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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 27.06.2002
Aktenzeichen: III ZR 234/01
Rechtsgebiete: BGB, SGB VII
Vorschriften:
BGB § 839 K | |
SGB VII § 106 Abs. 3 Fallgruppe 3 |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 27. Juni 2002
in dem Rechtsstreit
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. Juni 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter Dr. Wurm, Streck, Schlick und Dörr
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 30. August 2001 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die klagende Bundesrepublik Deutschland hatte der G. GmbH Reinigungsarbeiten auf dem Luftwaffenstandort Köln-Wahn übertragen. Am 4. Januar 1998 erlitt eine bei der beklagten Berufsgenossenschaft gesetzlich unfallversicherte Mitarbeiterin jener Firma einen Unfall, als sie im Sanitätszentrum des Standorts Müll entsorgte. Sie verletzte sich an einer Infusionsnadel, die vorschriftswidrig ungesichert in einem Müllsack abgelegt worden war und diesen durchstoßen hatte. Die Beklagte erbrachte Behandlungskosten in Höhe von 3.587,27 DM, die ihr die Klägerin zunächst erstattete.
Die Klägerin macht nunmehr geltend, zur Zahlung nicht verpflichtet gewesen zu sein, da der Unfall der Regelung des § 106 Abs. 3 Fallgruppe 3 SGB VII unterlegen habe. Sie nimmt daher die Beklagte auf Rückzahlung in Anspruch. Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt; das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Forderung weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist nicht begründet.
Ein Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB (Leistungskondiktion) steht der Klägerin gegen die Beklagte nicht zu.
1. Durch den Unfall ist in der Person der Verletzten ein Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG gegen die Klägerin begründet worden, der kraft Legalzession nach § 116 Abs. 1 SGB X auf die beklagte Berufsgenossenschaft übergegangen ist.
a) Beide Vorinstanzen gehen - in Übereinstimmung mit den eigenen Angaben der Klägerin in der vorprozessualen Korrespondenz - davon aus, daß der Unfall durch einen im Sanitätsbereich der Luftwaffensanitätsstaffel eingesetzten Sanitätssoldaten fahrlässig verursacht worden ist, indem dieser die betreffende Infusionsnadel ungesichert in dem Müllsack abgelegt hat. Als Soldat unterfiel der Täter dem haftungsrechtlichen Amtsträgerbegriff des Art. 34 GG (Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 13). Der Einsatz des Soldaten in dem Sanitätsbereich war zugleich unmittelbar Ausübung eines anvertrauten öffentlichen Amtes.
b) Demgegenüber deutet die Klägerin sowohl im Berufungsrechtszug als auch in der Revisionsbegründung die Möglichkeit an, daß als Täterin auch eine zivile Mitarbeiterin des Sanitätsbereichs, insbesondere eine Krankenschwester, in Betracht kommt. Auch in diesem Falle sind die Voraussetzungen des Amtshaftungsanspruchs erfüllt. Der Einsatz in einem Sanitätszentrum oder -bereich der Bundeswehr ist grundsätzlich Wahrnehmung einer hoheitlichen Aufgabe und damit Ausübung eines öffentlichen Amtes im Sinne des Art. 34 GG (BGHZ 108, 230; 120, 176, 178). Auch ein ziviler Mitarbeiter erlangt dadurch Amtsträgereigenschaft im haftungsrechtlichen Sinne.
2. a) Die Klägerin beruft sich darauf, daß der Täter und die Verletzte betriebliche Tätigkeiten auf einer gemeinsamen Betriebsstätte verrichtet hätten. Deswegen gelte der Haftungsausschlußtatbestand des § 106 Abs. 3 Fallgruppe 3 i.V.m. §§ 104, 105 SGB VII.
