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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 22.10.2009
Aktenzeichen: III ZR 295/08
Rechtsgebiete: SGB II
Vorschriften:
SGB II § 19 | |
SGB II § 44b |
b) Zur Passivlegitimation einer Arbeitsgemeinschaft nach § 44b SGB II im Amtshaftungsprozess
c) Die Amtspflicht zur sorgfältigen Ermittlung und Feststellung des im Rahmen von § 19 SGB II entscheidungserheblichen Sachverhalts obliegt der Bundesagentur für Arbeit bzw. der Arbeitsgemeinschaft nach § 44b SGB II nicht im Drittinteresse der gesetzlichen Krankenkassen.
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 22. Oktober 2009
durch
den Vizepräsidenten Schlick sowie
die Richter Dörr, Wöstmann, Hucke und Seiters
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 29. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsrechtszugs zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin, eine gesetzliche Krankenversicherung, verlangt von der Beklagten, einer nach § 44b SGB II gegründeten Arbeitsgemeinschaft zwischen der Bundesanstalt für Arbeit und der Stadt S. , Ersatz von Krankenbehandlungskosten, die sie im Jahre 2005 für ihr Mitglied Heike S. aufgewendet hat. Frau S. war wegen eines chronischen Nierenleidens Dialysepatientin und zu 100 % schwerbehindert. Sie lebte in einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft (Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II). Auf Antrag ihres Lebensgefährten bewilligte die Beklagte mit Bescheiden vom 9. Dezember 2004 sowie 15. Juni 2005 diesem und Frau S. für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Mai 2005 sowie vom 1. Juni bis 30. November 2005 jeweils Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II).
§ 19 SGB II sieht entsprechende Zahlungen für erwerbsfähige Hilfebedürftige vor. Erwerbsfähig ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 8 Abs. 1 SGB II). Der Leistungsbezug führt nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V ("Versicherungspflichtig sind Personen in der Zeit, für die sie Arbeitslosengeld II nach dem Zweiten Buch beziehen. ...") grundsätzlich zur Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung, wobei Änderungen (".. dies gilt auch, wenn die Entscheidung, die zum Bezug der Leistung geführt hat, rückwirkend aufgehoben oder die Leistung zurückgefordert oder zurückgezahlt worden ist.") bezüglich der Mitgliedschaft keine Rückwirkung entfalten. Für nicht erwerbsfähige Personen, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ist statt Arbeitslosengeld II die Leistung von Sozialgeld nach § 28 SGB II oder - bei dauernder Erwerbsminderung - eine Grundsicherung nach § 41 SGB XII vorgesehen. Bezieher von Sozialgeld sind nicht gesetzlich krankenversichert, allerdings nach § 48 SGB XII krankenhilfeberechtigt, wobei die Krankenkasse die Krankenbehandlung nach § 264 Abs. 1 SGB V gegen Kostenerstattung durch den Sozialhilfeträger übernehmen kann.
Frau S. war aufgrund ihres Antrages vom 22. Dezember 2004 seit dem 1. Januar 2005 bei der Klägerin gesetzlich krankenversichert. Die Klägerin hatte für Frau S. bereits zuvor im Jahr 2004 die Krankenversicherung übernommen, allerdings gegen Kostenerstattung durch die Stadt S. (§ 264 SGB V).
Mit Schreiben vom 17. Februar 2005 holte die Beklagte eine amtsärztliche Stellungnahme zur Arbeitsfähigkeit von Frau S. ein. Unter dem 4. April 2005 teilte die Amtsärztin mit, dass voraussichtlich die Voraussetzungen der Erwerbsunfähigkeit gemäß den gesetzlichen Richtlinien der Rentenversicherungsträger gegeben seien. Nachdem in der Folgezeit die Frage zeitweiliger oder dauerhafter Erwerbsunfähigkeit abgeklärt worden war, erklärte die Beklagte gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 13. Oktober 2005, Frau S. sei wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit rückwirkend ab Antragstellung Sozialgeld zu gewähren; ein Anspruch auf eine Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung ab 1. Januar 2005 bestehe nicht. Die Klägerin wandte sich daraufhin an die Stadt S. , die eine Übernahme der der Klägerin in der Zeit bis 31. Juli 2005 für Frau S. entstandenen Aufwendungen unter Hinweis auf § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V ablehnte.
