll, nicht abschließend harmonisiert hat (vgl. EuGH, Urteile vom 14. Dezember 2004 - Rs. C-309/02 - aaO S. I-11814 Rn. 56; Rs. C-463/01 - Kommission/Deutschland - Slg. 2004, I-11734, 11750 Rn. 44 f = NVwZ 2005, 194, 196) .
3.
Das Berufungsgericht hat, ohne sich in seiner Beurteilung abschließend festzulegen oder entsprechende Feststellungen zu treffen, auf verschiedene Umstände aufmerksam gemacht, aus denen sich ergeben soll, dass ein Verstoß der Beklagten gegen das Gemeinschaftsrecht "ernstlich in Betracht" kommt. Diese Beurteilung befasst sich mit den maßgeblichen Gesichtspunkten und lässt insoweit keine Rechtsfehler zu Lasten der Klägerinnen erkennen.
a)
Das Berufungsgericht hat den angeführten Entscheidungen des Gerichtshofs vom 14. Dezember 2004 entnommen, dass das Gemeinschaftsrecht bei einem möglichen und zulässigen Übergang von dem bisherigen "Dualen System Deutschland" auf eine Pfanderhebungs- und Rücknahmepflicht von Einweggetränkeverpackungen verlangt, dass dieser Systemwechsel ohne Bruch erfolgt und nicht die Möglichkeit der Marktteilnehmer gefährdet, sich an dem neuen System zu beteiligen. Zugleich ist es erforderlich, dass den betroffenen Herstellern und Vertreibern eine angemessene Übergangsfrist geboten wird, um ihre Produktionsmethoden und Arbeitsabläufe hierauf einzustellen, und dass im Zeitpunkt der Umstellung ein arbeitsfähiges System zur Verfügung steht, an dem sie sich beteiligen können (vgl. EuGH - Rs. C-309/02 - aaO S. I-11812 Rn. 48 f; Rs. C-463/01 aaO S. I-11760 Rn. 79 bis 81).
In dieser Hinsicht hat das Berufungsgericht zutreffend erwogen, dass die in § 9 Abs. 2 VerpackV 1998 vorgesehene Frist von sechs Monaten von der Bekanntmachung bis zum vorgesehenen Beginn des Systemwechsels auch im hier vorliegenden Zusammenhang des Vertriebs von kohlensäurehaltigen Erfrischungsgetränken nicht ausreicht, um den Herstellern und Abfüllern eine Umstellung ihrer Getränkeverpackungsmethoden zu ermöglichen. Darüber hinaus hat es festgestellt, dass ein bruchloser Übergang schon deshalb nicht möglich gewesen sei, weil es zum 1. Januar 2003 kein einheitliches System zur Handhabung und Abwicklung der Pfand- und Rücknahmepflicht gegeben habe. Dabei mag offen bleiben, ob nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ein einheitliches System erforderlich gewesen wäre, wie es seit dem 1. Mai 2006 in der Deutschen Pfandsystem GmbH besteht, oder ob es nicht genügt hätte, wenn sich mehrere, miteinander kompatible Systeme etabliert hätten, die die Bundesrepublik insgesamt abgedeckt hätten; jedenfalls ergibt sich bereits aus der Verlautbarung der Beklagten vom 20. Dezember 2002 an die Länder, eine nur eingeschränkte Erfüllung der Pfanderhebungs- und Rücknahmepflichten zu dulden, dass sie selbst davon ausging, ab dem 1. Januar 2003 könne der in der Verpackungsverordnung 1998 vorgesehene Systemwechsel nicht vollständig vollzogen werden. Dies gilt im Übrigen auch in Ansehung des Verbrauchers, dessen Pfandentgelt nach dieser Verlautbarung nur am Ort des Einkaufs erstattet werden sollte, während der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften eine ausreichende Anzahl von Rücknahmestellen für erforderlich hielt, ohne dass sich der Verbraucher an den Ort des ursprünglichen Einkaufs zurückbegeben müsse (Rs. C-309/02 aaO S. I-11812 Rn. 46; vgl. insoweit auch § 8 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 1 VerpackV 1998 mit einem aus der Sicht des Gerichtshofs - aaO Rn. 47 - nicht eindeutig ausgestalteten Umfang der Rücknahmeverpflichtung).
b)
Das Berufungsgericht hat sich in der Sache auch mit den Anforderungen beschäftigt, die sich aus der Warenverkehrsfreiheit des Art. 28 EG ergeben.
