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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 02.03.2006
Aktenzeichen: III ZR 383/02
Rechtsgebiete: BJagdG, UStG


Vorschriften:

BJagdG § 11
UStG § 2
Zur Verpflichtung des Jagdpächters, bei einem mit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts geschlossenen Jagdpachtvertrag anfallende Mehrwertsteuer auf den Pachtzins und eine Wildschadensverhütungspauschale zu zahlen.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

III ZR 383/02

Verkündet am: 2. März 2006

in dem Rechtsstreit

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 2. März 2006 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Galke und Dr. Herrmann

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Rechtsmittel des beklagten Landes werden das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 23. Oktober 2002 aufgehoben und das Urteil des Amtsgerichts Betzdorf vom 21. Dezember 2001 abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Mit Jagdpachtvertrag vom 24. März 1998 verpachtete das beklagte Land dem Kläger die Jagdnutzung auf den zu einem staatlichen Eigenjagdbezirk gehörenden Grundstücken gegen Zahlung einer jährlichen Pacht einschließlich Wildschadensverhütungspauschale von 6.300 DM. Der Abschluss von Jagdpachtverträgen für das Bundesland erfolgt durch das jeweils zuständige Forstamt. Der Beklagte erzielte im Haushaltsjahr 2000 aus der Verpachtung von Jagdrechten einen Nettoumsatz von 2.146.731,94 DM. Über die Zahlung des Pachtzinses enthält § 7 Abs. 1 des Jagdpachtvertrags folgende zusätzliche Regelung:

Zur Zeit ist weder auf die Flächenpacht noch auf die Wildschadensverhütungspauschale eine Mehrwertsteuer zu erheben. Sollte sich die Rechtslage ändern, wird rückwirkend (frühestens ab Pachtbeginn) die Mehrwertsteuer in der gesetzlichen Höhe erhoben.

Im Anschluss an eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 11. Februar 1999 (BFHE 187, 359 = BStBl. II 1999, 378) forderte der Beklagte mit Schreiben vom 10. Januar 2001 von dem Kläger rückwirkend ab dem Jagdjahr 2000/2001 die Zahlung von 16 % Mehrwertsteuer (1.008 DM) auf den Pachtbetrag und die Wildschadensverhütungspauschale. Der Kläger leistete die Zahlungen unter Vorbehalt. Mit der vorliegenden Feststellungsklage hat er geltend gemacht, eine Änderung der Rechtslage sei insoweit nicht eingetreten. Umsatzsteuer werde für die Verpachtung von Jagden nicht geschuldet.

Die Vorinstanzen haben entschieden, dass der Kläger nicht verpflichtet sei, auf den Pachtzins nebst Wildschadensverhütungspauschale für die Pachtjahre 2000/2001 und 2001/2002 Umsatzsteuer zu zahlen. Mit der - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision verfolgt das beklagte Land seinen Klageabweisungsantrag weiter. Der erkennende Senat hat den Rechtsstreit mit Rücksicht auf ein vor dem Bundesfinanzhof geführtes Parallelverfahren (V R 28/03) ausgesetzt. Dieses Verfahren ist, nachdem der Bundesfinanzhof seinerseits eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften eingeholt hatte (Entscheidung vom 26. Mai 2005 - C-43/04, ABl. EU Nr. C 182, 14 [Tenor] = DStRE 2005, 841), durch Urteil vom 22. September 2005 (DB 2005, 2673 = DStR 2005, 2123) abgeschlossen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Die negative Feststellungsklage des Klägers ist unbegründet.

I.