Die Klägerin hat die Beklagte auf Schadensersatz in Höhe von 19.675,13 EUR in Anspruch genommen. Frau S. sei von Anfang an erwerbsunfähig gewesen, so dass die Beklagte kein Arbeitslosengeld II, sondern nur Sozialgeld hätte zahlen dürfen. Dies habe sie pflichtwidrig verkannt und insoweit durch ihre Entscheidung zu Unrecht die gesetzliche Pflichtversicherung für Frau S. begründet. Bei korrekter Verfahrensweise hätte ihr (Klägerin) auch für diese Zeit ein Anspruch auf Kostenersatz gegen die Stadt S. nach § 264 SGB V zugestanden.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, da die Beklagte ihre Pflicht zur ordnungsgemäßen und raschen Sachaufklärung verletzt habe. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat Erfolg gehabt. Gegen die Abweisung ihrer Klage wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision ist unbegründet.
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht der Klägerin kein Anspruch aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG zu. Die Klägerin könne sich nicht darauf berufen, dass die Beklagte die Erwerbsfähigkeit von Frau S. unzureichend geprüft habe, da sie nicht in den persönlichen Schutzbereich der verletzten Amtspflicht falle und deshalb keine Dritte im Sinne des § 839 Abs. 1 BGB sei. Zwar könnten Amtspflichten auch einer juristischen Person des öffentlichen Rechtes gegenüber bestehen. Letztere sei aber nur dann geschützte Dritte, wenn sie dem Amtsträger in einer Weise gegenüberstehe, wie es für das Verhältnis zwischen dem Staat auf der einen und einem Staatsbürger auf der anderen Seite charakteristisch sei. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor. Die Prüfung der Erwerbsfähigkeit nach dem SGB II diene dem öffentlichen Interesse an einer funktionierenden Sozialverwaltung und entfalte keine materiellrechtliche Schutzwirkung für die einzelnen Sozialversicherungsträger. Die gesetzlichen Krankenkassen und die sog. Arbeitsgemeinschaften erfüllten eine gemeinsame Aufgabe, nämlich Hilfebedürftigen im Krankheitsfall Unterstützung zu gewähren, bei der sie gleichsinnig und nicht zur Wahrung widerstreitender Interessen zusammenwirkten.
II.
Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision im Ergebnis stand.
1.
Die Beklagte ist parteifähig im Sinne des § 50 Abs. 1 ZPO. Dies folgt zwar nicht schon daraus, dass in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt ist, dass eine auf der Grundlage des § 44b SGB II errichtete Arbeitsgemeinschaft die Beteiligtenfähigkeit nach § 70 SGG besitzt. Denn an sozialgerichtlichen Streitigkeiten kann nach § 70 Nr. 2 SGG auch eine nichtrechtsfähige Personenvereinigung beteiligt sein; § 70 SGG ist insoweit also weiter gefasst als § 50 ZPO (vgl. BSGE 97, 217, 227 f, Rn. 30). Jedoch ist die Rechts- und Parteifähigkeit der Beklagten im Zivilprozess in Anlehnung an die von der Rechtsprechung zur Rechts- und Parteifähigkeit der (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts entwickelten Grundsätze (BGHZ 146, 341, 343 ff; 154, 88, 94; 172, 169, 172 Rn. 9) zu bejahen (im Ergebnis ebenso OLG Zweibrücken, OLGReport 2007, 617, 619; offen gelassen in KG, OLGReport 2009, 261 f; siehe auch die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, BT-Drucks. 