Der Gerichtshof sieht den Anwendungsbereich des Art. 28 EG durch die Pfanderhebungs- und Rücknahmepflichten als berührt an, weil außerhalb Deutschlands ansässige Hersteller erheblich mehr Einwegverpackungen als deutsche Hersteller verwendeten und die Kosten im Zusammenhang mit der Organisation des Pfandsystems und der Beförderung mit der Entfernung des Herstellers von den Verkaufsstellen stiegen (Rs. C-309/02 aaO S. I-11817, 11819 Rn. 65 f und 73; Rs. C-463/01 aaO S. I-11754 Rn. 58 ff), das Inverkehrbringen von aus anderen Mitgliedstaaten eingeführten Getränken auf dem deutschen Markt damit behindert werde.
Nach seiner ständigen Rechtsprechung sind nationale Maßnahmen, die die Ausübung der durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten einschränken, nur unter vier Voraussetzungen zulässig: Sie müssen in nicht diskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen zwingenden Gründen des Allgemeininteresses entsprechen, sie müssen zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet sein, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des Ziels erforderlich ist (EuGH, Urteile vom 9. März 1999 - Rs. C-212/97 - Centros - Slg. 1999, I-1484, 1495 = NJW 1999, 2027, 2029 Rn. 34; vom 4. Juli 2000 - Rs. C-424/97 aaO S. I-5166 Rn. 57; jeweils m.w.N.). Von diesen Voraussetzungen ist nur der letzten nicht hinreichend Rechnung getragen. Denn die beanstandeten Regelungen der Verpackungsverordnung werden in nicht diskriminierender Weise angewandt, indem sie unterschiedslos für Erzeugnisse aus dem Inland wie aus anderen Mitgliedstaaten gelten. Sie sind grundsätzlich auch durch zwingende Erfordernisse des Umweltschutzes zu rechtfertigen und erscheinen geeignet, das allgemeine umweltpolitische Ziel der Abfallvermeidung zu fördern (EuGH, Urteile vom 14. Dezember 2004 - Rs. C-309/02 aaO S. I-11816, 11820 ff Rn. 61, 75 ff; Rs. C-463/01 aaO S. I-11759 Rn. 76 f). Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht ein Systemwechsel bei der Bewirtschaftung von Verpackungsabfall jedoch nur, wenn der Mitgliedstaat dabei sicherstellt, dass die Neuregelung für alle betroffenen Hersteller und Vertreiber eine angemessene Übergangsfrist bietet und dass sich im Zeitpunkt der Umstellung alle betroffenen Hersteller und Vertreiber tatsächlich an einem arbeitsfähigen System beteiligen können (EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2004 - Rs. C-309/02 aaO S. I-11822 Rn. 83).
Zu den Gesichtspunkten, die das Berufungsgericht im Rahmen der Prüfung der Vereinbarkeit der Regelungen mit der Verpackungsrichtlinie als unzureichend bemängelt hat, tritt hier daher noch der Umstand hinzu, dass die Bereitstellung eines arbeitsfähigen Systems weder normativ (in der Verordnung selbst) noch in anderer Weise sichergestellt war. Dass sich die Beklagte insoweit auf Zusagen der betroffenen Wirtschaft verließ, ändert an dem Befund, dass das Gemeinschaftsrecht bei der Systemumstellung nicht hinreichend beachtet war, nichts.
