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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 19.06.2008
Aktenzeichen: III ZR 266/07
Rechtsgebiete: ZPO, TKG 1996, BBergG


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
ZPO § 563 Abs. 2
ZPO § 574 Abs. 2 Nr. 2
TKG 1996 § 6 Abs. 1
TKG 1996 § 16 Abs. 1 Satz 1
TKG 1996 § 50 Abs. 1
TKG 1996 § 50 Abs. 2
TKG 1996 § 53 Abs. 2
TKG 1996 § 55
TKG 1996 § 56
BBergG §§ 77 ff
BBergG § 87 Abs. 2
BBergG § 87 Abs. 2 Nr. 2
BBergG § 87 Abs. 2 Satz 2
BBergG § 124
BBergG § 178 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

III ZR 266/07

Verkündet am: 19. Juni 2008

in dem Rechtsstreit

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. Juni 2008 durch den Vorsitzenden Richter Schlick, die Richter Dörr und Dr. Herrmann, die Richterin Harsdorf-Gebhardt sowie den Richter Hucke

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 2. Oktober 2007 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin betreibt ein Fernmeldenetz für die Öffentlichkeit und erbringt Telekommunikationsdienstleistungen. Sie unterhielt auf der früheren Trasse der Bundesstraße 112 nahe der Ortschaft H. eine oberirdisch verlaufende Fernmeldeleitung. Die Beklagte gewinnt im Tagebau Braunkohle. Im Zuge der Ausweitung des Abbaugebiets J. wurde die B 112 verlegt, wofür das Ministerium für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr des Landes Brandenburg unter dem 10. Mai 2000 die Plangenehmigung erteilt hatte. Hiervon betroffen war auch der Bereich, in dem die Freileitung der Klägerin verlief.

Der Träger der Straßenbaulast entwidmete die Wegeparzellen und veräußerte sie sodann freihändig an die L. , die Rechtsvorgängerin der Beklagten. Auf deren Verlangen entfernte die Klägerin ihre Telekommunikationslinie und verlegte in der neuen Trasse der B 112 eine neue, unterirdisch geführte Leitung. Die Klägerin verlangt Ersatz ihrer Kosten für die Versetzung der Leitung.

Das Landgericht hat der auf Zahlung von 132.476,91 € gerichteten Klage dem Grunde nach stattgegeben. Das Berufungsgericht hat das Urteil zunächst abgeändert und die Klage abgewiesen.

Auf die Revision der Klägerin hat der Senat durch Urteil vom 23. März 2006 (BGHZ 167, 1) die Entscheidung des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen.

Diese hat vom Senat für noch geboten erachtete tatsächliche Feststellungen nachgeholt und sodann die Berufung der Beklagten gegen das Grundurteil des Landgerichts zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Sie macht verfassungsrechtliche Bedenken gegen die im Urteil vom 23. März 2006 angestellten Erwägungen des Senats geltend.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Revision ist unbegründet.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, ein vertraglicher Anspruch der Klägerin auf Ersatz der ihr durch die Leitungsverlegung entstandenen Kosten bestehe nicht. Auch aus den Festlegungen in der Plangenehmigung folge kein Kostenerstattungsanspruch der Klägerin. Jedoch hätten im Zeitpunkt des freihändigen Verkaufs der Straßenparzellen an die Rechtsvorgängerin der Beklagten die Voraussetzungen für eine Grundabtretung (§§ 77 ff BBergG) vorgelegen, weshalb nach der gemäß § 563 Abs. 2 ZPO bindenden Rechtsauffassung des Revisionsgerichts ein Entschädigungsanspruch der Klägerin nach § 87 Abs. 2 Nr. 2 BBergG dem Grunde nach gegeben sei.

II.

Die Beklagte, die das rechtsfehlerfreie Berufungsurteil im Übrigen nicht angreift, meint zu Unrecht, der Senat habe mit seinem Urteil vom 23. März 2006 ihre Grundrechte aus Art. 2 und Art. 14 GG verletzt sowie unter Verstoß gegen das Gewaltenteilungsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) die Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung überschritten.