15/4709 S. 2, wonach § 44b SGB II voraussetzt, dass die Arbeitsgemeinschaft als solche rechtserheblich handeln, klagen und verklagt werden kann, somit rechts- und prozessfähig zu sein hat, ohne dass es darauf ankäme, sie als juristische Person des öffentlichen Rechts zu qualifizieren). Die nach Maßgabe von § 44b SGB II durch öffentlichrechtlichen Vertrag zwischen der Agentur für Arbeit B. /Geschäftsstelle S. und der Stadt S. errichtete Beklagte ist berechtigt, zur Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben Verwaltungsakte und Widerspruchsbescheide gemäß § 44b SGB II zu erlassen (§ 3 Abs. 5 des Vertrags). Ihre Organe sind der Lenkungsausschuss (Trägerversammlung) und die Geschäftsführung (§ 4 Abs. 1 des Vertrags). Diese besteht aus dem Geschäftsführer, der die ARGE gerichtlich und außergerichtlich vertritt, sowie dem stellvertretenden Geschäftsführer (§ 7 des Vertrags). Damit ist die Beklagte rechtlich und organisatorisch verselbständigt sowie eigenständiger Träger von Rechten und Pflichten. Ihre Struktur ist der einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts zumindest ebenbürtig, wobei es in diesem Zusammenhang keiner Entscheidung der Frage bedarf, ob es sich bei der Beklagten um eine Gesellschaft des öffentlichen Rechts (vgl. hierzu etwa das Merkblatt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit für Arbeitsgemeinschaften nach § 44b SGB II, Stand: 24. August 2004, S. 2 unter Ziffer 2 "Rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten"; Strobel, Die Rechtsform der Arbeitsgemeinschaften nach § 44b SGB II, NVwZ 2004, 1195, 1198 f) oder um eine öffentlichrechtliche Organisation bzw. Einrichtung sui generis handelt (vgl. zur ARGE "Jobcenter in der Region Hannover": SG Hannover, NVwZ 2005, 976; siehe allgemein nur Kersten, Arbeitsgemeinschaften (§ 44b SGB II), ZfPR 2005, 130, 145 ff; Berlit in Münder, Lehr- und Praxiskommentar, SGB II, 2. Aufl., § 44b, Rn. 20 ff, jew. m.w.N.).
Die Rechts- und Parteifähigkeit der Beklagten wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass das Bundesverfassungsgericht durch Urteil vom 20. Dezember 2007 erkannt hat, dass Arbeitsgemeinschaften gemäß § 44b SGB II dem Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung durch die Gemeinden und Gemeindeverbände widersprechen und diese Vorschrift deshalb Art. 28 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 83 GG verletzt (BVerfGE 119, 331, 361 ff). Denn ungeachtet der Unvereinbarkeit von § 44b SGB II mit dem Grundgesetz bleibt diese Bestimmung nach dem Ausspruch des Bundesverfassungsgerichts bis zum 31. Dezember 2010 weiter anwendbar.
2.
Allerdings bestehen erhebliche Bedenken gegen die von den Vorinstanzen ohne nähere Begründung bejahte Passivlegitimation der Beklagten.
a)
Nach § 44b SGB II haben die Träger der Leistung erhebliche Gestaltungsspielräume, in welcher Form sie die Arbeitsgemeinschaften errichten und organisatorisch ausgestalten wollen; insbesondere haben sie nach Absatz 1 Satz 1 dieser Bestimmung die Wahl, ob sie die Arbeitsgemeinschaften durch privatrechtlichen oder öffentlichrechtlichen Vertrag errichten.
Im ersten Falle scheidet eine (als Beliehene anzusehende) Arbeitsgemeinschaft als Haftungsobjekt von vorneherein aus, da nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Körperschaft im Sinne des Art. 34 Satz 1 GG nur eine solche des öffentlichen Rechts sein kann (BGHZ 49, 108, 116; Senatsurteile vom 5. Juli 1990 - III ZR 166/89 - NVwZ 1990, 1103 und vom 27. Januar 1994 - III ZR 109/92 - NVwZ 1994, 823; jew. m.w.N.).