Das Amtsgericht, auf dessen Ausführungen das Landgericht in vollem Umfang Bezug nimmt, hat als "Änderung der Rechtslage" im Sinne der zwischen den Parteien streitigen Vertragsklausel nicht ausreichen lassen, dass die Forstverwaltung des beklagten Landes nunmehr von der Finanzverwaltung zur Umsatzsteuer veranlagt wird. Der Pachtvertrag sei vielmehr so auszulegen, dass die Parteien die tatsächliche Rechtslage als Grundlage ihrer Vertragsbeziehungen gelten lassen wollten. In Wirklichkeit handele es sich jedoch nicht um einen steuerbaren bzw. steuerpflichtigen Umsatz nach den Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes. Denn der Beklagte sei, soweit es um die Verpachtung der Jagdnutzung einschließlich Wildschadensverhütungspauschale gehe, nicht Unternehmer im Sinne des § 2 UStG. Insoweit werde er weder im Rahmen eines Betriebs gewerblicher Art noch innerhalb seiner land- oder forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig. Es liege vielmehr eine reine Vermögensverwaltung vor.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Durch das erwähnte Urteil des Bundesfinanzhofs vom 22. September 2005 (aaO) ist inzwischen geklärt, dass eine juristische Person des öffentlichen Rechts mit der Verpachtung ihrer Eigenjagd im Rahmen ihres land- und forstwirtschaftlichen Betriebs gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG gewerblich oder beruflich tätig wird und dass sie insoweit nach den allgemeinen Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes - und nicht entsprechend den Durchschnittssätzen des § 24 UStG - zu besteuern ist, wenn, wie hier, der Grund und Boden, der den Eigenjagdbezirk bildet, zum land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen gehört. Mit europäischem Recht steht dies nach der vom Bundesfinanzhof eingeholten Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 26. Mai 2005 (aaO) in Einklang. Der erkennende Senat schließt sich dieser Beurteilung des Bundesfinanzhofs an und verweist ergänzend hierauf. Die Steuerpflicht erstreckt sich entgegen der von dem Kläger in der mündlichen Revisionsverhandlung vertretenen Ansicht als Teil des Leistungsaustauschs auch auf die Wildschadensverhütungspauschale; sie dient zur Abdeckung von Aufwendungen des Landes und ist - im Gegensatz möglicherweise zur Wildschadenspauschale (Vfg. der OFD Koblenz vom 25. Mai 1995, UR 1996, 27) - keine Schadensersatzleistung (so auch Schreiben des Ministeriums für Umwelt und Forsten des Landes Rheinland-Pfalz an die Forstverwaltung vom 30. Juni 2000).

2. Die Revision ist der Ansicht, die Vertragsbestimmung über eine Belastung des Klägers als Jagdpächter mit der Mehrwertsteuer bei Änderungen der Rechtslage sei, abweichend vom Wortlaut des § 545 Abs. 1 ZPO, als innerhalb mehrerer Landgerichtsbezirke verwendete Allgemeine Geschäftsbedingung vom Revisionsgericht frei auszulegen (in diesem Sinne jetzt auch BGHZ 163, 321, 324). Die Klausel sei so zu verstehen, dass schon eine von der Finanzverwaltung zur Frage der Umsatzsteuerpflicht gegenüber dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses geänderte Rechtsauffassung eine Pflicht des Klägers zur Erstattung der Umsatzsteuer auslöse.

Inwieweit dem zu folgen ist, kann offen bleiben. Die Klageabweisung wird auf der Grundlage der erörterten Auslegung des Umsatzsteuergesetzes bereits von der tatrichterlichen Erwägung getragen, die Parteien hätten die Erstattung von Mehrwertsteuer von der tatsächlich bestehenden Umsatzsteuerpflicht abhängig gemacht und dabei - so ist dem Zusammenhang der Entscheidungsgründe des Amtsgerichts zu entnehmen - auch eine geänderte, jedoch objektiv zutreffende Rechtsansicht als "Änderung der Rechtslage" ausreichen lassen. Das ist nicht zu beanstanden und entspricht dem Zweck der Klausel, eine etwa später vom Verpächter zu zahlende Mehrwertsteuer in jedem Fall an den Jagdpächter weiterzugeben. Der Pächter wird dadurch nicht unzumutbar belastet, da er mit einer solchen Verpflichtung nach dem Vertragstext - unabhängig von den Bedingungen der Ausschreibung - von vornherein rechnen musste. Die auch noch in der Revisionserwiderung vom Kläger aufgeworfene Frage nach einer verfassungsrechtlich zulässigen Rückwirkung von Steuergesetzen stellt sich hier nicht; das beklagte Land und somit vertraglich auch der Kläger schuldeten bei richtigem Verständnis des Umsatzsteuergesetzes von Beginn des Pachtverhältnisses an die Mehrwertsteuer. Eine Verletzung des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatzes im Hinblick auf eine unterschiedliche Umsatzsteuerbelastung bei der Verpachtung von Jagden, je nachdem, ob der Verpächter im Sinne des § 2 UStG als Unternehmer gilt, ist ebenso wenig ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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