Der Senat hat entschieden, das aus § 50 Abs. 1 und 2 des für den Streitfall maßgebenden Telekommunikationsgesetzes vom 25. Juli 1996 (BGBl. I S. 1120, TKG 1996; jetzt: § 68 Abs. 1 und § 69 Abs. 1 des Telekommunikationsgesetzes vom 22. Juni 2004, BGBl. I S. 1190, TKG 2004) folgende Recht, Verkehrswege für öffentlichen Zwecken dienende Telekommunikationslinien unentgeltlich zu nutzen, sei ein zu entschädigendes Nutzungsrecht im Sinne des § 87 Abs. 2 Nr. 2 BBergG, sofern die zum Rechtsverlust führende Einziehung des Verkehrswegs weder im Interesse des Wegebaulastträgers noch des Inhabers einer bevorrechtigten besonderen Anlage nach §§ 55, 56 TKG 1996 (jetzt: §§ 74, 75 TKG 2004) oder im Verkehrsinteresse eines anderen Vorhabenträgers liege. Die Anwendung materieller Enteignungsentschädigungsvorschriften sei auch dann gerechtfertigt, wenn das Verkehrswegegrundstück nicht enteignet, sondern, wie hier, freihändig veräußert werde und das Nutzungsrecht des Telekommunikationsunternehmens aufgrund einer zuvor erfolgten Entwidmung der Straße erloschen sei, sofern der Rechtsverlust bereits durch einen Verwaltungsakt (hier: Plangenehmigung nach § 17 Abs. 1a FStrG a.F., jetzt: § 17 Satz 3 FStrG n.F. i.V.m. § 74 Abs. 6 VwVfG) vorgezeichnet sei und sich der Zugriff auf das Grundstück bei einer Gesamtbetrachtung materiell als die Ausübung eines Enteignungsrechts darstelle.

1. a) Die Beklagte macht demgegenüber unter Bezugnahme auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Juli 1981 (BVerfGE 58, 300, 319) geltend, Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG sei die gesetzgeberische Grundentscheidung zu entnehmen, dass keine Enteignungsentschädigung zu gewähren sei, für die es an einer vom Gesetzgeber geschaffenen Anspruchsgrundlage fehle. Zudem enthalte Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG die Grundentscheidung, dass das Gesetz, das die Enteignung ermögliche, zugleich die Entschädigung nach Art und Ausmaß regeln müsse (BVerfGE 4, 219, 230; 46, 268, 286). Dies habe der Senat in seinem Urteil vom 23. März 2006 nicht beachtet. Die Verknüpfung jener Teilakte, die nach seiner Auffassung bei einer Gesamtbetrachtung die Enteignungsentschädigung gemäß § 87 Abs. 2 Nr. 2 BBergG ausgelöst habe (BGHZ 167, 1, 7 ff, Rn. 20 ff), stelle eine richterliche Rechtsfortbildung dar. Diese überschreite die durch Art. 20 Abs. 3 GG gezogenen verfassungsrechtlichen Grenzen, weil der Senat nicht beachtet habe, dass nicht die Rechtsprechung, sondern der Gesetzgeber die Anspruchsgrundlage zu regeln habe. Zudem hätte die Enteignungsentschädigung im Telekommunikationsgesetz geregelt sein müssen, wenn § 50 Abs. 1 und 2 TKG 1996, wie es der Senat angenommen habe, dem Lizenznehmer eine durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte wohlerworbene Rechtsposition verleihe. Die Revision meint, aus diesen Gründen sei die Beklagte in ihren Grundrechten aus Art. 20, Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG verletzt.

b) Der Senat vermag dem auch bei erneuter Überprüfung seiner im Urteil vom 23. März 2006 niedergelegten Rechtsansichten nicht zu folgen. Vielmehr beruht seine Entscheidung teils auf einer unbedenklichen einfachen Auslegung der einschlägigen Vorschriften und teils auf einer zulässigen richterlichen Fortbildung des Rechts.

