Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 08.06.2006
Aktenzeichen: III ZR 236/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 308 Abs. 1
ZPO § 564 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

III ZR 236/04

Verkündet am: 8. Juni 2006

in dem Rechtsstreit

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. Juni 2006 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Dr. Wurm, Streck, Dörr und Galke

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 7. April 2004 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 23. Oktober 2002 wird in vollem Umfang zurückgewiesen.

Die Anschlussrevision des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Rechtsmittelzüge zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist Eigentümer des aufgrund einer entsprechenden Baugenehmigung aus dem Jahre 1977 mit einem Zweifamilienwohnhaus bebauten Grundstücks Flur 3, Flurstück 570/25 in der Gemeinde H. . Dieses Grundstück grenzt östlich an eine Garagenzeile sowie in einer Breite von 2,5 m an einen Wendehammer der St. Straße. Zwischen dem Grundstück des Klägers und dem etwa 42 m südlich verlaufenden G. Weg befindet sich die Parzelle 570/28, die früher ebenfalls im Eigentum des Klägers gestanden hatte, von diesem aber im Jahre 1992 an seine Tochter veräußert worden ist. Die Breite dieser Parzelle schwankt zwischen 3 m und 10,5 m.

Die zuständigen Amtsträger des Bauamtes des beklagten Kreises waren (und sind) der Auffassung, dass das Grundstück 570/25 durch die Parzelle 570/28, d.h. durch eine Anbindung an den G. Weg - und nicht etwa durch eine solche an die St. Straße - wegemäßig erschlossen werde. Der Beklagte trug am 10. September 1992 in das Baulastenverzeichnis Baulasten des Inhalts ein, dass der jeweilige Eigentümer des Flurstücks 570/28 verpflichtet werde, dieses Flurstück zugunsten des Flurstücks 570/25 als Zufahrt zur Verfügung zu stellen, und der jeweilige Eigentümer des Flurstücks 570/25 die als Zufahrt zu seinem Grundstück dienende Fläche des Flurstücks 570/28 ausreichend zu befestigen und zu unterhalten habe. Außerdem wurde bestimmt, dass das Wegegrundstück und das Hausgrundstück nicht gesondert veräußert werden dürften. Auf Widerspruch des Klägers wurde diese Baulast durch das Regierungspräsidium D. teilweise eingeschränkt. Mit seiner daraufhin erhobenen verwaltungsgerichtlichen Klage begehrte der Kläger die völlige Löschung der Baulast sowie die Feststellung, dass die frühere Baugenehmigung aus dem Jahre 1977 keine Regelungen über eine wegemäßige Erschließung des Grundstücks 570/25 über das Flurstück 570/28 enthalte. Außerdem beantragte er eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Stellplatzes mit Zufahrt von der St. Straße. Das Verwaltungsgericht verpflichtete den Beklagten zur Löschung der Baulast (was am 14. April 1997 geschah) und wies die Klage im Übrigen ab. Die Berufung des Klägers war teilweise erfolgreich. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof traf die begehrte Feststellung, dass die Baugenehmigung keine Auflage oder sonstige Regelung enthalte, aus der hervorgehe, dass (1) das Flurstück 570/25 hinsichtlich Zugang und Zufahrt mit Pkw zur Garage sowie für den Einsatz mit Feuerlösch- und Rettungsgeräten über das Grundstück 570/28 erschlossen werde, (2) das Flurstück 570/28 als Zugang und Zufahrt zum Flurstück 570/25 dauernd freizuhalten sei, (3) der jeweilige Eigentümer des Flurstücks 570/25 auf dem Flurstück 570/28 eine als Zufahrt zu dem Grundstück 570/25 ausreichende Fläche ausreichend zu befestigen und tragfähig befahrbar herzustellen, zu unterhalten und für den Einsatz von Feuerwehr- und Rettungsfahrzeugen ständig freizuhalten habe. Im Übrigen wurde die Berufung zurückgewiesen; insbesondere verblieb es bei der Abweisung des Antrags auf eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Stellplatzes mit Zufahrt von der St. Straße.

Der Kläger ist der Auffassung, dass der beklagte Kreis unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung schadensersatzpflichtig sei, da der Beklagte den Verkauf des Hausgrundstücks Flurstück 570/25 vereitelt habe. Er begehrt die Feststellung, dass der Beklagte ihm den Schaden zu ersetzen habe, der dadurch entstanden sei und noch entstehe, dass der Beklagte im Jahre 1992 eine rechtswidrige Baulast eingetragen und auch nach deren im Jahre 1997 erfolgter Löschung eine unzutreffende Rechtsansicht zur Erschließung des Grundstücks vertreten habe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht die Entscheidung des Landgerichts teilweise geändert und festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger den Schaden zu ersetzen, der ihm daraus entstanden sei, dass der Beklagte am 10. September 1992 für das Grundstück des Klägers eine Baulast in das Baulastenverzeichnis eingetragen und erst am 14. April 1997 wieder gelöscht habe. Im darüber hinausgehenden Umfang hat das Berufungsgericht die Berufung zurückgewiesen. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf vollständige Abweisung der Amtshaftungsklage weiter. Der Kläger, dessen Nichtzulassungsbeschwerde vom Senat zurückgewiesen worden ist, hat sich der Revision angeschlossen und wendet sich gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts, soweit er im Berufungsverfahren unterlegen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Beklagten ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils, durch das die Klage in vollem Umfang abgewiesen worden war. Die Anschlussrevision des Klägers hat hingegen keinen Erfolg.

