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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 27.07.2000
Aktenzeichen: III ZR 359/99
Rechtsgebiete: VermG


Vorschriften:

VermG § 2 Abs. 1 Satz 1
VermG § 15 Abs. 1 und 2
VermG § 2 Abs. 1 Satz 1, § 15 Abs. 1 und 2

a) War ein unter staatliche Verwaltung gestelltes Grundstück zum Zeitpunkt der Beschlagnahme bereits an einen Käufer des Grundstücks übergeben worden und standen diesem die Nutzungen des Grundstücks zu, so wurde auch der Grundstückskäufer und nicht nur der Eigentümer durch den Entzug der Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis in seiner Rechtsstellung betroffen. Daher ist er ebenfalls als Berechtigter im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG anzusehen.

b) Wird aufgrund der im notariellen Kaufvertrag erklärten Auflassung der Käufer als neuer Eigentümer in das Grundbuch eingetragen, so ist, auch wenn sich der Eigentumsübergang erst Jahrzehnte später und nach Aufhebung der staatlichen Verwaltung vollzieht, letztlich der Erwerber derjenige, dem die durch das Vermögensgesetz dem staatlichen Verwalter auferlegte "Treuhänderstellung" zugute gekommen ist. Daher hat er und nicht der während der Dauer der staatlichen Verwaltung im Grundbuch als Eigentümer Eingetragene die Kosten der Verwaltertätigkeit zu tragen, und zwar auch dann, wenn der Voreigentümer nach Beendigung der staatlichen Verwaltung entsprechend der damaligen Grundbuchlage den Besitz am Grundstück (kurzfristig) wieder erlangt hatte.

BGH, Beschluß vom 27. Juli 2000 - III ZR 359/99 - KG Berlin LG Berlin


BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

III ZR 359/99

vom

27. Juli 2000

in dem Rechtsstreit

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Juli 2000 durch die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Wurm, Streck, Schlick, Dr. Kapsa und Galke

beschlossen:

Tenor:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 17. Zivilsenats des Kammergerichts Berlin vom 2. November 1999 - 17 U 3407/99 - wird nicht angenommen.

Die Beklagten tragen die Kosten des Revisionsverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Streitwert: 81.919,60 DM.

Gründe:

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 554 b ZPO). Die Revision hat im Ergebnis auch keine Aussicht auf Erfolg (BVerfGE 54, 277).

I.

Aufgrund am 28. Juli 1947 erklärter Auflassung wurde P. B. am 30. Januar 1950 als Eigentümerin des Grundstücks S.-Straße 12 in Berlin-Prenzlauer Berg in das Grundbuch eingetragen. Bereits vor der Umschreibung des Grundbuchs hatte sie das Grundstück mit notariellem Vertrag vom 14. Oktober 1947 an H. St. verkauft und am 1. November 1947 an diese übergeben. Eine Eigentumsumschreibung erfolgte nicht. H. St. verkaufte das Grundstück ihrerseits mit notariellem Kaufvertrag vom 30. April 1948 zur Hälfte an L. O. und zu je 1/10 an die Beklagten. Die Übergabe erfolgte am 1. Mai 1948. An diesem Tage gingen auch gemäß § 5 des notariellen Vertrages die "Gefahren, Lasten und Nutzungen, sowie sonstige Rechte und Pflichten" auf die Käufer über.

L. O. und die Beklagten zogen in der Folgezeit die Grundstücksmieten ein. Der von L. O. und den Beklagten gestellte Antrag auf Eintragung als Eigentümer in das Grundbuch wurde vom Grundbuchamt mit Beschluß vom 3./12. Oktober 1949 zurückgewiesen.

Später ordnete der Magistrat von Groß-Berlin gemäß § 2 der Verordnung zur Sicherung von Vermögenswerten vom 4. September 1952 (VOBl. S. 445) die staatliche Verwaltung über das Grundstück an und bestellte den Rechtsvorgänger der Klägerin zum Verwalter.

