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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 14.03.2002
Aktenzeichen: III ZR 320/00
Rechtsgebiete: GG, HessEnteigG, WertV


Vorschriften:

GG Art. 14 (Ea)
HessEnteigG § 40
WertV § 25
Zur Bemessung der Enteignungsentschädigung für dem öffentlichen Verkehr übergebene Erschließungsanlagen, die der Eigentümer in der Zwangsversteigerung erworben hatte, um sie an die Gemeinde weiterzuveräußern.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

III ZR 320/00

Verkündet am: 14. März 2002

in dem Rechtsstreit

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 7. Februar 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter Dr. Wurm, Streck, Schlick und Dörr

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revisionen des Klägers und der Beklagten gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 23. November 2000 werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisonsrechtszuges werden gegeneinander aufgehoben.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Höhe der Entschädigung des Klägers wegen der Enteignung von vier insgesamt 4.123 m² großen Grundstücken in der Gemarkung H. zugunsten der beklagten Stadt.

Bei diesen Grundstücken handelt es sich um ausgebaute Straßen-, Wege- und Parkplatzflächen, die der Erschließung der Reihenhaussiedlung "Im H." dienen; eine dazugehörige Teilfläche ist als Kinderspielplatz hergerichtet. Vor ihrem Ausbau gehörten die betreffenden Flächen zu einem Bereich, für den der Bebauungsplan "W." der Beklagten vom 22. Dezember 1966 ein Wohngebiet mit drei- bis fünfgeschossiger Blockbebauung unter direkter Anbindung an die bereits vorhandene H.-Straße vorsah. Im Jahre 1980 erfolgte auf Veranlassung einer Bauträgergesellschaft, die das Baugelände erworben hatte (im folgenden: frühere Eigentümerin), eine Umplanung in ein mit kleineren Stichstraßen versehenes Reihenhausgebiet. Voraussetzung für den entsprechenden, am 18. März 1980 in Kraft getretenen Teilbebauungsplan Nr. N 24 "B.-Baugebiet W." war der Abschluß eines schriftlichen Erschließungsvertrages zwischen der früheren Eigentümerin und der Beklagten vom 29. Januar 1980, in dem sich die frühere Eigentümerin verpflichtete, die weiteren Erschließungsmaßnahmen einschließlich Parkplatzausbau selbst und auf eigene Kosten vorzunehmen - weiterhin unter anderem auch einen geplanten Spielplatz anzulegen - und die in Rede stehenden Anlagen nach ihrer Fertigstellung kostenlos auf die Beklagte zu übertragen. Im Sommer 1982 waren die Straßen- und Wegeflächen samt den zugehörigen Grünflächen und Gemeinschaftsstellplätzen hergestellt und wurden dem Verkehr übergeben. Nachdem die frühere Eigentümerin (Bauträgerin) in Konkurs geraten war, wurden die hier in Rede stehenden Erschließungsflächen später zwangsversteigert. Der Verkehrswert wurde in diesem Verfahren von einem Sachverständigen auf 308.887, 50 DM geschätzt. Am 19. August 1987 erhielt der Kläger auf ein Bargebot von 8.100 DM den Zuschlag, wobei nach den Versteigerungsbedingungen Vormerkungen auf Eintragung von Sicherungshypotheken zum Gesamtbetrag von 97.766,43 DM nebst Zinsen bestehen blieben.

Dem - mit Anwaltsschreiben vom 27. August 1987 erklärten - Ansinnen des Klägers, die Erschließungsflächen zu erwerben, kam die Beklagte nicht nach. Daraufhin beantragte der Kläger am 29. September 1987 beim Regierungspräsidium in D. die Durchführung eines Enteignungsverfahrens, was die Enteignungsbehörde zunächst ablehnte. Nachdem in einem vom Kläger gegen die Beklagte geführten verwaltungsgerichtlichen Prozeß das Verwaltungsgericht F. mit Urteil vom 24. September 1991 festgestellt hatte, daß die betreffenden Grundstücke - außer der als Kinderspielplatz dienenden Teilfläche - straßenrechtlich öffentliche Wegeflächen seien und daß die Beklagte gemäß § 13 des Hessischen Straßengesetzes (HStrG) verpflichtet sei, diese Flächen zu erwerben, betrieb das Regierungspräsidium in D. das Enteignungsverfahren und übertrug durch - unangefochten gebliebenen - Teil A seines Beschlusses vom 1. September 1995 das Eigentum vom Kläger auf die Beklagte.