I.

1. Die Verfahrensrüge der Revision des Beklagten, das Berufungsgericht habe mit der von ihm getroffenen Feststellung gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen, greift, wie der Senat geprüft hat, nicht durch; von einer näheren Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.

2. Die Eintragung der Baulast erfüllte den Tatbestand einer Amtspflichtverletzung zu Lasten des Klägers. Die Rechtswidrigkeit jener Eintragung steht durch das zwischen denselben Parteien ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 13. November 1996 auch mit Wirkung für den vorliegenden Amtshaftungsprozess rechtskräftig fest. Auch ein Verschulden der handelnden Amtsträger hat das Berufungsgericht zutreffend bejaht.

3. Im Übrigen, d.h. im Umfang des (Anschluss-)Revisionsangriffs des Klägers, der sich dagegen wendet, dass der Beklagte durchgehend die Auffassung vertreten hatte, das Grundstück des Klägers werde allein durch die Wegeparzelle 570/28 und nicht über den Grundstücksteil, der an die St. Straße angrenzt, erschlossen, liegt eine Amtspflichtverletzung bereits tatbestandsmäßig nicht vor. Der Senat hält die diesbezügliche Rechtsauffassung des Beklagten für vertretbar und von der Sache her sogar für nahe liegend. Dem stehen die dem Beklagten teilweise ungünstigen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts D. und des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs nicht entgegen. Das Verwaltungsgericht hatte - zu Recht und vom Beklagten nicht mit Rechtsmitteln angegriffen - lediglich festgestellt, dass die Baulast rechtswidrig war. Die Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs besagte nur, dass die wegemäßige Erschließung im festgestellten Umfang nicht Gegenstand von Auflagen in der Baugenehmigung gewesen war. Damit wurden keine rechtskraftfähigen Aussagen darüber getroffen, welcher Art die wegemäßige Erschließung gewesen war (und ist). Deshalb blieb es dem Beklagten unbenommen, weiterhin den Rechtsstandpunkt zu vertreten, dass diese Erschließung gerade nicht über die St. Straße erfolgte. Zwar grenzte das Grundstück 570/25 an diese; jedoch hat der Verwaltungsgerichtshof eindeutig festgestellt, dass es an der notwendigen straßenrechtlichen Genehmigung des Straßenbaulastträgers für die Schaffung einer Zufahrt von der St. Straße fehlte. Der Antrag des Klägers auf Erteilung einer Baugenehmigung für eine Zuwegung von der St. Straße her war und ist - auch mit Bindungswirkung für den vorliegenden Amtshaftungsprozess - rechtskräftig abgewiesen. Wenn der Beklagte unter diesen Umständen der Meinung war, als einzige Zufahrt verbleibe diejenige vom G. Weg, so ist dies nicht amtspflichtwidrig, zumindest nicht schuldhaft.

II.

Aus der - nach alledem als einziger Ansatzpunkt für einen Amtshaftungsanspruch verbleibenden - Eintragung der rechtswidrigen Baulast kann ein solcher Anspruch indessen nicht hergeleitet werden, weil es insoweit an einer hinreichenden Darlegung eines Schadens fehlt.

1. Das Berufungsgericht meint, für einen Schadenseintritt entscheidend sei nicht der konkrete Nachweis beeinträchtigter Verkaufschancen, sondern der unstreitige Umstand, dass der Kläger nach Eintragung der Baulast auf Verkaufsbemühungen verzichtet habe, weil er angenommen habe, das Hausgrundstück sei mit der Baulast nicht oder jedenfalls nicht zu einem angemessenen Preis verkäuflich. Diese Erwägung ist nicht geeignet, einen Schaden - sei es auch nur in Form eines bloßen Feststellungsausspruchs ohne konkrete Bezifferung - darzutun.

2. Bei der Frage nach dem Umfang des verursachten und daher zu ersetzenden Schadens ist die tatsächliche Lage infolge der Amtspflichtverletzung mit der Lage zu vergleichen, die vorhanden wäre, wenn die unerlaubte Handlung nicht vorläge, sondern der Beklagte amtspflichtgemäß gehandelt hätte; nur soweit die Vermögenslage des Geschädigten bei pflichtgemäßem Verhalten günstiger als die tatsächliche wäre, ist der Schaden durch die Amtspflichtverletzung verursacht und, sofern adäquat verursacht, zu ersetzen. Wird dementsprechend hier die Baulast hinweggedacht, so würde dies - wie die Revisionsbegründung des Beklagten zutreffend hervorhebt - nichts daran ändern, dass die wegemäßige Erschließung des Grundstücks nach wie vor ungesichert war. Insbesondere änderte sich nichts an der - im Verwaltungsprozess rechtskräftig festgestellten - rechtlichen Unmöglichkeit, das Grundstück im fraglichen Zeitraum von der St. Straße aus zu erschließen. Dafür, dass gerade die Eintragung der Baulast die hierdurch eingeschränkten Verkaufschancen des Grundstücks noch weiter vermindert haben könnte, fehlt es an tatsächlichen Anhaltspunkten.

3. Deshalb kann die Feststellung einer Schadensersatzpflicht des Beklagten nicht getroffen werden; vielmehr hat es bei der landgerichtlichen Klageabweisung zu verbleiben.

Ende der Entscheidung

Zurück