aa) (1) Mit der Anwendung des § 87 Abs. 2 Nr. 2 BBergG zugunsten der Klägerin hat der Senat der mit Inkrafttreten des Art. 87f GG (Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes vom 30. August 1994, BGBl. I S. 2245) am 3. September 1994 veränderten Rechtslage Rechnung getragen. Die Grundgesetzänderung leitete die Privatisierung der Telekommunikationsdienstleistungen ein. Dies hatte auch Auswirkungen auf das Leitungsrecht (§ 50 Abs. 1 und 2 TKG 1996), das nunmehr den privatrechtlich organisierten Dienstleistungsunternehmen als Lizenznehmern gemäß § 6 Abs. 1 TKG 1996 zustand. Es war deshalb die noch nicht geklärte Rechtsfrage zu beantworten, ob das Leitungsrecht, das in dieser Form zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der jetzigen Fassung des § 87 Abs. 2 BBergG am 1. Januar 1982 (§ 178 Satz 1 BBergG [BGBl. I 1980, S. 1310, 1363]) noch nicht existierte, ein entschädigungspflichtiges Recht im Sinne der Nummer 2 dieser Vorschrift ist.

(2) Entgegen der Ansicht der Beklagten hat der Senat hierbei nicht unter Verstoß gegen die in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Juli 1981 (BVerfGE 58, 300, 319) aufgestellten Grundsätze eine neue, im Gesetz nicht vorgesehene Anspruchsgrundlage für die Enteignungsentschädigung geschaffen. Vielmehr findet die der Klägerin zuerkannte Entschädigung ihre Grundlage in § 87 Abs. 2 Satz 2 BBergG. Mit der - nicht zuletzt mit Blick auf das Grundrecht der Klägerin aus Art. 14 Abs. 1 GG gebotenen - erweiterten Auslegung dieser Bestimmung hat der Senat lediglich die in ihr bereits vorgegebene Grundentscheidung des Gesetzgebers für die konkrete Fallgestaltung umgesetzt. § 87 Abs. 2 BBergG beruht auf dem Grundgedanken, dass das Bergbauunternehmen, zu dessen Gunsten ein enteignender Zugriff auf ein Grundeigentum erfolgt, diejenigen zu entschädigen hat, die durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechte an dem betroffenen Grundstück verlieren. Die infolge der Grundabtretung gestörte Vermögenslage der Betroffenen soll soweit wie möglich ausgeglichen werden (vgl. Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des Bundesberggesetzes BT-Drs. 8/1315 S. 128, 130). Da das Leitungsrecht der Klägerin gemäß § 50 Abs. 1 und 2 TKG 1996 entgegen der Ansicht der Beklagten eine durch Art. 14 Abs. 1 GG gesicherte Rechtsposition darstellt (siehe dazu sogleich unter Nummer 2), stellt die Zuordnung des telekommunikationsrechtlichen Leitungsrechts zu den Rechten im Sinne des § 87 Abs. 2 Nr. 2 BBergG die folgerichtige Umsetzung der in dieser Bestimmung vorgegebenen Wertung dar. Hierbei handelt es sich nicht um eine richterliche Rechtsfortbildung, sondern um eine einfache Auslegung von § 87 Abs. 2 Nr. 2 BBergG, da diese Bestimmung eine Entschädigung nicht nur für enumerativ aufgezählte Rechte vorsieht, sondern bereits nach ihrem Wortlaut sämtliche durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechte zum Besitz an dem betroffenen Grundstück erfasst.

bb) Die weitere Entscheidung des Senats, diese Vorschrift auch in den Fällen anzuwenden, in denen keine förmliche Enteignung der betroffenen Grundstücke stattgefunden hat, aber - wie hier - der Rechtsverlust durch einen Verwaltungsakt bereits vorgezeichnet war und sich der Zugriff auf das Grundstück bei einer Gesamtbetrachtung materiell als die Ausübung eines Enteignungsrechts darstellt (BGHZ 167, 1, 7 ff, Rn. 19 bis 21, 23 bis 25), mag eine richterliche Rechtsfortbildung darstellen, da es sich insoweit um eine sich im Gesetz ursprünglich nicht vorgesehene analoge Anwendung von § 87 Abs. 2 Nr. 2 BBergG handelt. Diese hält sich jedoch in den verfassungsrechtlich zulässigen Grenzen.

Die Rechtsfortbildung gehört, wie sich insbesondere auch aus § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ergibt, zu den anerkannten Aufgaben und Befugnissen der Fachgerichte (vgl. BVerfGE 34, 269, 286 ff; 49, 304, 318 f; 65, 182, 190 f; 96, 375, 394 f; NJW 2006, 3409). Die Grenze des im Hinblick auf die Gewaltentrennung und die Gesetzesbindung verfassungsrechtlich Zulässigen ist aber überschritten, wenn die Fachgerichte die gesetzgeberische Grundentscheidung nicht respektieren oder von den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung abweichen (BVerfGE 96, 375, 395; NJW 2006 aaO). Hieran gemessen hat der Senat mit seinen oben wiedergegebenen Ausführungen im Urteil vom 23. März 2006 die Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung nicht überschritten.