4.
a)
Das Berufungsgericht hat ungeachtet dessen eine Schadensersatzpflicht der Beklagten verneint, weil es sich nicht um einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen gemeinschaftsrechtliche Vorschriften handele.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften ist ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht hinreichend qualifiziert, wenn der betreffende Mitgliedstaat bei der Wahrnehmung seiner Rechtsetzungsbefugnisse die Grenzen, die der Ausübung seiner Befugnisse gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat (EuGH, Urteile vom 5. März 1996 - verbundene Rs. C-46/93 und C-48/93 - Brasserie du Pêcheur und Factortame - Slg. 1996, I-1131, 1150 = NJW 1999, 1267, 1270 Rn. 55; vom 13. März 2007 - Rs. C-524/04 - aaO S. I-2205 Rn. 118; aus der Rechtsprechung des Senats vgl. BGHZ 134, 30, 38 ff) . Diesem restriktiven Haftungsmaßstab liegt die Erwägung zugrunde, dass die Wahrnehmung gesetzgeberischer Tätigkeit, insbesondere bei wirtschaftspolitischen Entscheidungen, nicht jedes Mal durch die Möglichkeit von Schadensersatzklagen behindert werden darf, wenn Allgemeininteressen den Erlass von Maßnahmen gebieten, die die Interessen des Einzelnen beeinträchtigen können (EuGH, Urteile vom 5. März 1996 aaO S. I-1147 f Rn. 45; vom 26. März 1996 - Rs. C-392/93 - British Telecommunications - Slg. 1996, I-1654, 1668 Rn. 40). Nur wenn der Mitgliedstaat zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung über einen erheblich verringerten oder gar auf Null reduzierten Gestaltungsspielraum verfügte, kann schon die bloße Verletzung des Gemeinschaftsrechts ausreichen, um einen hinreichend qualifizierten Verstoß anzunehmen (EuGH, Urteile vom 8. Oktober 1996 - Rs. C-178/94 - Dillenkofer - Slg. 1996, I-4867, 4879 f Rn. 25; Urteil vom 13. März 2007 aaO Rn. 118). Um festzustellen, ob ein hinreichend qualifizierter Verstoß vorliegt, sind alle Gesichtspunkte des Einzelfalls zu berücksichtigen, die für den dem nationalen Gericht vorgelegten Sachverhalt kennzeichnend sind. Zu diesen Gesichtspunkten gehören insbesondere das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift, die Frage, ob der Verstoß oder der Schaden vorsätzlich begangen bzw. zugefügt wurde oder nicht, die Frage, ob ein etwaiger Rechtsirrtum entschuldbar ist oder nicht, und die Frage, ob möglicherweise das Verhalten eines Gemeinschaftsorgans dazu beigetragen hat, dass nationale Maßnahmen oder Praktiken in gemeinschaftsrechtswidriger Weise eingeführt oder aufrecht erhalten wurden (EuGH, Urteile vom 4. Dezember 2003 - Rs. C-63/01 -Evans - Slg. 2003, I-14492, 14524 Rn. 86; vom 25. Januar 2007 - Rs. C-278/05 - Robins - Slg. 2007, I-1081, 1103 Rn. 77; Urteil vom 13. März 2007 aaO Rn. 119).
Ob an diesen Maßstäben gemessen ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht hinreichend qualifiziert ist, haben die Tatsachengerichte unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände, insbesondere an Hand der vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften entwickelten Leitlinien zu beurteilen.
b)
Die revisionsrechtliche Überprüfung lässt insoweit keine Fehler erkennen.
aa)
Zutreffend geht das Berufungsgericht, wie seine näheren Erörterungen zeigen, davon aus, dass vorliegend eine einfache Verletzung des Gemeinschaftsrechts zur Annahme eines qualifizierten Verstoßes nicht ausreicht.
In Ermangelung einer abschließenden gemeinschaftsrechtlichen Harmonisierung auf dem Gebiet der Verpackungen und Verpackungsabfälle verblieb der Beklagten bei der Wahl der Mittel, um ihr richtlinienkonformes Ziel der Förderung von wiederverwendbaren Verpackungen im Sinn des Art. 5 der Verpackungsrichtlinie zu erreichen, ein weiter Gestaltungsspielraum. Die Verpackungsrichtlinie trifft keine näheren Regelungen über die Organisation oder Ausgestaltung von Systemen zur Förderung von wiederverwendbaren Verpackungen (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2004 - Rs. C-309/02 aaO S. I-11814 Rn. 55). Auch der in seinem Regelungsgehalt eher allgemein gefasste Art. 7 der Verpackungsrichtlinie lässt die Wahl zwischen verschiedenen gesetzgeberischen Möglichkeiten zu. Es fehlen insbesondere genauere Vorgaben, wie ein Systemwechsel zu gestalten ist. Damit bleiben das rechtliche Instrumentarium zur Durchsetzung der abfallwirtschaftlichen Ziele und die konkrete Ausgestaltung eines - allerdings erforderlichen - Systems der Abfallbewirtschaftung weitgehend den Mitgliedstaaten überlassen.