Im zweiten - hier vorliegenden - Fall kann nach der Rechtsprechung des Senats haftpflichtige Körperschaft im Sinne des Art. 34 Satz 1 GG grundsätzlich jede Körperschaft und jede selbständige Anstalt des öffentlichen Rechts sein; beamtenrechtliche Dienstherreneigenschaft muss sie nicht besitzen (Urteil vom 31. Januar 1991 - III ZR 184/89 - NVwZ 1992, 298 f). Demzufolge kommt eine Arbeitsgemeinschaft im Sinne des § 44b SGB II ohne weiteres als haftpflichtige Körperschaft in Betracht, wenn die zwischen dem kommunalen Träger und der Bundesagentur für Arbeit getroffene Vereinbarung die Errichtung einer Anstalt des öffentlichen Rechts zum Inhalt hat, wie es §§ 2a, 2b Abs. 1 Satz 1 Nds. AG SGB II eigentlich vorsieht. Dies ist hier jedoch nicht geschehen. Vielmehr heißt es in § 1 Abs. 1 Satz 1 des Vertrags nur allgemein, dass durch diesen öffentlich-rechtlichen Vertrag eine Arbeitsgemeinschaft gemäß § 44b SGB II zur Wahrnehmung der den Vertragspartnern nach SGB II obliegenden Aufgaben errichtet wird. In Vollzug des Vertrags wurde deshalb keine Anstalt des öffentlichen Rechts, aber eine Rechtsform geschaffen, die gleichwohl Träger von Rechten und Pflichten ist. Ob eine solche "öffentlichrechtliche Gesellschaft" oder "öffentlichrechtliche Organisation bzw. Einrichtung sui generis" nicht nur rechts- und parteifähig ist, sondern auch haftpflichtige Körperschaft im Sinne des Art. 34 Satz 1 GG sein kann, hatte der Senat bisher noch nicht zu entscheiden.
b)
Die Passivlegitimation der Beklagten wird jedenfalls durch den Umstand entscheidend in Frage gestellt, dass sie nicht über eigenes Personal verfügt, sondern dieses nach § 11 Abs. 1 des Vertrags der ARGE von den Vertragspartnern mit der Maßgabe zur Verfügung gestellt wird, dass für alle dienst- und arbeitsrechtlichen Angelegenheiten der jeweilige Vertragspartner als Dienstherr/Arbeitgeber zuständig bleibt (vgl. zur fehlenden Passivlegitimation der Berliner Jobcenter mangels eigenen Personals KG OLGReport 2009, 261, 262 f).
Nach Art. 34 Satz 1 GG trifft bei Pflichtverletzungen eines Amtsträgers die Verantwortlichkeit aber grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Entscheidend ist mithin, wer dem Amtsträger das Amt, bei dessen Ausübung er fehlerhaft handelte, anvertraut, wer mit anderen Worten dem Amtsträger die Aufgabe, bei deren Wahrnehmung die Amtspflichtverletzung erfolgte, übertragen hat. Es haftet daher im Regelfall die Körperschaft, die den Amtsträger angestellt und ihm damit die Möglichkeit zur Amtsausübung eröffnet hat. Ob auch die konkrete Aufgabe, bei deren Erfüllung die Pflichtverletzung begangen wurde, in den Aufgabenkreis der Anstellungskörperschaft fällt, ist grundsätzlich unbeachtlich. Lediglich dann, wenn die Anknüpfung an die Anstellung versagt, weil kein Dienstherr oder mehrere Dienstherren vorhanden sind, richtet sich das Haftungssubjekt danach, wer dem Amtsträger die konkrete - fehlerhaft erfüllte - Aufgabe anvertraut hat (vgl. nur Senat, BGHZ 87, 202, 204; 99, 326, 330; Urteile vom 5. Dezember 1991 - III ZR 167/90 - NVwZ 1992, 298 und vom 27. Januar 1994 - III ZR 109/92 - NVwZ 1994, 823; BGHZ 160, 216, 228; Beschluss vom 12. April 2006 - III ZR 35/05 - VersR 2007, 1560, Rn. 6).