Es handelt sich um die Anwendung der bereits in den Senatsentscheidungen vom 15. Februar 1996 (BGHZ 132, 63), vom 20. Januar 2000 (BGHZ 143, 321) und vom 4. August 2000 (BGHZ 145, 83) entwickelten Grundsätze, gegen die - soweit ersichtlich - verfassungsrechtliche Bedenken nicht erhoben wurden (vgl. Ossenbühl LM Art. 14 <Ca> GrundG Nr. 44 <7/2000>; ferner: Laiblin AgrarR 1996, 264; Maser IBR 2000, 235; Pasternak BayVBl 1997, 520; ders. BayVBl 2001, 742). Auch dies war notwendig, um die § 87 Abs. 2 Nr. 2 BBergG zugrunde liegende Wertung im Einzelfall zur Geltung zu bringen. Der Zweck dieser Bestimmung ist es, dem durch eine Grundstücksübertragung an ein Bergbauunternehmen in seinen durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechten betroffenen Nebenberechtigten die gebotene Entschädigung zukommen zu lassen (vgl. Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des Bundesberggesetzes aaO). Dieser Zweck erfordert die Anwendung von § 87 Abs. 2 Nr. 2 BBergG auch in den Fällen, in denen unter den vom Senat aufgestellten - und nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hier erfüllten - engen Bedingungen ein freihändiger Verkauf des betroffenen Grundstücks stattfindet.

(1) Für den Eingriff in die Rechte des Nebenberechtigten bedeutet es in Fallgestaltungen wie der vorliegenden keinen entscheidenden Unterschied, ob der ursprüngliche Grundstückseigentümer förmlich enteignet wird oder ob er sich, weil der Eigentumsverlust durch einen sonstigen Verwaltungsakt bereits unentrinnbar vorgezeichnet ist, zu einem freihändigen Verkauf an das Bergbauunternehmen entschließt. Wenn der Rechtsverlust des Nebenberechtigten, wie hier, in beiden Konstellationen auch ohne seinen Willen eintritt, stellt sich der Zugriff in beiden Fällen gleichermaßen als Rechtsentziehung und damit als enteignend dar (siehe zur Rechtsentziehung als Charakteristikum einer Enteignung z.B.: BVerfGE 102, 1, 15 f; Senat BGHZ 99, 24, 28 m.w.N.), so dass nach Art. 14 Abs. 3 Satz 2 und 3 GG eine Entschädigung geboten ist.

(2) Diese Erwägungen gelten entsprechend für die Wertung des Senats, es bedeute keinen Unterschied, dass der Rechtsverlust der Klägerin nicht unmittelbar durch die Übertragung des Eigentums an den Wegeparzellen, sondern gemäß § 53 Abs. 2 TKG 1996 (jetzt: § 72 Abs. 2 TKG 2004) durch die vorherige Entwidmung eingetreten sei, weil es sich um einen einheitlichen Vorgang gehandelt habe, der darauf abgezielt habe, die im Interesse des Gemeinwohls liegende Inanspruchnahme der Grundstücke für die Zwecke des Kohleabbaus zu ermöglichen (BGHZ 167, 1, 10, Rn. 24 f). Zu Unrecht meint die Revision, mit dieser Gesamtbetrachtung seien die Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung überschritten.