b) Das Berufungsgericht meint, dieser Haftungsausschluß betreffe nicht den vorliegenden Fall. Die Klägerin als Dienstherrin des Schädigers sei als "Unternehmer" im sozialversicherungsrechtlichen Sinne anzusehen. Die Haftungsprivilegierung bei vorübergehender betrieblicher Tätigkeit auf einer gemeinsamen Betriebsstätte im Sinne des § 106 Abs. 3 Fallgruppe 3 SGB VII gelte aber nicht zugunsten eines nicht selbst dort tätigen Unternehmers (BGH, Teilurteil vom 3. Juli 2001 - VI ZR 284/00 = NJW 2001, 3125 = BGHZ 148, 214). Sie komme einem solchen versicherten Unternehmer nur zugute, wenn dieser selbst eine vorübergehende betriebliche Tätigkeit auf einer gemeinsamen Betriebsstätte verrichte und dabei den Versicherten eines anderen Unternehmens verletze (BGH, Urteil vom 3. Juli 2001 - VI ZR 198/00 = NJW 2001, 3127 = BGHZ 148, 209) .
c) Diesen rechtlichen Ausgangspunkt des Berufungsgerichts vermag der erkennende Senat nicht zu teilen. Für das Haftungsprivileg ist nicht auf die Person der Klägerin als des Unternehmers, sondern auf die des Schädigers abzustellen. Dies folgt aus der Eigenart der Amtshaftung als einer übergeleiteten Beamtenhaftung. Sie beruht auf der durch Art. 34 Satz 1 GG verfassungsrechtlich normierten befreienden Schuldübernahme, aufgrund deren der Amtswalter selbst (hier der Sanitätssoldat oder die Krankenschwester) von seiner persönlichen Schadensersatzpflicht befreit und die Bundesrepublik mit ihr belastet wird. Art. 34 GG leitet die durch § 839 BGB begründete persönliche Haftung des Beamten auf den Staat über: § 839 BGB ist die haftungsbegründende, Art. 34 GG die haftungsverlagernde Norm (BVerfGE 61, 149). Diese personale Konstruktion der Amtshaftung hat zur Folge, daß der Staat grundsätzlich nur in dem gleichen Umfang haftet, wie der Amtsträger selbst es müßte, wenn es die Schuldübernahme nicht gäbe. Dies bedeutet, daß sämtliche auf die persönliche Verantwortlichkeit des Amtsträgers zugeschnittenen gesetzlichen Haftungsbeschränkungen, -milderungen oder -privilegien mittelbar auch dem Staat zugute kommen (Senatsurteil BGHZ 146, 385, 388 f). Daraus hat der Senat beispielsweise die Folgerung gezogen, daß die die persönliche Haftpflicht betreffende Einbeziehung des Fahrers in den Schutz der Kfz-Haftpflichtversicherung auch der Bundesrepublik zugute kommen muß (§ 10 AKB; BGHZ aaO). Auf den hier zu beurteilenden Fall übertragen bedeutet dies, daß auch hier zu fragen ist, ob der Schädiger selbst gegenüber der Verletzten oder im Falle des gesetzlichen Forderungsübergangs nach § 116 Abs. 1 SGB X gegenüber der beklagten Berufsgenossenschaft ersatzpflichtig wäre, wenn es die gesetzliche Haftungsverlagerung nach Art. 34 GG nicht gäbe.
3. Im Ergebnis hält das Berufungsurteil der revisionsgerichtlichen Prüfung gleichwohl stand (§ 563 ZPO a.F.). Es läßt sich nämlich nicht feststellen, daß hier in der Person des Schädigers selbst die Voraussetzungen der Haftungsprivilegierung erfüllt waren.