In Teil B desselben Beschlusses setzte die Enteignungsbehörde die Entschädigung auf 125.000 DM nebst gesetzlichen Zinsen fest. Kläger und Beklagte haben hiergegen Klage erhoben. Der Kläger hat für die von ihm in erster Linie angestrebte "angemessene" Entschädigung eine Größenordnung von 926.662,50 DM angegeben. Die Beklagte hat mit ihrer Widerklage jeden entschädigungspflichtigen Wert der enteigneten Flächen in Abrede gestellt. Das Landgericht hat die von der Beklagten zu leistende Enteignungsentschädigung auf 134.000 DM angehoben, das Oberlandesgericht hat sie weiter auf 311.000 DM erhöht. Mit der Revision erstrebt der Kläger eine Verdoppelung des vom Oberlandesgericht ausgeurteilten Betrages, während die Beklagte mit ihrer Revision ihren Standpunkt, es sei überhaupt keine Enteignungsentschädigung zu zahlen, weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe:

Die Revisionen beider Parteien haben keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht sieht für die Enteignungsentschädigung den Verkehrswert der betroffenen Grundstücke im Zeitpunkt der Entscheidung über den Enteignungsantrag als maßgebend an. Die Wertermittlung für diesen Stichtag habe hier - so das Berufungsgericht weiter - im sogenannten Sachwertverfahren zu erfolgen. Im Anschluß an ein entsprechendes Gutachten des Sachverständigen Sch. gelangt es unter Zusammenrechnung eines Bodenwerts von 206.000 DM (50 DM/m²) und des Werts der Herstellungskosten für alle Auf- und Ausbauten von (1.506.405 DM abzüglich Altersabschlag =) 1.037.915 DM zu einem "ungeminderten Sachwert" von 1.243.920 DM. Letzterer sei jedoch, wie das Berufungsgericht wiederum im Anschluß an den Sachverständigen Sch. annimmt, unter dem Gesichtspunkt einer Wertminderung in zweifacher Hinsicht zu kürzen: Zum einen sei eine Wertminderung - um 50 %, also um 621.960 DM - wegen der "eingeschränkten Nutzung für den Eigentümer" anzunehmen, weil die Flächen unstreitig öffentlich genutzt würden und nur so genutzt werden könnten. Zum anderen sei von den verbleibenden rund 622.000 DM ein weiterer 50 %iger "Marktanpassungsabschlag" zu machen, weil es für die in Rede stehenden Flächen keinen gewöhnlichen Geschäftsverkehr gebe und als Käuferin praktisch nur die Beklagte in Frage komme; überdies seien bei der Bemessung dieses Abschlags erhebliche Pflege- und Instandhaltungskosten sowie die Gefahr von Altlasten mit zu berücksichtigen. Aus beiden Abschlägen ergebe sich mithin ein auf 311.000 DM angepaßter Verkehrswert.

II.

Die Revision des Klägers

1. Ausgangspunkt ist, daß nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zur Ermittlung des maßgeblichen Verkehrswerts im Streitfall nur das sogenannte Sachwertverfahren (§§ 7, 21 WertV) zur Verfügung steht, weil es einen Markt für hergestellte Erschließungsanlagen der hier in Rede stehenden Art als Grundlage für das Vergleichswertverfahren (§§ 7, 13 f WertV) nicht gibt und auf den hier betroffenen Flächen, die mit der Verkehrsübergabe als dem öffentlichen Verkehr gewidmet gelten (§ 2 Abs. 1 Satz 2 HStrG), Erträge als Anknüpfungspunkt für ein Ertragswertverfahren (§§ 7, 15 ff WertV) ausscheiden. Zwar gehört zu den nach Straßenrecht öffentlichen Wegeflächen nicht der Kinderspielplatz auf einem Teil des Flurstücks 554; dem Vorbringen der Parteien ist jedoch nicht zu entnehmen, daß für diese ebenfalls der Allgemeinheit zur Verfügung gestellte Anlage bewertungsmäßig etwas anderes gelten soll als für die im Streit befindlichen eigentlichen Erschließungsflächen.