Auch insoweit hat der Senat an seine bereits früher entwickelten Grundsätze angeknüpft (BGHZ 143, 321, 326 f; zustimmend zur Gesamtbetrachtung insbesondere Ossenbühl aaO), nach denen gerade unter dem Blickwinkel des Art. 14 GG eine solche, die einzelnen Teilakte des Erwerbsvorgangs zusammenfassende Sichtweise geboten ist, die entscheidend darauf abstellt, dass am Ende des Vorgangs das begünstigte Unternehmen das Grundstück für seine Zwecke nutzen kann und das Recht des betroffenen (Neben-) Berechtigten deswegen untergegangen oder anderweitig beeinträchtigt ist. Eine an seinem Zweck und an Art. 14 GG orientierte Auslegung von § 87 Abs. 2 Satz 2 BBergG erfordert eine derartige Gesamtbetrachtung. Aus Sicht des Grundrechtsträgers, aber auch objektiv, ist es gleichgültig, ob das Recht durch einen einzigen Zugriffsvorgang beeinträchtigt wird oder als Ergebnis mehrerer inhaltlich zusammenhängender und insbesondere - wie hier - einem einheitlichen Ziel dienender Teilakte. Die Beurteilung, ob ein mehraktiger Geschehensablauf, an dessen Ende der Entzug einer grundrechtlich geschützten Rechtsposition steht, einen einheitlichen Vorgang darstellt, kann nur durch eine wertende Gesamtbetrachtung vollzogen werden.

Zur effektiven Verwirklichung des durch Art. 14 Abs. 1 und 3 GG gebotenen Eigentumsschutzes kann es deshalb bei Anwendung des § 87 Abs. 2 Nr. 2 BBergG im Falle eines mehraktigen Geschehens nur darauf ankommen, ob die den Rechtsverlust herbeiführenden Vorgänge bei einer solchen Gesamtbetrachtung lediglich unselbständige Teilakte eines im Ergebnis enteignenden Zugriffs sind. Auf welchem rechtlichen Wege und nach welchen, oftmals zufälligen tatsächlichen Abläufen sich dieser im Einzelnen vollzieht, ist dann unbeachtlich. Die von der Beklagten für richtig gehaltene isolierte Betrachtung der Entwidmung als allein entscheidenden Vorgang, der den Fortfall des Leitungsrechts der Klägerin bewirkte, würde Art. 14 Abs. 1 und 3 GG und § 87 Abs. 2 Nr. 2 BBergG nicht gerecht, da sie den aus den Gründen des Senatsurteils vom 26. März 2006 (BGHZ 167, 1, 10 Rn. 25) einheitlich zu beurteilenden Vorgang der Entwidmung, des Untergangs des Leitungsrechts der Klägerin und der Übertragung des Eigentums an den betroffenen Grundstücken künstlich aufspaltete.

cc) Unbegründet ist weiter die Rüge, der Senat habe die sich aus Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG ergebende gesetzgeberische Grundentscheidung missachtet, dass die Enteignung und die Entschädigung im selben Gesetz zu regeln seien. Deshalb hätte das Telekommunikationsgesetz eine Entschädigungsregelung enthalten müssen, und der Senat hätte nicht auf § 87 Abs. 2 Nr. 2 BBergG zurückgreifen dürfen.

Richtig ist, dass das Telekommunikationsgesetz 1996 lediglich die Voraussetzungen für das Entstehen und das Erlöschen des Leitungsrechts im Verhältnis zu den Wegebaulastpflichtigen sowie seinen Inhalt (§§ 50 bis 57 TKG 1996; jetzt §§ 68 bis 76 TKG 2004) regelt und für den Fortfall dieses Rechts (§ 53 Abs. 2 TKG 1996, jetzt § 72 Abs. 2 TKG 2004) keine Entschädigung vorsieht. Allerdings erfolgte der enteignende Zugriff der Beklagten auf das Leitungsrecht der Klägerin bei der gebotenen Gesamtbetrachtung (siehe oben bb (2)) nicht aufgrund des Telekommunikationsgesetzes, sondern nach dem Bergrecht. Der Grunderwerb, die Entwidmung des Straßenlandes und der Verlust des Leitungsrechts der Klägerin waren unselbständige Teile eines einheitlichen Vorgangs, der darauf abzielte, die im Interesse des Gemeinwohls liegende Inanspruchnahme der Grundstücke für den Kohleabbau zu ermöglichen. Ohne die den Fortfall des Leitungsrechts der Klägerin verursachende Entwidmung des Straßengrundstücks hätte die Eigentumsübertragung den beabsichtigten Zweck - Ausweitung des Braunkohleabbaugebiets - nicht erfüllen können, ebenso wie die Entwidmung ohne die Grundstücksveräußerung hierfür sinnlos gewesen wäre (Senat aaO). Der Zielrichtung des Zugriffs auf das Grundstück entsprechend hat der Senat den Anspruch der Klägerin gemäß § 87 Abs. 2 Nr. 2 BBergG davon abhängig gemacht, ob die Voraussetzungen für eine Enteignung nach §§ 77 ff BBergG vorgelegen hätten (aaO S. 8 f, Rn. 21 f). Die hier maßgeblichen Vorschriften über die Enteignung sind damit - in Übereinstimmung mit Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG - in dem Gesetz enthalten, das auch Art und Ausmaß der zu leistenden Entschädigung regelt (§§ 84 ff BBergG).

