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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 08.04.2004
Aktenzeichen: III ZR 432/02
Rechtsgebiete: VermG
Vorschriften:
VermG § 1 Abs. 6 | |
VermG § 2 Abs. 3 Satz 1 | |
VermG § 7 Abs. 7 Satz 2 | |
VermG § 11b Abs. 1 |
b) Zum Nutzungsherausgabeanspruch der Conference on Jewish Material Claims against Germany Inc. gegen den gesetzlichen Vertreter der unbekannten Erben des früheren jüdischen Eigentümers (Weiterentwicklung des Senatsurteils vom 21. Februar 2002 - III ZR 107/01 - VIZ 2002, 408).
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 8. April 2004
in dem Rechtsstreit
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. April 2004 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und Galke
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil der Zivilkammer 8 des Landgerichts Berlin vom 13. November 2001 abgeändert und das Urteil des 16. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 29. August 2002 aufgehoben.
Die Klage ist in dem noch anhängigen Umfang dem Grunde nach gerechtfertigt.
Die Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung über den Betrag des Anspruchs und die Kosten, einschließlich der Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin, die Conference on Jewish Material Claims against Germany Inc., verlangt von der Beklagten der Sache nach für die Zeit ab 1. Juli 1994 die Herausgabe von Nutzungen für ein Grundstück in Berlin-Prenzlauer Berg, das ihr durch am 12. April 1999 bestandskräftig gewordenen Bescheid des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 2. März 1999 übertragen worden ist. Das Grundstück stand am 30. Januar 1933 im Eigentum des J. C. -F. , einer Person jüdischen Glaubens. Das Kammergericht Berlin ordnete am 13. Dezember 1940 die Verwaltung des Grundstücks aufgrund der Verordnung über die Behandlung feindlichen Vermögens vom 15. Januar 1940 (RGBl. I S. 191) an. Nach § 3 i.V.m. § 2 der Elften Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941 (RGBl. I S. 722) verfiel das Vermögen dem Deutschen Reich. Eine entsprechende Eintragung in das Grundbuch wurde jedoch nicht vorgenommen.
Nach Kriegsende wurde das Grundstück aufgrund der Verordnung vom 18. Dezember 1951 über die Verwaltung und den Schutz ausländischen Eigentums in Groß-Berlin (VOBl. I S. 565) unter staatliche Verwaltung gestellt. Staatlicher Verwalter war der VEB Kommunale Wohnungsverwaltung Berlin, der Rechtsvorgänger der Beklagten. Nach Beendigung der staatlichen Verwaltung zum 31. Dezember 1992 wurde die Beklagte für die anschließende Zeit zum gesetzlichen Vertreter für die unbekannten Eigentümer des Grundstücks nach § 11b Abs. 1 Satz 1 VermG bestellt. Die Beklagte übergab der Klägerin zu Händen einer von dieser eingeschalteten Hausverwaltung das Grundstück am 16. Juli 1999. Nachdem die Beklagte für die Zeit von der Bestandskraft des Restitutionsbescheids bis zur Übergabe des Grundstücks einen Anspruch von 25.238,27 DM anerkannt hat, über den das Landgericht durch Anerkenntnisurteil entschieden hat, verlangt die Klägerin von der Beklagten jetzt noch für die Zeit vom 1. Juli 1994 bis 11. April 1999 Zahlung von 152.788,08 € (= 298.827,51 DM) nebst Zinsen. Insoweit hatte die Klage in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Der Senat hat auf Beschwerde der Klägerin die Revision zugelassen.
Entscheidungsgründe:
Die Rechtsmittel der Klägerin sind begründet. Ihre Klage ist in dem noch verbliebenen Umfang dem Grunde nach gerechtfertigt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts lassen sich Nutzungsherausgabeansprüche gegen die Beklagte nicht verneinen.