bb)
Die Revision sieht die Erheblichkeit des Verstoßes gegen Art. 7 Abs. 1 der Verpackungsrichtlinie darin, dass dieser in eindeutiger Weise zum Ausdruck bringe, dass der Zugang zu neuen Systemen gewährleistet sein müsse und nicht zu Handelshemmnissen oder Wettbewerbsverzerrungen führen dürfe, während er in seinem Kern verletzt worden sei, weil es nahezu 31/2 Jahre kein arbeitsfähiges System gegeben habe, an dem sich ausländische Hersteller hätten beteiligen können. Damit sei auch Art. 28 EG in seiner zentralen Zielsetzung verletzt worden, da ausländische Hersteller, die naheliegenderweise Einwegverpackungen benutzt hätten, entweder ausgelistet worden seien oder nicht die Möglichkeit gehabt hätten, sich (gleichzeitig) auf unterschiedlich ausgestaltete Insellösungen und andere Systeme einzustellen. Zugleich seien hierdurch inländische Wettbewerber vom Wettbewerb entlastet worden.
(1)
Der Revision ist zuzugeben, dass sie mit dieser Darstellung die bei den Klägerinnen eingetretene Nachteile in ihrer Wettbewerbsposition und die geltend gemachten Schäden in einen klaren Zusammenhang mit der Einführung des Pflichtpfands und dem Fehlen eines arbeitsfähigen Systems der Rücknahme stellt. Gleichwohl reduziert sie durch das Herausgreifen der ihr nachteiligen Elemente die Komplexität der mit der Umsetzung der Verpackungsrichtlinie insgesamt zu lösenden Aufgaben und deren Auswirkungen auf den Wettbewerb.
Ungeachtet der näheren Beschreibung des Schutzbereichs von Art. 28 EG in seinen Entscheidungen vom 14. Dezember 2004 (Rs. C-309/02 aaO S. I-11815 ff Rn. 60 bis 73; Rs. C-463/01 aaO S. I-11752 ff Rn. 52 bis 69) und der Feststellung einer Vertragsverletzung in der Rs. C-463/01 hat der Gerichtshof anerkannt, dass Art. 1 Abs. 2 der Verpackungsrichtlinie den Mitgliedstaaten nicht verwehrt, Maßnahmen einzuführen, mit denen die Systeme zur Wiederverwendung von Verpackungen gefördert werden sollen (Rs. C-309/02 aaO S. I-11809 Rn. 37), und ausgesprochen, den betroffenen Herstellern und Vertreibern werde in Art. 7 der Richtlinie kein Anspruch darauf verliehen, weiterhin an einem bestimmten System der Bewirtschaftung von Verpackungsabfall teilzunehmen (Rs. C-309/02 S. I-11811 Rn. 43). Er hat ferner in Anknüpfung an sein Urteil vom 20. September 1988 (Rs. 302/86 - Kommission/Dänemark - Slg. 1988, 4627, 4630 Rn. 13) wiederholt, dass die Verpflichtung, ein Pfand- und Rücknahmesystem von Leerverpackungen einzuführen, ein notwendiger Bestandteil eines Systems ist, das die Wiederverwendungen von Verpackungen sicherstellen soll (Rs. C-309/02 S. I-11820 Rn. 76). Schließlich hat er den in der Verpackungsverordnung 1998 für einen Systemwechsel maßgebenden Zusammenhang zwischen Anteilen von Mehrweg- und Einwegverpackungen als Anreiz, Mehrwegverpackungen zu benutzen, im Kern gebilligt (aaO S. I-11820 f Rn. 78). Das kann aber nach Auffassung des Senats - selbstverständlich bei Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Übrigen - nichts anderes bedeuten, als dass ein Hersteller, der Einweggetränkeverpackungen verwendet, hiermit verbundene Nachteile hinnehmen muss, die sich aus einem (zeitweiligen) Rückgang der Nachfrage nach seinen Produkten ergeben, ohne dass hierdurch Art. 28 EG verletzt wird. Die gelegentlichen Überlegungen der Klägerinnen, sie hätten sich gegenüber der Inkraftsetzung der Pfandpflicht aufgrund des Bekanntmachungsverwaltungsakts der Beklagten vom 2. Juli 2002 nicht zur Wehr setzen müssen, weil diese für sie als Ausländer, die den Wettbewerbsvorteil nutzen könnten, den Art. 28 EG für ausländische Produkte mit sich bringe, keine Geltung beanspruchen könne (vgl. die Wiedergabe der Argumentation im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. August 2007 - 7 C 2.07 - [...] Rn. 10; insoweit ohne Abdruck in BVerwGE 129, 199), werden den geschilderten rechtlichen Zusammenhängen nicht gerecht.