Ausgehend von diesen Grundsätzen dürften vorliegend als Anstellungskörperschaft für das bei der Beklagten tätige Personal entweder die Bundesanstalt für Arbeit oder die Stadt S. in Betracht kommen. Die Beklagte würde für ein Fehlverhalten der die ihr übertragenen Aufgaben wahrnehmenden Mitarbeiter nur dann einzustehen haben, wenn diese, ähnlich wie dies bei der Abordnung eines Beamten zu einem anderen Dienstherrn der Fall ist, vollständig aus der Organisation seiner Anstellungskörperschaft herausgelöst worden wären (vgl. Senatsurteil BGHZ 160, 216, 228). Dafür besteht kein hinreichender Anhalt, zumal § 22 des Vertrags eine Vereinbarung enthält, wonach "im Falle von Amtshaftungsansprüchen oder bei sonstigen Ansprüchen auf Schadensersatz, die gegen die ARGE geltend gemacht werden, der Arbeitgeber/Dienstherr des Beschäftigten, der den Anspruch verursacht hat, nach den gesetzlichen Bestimmungen allein" haftet.
3.
Die Frage der Passivlegitimation der Beklagten braucht aber letztlich nicht entschieden zu werden, sodass es auch nicht darauf ankommt, welche Bedeutung dem Umstand beizumessen ist, dass die Beklagte sich auf den Prozess eingelassen und erstmals in der Revisionsinstanz ihre Passivlegitimation in Abrede gestellt hat. Denn das Berufungsgericht hat im Übrigen zutreffend festgestellt, dass die Klägerin bezüglich einer etwaigen der Beklagten zuzurechnenden Amtspflichtverletzung eines für diese tätigen Amtswalters nicht geschützte Dritte im Sinne des § 839 BGB gewesen ist.
a)
Ob der durch eine Amtspflichtverletzung Geschädigte Dritter ist, bestimmt sich danach, ob die Amtspflicht - wenn auch nicht notwendig allein, so doch auch - den Zweck hat, gerade sein Interesse wahrzunehmen. Nur wenn sich aus den die Amtspflicht begründenden und sie umreißenden Bestimmungen sowie aus der besonderen Natur des Amtsgeschäftes ergibt, dass der Geschädigte zu dem Personenkreis zählt, dessen Belange nach dem Sinn und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäftes geschützt und gefördert werden sollen, besteht ihm gegenüber bei schuldhafter Pflichtverletzung eine Schadensersatzpflicht. Hingegen ist anderen Personen gegenüber, selbst wenn die Amtspflichtverletzung sich für sie mehr oder weniger nachteilig ausgewirkt hat, eine Ersatzpflicht nicht begründet. Es muss mithin eine besondere Beziehung zwischen der verletzten Amtspflicht und dem geschädigten Dritten bestehen (Senat, BGHZ 93, 87, 91 f; 106, 323, 331; 110, 1, 8 f; 134, 268, 276).
b)
Der Umstand, dass es sich bei der Klägerin um eine juristische Person des öffentlichen Rechtes handelt, steht ihrer Einbeziehung in den Schutzbereich allerdings nicht von vornherein entgegen. Zwar werden im Allgemeinen die zwischen verschiedenen Körperschaften des öffentlichen Rechts bestehenden Pflichten lediglich solche sein, die eine ordentliche Verwaltung gewährleisten. Der Amtsträger handelt insoweit in Wahrnehmung des allgemeinen öffentlichen Interesses an einer rechtmäßig funktionierenden Verwaltung. Auch dann, wenn der Dienstherr des Amtsträgers und eine andere Körperschaft bei der Erfüllung einer ihnen gemeinsam übertragenen Aufgabe gleichsinnig und nicht in Vertretung einander widerstreitender Interessen derart zusammen wirken, dass sie im Rahmen dieser Aufgabe als Teil eines einheitlichen Ganzen erscheinen, können jene Pflichten, die dem Amtsträger im Interesse der Förderung des gemeinsam angestrebten Ziels obliegen, nicht als drittgerichtete Amtspflichten angesehen werden, deren Verletzung außenrechtliche Amtshaftungsansprüche der geschädigten Körperschaft auslöst. Eine juristische Person des öffentlichen Rechtes kann aber dann Dritte sein, wenn sie der Anstellungskörperschaft des Amtsträgers in der Weise gegenüber steht, wie es für das Verhältnis zwischen dem Dienstherrn des Amtsträgers und dem Bürger, der sich auf die Verletzung einer ihm gegenüber bestehenden Amtspflicht beruft, charakteristisch ist. Die Ersatz verlangende Körperschaft muss der Anstellungskörperschaft des die Amtspflicht verletzenden Bediensteten im Hinblick auf die wechselseitigen - widerstreitenden und vom Amtsträger eben um des Schutzes der anderen Körperschaft willen zu wahrenden - Interessen der Beteiligten gewissermaßen als "Gegner" gegenüber stehen (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. nur BGHZ 116, 312, 315; 148, 139, 147; 153, 198, 201 f; 177, 37, 39 f, Rn. 11).