Am 1. Juli 1994 gab die Klägerin das Grundstück an den Erben der im Grundbuch immer noch als Eigentümerin eingetragenen P. B. heraus. Am 21. Oktober 1994 wurden die Beklagten als neue Eigentümer in das Grundbuch eingetragen, und zwar als Miteigentümer zu je 1/10 und zur Hälfte als Miterben der 1980 verstorbenen L. O. Die Eigentumsumschreibung war aufgrund der im notariellen Kaufvertrag vom 30. April 1948 von H. St. zugunsten der Beklagten und der verstorbenen L. O. erklärten Auflassung bewirkt worden. Die vom Erben der P. B. gegen die Eintragung vom 21. Oktober 1994 angestrengten Rechtsmittel (Antrag auf Eintragung eines Widerspruchs gegen die Richtigkeit des Grundbuchs im Wege einstweiliger Verfügung; Antrag auf Grundbuchberichtigung und Amtslöschung) blieben erfolglos.

Die von der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Juli 1990 bis zum 30. Juni 1994 erstellten Abrechnungen weisen erhebliche Fehlbeträge auf. Die Klägerin verlangt von den Beklagten Zahlung von (zuletzt) 81.919,60 DM nebst Zinsen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Kammergericht hat den Zahlungsantrag dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Mit der Revision verfolgen die Beklagten ihren Antrag weiter, die Berufung der Klägerin gegen das landgerichtliche Urteil zurückzuweisen.

II.

Das Berufungsgericht hat dem Zahlungsbegehren der Klägerin zu Recht dem Grunde nach entsprochen.

1. Das Institut der staatlichen Verwaltung, das in der früheren DDR neben den Enteignungen und sonstigen zu Eigentumsverlusten führenden Maßnahmen planmäßig als Mittel der "wirtschaftlichen Enteignung" eingesetzt wurde, hat ab dem 1. Juli 1990 einen in den Bestimmungen des Vermögensgesetzes zum Ausdruck gekommenen Funktionswandel in dem Sinne erfahren, daß dem staatlichen Verwalter im Verhältnis zum Berechtigten eine echte Treuhänderstellung zugewiesen worden ist. Diese Treuhänderstellung rechtfertigt es, ungeachtet der öffentlich-rechtlichen Natur des Rechtsinstituts der staatlichen Verwaltung dem staatlichen Verwalter einen allgemeinen Kostenerstattungsanspruch nach § 670 BGB (entsprechend) für nach dem 1. Juli 1990 gemachte Aufwendungen zuzubilligen (Senatsurteile BGHZ 137, 183, 188 ff; BGHZ 140, 355, 356, 363 f; Senatsbeschluß vom 30. Juli 1997 - III ZR 157/96 - WM 1997, 1854 f). Dieser Anspruch umfaßt auch pauschalierte Verwaltungskosten nach Maßgabe der Höchstbeträge des § 26 der Zweiten Berechnungsverordnung in der jeweils geltenden Fassung (BGHZ 140, 355, 358 ff).

2. Diese Rechtsprechung wird von der Revision im Grundsatz nicht in Frage gestellt. Sie ist jedoch der Auffassung, Berechtigter im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 und der §§ 11 ff VermG sei allein der Eigentümer des unter staatlicher Verwaltung gestellten bzw. befindlichen Grundstücks, also hier P. B. bzw. ihr Erbe, an den die Klägerin das Grundstück auch nach Ende der staatlichen Verwaltung herausgegeben habe.

Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Aufgrund der besonderen Umstände des zu entscheidenden Einzelfalls hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, daß die Beklagten der Klägerin gegenüber für etwaige während der Zeit der staatlichen Verwaltung vom 1. Juli 1990 bis zu deren Beendigung (hier: 31. Dezember 1992, vgl. § 11 a Abs. 1 Satz 1 VermG) entstandenen Fehlbeträge einzustehen haben.

a) Da durch die Anordnung der staatlichen Verwaltung im Unterschied zu den eigentlichen Enteignungsmaßnahmen die formale Eigentümerstellung nicht angetastet wurde, ist es regelmäßig der Eigentümer des Grundstücks bzw. der in die Eigentumsposition einrückende Rechtsnachfolger - das ist bei natürlichen Personen vielfach der Erbe -, der durch den mit der staatlichen Verwaltung einhergehenden Entzug der Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis betroffen und daher als Berechtigter im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG anzusehen ist. Von diesem Regelfall gehen auch die §§ 11 ff VermG aus, denen ersichtlich die Vorstellung zugrunde liegt, daß der Grundstückseigentümer mit dem Berechtigten identisch ist (vgl. insbesondere § 11 a Abs. 4, § 15 Abs. 2 und 3 VermG sowie Nentwig/Nethe, in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Niehaus, § 11 VermG [Stand: Juli 1999] Rn. 58).

Vorliegend hatten jedoch die Beklagten nebst der verstorbenen L. O. bereits vor der Anordnung der staatlichen Verwaltung den rechtmäßigen Eigenbesitz an dem Vermögensgegenstand erlangt. Aufgrund der bis zur eingetragenen Eigentümerin zurückreichenden Folge von Kaufverträgen waren sie nach § 986 Abs. 1 BGB sowohl gegenüber ihrem Verkäufer als auch gegenüber der Grundstückseigentümerin zum Besitze befugt und Herausgabeansprüchen nach §§ 985, 1007 BGB nicht ausgesetzt. Nach § 5 des notariellen Vertrages waren sie berechtigt, den Kaufgegenstand ab 1. Mai 1948 zu nutzen. Von diesem Recht, das aufgrund der bestehenden Verträge auch von der Eigentümerin nicht beeinträchtigt werden konnte - insbesondere standen dieser keine Nutzungsherausgabeansprüche nach §§ 987, 993 BGB zu -, hatten sie durch die Einziehung der Mieten Gebrauch gemacht. Daher waren auch und gerade die Beklagten und die verstorbene L. O. diejenigen, die durch die - entsprechend der Grundbuchlage formal gegen die eingetragene Eigentümerin P. B. gerichtete - Anordnung der staatlichen Verwaltung von der weiteren Bewirtschaftung des Grundstücks ausgeschlossen und damit in ihren Rechten betroffen worden waren. Dem steht nicht entgegen, daß den Käufern zum damaligen Zeitpunkt mangels Eintragung einer Auflassungsvormerkung und infolge der Zurückweisung ihres Antrags auf Eigentumsumschreibung kein Anwartschaftsrecht zugestanden hatte. Denn trotz der "Schwäche" ihrer Rechtsposition sind sie, wenn auch Jahrzehnte später und erst nach der Beendigung der staatlichen Verwaltung, aufgrund der zu ihren Gunsten im Vertrag vom 30. April 1948 vom Verkäufer erklärten Auflassung als neue Eigentümer in das Grundbuch eingetragen worden. Der Senat hat daher vorliegend keine Bedenken, (auch) die Beklagten und nicht (nur) den während der Dauer der staatlichen Verwaltung als Eigentümer im Grundbuch Eingetragenen als Berechtigte im Sinne des Vermögensgesetzes anzusehen.

Da die Beklagten mittlerweile das Eigentum am Grundstück erworben haben, sind sie auch die eigentlichen Nutznießer der durch das Vermögensgesetz bezweckten und auf der Grundlage dieses Gesetzes erreichten Korrektur von Teilungs- und Diskriminierungsunrecht und damit letztlich diejenigen, denen die "treuhänderische" Tätigkeit der Klägerin zugute gekommen ist.