dd) Schließlich ist der Senat in seinem Urteil vom 23. März 2006 nicht von den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung und -anwendung abgewichen. Insoweit erhebt die Revision auch keine Beanstandungen. In ihrer Verfassungsbeschwerde vom 22. Mai 2006 rügte die Beklagte jedoch, der Senat habe die Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung überschritten, weil seine Argumentation unschlüssig sei. Sie bemängelt insoweit, der Senat habe die Grundsätze seiner Entscheidung vom 20. Januar 2000 (BGHZ 143, 321) trotz bestehender Unterschiede auf die vorliegende Fallgestaltung übertragen. Diese Beanstandung ist unbegründet.

Zwar hatte der dort begünstigte Vorhabenträger, die Deutsche Bahn, die eine ICE-Trasse baute, das in jenem Fall betroffene Jagdrecht mit dem Erwerb des Grundstücks selbst zum Erlöschen gebracht, während im vorliegenden Streitfall das Leitungsrecht der Klägerin durch einen zusätzlichen Teilvorgang, und überdies durch die Maßnahme eines Dritten (Entwidmung durch den Wegebaulastträger), vor der Eigentumsübertragung an die Beklagte unterging. Der vom Senat aus dem Urteil vom 20. Januar 2000 auf den vorliegenden Streitfall übertragene Rechtsgedanke hat zu diesem Sachverhaltsunterschied jedoch keinen Bezug. Maßgeblich war die Erwägung, dass es für die Anwendung der Enteignungsentschädigungsbestimmungen darauf ankommt, ob das betroffene Recht bei einer Gesamtbetrachtung im Ergebnis Gegenstand eines enteignenden Zugriffs geworden ist (BGHZ 143, 321, 326 f und 167, 1, 10, Rn. 24 f). In welchen unselbständigen Teilakten sich dieser Zugriff vollzogen hat, ist gerade unbeachtlich.

2. Zu Unrecht rügt die Revision weiter, entgegen der Ansicht des Senats habe das Leitungsrecht der Klägerin nicht dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG unterlegen.

a) Soweit die Beklagte darauf verweist, dass es sich um ein vom Bund abgeleitetes Recht handelt, hat sich der Senat hiermit bereits in seinem Urteil vom 23. März 2006 auseinandergesetzt (aaO S. 6, Rn. 16). Zur weiteren Verdeutlichung ist hervorzuheben, dass die Lizenznehmer mit der Erbringung ihrer Telekommunikationsdienstleistungen nicht - etwa vergleichbar mit einem beliehenen oder sonstigen zur Erfüllung von öffentlichen Aufgaben herangezogenen Unternehmer (vgl. Senat BGHZ 39, 358, 361 f; 121, 161, 164 ff) - eine Aufgabe der öffentlichen Hand wahrnehmen. Vielmehr handeln sie hierbei, wie sich aus Art. 87 f Abs. 2 GG ergibt, im eigenen privatwirtschaftlichen Geschäftskreis.