c)
Die Amtspflicht zur sorgfältigen Ermittlung und Feststellung des im Rahmen von § 19 SGB II entscheidungserheblichen Sachverhalts obliegt dem jeweiligen Amtsträger zum einen im Interesse des Antragstellers, der im Falle der Erwerbsfähigkeit und Hilfebedürftigkeit einen Rechtsanspruch auf diese Sozialleistung hat, zum anderen im allgemeinen öffentlichen Interesse an einer geordneten Sozialverwaltung, da bei fehlender Erwerbsfähigkeit oder Hilfebedürftigkeit kein Arbeitslosengeld II, sondern gegebenenfalls andere oder keine Sozialleistungen zu erbringen sind.
aa)
Dass eine Bewilligung von Arbeitslosengeld II aufgrund der in anderem Zusammenhang vom Gesetzgeber getroffenen Regelung in § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V zur Pflichtversicherung und deshalb - falls die Aufwendungen für die betreffende Person höher liegen als die im Rahmen der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 19 SGB II gezahlten Krankenkassenbeiträge - zu Belastungen des Krankenversicherungsträgers führt, stellt für sich gesehen keinen Umstand dar, der die Krankenkassen zu Dritten im Sinne des § 839 BGB machen würde. Denn allein, dass die Bewilligung auch die Interessen der Krankenkassen berührt und sich eine etwaige Amtspflichtverletzung für sie nachteilig auswirkt, reicht ebenso wenig wie der Umstand, dass die Krankenkassen ein zweckgebundenes Vermögen haben und sich ihre Aufgaben von denen der Beklagten unterscheiden. Wesentlich ist allein das Vorliegen einer besonderen Beziehung zwischen der verletzten Amtspflicht und dem geschädigten "Dritten", d.h. dass erkennbar dessen Vermögensinteressen durch die Amtspflicht geschützt werden sollen.
bb)
Dies ist hier aber nicht der Fall. Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt sich eine auf sie bezogene Drittgerichtetheit der streitgegenständlichen Amtspflicht insbesondere auch nicht aus der in § 44a Abs. 1 Satz 2 SGB II vorgesehenen Einrichtung einer Einigungsstelle ableiten.
Eine Beteiligung der gesetzlichen Krankenkassen am Verfahren der Einigungsstelle war zum Zeitpunkt der Entscheidungen der Beklagten überhaupt nicht vorgesehen.
§ 44a SGB II in der Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I 2954) lautete:
"Die Agentur für Arbeit stellt fest, ob der Arbeitsuchende erwerbsfähig und hilfebedürftig ist. Teilt der kommunale Träger oder ein Leistungsträger, der bei voller Erwerbsminderung zuständig wäre, die Auffassung der Agentur für Arbeit nicht, entscheidet die Einigungsstelle. Bis zur Entscheidung der Einigungsstelle erbringen die Agentur für Arbeit und der kommunale Träger Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende."
Nähere Einzelheiten zur Einigungsstelle enthielt § 45 SGB II und die aufgrund § 45 Abs. 3 SGB II erlassene Einigungsstellen-Verfahrensverordnung vom 23. November 2004 (BGBl. I S. 2916).
