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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 29.07.2004
Aktenzeichen: III ZR 263/04
Rechtsgebiete: ZPO, GKG


Vorschriften:

ZPO § 139
ZPO § 712
ZPO § 719 Abs. 2
GKG § 54 Nr. 1 a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

III ZR 263/04

vom

29. Juli 2004

in dem Rechtsstreit

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Juli 2004 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und Galke

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 14. Mai 2004 einstweilen einzustellen, wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Klägerin macht Amtshaftungs- und Entschädigungsansprüche in einer Größenordnung von 7,5 Mio. € gegen das beklagte Land geltend. Das Landgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen, die Kosten beider Rechtszüge der Klägerin auferlegt und die Revision zu der Frage zugelassen, ob eine erloschene bergrechtliche Aufsuchungserlaubnis ein von Art. 14 GG geschütztes Recht ist.

Die Klägerin hat gegen das Berufungsurteil Revision und Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Sie beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem angefochtenen Urteil gemäß § 719 Abs. 2 ZPO einstweilen einzustellen, und trägt dazu vor, die ihr wegen der Gerichtskosten in Höhe von 107.800 € sowie wegen der außergerichtlichen Kosten des beklagten Landes in einer ebenfalls 100.000 € übersteigenden Größenordnung drohende Zwangsvollstreckung würde ihr einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen, da sie aus Liquiditätsgründen gezwungen wäre, Insolvenzantrag zu stellen. Im Berufungsverfahren habe sie mit Rücksicht auf die rechtskräftige Feststellung des Oberverwaltungsgerichts Magdeburg, daß die Versagung einer von der Klägerin beantragten bergrechtlichen Bewilligung rechtswidrig gewesen sei, davon ausgehen können und müssen, daß das landgerichtliche Urteil bestätigt werde. Daher seien die vorbezeichneten unersetzlichen Nachteile seinerzeit für sie nicht erkennbar gewesen, zumal der Vorsitzende des Berufungssenats in der mündlichen Verhandlung erklärt habe, nach der vorläufigen Beurteilung des Senats stehe ihr ein Entschädigungsanspruch zu. Aus diesem Grunde habe die Klägerin in der mündlichen Verhandlung keinen Anlaß gehabt, einen Vollstreckungsschutzantrag gemäß § 712 ZPO zu stellen. Bei einem Hinweis auf die in Aussicht genommene Beurteilung hätte sie einen entsprechenden Antrag gestellt. Würde wegen dessen Unterbleibens nunmehr ihr Antrag nach § 719 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen, würde sie in ihrem Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzt.

II.

Der Antrag ist zulässig, soweit es um die drohende Vollstreckung wegen der außergerichtlichen Kosten des beklagten Landes geht; hinsichtlich der Gerichtskosten gilt § 54 Nr. 1 GKG a.F. Er ist aber unbegründet. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, auch des Senats, kommt eine Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 719 Abs. 2 ZPO grundsätzlich nicht in Betracht, wenn der Schuldner, der sich - wie hier die Klägerin - auf nicht zu ersetzende Nachteile als Folge der Vollstreckung berufen will, im Berufungsrechtszug einen Schutzantrag nach § 712 ZPO nicht gestellt hat, obwohl er ihm möglich und zumutbar gewesen wäre (vgl. etwa BGH, Beschluß vom 6. Mai 2004 - V ZA 4/04 - NJW-RR 2004, 936 m.w.N.).

So liegt der Fall hier. Die Gründe, auf die der Einstellungsantrag gestützt wird, lagen bereits im Berufungsrechtszug vor. Es entlastet die Klägerin nicht, daß sie dort nach ihrer Auffassung keinen Anlaß gehabt hat, einen derartigen Antrag zu stellen, weil sie von einer Zurückweisung der gegnerischen Berufung habe ausgehen können. Die Einschätzung der Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels fällt regelmäßig in den Risikobereich der Parteien (BGH, Beschluß vom 26. September 1991 - I ZR 189/91 - BGHR ZPO § 719 Abs. 2 Gläubigerinteressen 2). Außerdem hatte sich nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin - dessen Richtigkeit unterstellt - das Berufungsgericht lediglich vorläufig zu den Erfolgsaussichten der Berufung geäußert. Es war deshalb damit zu rechnen, daß die endgültige Beurteilung des Berufungsgerichts auch gegenteilig ausfallen konnte. Die Klägerin hatte somit hinreichenden Grund, vorsorglich einen Schutzantrag zu stellen. Die von ihr gerügte Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) ist nicht gegeben. Die Gerichte sind nicht verpflichtet, gemäß § 139 ZPO vorab den Inhalt einer beabsichtigten Entscheidung bekanntzugeben, zumal dies vom Ergebnis der Beratung abhängt und beim Schluß der mündlichen Verhandlung noch nicht feststeht. Daß auch im Streitfall der Erfolg des Berufungsverfahrens noch offen war, hatte der Vorsitzende des Berufungsgerichts im übrigen ausreichend durch seinen Hinweis auf das "vorläufige" Ergebnis der gerichtlichen Beurteilung klargestellt. Schließlich kann auch keine Rede davon sein, daß ein Erfolg der von der Klägerin nunmehr eingelegten Rechtsmittel bereits jetzt feststünde und daß aus diesem Grund ausnahmsweise auch der Einstellungsantrag Erfolg haben müsse. Infolgedessen kann offenbleiben, ob etwa jedenfalls ein überwiegendes Interesse des beklagten Landes einer einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung entgegenstehen würde, wie es der Beklagte geltend macht.

Ende der Entscheidung

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