b) Auch der Umstand, dass das Leitungsrecht im Verhältnis zum Wegebaulastpflichtigen unentgeltlich ist, lässt, anders als die Beklagte meint, den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG nicht entfallen. Der Senat hat sich mit diesem Problem bereits in dem Urteil vom 23. März 2006 befasst (aaO mit weiterem Nachweis). Unbehelflich ist der in diesem Zusammenhang gegebene Hinweis der Revision auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der der Eigentumsschutz für öffentlich-rechtliche Ansprüche unter anderem davon abhängt, ob die Rechtsposition auf nicht unerheblichen Eigenleistungen des Betroffenen beruht (BVerfGE 16, 94, 113; 18, 392, 397; 97, 271, 284). Es kann offen bleiben, ob diese Judikatur, die in erster Linie für das Renten- und Versorgungsrecht entwickelt wurde, überhaupt auf das telekommunikationsrechtliche Leitungsrecht anwendbar ist. Jedenfalls handelt es sich bei dessen Übertragung auf den Lizenznehmer nicht um eine einseitige Gewährung des Staates, zu der keine den Eigentumsschutz rechtfertigende Leistung des Telekommunikationsunternehmens hinzutritt. Zum einen ist für die Erteilung der notwendigen Lizenz (vgl. § 6 Abs. 1 TKG 1996; siehe jetzt § 69 Abs. 1 TKG 2004), gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 TKG 1996 (jetzt § 142 Abs. 1 Nr. 7 TKG 2004) eine Gebühr zu entrichten gewesen. Vor allem aber ist das telekommunikationsrechtliche Leitungsrecht die Rechts- und Vertrauensgrundlage für erhebliche schutzwürdige Eigenleistungen des Lizenznehmers. Das Leitungsrecht wird erst dann für den Telekommunikationsbetrieb nutzbar, wenn die Leitungen gelegt und unterhalten werden. Dies hat der Lizenznehmer durch entsprechende Investitionen in Eigenleistung zu bewerkstelligen, deren Amortisation schutzwürdig ist.

c) Soweit die Revision gegen die Sicherung des Leitungsrechts durch Art. 14 Abs. 1 GG anführt, gemäß § 53 Abs. 2 TKG 1996 erlösche die Befugnis des Nutzungsberechtigten mit der Einziehung des Verkehrswegs, hat der Senat bereits im Urteil vom 23. März 2006 ausgeführt, dass dies die Schutzwürdigkeit des Leitungsrechts lediglich im Verhältnis zum Wegebaulastträger und zu Inhabern besonderer Anlagen gemäß §§ 55, 56 TKG 1996 einschränkt, nicht aber in Bezug auf Dritte (aaO S. 6 f, Rn. 17 f).

3. Unbegründet ist weiter die Rüge der Revision, die Beklagte sei durch die Auferlegung einer Entschädigungspflicht in ihrem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG verletzt, weil dadurch in ihr Eigentum an den entwidmeten vormaligen Straßengrundstücken eingegriffen werde.

Art. 14 Abs. 1 GG schützt lediglich Rechtspositionen, die ihrem Inhaber bereits zustehen (z.B.: BVerfGE 20, 31, 34; 30, 292, 334 f; 68, 193, 222; 78, 205, 211; 95, 173, 187 f). Die Beklagte konnte das Trassengrundstück jedoch von vornherein nur um den Preis des Entstehens einer Entschädigungspflicht gegenüber der Klägerin erwerben. Die Beklagte hatte damit zu keinem Zeitpunkt Eigentum erworben, das nicht mit dem Entschädigungsanspruch der Klägerin "belastet" war. Ein Eingriff in das Grundeigentum der Beklagten scheidet schon aus diesem Grunde aus.

4. Weiterhin ist die Beklagte entgegen der Ansicht der Revision durch den dem Grunde nach zuerkannten Entschädigungsanspruch auch nicht im Übrigen in ihrem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG und ihrem Grundrecht auf wirtschaftliche Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) verletzt.

Beide Grundrechte gewähren der Beklagten kein Recht, die von ihr benötigten Wirtschaftsgüter frei von Rechten Dritter zu erwerben, ohne hierfür einen Ausgleich leisten zu müssen. Ein Grundrechtseingriff käme nur dann in Betracht, wenn und soweit die zu leistende Entschädigung erdrosselnd oder konfiskatorisch wirken würde (vgl. BVerfGE 63, 343, 368; 78, 232, 243; BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Januar 2006 - 1 BvL 12/05 - juris Rn. 11). Dies ist hier aber nicht ersichtlich.

5. Schließlich hält der Senat nach Überprüfung auch unter Berücksichtigung der Gegenargumente der Beklagten an seiner Auffassung fest, dass § 124 BBergG keine die Anwendung von § 87 Abs. 2 Nr. 2 BBergG auf das Leitungsrecht der Klägerin ausschließende Sonderregelung enthält (BGHZ 167, 1, 4 f, Rn. 12).

Ende der Entscheidung

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