(2)
Vor diesem Hintergrund ist es nicht rechtsfehlerhaft, dass das Berufungsgericht einen erheblichen Verstoß der Beklagten gegen das Gemeinschaftsrecht verneint hat. Aus den Urteilen des Gerichtshofs vom 14. Dezember 2004 ergeben sich keine Anhaltspunkte für die Annahme, die Beklagte habe sich so weit von den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben entfernt, dass eine erhebliche Überschreitung der dem Ermessen des nationalen Gesetzgebers gezogenen Grenzen bejaht werden könnte. Die beanstandeten Regelungen enthielten weder eine direkte Einfuhrbeschränkung im Sinne des Art. 28 EG noch eine offene Diskriminierung; die Beklagte verzichtete auf mengenmäßige Beschränkungen für Erzeugnisse in Einwegverpackungen und stellte hinsichtlich der Bepfandung und Rücknahme an in anderen Mitgliedstaaten ansässige Hersteller die gleichen Anforderungen wie an inländische Hersteller (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2004 - Rs. C-309/02 - aaO S. I-11816 Rn. 61 f). Das Berufungsgericht missachtet die Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht, wie die Revision meint, wenn es unter den genannten Gesichtspunkten davon spricht, ein Teil der Problematik für Hersteller - vor allem im Hinblick auf die alternative Nutzung eines Mehrwegsystems - habe mit der Entfernung zum Abnehmer zusammengehangen. Zielrichtung der angegriffenen Regelungen war nicht der gemeinschaftswidrige Schutz nationaler Interessen, sondern es sollten gerade die Verpflichtungen aus der Verpackungsrichtlinie 94/62/EG umgesetzt und dabei das gemeinschaftsrechtlich anerkannte übergeordnete Ziel des Umweltschutzes gefördert werden. Dabei ist das von der Beklagten gewählte System der Abfallbewirtschaftung grundsätzlich europarechtskonform. Der Gerichtshof hat das umweltpolitische Instrument des Pflichtpfandes auf Einwegverpackungen als geeignete Maßnahme für die Erreichung des Zieles Umweltschutz anerkannt und lediglich Details der konkreten Ausgestaltung beanstandet.