1. a) Zutreffend geht das Berufungsgericht - in Übereinstimmung mit dem Restitutionsbescheid des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen - davon aus, daß der eingetragene Eigentümer aufgrund der Bestimmungen der Elften Verordnung zum Reichsbürgergesetz einen Vermögensverlust erlitten hat, der wegen der Belegenheit des Grundstücks im Ostteil Berlins nach den Regelungen des Vermögensgesetzes wiedergutzumachen war. Für dessen Anwendung, hier der Bestimmung des § 1 Abs. 6 VermG, ist es ohne Bedeutung, daß der nach der Elften Verordnung zum Reichsbürgergesetz angeordnete Vermögensverfall als nichtig angesehen wird (vgl. BVerwGE 98, 261, 263; BGHZ - GSZ - 16, 350, 352 ff; grundlegend zu dieser Verordnung unter dem Gesichtspunkt des Entzugs der Staatsangehörigkeit BVerfGE 23, 98); denn das Vermögensgesetz will auch und gerade Vermögensentziehungen des NS-Staates wiedergutmachen, die nicht zu einem Verlust des Eigentums geführt haben (vgl. Senatsurteil BGHZ 153, 258, 260 f). Für den betroffenen Personenkreis wurden durch § 1 Abs. 6 VermG erstmals konstitutiv Rückübertragungsansprüche begründet, die sich hier, weil Ansprüche von jüdischen Berechtigten oder deren Rechtsnachfolgern nicht geltend gemacht waren, auf ihren rechtzeitig gestellten Rückgabeantrag in der Person der Klägerin als Rechtsnachfolgerin im Sinn des § 2 Abs. 1 Satz 3 VermG verwirklicht haben.
b) Demgegenüber kommt der Aufhebung der während der DDR-Zeit begründeten staatlichen Verwaltung in der hier vorliegenden Fallkonstellation keine eigenständige vermögensrechtliche Wirkung in bezug auf die Wiedergutmachung erlittenen Unrechts zu. Das ändert freilich - wie das Berufungsgericht mit Recht ausführt - nichts daran, daß die staatliche Verwaltung, die als typisches Teilungsunrecht von § 1 Abs. 4 VermG erfaßt wird und in den §§ 11 ff VermG eigenen Regelungen der Wiedergutmachung unterliegt, hier auch dann wirksam bestanden hat, wenn sie in der Verordnung vom 18. Dezember 1951 über die Verwaltung und den Schutz ausländischen Eigentums in Groß-Berlin keine Grundlage gehabt hätte, weil es sich bei dem betreffenden Vermögensgegenstand entgegen der Grundbuchlage nicht um ausländisches Privatvermögen, sondern um inländisches Staatsvermögen bzw. Volkseigentum handelte. Die Anordnung der staatlichen Verwaltung verdeutlicht, daß der während der NS-Zeit zugunsten des Deutschen Reichs verfallene Vermögenswert weiterhin dem Zugriff des eingetragenen Eigentümers oder dessen Erben entzogen blieb. Allerdings löste die Aufhebung der staatlichen Verwaltung zum 31. Dezember 1992 in der hier vorliegenden Fallkonstellation nicht die üblicherweise mit ihr verbundene Folge aus, daß die Nutzungsverhältnisse an dem Grundstück oder Gebäude auf den Eigentümer übergingen (vgl. § 11a Abs. 4 VermG). Denn an die Stelle des ursprünglich eingetragenen Eigentümers, dessen Vermögensverlust auf die NS-Verfolgung zurückging, war hier - anders als in den Fällen, die den Senatsurteilen BGHZ 137, 183, BGHZ 148, 241 und vom 21. Februar 2002 (III ZR 107/01 - VIZ 2002, 408) zugrunde lagen - kein anderer Eigentümer getreten, dessen Rechtsstellung durch die Anordnung der staatlichen Verwaltung selbständig betroffen worden wäre. Ferner waren Erben des eingetragenen Eigentümers nicht bekannt, so daß auch nicht in Betracht kam, etwa außerhalb eines vor dem Amt zur Regelung offener Vermögensfragen geführten Verwaltungsverfahrens durch eine auf einer Erbscheinserteilung beruhenden Grundbuchberichtigung - bei Rücknahme oder Erledigterklärung des von der Klägerin gestellten Rückgabeantrags (zu einer solchen Konstellation vgl. das Senatsurteil BGHZ 153, 258, 264 f, 268) - ihre Rechte wiederherzustellen. War daher mit der gesetzlichen Aufhebung der staatlichen Verwaltung zum 31. Dezember 1992 nicht die Beseitigung erlittenen Unrechts verbunden, erhielt die Klägerin ihre Rechtsstellung allein aufgrund des auf § 3 VermG beruhenden Restitutionsbescheids, mit dem das Verfolgungsunrecht nach § 1 Abs. 6 VermG rückgängig gemacht wurde.
2. Aus diesem Restitutionsverhältnis steht der Klägerin als Berechtigter nach § 7 Abs. 7 Satz 2 VermG der Anspruch zu, mit Wirkung vom 1. Juli 1994 vom Verfügungsberechtigten die Herausgabe der bis zur Rückübertragung des Eigentums gezogenen Nutzungen zu verlangen. Dieser Anspruch ist nicht, wie die Beklagte in den Vorinstanzen gemeint hat, nach § 7 Abs. 8 Satz 2 VermG erloschen.