Das für die Ermittlung des Wertes bereits hergestellter Erschließungsanlagen grundsätzlich geeignete (vgl. - für eine Privatstraße - Senatsurteil vom 6. April 1995 - III ZR 27/94 - WM 1995, 1195) Sachwertverfahren geht dahin, daß der Wert der baulichen und sonstigen Anlagen getrennt vom Bodenwert nach Herstellungswerten zu ermitteln ist (§ 21 Abs. 1 WertV). Der - in der Regel im Vergleichswertverfahren zu ermittelnde (§ 21 Abs. 2 WertV) - Bodenwert und der Wert der baulichen Anlagen bzw. der sonstigen Anlagen ergeben den "Sachwert des Grundstücks" (§ 21 Abs. 5 WertV). Nach diesen Grundsätzen ist hier erklärtermaßen auch der Sachverständige, dessen Hilfe das Berufungsgericht sich bedient hat, vorgegangen.

2. Was die Qualität des dem Kläger durch die Enteignung genommenen Grund und Bodens zum maßgeblichen Stichtag (vgl. §§ 38 Abs. 4 HEG, 93 Abs. 4 BauGB) angeht, hat das Berufungsgericht im Anschluß an den Sachverständigen Sch. rechtsfehlerfrei - nach Maßgabe der (auch ins Werk gesetzten) Bebauungsplanänderung von 1980 - diejenige von Straßenland angenommen. Es hat entgegen den Beanstandungen der Revision im Ergebnis mit Recht den Grundsatz der Vorwirkung der Enteignung für unanwendbar erachtet und deshalb eine höhere Einstufung des Bodenwerts - als Bauland - abgelehnt.

a) Nach letzterem Grundsatz tritt bei einem sich über einen längeren Zeitraum hinziehenden Enteignungsverfahren als Qualitätsstichtag an die Stelle des Enteignungsbeschlusses diejenige Planungsmaßnahme, von der ab eine konjunkturelle Weiterentwicklung des Grundstücks ausgeschlossen wurde (vgl. auch §§ 40 Abs. 2 HEG, 95 Abs. 2 BauGB; BGHZ 98, 341 f; 141, 319, 321). Voraussetzung hierfür ist, daß die Planung - sei es auch noch unverbindlich - ursächlich für die spätere Enteignung war (BGHZ 98, 341 f).

b) aa) Im Streitfall ist es schon deshalb zweifelhaft, ob in Anwendung dieses Grundsatzes der am 18. März 1980 in Kraft getretenen Bebauungsplanänderung - durch die im vorliegenden Bereich früheres Bauland zu Straßenland wurde - eine enteignungsrechtliche Vorwirkung zukommen kann, weil das neue Planungskonzept und die damit zwangsläufig verbundene Herabzonung der für die innere Erschließung benötigten Flächen des ursprünglichen Baugebiets den erklärten Bebauungsabsichten der früheren Grundstückseigentümerin (Bauträgergesellschaft) und dem von ihr hierfür mit der Gemeinde abgeschlossenen Erschließungsvertrag vom 29. Januar 1980 entsprachen. Letzteres und der weitere Umstand, daß der besagte Erschließungsvertrag die kostenlose (rechtsgeschäftliche) Übertragung der Erschließungsflächen auf die Gemeinde vorsah, sprechen - unbeschadet dessen, daß die Verpflichtung zur Übertragung von Grundflächen formunwirksam gewesen sein dürfte (§ 313 BGB; BGH, Urteil vom 5. Mai 1972 - V ZR 63/70 - NJW 1972, 1364, 1365) - eher dagegen, die Änderung des Bebauungsplans vom 18. März 1980 rückblickend als auf eine Enteignung als einen zwangsweisen Entzug der für seinen Vollzug benötigten Erschließungsflächen "angelegt" (vgl. Senatsurteil vom 6. April 1995 aaO) anzusehen.