a) Nach § 106 Abs. 3 Fallgruppe 3 SGB VII gelten die Haftungsbeschränkungen der §§ 104, 105 SGB VII für die Ersatzpflicht der für die beteiligten Unternehmen Tätigen untereinander dann, wenn Versicherte mehrerer Unternehmen vorübergehend betriebliche Tätigkeiten auf einer gemeinsamen Betriebsstätte verrichten. Voraussetzung ist damit, daß "Versicherte" im Sinne des SGB VII auf der gemeinsamen Betriebsstätte tätig sind (OLG Hamm r+s 2001, 195; Lauterbach/Watermann/Dahm, Unfallversicherung, Loseblattausgabe, Stand Oktober 2001, SGB VII § 106 Rn. 22; Kater/Leube, SGB VII, 1997, § 106 Rn. 20; Risthaus, VersR 2000, 1203; Lemcke, r+s 1999, 376 f). Der abweichenden Auffassung von Ricke (Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Loseblattausgabe, Stand 1. Januar 2002, SGB VII § 106 Rn. 11) kann nicht gefolgt werden. Der VI. Zivilsenat hat bereits entschieden (Urteil vom 3. Juli 2001 - VI ZR 198/99 = NJW 2001, 3127, 3128 = BGHZ 148, 209), daß der Haftungsausschluß des § 106 Abs. 3 Fallgruppe 3 SGB VII auch für den versicherten und auf der gemeinsamen Betriebsstätte tätigen Unternehmer gilt. Unabdingbare Voraussetzung für die Haftungsprivilegierung nach dieser Fallgruppe ist daher, daß der Schädiger selbst zu den versicherten Personen zählt. Dies gilt in gleicher Weise für den hier zu beurteilenden Fall, daß Schädiger nicht der Unternehmer, sondern der Mitarbeiter eines anderen Unternehmens ist. Dies erschließt sich zwanglos bereits aus dem Gesetzeswortlaut. Die Entstehungsgeschichte des § 106 Abs. 3 SGB VII läßt nichts Gegenteiliges erkennen (vgl. BGH, Teilurteil vom 3. Juli 2001 - VI ZR 284/00 = NJW 2001, 3125 f = BGHZ 148, 214). Auch aus der Verweisung auf §§ 104, 105 SGB VII läßt sich nicht schließen, daß nicht versicherte Schädiger in den Anwendungsbereich miteinbezogen sind. Im Gegenteil machen gerade diese Vorschriften deutlich, daß der Gesetzgeber bewußt nach Versicherten und Nichtversicherten unterschieden hat. So hat er den Anwendungsbereich des § 104 Abs. 1 Satz 1 auf Versicherte und Personen, die zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, beschränkt, während er in § 105 Abs. 1 Satz 2 ausdrücklich auch gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII nicht versicherte Beamte einbezogen hat. Auch Sinn und Zweck der Vorschrift gebieten nicht die Einbeziehung von nicht versicherten Personen. Das Haftungsprivileg des § 106 Abs. 3 Fallgruppe 3 SGB VII beruht auf dem Gesichtspunkt der Gefahrengemeinschaft. Es bewirkt, daß demjenigen, der als Schädiger von Haftungsbeschränkungen profitiert, als Geschädigtem zugemutet werden kann, die entsprechenden Nachteile hinzunehmen, daß er selbst bei einer Verletzung keine Schadensersatzansprüche wegen seiner Personenschäden geltend machen kann (BGH, VI ZR 284/00 aaO). Eine solche Gefahrengemeinschaft besteht indessen nicht von vornherein, wenn an einem Unfall auf der einen Seite ein Versicherter, auf der anderen ein nicht versicherter Beamter oder Soldat beteiligt sind. Ein Beamter hat aus Anlaß eines Dienstunfalls gegen seinen Dienstherrn nur die in §§ 30 bis 43 BeamtVG geregelten Ansprüche (§ 46 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG; für Soldaten vgl. § 91 a Abs. 1 SVG); weitere Ansprüche aufgrund allgemeiner gesetzlicher Vorschriften können gegen einen öffentlichen Dienstherrn im Geltungsbereich des Beamtenversorgungsgesetzes oder gegen in seinem Dienst stehende Personen nur dann geltend gemacht werden, wenn der Dienstunfall durch eine vorsätzliche unerlaubte Handlung einer solchen Person verursacht worden ist (§ 46 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG) oder wenn der Dienstunfall sich bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr ereignet hat (§ 46 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG i.V.m. § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die erweiterte Zulassung von Schadensersatzansprüchen bei Dienst- und Arbeitsunfällen vom 7. Dezember 1943, RGBl. I S. 674). Soweit der Schädiger nicht im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn steht, ist er uneingeschränkt den Ansprüchen auch des verletzten Beamten persönlich ausgesetzt, da ein Haftungsausschluß insoweit nicht vorgesehen ist (§ 46 Abs. 3 BeamtVG; § 91 a Abs. 3 SVG). Gerade in Fällen wie dem vorliegenden würde dies bedeuten, daß im umgekehrten Falle einer Verletzung des Sanitätssoldaten durch die Reinigungsmitarbeiterin diese uneingeschränkt den persönlichen und auf die Klägerin übergegangenen Ansprüchen (§ 87 a Satz 1 BBG) ausgesetzt wäre. Dann aber fehlt es an einer inneren Rechtfertigung dafür, sie selbst im Falle der Schädigung durch eine nicht versicherte Person auf die Ansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu beschränken.