Wie der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 11. Juli 2003 (V ZR 430/02 - VIZ 2003, 526, 528 f unter B II 2) entschieden hat, ist zur schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs im Sinn von § 7 Abs. 8 Satz 2 VermG erforderlich, aber auch ausreichend, daß der Berechtigte an den Verfügungsberechtigten ein Schreiben richtet, dem dieser entnehmen kann, daß er die Herausgabe der Mieteinnahmen beansprucht. Diesen Anforderungen genügt nach diesem Urteil, dem sich der Senat anschließt, ein Schreiben, in dem "die ab dem 1. Juli 1994 zu erstellende und zu übermittelnde Abrechnung gemäß § 7 Abs. 7 VermG" geltend gemacht wird. Unstreitig hat die Beklagte das Schreiben der Klägerin vom 23. Juli 1999 erhalten, in dem sie mit einer im wesentlichen gleichlautenden Formulierung ebenfalls zur Abrechnung nach § 7 Abs. 7 VermG aufgefordert worden ist. Dem mußte sie den Wunsch der Klägerin entnehmen, nicht nur eine Abrechnung zu erhalten, sondern zugleich den in § 7 Abs. 7 Satz 2 VermG geregelten Anspruch auf Nutzungsherausgabe durchzusetzen.
3. Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch der Klägerin aus § 7 Abs. 7 Satz 2 VermG jedoch mit der Begründung, die Beklagte sei in der Zeit vom 1. Juli 1994 bis 11. April 1999 nicht Verfügungsberechtigte im Sinn des § 7 Abs. 7 VermG gewesen. Wie die Regelung in § 2 Abs. 3 VermG zeige, sei nur derjenige Verfügungsberechtigter, in dessen Eigentum oder Verfügungsmacht der Vermögenswert stehe. Dabei verlange die Verfügungsmacht eine formale Rechtsinhaberschaft, der eine "faktische" Verfügungsbefugnis, wie sie die Klägerin für gegeben halte, nicht genüge. Das ergebe sich nicht zuletzt aus der Bestimmung des § 2 Abs. 3 Satz 2 VermG, die den staatlichen Verwalter nur kraft gesetzlicher Fiktion als verfügungsberechtigt ansehe. Vor der Restitution sei die Beklagte nicht Eigentümerin des Grundstücks gewesen. Als Eigentümer komme vielmehr nach Art. 21 Abs. 3 zweiter Halbsatz EV der Bund, möglicherweise nach Art. 22 Abs. 4 Satz 1 und 3 EV auch das Land Berlin in Betracht. Die Verfügungsberechtigung der Beklagten kraft staatlicher Verwaltung habe am 31. Dezember 1992 ihr Ende gefunden. Ein Restitutionsverhältnis habe auch nicht zwischen der Klägerin und den unbekannten Erben des jüdischen Eigentümers bestanden. Schließlich sei der Klägerin eine unmittelbare Inanspruchnahme der Beklagten als gesetzlicher Vertreterin der unbekannten Eigentümer verwehrt, weil die Beklagte insoweit nur diesen gegenüber verpflichtet sei.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.
a) Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, daß zwischen der Klägerin und den unbekannten Erben des jüdischen Eigentümers kein eigentliches Restitutionsverhältnis bestand, das Grundlage für Ansprüche aus § 7 Abs. 7 Satz 2 VermG sein könnte. Richtig ist zwar, daß der frühere Eigentümer, der seine Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht geltend macht, spätestens mit der bestandskräftigen Restitutionsentscheidung zugunsten der Klägerin seinen eigenen Rückgabeanspruch nicht mehr realisieren kann. Das rechtfertigt aber nicht die Sichtweise, durch die Rückgabeentscheidung verlören der eingetragene Eigentümer oder seine Erben das Eigentum zugunsten der Klägerin. Vielmehr ist der Klägerin durch § 2 Abs. 1 Satz 3 VermG ausdrücklich die Rolle zugewiesen, anstelle des jüdischen Berechtigten, der seine Ansprüche nicht geltend macht, als dessen Rechtsnachfolger dafür Sorge zu tragen, daß der Vermögensverlust wieder rückgängig gemacht wird. Das Antragsrecht der Klägerin greift daher auch in Fällen, in denen das Erbrecht des Fiskus den eingetretenen Vermögensverlust im Ergebnis perpetuieren würde (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 4 VermG).