Aus dem Gesichtspunkt, daß die betreffende Umplanung (1980) im Einverständnis mit der früheren Grundstückseigentümerin erfolgte, ergibt sich ein weiteres Bedenken dagegen, ihr entschädigungsrechtlich eine Vorwirkung beizumessen: Es spricht alles dafür, daß im Hinblick auf die Art der eigenen Mitwirkung der früheren Eigentümerin an dem Verfahren ein Anspruch derselben auf eine Entschädigung wegen der teilweisen Herabzonung innerhalb des Baugebiets nach dem sogenannten Planungsschadensrecht (vgl. §§ 40, 42 BauGB) ausgeschlossen gewesen wäre. Solche Entschädigungsansprüche können nur durch - aus der Sicht des betroffenen Eigentümers - fremdnützige (Um-)Planungen der Gemeinde ausgelöst werden (vgl. auch Senatsurteil vom 9. Oktober 1997 - III ZR 148/96 - NJW 1998, 2215, 2216 f). Bodenwertänderungen aufgrund von (Um-)Planungsmaßnahmen, die planungsschadensrechtlich folgenlos bleiben, sind aber auch bei der Entschädigungsberechnung im Falle der Enteignung von Grundstücken im Planbereich durch Verwaltungsakt unberücksichtigt zu lassen; sie dürfen auch nicht auf dem Umweg über die Grundsätze der Vorwirkung der Enteignung in die Bewertung einfließen (vgl. § 95 Abs. 2 Nr. 7 BauGB; dazu BGHZ 141, 319).

b) Über die dargelegten Bedenken hinaus kann sich jedenfalls nicht der Kläger, der den enteigneten Grundbesitz im Jahre 1987 in seiner jetzigen Beschaffenheit durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung erworben hat, auf eine enteignungsrechtliche Vorwirkung der Bebauungsplanänderung vom 18. März 1980 berufen. Die Enteignungsentschädigung ist der Ausgleich für den bei dem jeweiligen Enteigneten (Entschädigungsberechtigten) eintretenden Rechtsverlust oder für andere bei ihm durch die Enteignung eintretende Vermögensnachteile (vgl. §§ 40, 41 HEG; § 93 Abs. 2 BauGB). Daraus folgt, daß bei einem Eigentumswechsel der neue Eigentümer im Falle der Enteignung eine Mehrentschädigung, die sich aus vor seinem Rechtserwerb eingetretenen Vorwirkungen ergeben könnte, grundsätzlich nicht verlangen kann; sonst würde er für mehr entschädigt als ihm durch die Enteignung entzogen worden ist (BGH, Urteil vom 9. Dezember 1968 - III ZR 114/66 - WM 1969, 274, 276; Beschluß vom 25. November 1991 - III ZR 65/91 - BGHR BauGB § 93 Eigentümerwechsel 1). Eine etwa in der Person des früheren Eigentümers begründete weitergehende Rechtsposition ("Anwartschaft"; vgl. Senatsbeschluß vom 25. November 1991) kann beim Entschädigungsanspruch des enteigneten neuen Eigentümers nur berücksichtigt werden, wenn sie durch Gesamtrechtsnachfolge oder Einzelrechtsnachfolge (Abtretung oder Übertragung) auf ihn übergegangen ist (Senatsurteile vom 2. Februar 1978 - III ZR 90/76 - WM 1978, 520, 522 und vom 6. April 1995 - III ZR 27/94 - WM 1995, 1195 f; Beschluß vom 25. November 1991 aaO; vgl. auch BGHZ 93, 165, 170; 129 124, 135). An einem derartigen Übertragungstatbestand fehlt es im Streitfall allemal. In dem Urteil vom 6. April 1995 (aaO) hat der Senat offengelassen, ob eine auf der Vorwirkung der Enteignung beruhende Rechtsposition beim Grunderwerb in der Zwangsversteigerung vom letzten Eigentümer auf den Ersteher übergeht. Die Frage ist zu verneinen. Der Zuschlag in der Zwangsversteigerung führt zu einem originären Erwerb des Eigentums. Der Eigentumserwerb umfaßt das Grundstück und die Gegenstände, auf die sich die Versteigerung erstreckt hat (§§ 20 Abs. 2, 21, 55, 90 ZVG). Dazu können auch mit dem Eigentum an dem Grundstück verbundene Rechte als Bestandteile desselben Grundstücks gehören (§§ 96, 1120 ff BGB). Dem bisherigen Eigentümer aus vorausgegangenen planerischen Vorgängen bezüglich des Grundstücks erwachsene entschädigungsrechtliche Rechtspositionen gehören nicht dazu. Bei ihnen handelt es sich um vom Grundstück losgelöste, frei verfügbare persönliche (bedingte) Ansprüche oder Anwartschaften des jeweilig Betroffenen, was in den Fällen besonders deutlich wird, in denen bei Wirksamwerden der vorwirkenden Maßnahme für den Eigentümer bereits ein fälliger Entschädigungsanspruch entsteht (vgl. §§ 40, 42 BauGB). Folgerichtig spielte dieser Gesichtspunkt auch bei der Ermittlung des Verkehrswerts (§ 74 a ZVG) des vom Kläger ersteigerten Grundbesitzes nach Maßgabe der damaligen Situation (1987) keine Rolle; das Gutachten des Sachverständigen B. vom 14. Mai 1985, das zu einem Verkehrswert von 308.887,50 DM gelangte, stellte dementsprechend maßgeblich darauf ab, daß es sich um nicht dem gewöhnlichen Grundstücksverkehr zugängliche Flächen handelte.