Erst durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl. I S. 1706) wurde § 44a SGB II unter anderem wie folgt neu gefasst:
"(1)
Die Agentur für Arbeit stellt fest, ob der Arbeitsuchende erwerbsfähig und hilfebedürftig ist. Sofern
1.
der kommunale Träger,
2.
ein anderer Leistungsträger, der bei voller Erwerbsminderung zuständig wäre oder
3.
die Krankenkasse, die bei Erwerbsfähigkeit Leistungen der Krankenversicherung zu erbringen hätte, der Feststellung widerspricht, entscheidet die gemeinsame Einigungsstelle; ..."
Allerdings wurde den Krankenkassen lediglich das Recht eingeräumt, die Einigungsstelle anzurufen und an deren Sitzungen teilzunehmen; eine personelle Beteiligung an der Einigungsstelle hat der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang nicht vorgesehen (§ 45 SGB II in der geänderten Fassung vom 20. Juli 2006 i.V.m. der ebenfalls durch dieses Gesetz geänderten Einigungsstellen-Verfahrensverordnung, BGBl. I S. 1706, 1712, 1719)
Zwar wurde im Gesetzgebungsverfahren darauf hingewiesen, dass "von den finanziellen Folgen eines rechtswidrigen Bezugs von Arbeitslosengeld II aufgrund fehlender Erwerbsfähigkeit auch die Krankenkassen betroffen sind" (BT-Drucks. 16/1410, S. 27). Begründet wurde deren Einbeziehung allerdings im Abschnitt "Verbesserung der Verwaltungspraxis" (BT-Drucks. 16/1410, S. 16) mit einer Optimierung der Rahmenbedingungen für die Leistungsgewährung. Um die Verfahren zur Feststellung, ob Hilfebedürftige, die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitslose beantragen oder erhalten, erwerbsfähig sind, zu beschleunigen, sollten zukünftig auch die Krankenkassen in Zweifelsfällen die Einigungsstelle anrufen und sich mit ihrer Sachkenntnis am Verfahren beteiligen können.
Letztlich handelt es sich bei dem Einigungsstellenverfahren um kein Verwaltungsverfahren im Sinne des § 8 SGB X und bei der Entscheidung der Einigungsstelle um keinen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X (vgl. nur Ehrhardt in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, Teil I, SGB II - Grundsicherung für Arbeitsuchende, § 45, Rn. 3, Stand: Juli 2005; Hänlein in Gagel, SGB II/SGB III, § 45 SGB II, Rn. 5, 33, Stand: Januar 2008; Berlit in Münder, Lehr- und Praxiskommentar, SGB II, 2. Aufl., § 45, Rn. 9). Das Verfahren soll intern zwischen den öffentlichrechtlichen Leistungsträgern eine schnelle und einheitliche Entscheidung über die Hilfebedürftigkeit und Erwerbsfähigkeit eines Antragstellers herbeiführen; dieser soll - siehe auch § 44a Abs. 1 Satz 3 SGB II - vor den Folgen eines Streits der Beteiligten geschützt werden (vgl. Mayer in Oestreicher, SGB XII/SGB II, § 44a SGB II, Rn. 1, Stand: März 2007; Hoehl in Schlegel/Voelzke, jurisPK - SGB II, 2. Aufl., § 44a, Rn. 14; Hänlein, aaO, § 44a SGB II, Rn. 2, 19). Die Einigungsstelle "dient der verbindlichen Klärung interner Differenzen zwischen den verschiedenen Trägern der Sozialversicherungsleistungen" bzw. der "Klärung verwaltungsinterner Differenzen" (BR-Drucks. 759/04, S. 6); das Verfahren bewegt sich "im Binnenraum der Verwaltung" (Hänlein, aaO, Rn. 19, 22).