b) Nach der in § 2 Abs. 3 Satz 1 VermG vorgenommenen Begriffsbestimmung, die für die Anwendung der materiellen und verfahrensrechtlichen Vorschriften des Vermögensgesetzes maßgeblich ist, ist Verfügungsberechtigter bei der Rückübertragung von anderen Vermögenswerten - wie hier bei einem Grundstück - diejenige Person, in deren Eigentum oder Verfügungsmacht der Vermögenswert steht. In Rechtsprechung und Literatur wird insoweit einhellig zugrunde gelegt, daß die Begriffe Eigentum oder Verfügungsmacht auf die formale Inhaberschaft eines Rechts abstellen (vgl. BVerwG VIZ 2000, 717; BVerwG VIZ 2001, 200, 203; Neuhaus, in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, § 2 Rn. 43; Brettholle/Köhler-Apel, in: Rädler/Raupach/Bezzenberger, Vermögen in der ehemaligen DDR, § 2 VermG Rn. 59; Wasmuth, in: Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR, § 2 VermG Rn. 191 f). Dabei kommt dem Begriff der Verfügungsmacht insofern allerdings eine über die Inhaberschaft - etwa an einer Forderung - hinausreichende Bedeutung zu, als sie auch die formale Berechtigung umfaßt, über den in Frage stehenden Vermögenswert zu verfügen. Dies gilt etwa für Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder einen Testamentsvollstrecker. Auch der staatliche Verwalter, dessen Aufgaben und Pflichten im einzelnen in §§ 11 Abs. 2, 15 VermG gesetzlich umrissen sind, ist in diesem Sinn Verfügungsberechtigter. Dies wird durch die Regelung in § 2 Abs. 3 Satz 2 VermG verdeutlichend klargestellt (vgl. Neuhaus, aaO Rn. 48; Brettholle/Köhler-Apel, aaO Rn 62; Wasmuth, aaO Rn. 204), mag dies auch in der Form einer Fiktion geschehen sein. Soweit das Berufungsgericht dieser Fiktion entnehmen will, dem staatlichen Verwalter komme eigentlich keine Verfügungsmacht im Sinn des § 2 Abs. 3 Satz 1 VermG zu, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Denn auch ohne die Regelung in § 2 Abs. 3 Satz 2 VermG kann nicht zweifelhaft sein, daß der staatliche Verwalter - im Verwaltungsverfahren nach § 31 Abs. 2 VermG Beteiligter - bis zur Beendigung seines Amtes spätestens am 31. Dezember 1992 (vgl. § 11a Abs. 1 Satz 1 VermG) eine Rechtsstellung hatte, die ihn nach Maßgabe der genannten Vorschriften zu Verfügungen über den Vermögenswert berechtigten. Durch die nähere Ausgestaltung des Vermögensgesetzes und die im Vermögenszuordnungsgesetz geregelte Verfügungsbefugnis öffentlich-rechtlicher Körperschaften kann es auch ohne weiteres dazu kommen, daß es in bezug auf ein und denselben Vermögenswert mehrere Verfügungsberechtigte gibt. So hat der Senat wiederholt Fälle zu entscheiden gehabt, in denen sowohl der Eigentümer als auch der staatliche Verwalter als Verfügungsberechtigte der Unterlassungsverpflichtung aus § 3 Abs. 3 Satz 1 VermG unterworfen waren und der staatliche Verwalter in einen doppelten Rechte- und Pflichtenkreis eingebunden war (vgl. Senatsurteile BGHZ 137, 183, 191; BGHZ 148, 241, 244, 250 f; vom 21. Februar 2002 - III ZR 107/01 - VIZ 2002, 408, 409). Ferner ist auf die Fälle hinzuweisen, in denen die gesetzliche Verfügungsbefugnis einer Gemeinde nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a VZOG neben die Verfügungsberechtigung des Eigentümers nach § 8 Abs. 2 Satz 1 VZOG tritt (vgl. Neuhaus, aaO Rn. 44 f).