Bei dieser Sachlage ist es nach Auffassung des Senats folgerichtig, daß die Beklagten für die Kosten der (objektiv) ihrem Interesse dienenden staatlichen Verwaltung aufzukommen haben. Demgegenüber wäre es ersichtlich unbillig, wenn man - wie es die Revision für richtig hält - insoweit allein auf die formale Eigentümerposition zur Zeit der staatlichen Verwaltung abstellte. Dies hätte nämlich zur Folge, daß derjenige die Kosten der staatlichen Verwaltung vom 1. Juli 1990 bis zum 31. Dezember 1992 zu tragen hätte, der bei Anordnung der staatlichen Verwaltung mit der Bewirtschaftung des Grundstücks nichts mehr zu tun hatte und von ihrer Aufhebung keine nachhaltigen Vorteile gehabt hat.

b) Mit der vorliegenden Entscheidung setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu seiner bisherigen Rechtsprechung oder zu sonstigen höchstrichterlichen Urteilen.

aa) Zwar ist der Revision zuzugestehen, daß nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein noch nicht zum Anwartschaftsrecht erstarkter schuldrechtlicher Anspruch auf Verschaffung des Eigentums an einem Grundstück nicht zu den restitutionsfähigen Vermögenswerten nach § 2 Abs. 2 VermG gehört (BVerwG VIZ 1997, 351, 352; 1996, 267). Diese Rechtsprechung ist jedoch vorliegend nicht einschlägig, weil es nicht um die Rechtsfolgen aus einem "Restitutionsverhältnis", sondern um die Abwicklung eines "Verwalterverhältnisses" geht. Insoweit ist es aber, wie die Revisionserwiderung zu Recht geltend macht, sachgerecht, maßgeblich darauf abzustellen, in wessen (objektiven) Interesse die Verwaltung durchgeführt wurde.

bb) Daß bei der Bestimmung desjenigen, in dessen Rechts- und Interessenkreis die staatliche Verwaltung letztlich fällt, auch - aber nicht nur - auf den nach dem Ende der Verwaltung erfolgten endgültigen Eigentumserwerb durch die Beklagten abgestellt wird, steht entgegen der Auffassung der Revision nicht in Widerspruch zu dem bereits erwähnten Senatsurteil BGHZ 137, 183. Zwar hat der Senat dort ausgeführt, es gehe nicht an, im Wege einer ex-post Betrachtung die Person, an die das Grundstück nach dem Ende der - gegen einen anderen angeordneten - staatlichen Verwaltung "restituiert" worden ist, als denjenigen anzusehen, der - weil ihm letztlich die staatliche Verwaltung zugute gekommen sei - nach § 670 BGB (entsprechend) für die Kosten der Verwaltung aufzukommen habe. Diese Ausführungen sind aber vor dem Hintergrund zu verstehen, daß das Vermögensgesetz hinsichtlich der Frage, ob der Berechtigte einem Kostenerstattungsanspruch des Verfügungsberechtigten ausgesetzt ist, für den Bereich der Restitutionsfälle andere Regelungen (vgl. § 3 ff VermG) getroffen hat als für die "Verwalterfälle". Im Hinblick darauf hat es der Senat abgelehnt, hinsichtlich der Kostenerstattung nachträglich ein "Restitutionsverhältnis" in ein "Verwalterverhältnis" umzufunktionieren (aaO S. 191 f). Darum geht es hier nicht.

3. Für die in der Zeit vom 31. Dezember 1992 (Ende der staatlichen Verwaltung) bis zur Herausgabe des Grundstücks am 1. Juli 1994 gemachten Aufwendungen finden, wie die Revision im Ansatz ebenfalls nicht in Frage stellt, die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag Anwendung (vgl. Senatsurteil BGHZ 137, 183, 192). Insoweit hat das Berufungsgericht angenommen, daß die Beklagten nach § 686 BGB als Geschäftsherren anzusehen sind, ohne daß es dabei auf die Vorstellungen der Klägerin, die das Grundstück am 1. Juli 1994 an den Erben der P. B. herausgegeben hat, ankomme. Dem ist nach dem zuvor Gesagten zuzustimmen.

4. Auch im übrigen weist das angefochtene Urteil keine Rechtsfehler zum Nachteil der Beklagten auf.



Ende der Entscheidung

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