3. Im Ergebnis ebenfalls ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, daß das Berufungsgericht im Anschluß an den Sachverständigen Sch. den aus der Addition des - vorschriftsgemäß im Vergleichswertverfahren ermittelten (§§ 13 f, 21 Abs. 2 WertV) - Bodenwerts (206.000 DM) und des Werts der baulichen Anlagen (1.506.405 DM minus Altersabschlag = 1.037.915 DM) zum Stichtag 1. September 1995 errechneten Gesamtbetrag von 1.243.920 DM ("ungeminderter Sachwert") durch Abschläge letztlich auf ein Viertel (311.000 DM) herabgemindert hat. Es handelt sich um eine vertretbare Schätzung (§ 287 ZPO) innerhalb eines dem Tatrichter insoweit offenstehenden weiten Bewertungsspielraums.

a) Es ist im Ansatz nicht zu beanstanden, daß der Sachverständige und mit ihm das Berufungsgericht einen (ersten) Wertabschlag unter dem Gesichtspunkt der "eingeschränkten Nutzung" für den Eigentümer, nämlich der tatsächlichen öffentlichen Nutzung, in Betracht gezogen haben. Rechtlicher Anknüpfungspunkt hierfür ist § 25 WertV, wonach im Sachwertverfahren "sonstige nach den §§ 22 bis 24 bisher noch nicht erfaßte, den Wert beeinflussende Umstände.." durch Zu- oder Abschläge oder in anderer geeigneter Weise zu berücksichtigen sind. Ein für einen wesentlichen Abschlag maßgeblicher Gesichtspunkt kann auch das Fehlen jeglicher privatwirtschaftlichen Ertragsmöglichkeit auf den in Rede stehenden Flächen sein (vgl. Senatsurteil vom 6. April 1995 aaO). Vorliegend können die Straßen bzw. Wege und (Park-)Plätze, um die es geht, schon deshalb keinen privaten Ertrag erbringen, weil es sich um öffentliche Straßen im Sinne des Straßenrechts handelt (§ 2 Abs. 1 HStrG), wie dies auch in einem Verwaltungsrechtsstreit zwischen den Parteien rechtskräftig festgestellt worden ist. Für den Kläger waren die fehlenden Ertragsmöglichkeiten vor der Enteignung zusätzlich dadurch fühlbar geworden, daß seine Klagen auf Zahlung von Notwegrenten gegen zwei anliegende Grundstückseigentümer rechtskräftig abgewiesen wurden. Dies stellt auch die Revision im Grundsatz nicht in Frage; sie beanstandet auch nicht, daß im Streitfall für die Bewertung des auf einem der betroffenen Grundstücke angelegten Kinderspielplatzes ähnliche Bewertungsgrundsätze angewandt werden wie bei den eigentlichen Erschließungsflächen.