(3)
Soweit der Gerichtshof seine Entscheidungen auf die Notwendigkeit einer angemessenen Übergangsfrist und der Sicherstellung eines arbeitsfähigen Systems im Zeitpunkt der Umstellung des bisherigen Systems der Bewirtschaftung von Verpackungsabfall stützt, ist nicht ersichtlich, dass diese Gesichtspunkte in den den Entscheidungen vorausgegangenen rechtlichen Auseinandersetzungen eine Rolle gespielt hätten. So hat der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen zur Rechtssache C-309/02 einerseits ein subjektives Recht der Wirtschaftsteilnehmer aus Art. 7 der Verpackungsrichtlinie verneint, die Dienste eines dieser Systeme konkret allein wegen ihrer Tätigkeit im Inland in Anspruch zu nehmen oder Mitglied eines solchen Systems zu bleiben, wenn die nationalen Behörden beschließen, dass von einem bestimmten Zeitpunkt an beim Erwerb bestimmter Getränke in Einwegverpackungen ein Pfand zu entrichten sei (Slg. 2004, I-11766, 11779 Rn. 40), andererseits aber - anders als der Gerichtshof - in der Erhebung von Pfand auf Einwegverpackungen kein geeignetes Mittel gesehen, um die Verwendung von Mehrwegverpackungen zu fördern, und insoweit die Verhältnismäßigkeit der Regelung verneint (aaO S. I-11791 f Rn. 76). Vor diesem Hintergrund trägt die Entscheidung des Gerichtshofs im Ergebnis Züge eines Kompromisses: Der Gerichtshof billigt die Entscheidung des nationalen Verordnungsgebers für die Pfanderhebung- und Rücknahmepflicht, bindet sie aber an eine angemessene Übergangsfrist und an die Sicherstellung eines arbeitsfähigen Systems.
Der Senat tritt der Wertung des Berufungsgerichts bei, dass der Beklagten hinsichtlich der Übergangsfrist, die bis zu den Entscheidungen des Gerichtshofs nicht thematisiert war, nur ein geringer Vorwurf zu machen ist, zumal die betroffenen Wirtschaftskreise nach den Feststellungen des Berufungsgerichts schon einige Zeit vor der Veröffentlichung der Nacherhebungszahlen informiert waren, dass die für die Auslösung des Pflichtpfands erforderliche Mehrwegquotenunterschreitung eingetreten war. Zutreffend berücksichtigt das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang auch, dass im damaligen Zeitraum die beteiligten Wirtschaftskreise davon ausgingen, die Schaffung eines arbeitsfähigen einheitlichen Systems innerhalb von neun Monaten bewerkstelligen zu können. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts beruhte auf diesen zeitlichen Angaben gegenüber der Beklagten bereits die Bekanntgabe des Kabinettsbeschlusses vom 20. März 2002, der bis zum Ende des Jahres 2002 eine solche Frist in den Blick nahm; auch nach Scheitern der Errichtung eines einheitlichen Pfandsystems entsprach die Dauer der Duldung einer nur beschränkten Erfüllung der Pfandpflicht bis zum 1. Oktober 2003, die auf einer abermaligen Zusage der betroffenen Wirtschaftskreise beruhte, einem solchen veranschlagten Zeitraum. Dass die Beklagte zur Vermeidung von Bürokratie und zusätzlichen Kosten auf die Selbstregulierung der betroffenen Wirtschaftskreise vertraute (vgl. hierzu BR-Drucks. 817/90 S. 55), kann nicht als erheblicher Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht gewertet werden. Auch wenn sich die Beklagte damit ihrer Erfüllungsverantwortlichkeit nicht entledigen konnte, war es doch gemeinschaftsrechtlich unbedenklich, Herstellern und Vertreibern die Einführung eines funktionierenden Systems zu überlassen, so dass diese die Rücknahme der Verpackungen, die Erstattung des Pfandes und den eventuellen Ausgleich der Beträge unter den Vertreibern organisieren sollten (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2004 - Rs. C-309/02 - aaO S. I-11821 Rn. 80). Soweit daher zeitweise eine mit der Warenverkehrsfreiheit unvereinbare Lage bestand, war diese vor allem auf die gescheiterte Selbstregulierung der betroffenen Wirtschaftskreise zurückzuführen.