b) Im vorliegenden Fall war der als Täter in Betracht kommende Sanitätssoldat gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII versicherungsfrei, weil er gemäß § 80 SVG in Verbindung mit den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes Anspruch auf Unfallfürsorge hatte. Die Ausnahmen des § 4 Abs. 1 Nr. 2 a und b SGB VII liegen nicht vor.
c) War dagegen der Unfall durch eine in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherte zivile Mitarbeiterin der Klägerin (Krankenschwester) verursacht worden, so würde eine Haftungsprivilegierung nicht schon aus den vorstehend aufgezeigten Gründen ausgeschlossen sein. Der Prüfung der weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 106 Abs. 3 Fallgruppe 3 SGB VII, insbesondere der Frage, ob in diesem Falle Versicherte mehrerer Unternehmen vorübergehend Tätigkeiten auf einer gemeinsamen Betriebsstelle verrichtet haben, bedarf es indessen nicht. Die Klägerin selbst hat keine näheren Angaben zur Person des Schädigers gemacht, vielmehr, wie oben bereits dargelegt, in der vorprozessualen Korrespondenz selbst darauf hingewiesen, daß es sich um einen Sanitätssoldaten gehandelt hatte. Der Beklagten konnten keine näheren Angaben über die Person des Schädigers zugemutet werden. Ohnehin brauchte sie den einzelnen Amtsträger, der gegenüber der bei ihr versicherten Person die Pflichtverletzung begangen hatte, nicht konkret zu bezeichnen. Zwar ist im Hinblick auf das Wesen der übergeleiteten Haftung erforderlich, daß der gesamte Haftungstatbestand in der Person irgendeines Amtsträgers erfüllt ist; es bedarf deshalb aber nicht auch der Feststellung der Identität einer Person. Vielmehr ist es ausreichend, wenn feststeht, daß irgendein Amtsträger in seiner Person den gesamten Haftungstatbestand verwirklicht hat. Weitergehende Darlegungen sind dem Geschädigten, der die Interna des Behördenbetriebs nicht kennt und auch nicht zu kennen braucht, häufig nicht möglich und deshalb auch nicht zumutbar (BGHZ 116, 312, 314 f). Da es sich bei dem Haftungsprivileg des § 106 Abs. 3 Fallgruppe 3 SGB VII um eine Einwendung handelt, die einen an sich begründeten Amtshaftungsanspruch zu Fall bringen soll, hätte bereits auf der Ebene der unmittelbaren Inanspruchnahme der Klägerin durch die beklagte Berufsgenossenschaft die Klägerin als Dienstherrin des schuldigen Amtsträgers darlegen und beweisen müssen, daß für diesen die Haftungsprivilegierung gegolten hätte. Erst recht trifft in dem hier zu beurteilenden Fall der Rückforderung bereits erbrachter Leistungen die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß es insoweit an einem Rechtsgrund gefehlt hatte, d.h. der Schädiger gesetzlich unfallversichert gewesen war. Da es insoweit an konkretem Sachvortrag der Klägerin fehlt, war die Sache im Sinne einer Klageabweisung - und damit einer Bestätigung des Berufungsurteils - entscheidungsreif.
Ende der Entscheidung
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