b) Hierin liegt - entgegen der einen "Rechenfehler" beanstandenden Revision - auch nicht insoweit ein durchgreifender Mangel, als der Sachverständige Sch. im Zusammenhang mit der von ihm vorgeschlagenen (ersten) Minderung des zuvor aus dem Bodenwert und dem Wert der Außenanlagen errechneten "ungeminderten Sachwerts" (1.243.920 DM) um 50 % zugleich ausgeführt hat, die hierfür maßgebliche besondere Nutzungseinschränkung für den Eigentümer werde "nicht dem Bodenwert angelastet". Diese Äußerung des Sachverständigen ist nach ihrem Zusammenhang so zu verstehen, daß sich der erörterte Gesichtspunkt der eingeschränkten Nutzung zwar nicht bei der Ermittlung des Bodenwerts für sich, gleichwohl aber beim - gesamten - Sachwert des mit den baulichen Anlagen versehenen Grundstücks mit einem bestimmten prozentualen Abschlag niederschlagen soll.

aa) Eine solche Aussage scheint allerdings - ohne zusätzliche Erläuterung - der Systematik der Wertermittlungsverordnung zu widersprechen. Nach dieser setzt sich der Sachwert eines bebauten Grundstücks ("Sachwert des Grundstücks") aus dem regelmäßig im Vergleichswertverfahren zu ermittelnden Bodenwert (§ 21 Abs. 2 WertV) und dem Wert der baulichen Anlagen zusammen (§ 21 Abs. 1, 3 WertV). Der Sachwert ("Herstellungswert") von Gebäuden - entsprechend auch von Außenanlagen und sonstigen Anlagen - ist gemäß § 21 Abs. 3 Satz 1 WertV (vgl. auch § 21 Abs. 4 WertV) "unter Berücksichtigung ... sonstiger wertbeeinflussender Umstände (§ 25) nach § 22 zu ermitteln". Gegenstand der Vorschrift des § 25 WertV ist nach diesem Regelungszusammenhang - unmittebar - der Sachwert der baulichen Anlagen als solcher (vgl. Kleiber, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg BauGB § 25 WertV Rn. 2, 9). Daraus rechtfertigt sich also nicht ohne weiteres der in Betracht gezogene prozentuale Abschlag vom gesamten "ungeminderten Sachwert" (Sachwert des Grundstücks).

bb) Andererseits ist nach dem Grundanliegen der Wertermittlungsverordnung, daß die Bewertung dem wirklichen "Zustand" Rechnung tragen soll (vgl. § 5 WertV), eine durchgehende Minderung des Gesamtwerts des Grundstücks unter dem Gesichtspunkt "sonstiger wertbeeinflussender Umstände" - wie im Streitfall vom Tatrichter angenommen - keineswegs ausgeschlossen (vgl. Nr. 3.6.5.2 der Wertermittlungsrichtlinien 1976/1996 [WertR 76/96]; Kleiber aaO Rn. 10). Sie kann sich sogar aufdrängen, wenn - wie hier - die in Rede stehenden Grundflächen derart (zweckgerichtet) mit baulichen Anlagen versehen und in Dienst gestellt worden sind, daß ihre wirtschaftliche Nutzbarkeit mit derjenigen der Baulichkeiten steht und fällt. In einem solchen Fall ist es entgegen der Revision auch kein Widerspruch, den Bodenwert - als Teil des Sachwerts des Grundstücks - an Wertminderungen wegen Umständen zu beteiligen, die bei der Ermittlung des bloßen Bodenwerts im Verfahren nach § 21 Abs 2 WertV keinen Niederschlag gefunden hatten.

c) Soweit das Berufungsgericht mit dem Sachverständigen von dem aufdie beschriebene Weise reduzierten Sachwert einen nochmaligen 50 %igen Abschlag unter dem Gesichtspunkt der "Marktanpassung" vorgenommen hat, ist zwar die Begründung nicht in jeder Hinsicht unbedenklich, letztlich durchgreifende rechtliche Bedenken bestehen jedoch gegen die tatrichterliche Einschätzung - insbesondere bei Berücksichtung zusätzlicher wertender Gesichtspunkte - als Ganze nicht.