Die Einbeziehung der Krankenkassen in das Einigungsstellenverfahren beruht damit auf ihrer Stellung als Teil der öffentlichen Sozialverwaltung; die Krankenkassen treten den anderen Beteiligten und damit auch den Arbeitsgemeinschaften nach § 44b SGB II in diesem Rahmen nicht wie der Bürger dem Staat gegenüber. Der Sachverhalt ist insoweit bezüglich der fehlenden Drittgerichtetheit der Amtspflichten nicht anders zu beurteilen, als es der Senat - ungeachtet der jeweiligen finanziellen Folgen entsprechender Amtspflichtverletzungen für die betroffene öffentlichrechtliche Körperschaft - z.B. für die Meldepflichten zwischen den verschiedenen Träger der Sozialversicherung (BGHZ 116, 312, 317 f) oder für die Bearbeitung von Anträgen auf Zahlung einer Erwerbsunfähigkeitsrente im Verhältnis Renten- und Krankenversicherungsträger (Urteil vom 26. Mai 1977 - III ZR 82/75 - VersR 1977, 765, 766 f) getan hat. Die jeweiligen Amtspflichten bestehen, auch soweit finanzielle Belange anderer Versicherungsträger berührt sind, im öffentlichen Interesse an einer funktionierenden Sozialverwaltung und haben keine materiellrechtliche Schutzwirkung für die einzelnen Sozialversicherungsträger.
cc)
Gegen die Drittbezogenheit der streitgegenständlichen Amtspflicht und damit die Möglichkeit von Amtshaftungsansprüchen der Krankenkassen bei fahrlässiger Fehlbeurteilung der Erwerbsfähigkeit hilfebedürftiger Personen (§ 19 SGB II) spricht letztlich auch die Regelung in § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V, soweit danach das Pflichtversicherungsverhältnis für die Vergangenheit unberührt bleibt, wenn die Entscheidung, die zum Bezug von Arbeitslosengeld II geführt hat, rückwirkend aufgehoben oder die Leistung zurückgefordert oder zurückgezahlt worden ist. Den Krankenkassen wird es insoweit von Gesetzes wegen zugemutet, eine falsche Entscheidung der Agentur für Arbeit bzw. der ARGE (§ 44b SGB II) hinzunehmen. Hätte der Gesetzgeber in einem solchen Fall einen Ausgleichs- oder Entschädigungsanspruch der Krankenkassen schaffen wollen, hätte es auch nahe gelegen, im Zusammenhang mit der Einbeziehung der Krankenkassen in das Einigungsstellenverfahren eine entsprechende Regelung zu treffen. Stattdessen ist nach § 44a Abs. 2 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende für den Fall, dass die Einigungsstelle entscheidet, dass ein Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht besteht, nur ein Erstattungsanspruch der Agentur für Arbeit und des kommunalen Trägers entsprechend § 103 SGB X vorgesehen.
dd)
Vergeblich beruft sich die Revision für ihre gegenteilige Rechtsauffassung auf das Senatsurteil vom 25. April 1960 (III ZR 65/57 - VersR 1960, 750). Dort hat der Senat ausgesprochen, dass die Pflicht der Meldebehörde einer bayerischen Gemeinde, Aufenthaltsbescheinigungen, die im konkreten Fall zum Nachweis der anspruchsbegründenden Voraussetzungen der an den Wohnsitz anknüpfenden Bestimmungen des Bayerischen Entschädigungsgesetzes verwendet wurden, richtig und wahrheitsgemäß auszustellen, auch als Amtspflicht gegenüber dem Freistaat Bayern bestanden habe. Dieser Fall ist mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar (siehe auch Senatsurteil BGHZ 148, 139, 150).
Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Bestimmungen kann deshalb keine Rede davon sein, dass die Beklagte bei der Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (§ 19 SGB II) an Frau S. und ihren Lebensgefährten der Klägerin in einer Weise gegenüberstand, wie sie für das Verhältnis Staat-Bürger charakteristisch ist, und ihr die Amtspflicht, die Tatbestandsvoraussetzungen einer Zahlung gewissenhaft zu prüfen, gerade auch zum Schutze der Klägerin bzw. in deren vermögensrechtlichem Interesse auferlegt worden ist. Vielmehr stellt sich das Verhältnis der Klägerin zur Beklagten - anders als das Verhältnis des Hilfebedürftigen im Rahmen des § 19 SGB II zur Beklagten sowie im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V zur Klägerin - bei wertender Betrachtung als Innenverhältnis im Rahmen der Sozialverwaltung, nicht als Außenverhältnis mit drittschützenden Amtspflichten dar.
Ende der Entscheidung
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