cc)
Der Senat tritt dem Berufungsgericht auch darin bei, dass es an einem offenkundigen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht fehlt. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte Rechtsprechung des Gerichtshofs offenkundig verkannt hätte. Es ist ein Sachgebiet betroffen, auf dem klare gemeinschaftsrechtliche Vorgaben in Form einer eindeutigen Rechtsprechung des Gerichtshofs bis zu seinen Entscheidungen vom 14. Dezember 2004 fehlten. Für die Rechtsauffassung der Beklagten ließ sich das Urteil des Gerichtshofs zum dänischen Getränkepfandsystem anführen, demzufolge eine Herstellern und Importeuren auferlegte Verpflichtung zur Errichtung eines Pfand- und Rücknahmesystems zur Erreichung der Ziele des Umweltschutzes erforderlich und die dadurch bedingten Beschränkungen der Warenverkehrsfreiheit nicht unverhältnismäßig seien (vgl. EuGH, Urteil vom 20. September 1998 aaO Rn. 13). Die weitergehenden, aus Art. 7 der Verpackungsrichtlinie sowie aus einer allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprüfung im Rahmen des Art. 28 EG abzuleitenden Anforderungen an die Einführung der Pfandpflicht für Einwegverpackungen sind erst durch die Urteile des Gerichtshofs vom 14. Dezember 2004 verdeutlicht worden. Vor diesen Urteilen war die aufgeworfene, im Zusammenhang mit der Auslegung des Art. 7 der Verpackungsrichtlinie stehende Problematik in der Rechtsprechung des Gerichtshofs noch nicht behandelt worden. Unter diesen Umständen ist ein qualifizierter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht regelmäßig zu verneinen (vgl. EuGH, Urteile vom 26. März 1996 - C-392/93 - British Telecommunications - Slg. 1996, I-1654, 1669 Rn. 44 f; vom 17. Oktober 1996 - verbundene Rs. C-283/94, C-291/94 und C-292/94 - Denkavit - Slg. 1996, I-5085, 5102 Rn. 52 f).
Feststellungen, die auf eine aus anderen Gründen offenkundige oder sogar vorsätzliche Verletzung des Gemeinschaftsrechts hindeuten, sind nicht getroffen. Soweit sich die Revision insoweit auf eine Presseerklärung der Beklagten vom 17. Dezember 2002 bezieht, kann dieser zwar entnommen werden, dass die Beklagte die Möglichkeit der Reduzierung oder Auslistung von Einweggetränkeangeboten gesehen hat. Daraus folgt jedoch nicht, dass der Beklagten der Vorwurf einer vorsätzlichen Verletzung der Warenverkehrsfreiheit zu machen wäre. Vielmehr bewegte sie sich im Rahmen einer rechtlich kontroversen Fragestellung betreffend das Spannungsverhältnis zwischen Warenverkehrsfreiheit und Umweltschutz und setzte sich eingehend mit den Argumenten der Kommission und der beteiligten Wirtschaftskreise auseinander. Auch der Generalanwalt hat in seinen Schlussanträgen zum Vertragsverletzungsverfahren befunden, dass sich die Beklagte insbesondere zu Art. 28 EG gründlich verteidigt habe (Rs. C-463/01 - Slg. 2004, I-11708, 11717 Rn. 29). Mag sich die Beklagte auch, was die Anwendung des Art. 28 EG unter den Aspekten einer vorrangigen harmonisierten Regelung durch die Verpackungsrichtlinie und einer Beurteilung der Pfand- und Rücknahmepflichten als Verkaufsmodalitäten angeht, im Ergebnis nicht durchgesetzt haben, kann man ihre Auffassung doch nicht als offenkundig falsch ansehen. Soweit der Streit über die Rechtmäßigkeit des Systemwechsels letztlich im Wege einer allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprüfung zu Art. 28 EG zu entscheiden war, konnte - wie auch der Gang der Rechtssache beim Gerichtshof zeigt - durchaus kontrovers diskutiert werden, welche konkreten gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen sich für eine staatliche Maßnahme wie die Umstellung des Systems zur Bewirtschaftung von Verpackungsabfällen aus den sehr allgemein gehaltenen Grundfreiheiten des EG-Vertrages ergeben können. Dabei ist die Beklagte im Rahmen eines vertretbaren Meinungsspektrums geblieben. Dass die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Beklagte eingeleitet hatte, genügt unter diesen Umständen für die Annahme eines hinreichend qualifizierten Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht nicht (vgl. hierzu auch Senatsurteil BGHZ 134, 30, 40) .