aa) Als Grundlage für einen - nach Auffassung des Sachverständigen: zusätzlichen (selbständigen) - Wertabschlag zur "Marktanpassung" käme in erster Linie die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 2 WertV in Betracht, wonach der Verkehrswert aus dem Ergebnis des jeweils herangezogenen Bewertungsverfahrens unter Berücksichtigung der Lage auf dem Grundstücksmarkt (§ 3 Abs. 3) zu bemessen ist. Ob diese Vorschrift im Streitfall einschlägig sein kann, ist allerdings schon deshalb zweifelhaft, weil es - wovon auch der Sachverständige und das Berufungsgericht ausgehen - einen gewöhnlichen Geschäftsverkehr (Markt) für ausgebaute Erschließungsanlagen der hier in Rede stehenden Art überhaupt nicht gibt, also auch eine Anpassung des Verkehrswerts an ein "Markt"-Geschehen im eigentlichen Sinne ausscheidet. Bezogen auf den Bodenwertanteil im Sachwert wird im übrigen in der Einschätzung des Sachverständigen in diesem Zusammenhang nicht deutlich, wodurch eine weitere "Marktanpassung" des Werts des Straßenlandes, den der Sachverständige als solchen in Anlehnung an die Vergleichswertmethode ermittelt hat, gerechtfertigt sein soll; die von dem Sachverständigen insoweit herangezogenen Ankäufe der öffentlichen Hand - für den öffentlichen Straßenbau - deuten auf einen entsprechenden (begrenzten) "Markt" hin.

Jedenfalls kann nach den im Streitfall gegebenen Besonderheiten den vom Sachverständigen für eine "Marktanpassung" angeführten Gesichtspunkten - als Käuferin komme praktisch nur die Beklagte in Frage; mit dem Erwerb öffentlich (unentgeltlich) genutzter Verkehrsflächen fielen Pflegeaufwendungen wie Reinigen, Schnee- und Eisbeseitigung sowie Reparaturen und Instandhaltungskosten an; insbesondere sei die Gefahr von Bodenverunreinigungen und spezifischen Altlasten nicht zu unterschätzen - bewertungsmäßig keine eigenständige Bedeutung gegenüber den Gründen zukommen, die zu dem (ersten) Abschlag nach § 25 WertV geführt haben. Die mit dem betroffenen Grundbesitz verbundenen Belastungen und Gefahren und der Umstand, daß es für diese Flächen private Erwerbsinteressenten nicht gibt, sind hier nämlich im wesentlichen nur die "Kehrseite" der Indienststellung als Erschließungsanlagen für den Gemeingebrauch. Augenfällig wird dies im Blick darauf, daß die straßenrechtliche Widmung - die, wie dargelegt, dem Eigentümer die private Nutzungsmöglichkeit nimmt - zugleich die Straßenbaulast und Verkehrssicherungspflicht der öffentlichen Hand (hier: der Gemeinde) begründet hat.

bb) Wenn danach im Streitfall bewertungsmäßig nur eine Gesamtwürdigung der erörterten Gesichtspunkte, mithin nur ein einheitlich zu beurteilender Wertabschlag in Frage kommt - am nächstliegenden im Sinne einer bei § 25 WertVO anzusiedelnden "wirtschaftlichen Wertminderung" (vgl. Nr. 3.6.5.1 WertR 76/96) -, so hat das Berufungsgericht (mit dem Sachverständigen Sch.) die Wertminderung gleichwohl in ihrer gesamten Größenordnung durchaus zutreffend eingeschätzt.

Denn angesichts dessen, daß ein wirtschaftliches (privates) Interesse am Erwerb der vorliegenden Erschließungsanlagen nicht ersichtlich ist und ein solches auch nicht zum Zeitpunkt des Eigentumserwerbs des Klägers in der Zwangsversteigerung gegeben war - mit Ausnahme der Aussicht, die betreffenden Anlagen an die nach ihren öffentlichen Aufgaben verantwortliche Gemeinde gegen ein Entgelt veräußern zu können -, kann bei einer wertenden Betrachtung und Einschätzung des dem Kläger durch die Enteignung Genommenen nicht unberücksichtigt bleiben, was der Kläger seinerseits für den Erwerb dieser Position aufzuwenden hatte. Selbst wenn man in diesem Zusammenhang außer Betracht läßt, daß der Kläger den Zuschlag zu noch wesentlich günstigeren Bedingungen erhielt, kommt als ein für die Angemessenheitsprüfung maßgeblicher (objektiver) Gesichtspunkt allemal die Wertfestsetzung im Zwangsversteigerungsverfahren in Betracht. Vorliegend hatte der Zwangsversteigerung ein Sachverständigengutachten (B.) vom 14. Mai 1985 zugrunde gelegen, in dem der in Rede stehende Grundbesitz mit vertretbarer Begründung - unter ausdrücklichem Hinweis auf die Zweckbestimmung als Erschließungsanlage für ein Wohngebiet und unter Verneinung jeglicher Ertragsmöglichkeiten - mit 308.887,50 DM bewertet worden war. In der gleichen Größenordnung liegt die jetztige Wertschätzung - unter angemessener Minderung des im Sachwertverfahren ermittelten Betrages - für das Enteignungsverfahren. Es sind entgegen dem Vorbringen des Prozeßbevollmächtigten des Klägers in der Revisionsverhandlung auch keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß der im Zwangsversteigerungsverfahren zum 14. Mai 1985 zugrunde gelegte Wert schon wegen des Zeitablaufs bis zu dem im Enteignungsverfahren maßgeblichen Stichtag angehoben werden müßte; der reine Bodenwert mag seither in begrenztem Umfang gestiegen sein (das Gutachten B. im Zwangsversteigerungsverfahren setzt 45 DM/m² an, während der Sachverständige Sch. für 1995 einen Quadratmeterpreis von 50 DM ermittelt hat); dem steht jedoch eine auf den ersten Blick wesentlich höhere Alterswertminderung des Herstellungswerts der baulichen und sonstigen Anlagen gegenüber.

III.

Die Revision der Beklagten

1. Die Revision macht geltend, die vom Berufungsgericht mit Hilfe des Sachverständigen Sch. vorgenommene Schätzung (§ 287 ZPO) sei zu Lasten der Beklagten fehlerhaft, weil sie nicht genügend deren Vortrag berücksichtige, daß die unentgeltlichen Benutzungsrechte der Anwohner ("Notwegrechte") den Sachwert der enteigneten Grundflächen vollständig ausgehöhlt hätten, deren Wert also gegen "Null" gehe. Indessen ist nicht ersichtlich, daß das Berufungsgericht bei seiner - nur auf Rechtsfehler überprüfbaren - tatrichterlichen Würdigung den von der Beklagten angesprochenen Gesichtspunkt fehlerhaft überhaupt nicht gewürdigt oder greifbar "unterschätzt" hätte. Soweit die Revision dem Senatsurteil vom 6. April 1995 (aaO) entnehmen will, daß in einem Fall wie dem vorliegenden jeglicher Verkehrswert der enteigneten Flächen verneint werden müsse, so trifft dies nicht zu. Es heißt zwar in dem genannten Urteil - das die Bewertung einer Privatstraße betrifft -, daß eine "andere Beurteilung bezüglich der Maßgeblichkeit (auch) des Sachwerts" in Betracht käme, "wenn und soweit ... Umstände ... den an sich in der ausgebauten Straßen liegenden Sachwert als solchen ausgehöhlt hätten". Diese Formulierung besagt jedoch nicht, daß Flächen, die bereits dem öffentlichen Verkehr gewidmet und damit der privaten Nutzung entzogen sind, im Enteignungsverfahren - mit dem Ziel, den Träger der Straßenbaulast auch zum Eigentümer zu machen (vgl. § 13 HStrG) - als wertlos eingestuft werden könnten. Der Senat hat in demselben Urteil betont, daß ein entschädigungsloser Eigentumsentzug mit Art. 14 GG grundsätzlich unvereinbar wäre. Unter diesem Gesichtspunkt läßt es keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Beklagten erkennen, daß das Berufungsgericht dem Kläger 25 % des "ungeminderten Sachwerts" als Enteignungsentschädigung zuerkannt hat.

2. Fehl geht auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe verkannt, daß die Ausführungen des Sachverständigen Sch. hinsichtlich der erforderlichen Aufwendungen für die Unterhaltung und möglicherweise zur Altlastensanierung auf den in Rede stehenden Flächen neben den von ihm gemachten Abzügen noch Raum für weitere Minderungsabschläge eröffnet hätten. Im letzteren Sinne ist das Gutachten des Sachverständigen nicht zu verstehen; der Sachverständige hat vielmehr die von ihm insgesamt als angemessen angesehenen Abzüge unter Einbeziehung sämtlicher - auch der jetzt von der Revision hervorgehobenen - Gesichtspunkte vorgeschlagen.

Ende der Entscheidung

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