Schließlich durfte das Berufungsgericht für die Beurteilung, ob ein hinreichend qualifizierter Verstoß vorliegt, auch berücksichtigen, wie die nationalen Gerichte das Gemeinschaftsrecht im Rahmen von Gerichtsverfahren ausgelegt haben, die von durch die beanstandeten Regelungen Betroffenen anhängig gemacht worden sind (vgl. EuGH, Urteil vom 5. März 1996 aaO S. I-1152 Rn. 63). Gegen einen offenkundigen Verstoß der Beklagten gegen Gemeinschaftsrecht spricht der Umstand, dass nationale Gerichte vor und nach Einführung des Pfand- und Rücknahmesystems wiederholt die Gemeinschaftskonformität der beanstandeten Regelungen bekräftigt haben (vgl. OVG Berlin, NVwZ-RR 2002, 720, 730 f ; VG Stuttgart, Urteil vom 23. Mai 2005 in der Streitsache der hiesigen Klägerinnen; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. Oktober 2005 - 12 B 3.05 - [...]).
dd)
Die Klage hat auch hinsichtlich der im Jahr 2005 entstandenen Schäden keinen Erfolg. Zwar ist ein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht dann als offenkundig zu qualifizieren, wenn er trotz Erlass eines Urteils, in dem der zur Last gelegte Verstoß festgestellt wird, oder eines Urteils im Vorabentscheidungsverfahren oder trotz einer gefestigten Rechtsprechung des Gerichtshofs, aus denen sich die Pflichtwidrigkeit des fraglichen Verhaltens ergibt, fortbestanden hat (vgl. EuGH, Urteil vom 5. März 1996 aaO S. I-1150 Rn. 57). Ein solcher Fall liegt indes nicht vor. Insbesondere hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in seinen Urteilen vom 14. Dezember 2004 den Vollzug der Pfandpflicht in Deutschland nicht abschließend bewertet. Aus diesen Urteilen ist auch unter Berücksichtigung des allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Anwendungsvorrangs keine - jedenfalls offenkundige - Verpflichtung abzuleiten, die Pfandpflicht vorübergehend auszusetzen (vgl. Europäische Kommission in: Entscheidung des Europäischen Bürgerbeauftragten zur Beschwerde 1037/2005/GG, Ziffern 2.2, 2.12 und Anhang C). Feststellungen über die Europarechtskonformität der im Zeitpunkt des Urteils etablierten Rücknahmesysteme sind den Urteilen ebenso wenig zu entnehmen wie eine eindeutige Festlegung, ob das System der Insellösungen allein oder gemeinsam mit den parallel operierenden offenen Rücknahmesystemen europarechtlichen Anforderungen genügte. Es kommt - aus der Sicht des Senats entscheidend - hinzu, dass mit der Dritten Verordnung zur Änderung der Verpackungsverordnung unverzüglich die für die Umsetzung der Urteile vom 14. Dezember 2004 erforderlichen Maßnahmen ergriffen wurden. Bereits am 17. Dezember 2004 stimmte der Bundesrat dieser Verordnung zu, wobei er unter Hinweis auf die erst drei Tage zuvor ergangenen einschlägigen Urteile des Gerichtshofs die Übergangsfrist für die Ausweitung der Pfandpflicht und die Abschaffung der sogenannten Insellösungen auf zwölf Monate verlängerte (BR-Drucks. 919/04). Am 12. Januar 2005 beschloss die Bundesregierung, die Änderungsmaßgabe des Bundesrates unverändert zu übernehmen (BT-Drucks. 15/4642). Der Bundestag stimmte der Novelle am 20. Januar 2005 zu (BT-Plenarprotokoll 15/151 S. 14155 A). Die novellierte Verpackungsverordnung wurde nach Notifizierung bei der EU-Kommission und Ablauf der Stillhaltefrist aus Art. 9 der Richtlinie 98/34/EG über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (ABlEG L Nr. 204, S. 37) am 27. Mai 2005 im Bundesgesetzblatt (BGBl. I S. 1407) bekannt gegeben. Angesichts des - wenngleich im Einzelnen nicht geklärten - Standes der Entwicklung musste die Beklagte - mit nicht überschaubaren Auswirkungen auf den Wettbewerb - für einen bestimmten Kreis von Marktteilnehmern keine interimistische Sonderregelung treffen.
Ende der Entscheidung
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