Ob die Verfügungsmacht im Sinn des § 2 Abs. 3 Satz 1 VermG von Gesetzes wegen bestehen muß oder ob sie auch durch eine rechtsgeschäftliche Erklärung verliehen werden kann (so etwa Wasmuth, aaO Rn. 192), hat das Bundesverwaltungsgericht für fraglich gehalten, aber offengelassen (VIZ 2000, 717, 718). Ob dem zu folgen wäre, braucht auch hier nicht entschieden zu werden. Denn die Beklagte erfüllte mit ihrer Bestellung zur gesetzlichen Vertreterin der unbekannten Erben des früheren Eigentümers nach § 11b Abs. 1 Satz 1 VermG alle Merkmale einer gesetzlichen Verfügungsmacht nach § 2 Abs. 3 Satz 1 VermG (in diesem Sinn auch Wasmuth, aaO Rn. 192, 200). In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist ohne weiteres deutlich, daß der gesetzliche Vertreter in eigener Person im Hinblick auf die Nichtverfügbarkeit des Eigentümers hinzuzuziehen ist. Daß sein Handeln als gesetzlicher Vertreter materiell dem Eigentümer zugerechnet wird, ergibt sich aus der Aufgabenzuweisung, ist aber kein Grund, ihm die Verfügungsberechtigung abzusprechen und diese materiell allein dem Vertretenen zuzuweisen. Eine solche Sicht ließe außer Betracht, daß der gesetzliche Vertreter durch den Bestellungsakt gerade an die Stelle des Vertretenen gesetzt wird, dessen Rechte hierdurch beschränkt werden (vgl. Gisselmann, in: Kimme, Offene Vermögensfragen, § 11b VermG Rn. 19, 28), und zwar nicht nur in Fällen, in denen der Eigentümer zwar bekannt, dieser aber wegen seines nicht festzustellenden Aufenthalts nicht erreichbar ist, sondern auch dann, wenn überhaupt ungewiß ist, wer Eigentümer des Vermögenswerts ist. Daß in einer solchen Situation der gesetzliche Vertreter dazu berufen ist, die Belange des Eigentümers zu vertreten, aber auch - bei Vorliegen eines Restitutionsantrages - die Verfügungsbeschränkungen des § 3 Abs. 3 Satz 1 VermG zu beachten, verleiht ihm ungeachtet des Umstands, daß er bei seiner Aufgabenerfüllung nach § 11b Abs. 1 Satz 5 VermG i.V.m. §§ 1821 und 1837 BGB in gewissem Umfang der Genehmigung bedarf und einer Aufsicht unterliegt, die in § 2 Abs. 3 Satz 1 VermG beschriebene Verfügungsmacht. Die Richtigkeit dieser Überlegungen wird dadurch bestätigt, daß § 11b Abs. 1 VermG in bezug auf ehemals staatlich verwaltete Vermögenswerte ein Vakuum auszufüllen hat, das sich nach der Beendigung der staatlichen Verwaltung bei mangelnder Feststellbarkeit des Eigentümers oder seines Aufenthalts ergeben würde. Aus dem Senatsurteil vom 21. Februar 2002 (III ZR 107/01 - VIZ 2002, 408, 409) ergibt sich nichts anderes, auch wenn dieses die mißverständliche Wendung enthält, der bisherige Eigentümer sei nach dem 31. Dezember 1992 "allein" Verfügungsberechtigter gewesen. Die Frage, ob auch der gesetzliche Vertreter nach § 11b VermG Verfügungsberechtigter im Sinn des § 2 Abs. 3 Satz 1 VermG sein kann, stellte sich in dem damaligen Verfahren nicht und sollte auch nicht beantwortet werden. Vielmehr ging es allein darum zu klären, inwieweit der gesetzliche Vertreter aufgrund seiner Bestellung gegenüber dem von der staatlichen Verwaltung betroffenen bisherigen Eigentümer und gegebenenfalls gegenüber dem Restitutionsberechtigten als künftigen Eigentümer verantwortlich ist.
c) Dem Anspruch auf Nutzungsherausgabe steht nicht entgegen, daß die Beklagte nach den gemäß § 11b Abs. 1 Satz 5 VermG sinngemäß anwendbaren Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über den Auftrag den unbekannten Erben des eingetragenen Eigentümers gegenüber in der Pflicht stünde.
aa) Zwar hat der Senat grundsätzlich und wiederholt entschieden, daß der Einordnung als Restitutionsverhältnis oder Verwalterverhältnis wegen der unterschiedlichen Ausgestaltung der Wiedergutmachung von Teilungsunrecht besondere Bedeutung zukommt (vgl. nur BGHZ 137, 183, 185 ff; BGHZ 148, 241). Die hieran geknüpften Ansprüche auf Kostenerstattung, Aufwendungsersatz und Rechenschaft unterscheiden sich nämlich ihrem Umfang nach und in der Frage der Verjährung erheblich. Er hat deshalb den staatlichen Verwalter wegen seiner Aufwendungsersatzansprüche entsprechend § 670 BGB grundsätzlich an den Eigentümer des verwalteten Vermögenswerts verwiesen, eine Inanspruchnahme des Restitutionsberechtigten durch den Verfügungsberechtigten auf Kostenerstattungsansprüche nach § 3 Abs. 3 Satz 4 VermG beschränkt sowie dem Restitutionsberechtigten einen Auskunftsanspruch gegen den gesetzlichen Vertreter des zuvor von der staatlichen Verwaltung betroffenen Voreigentümers versagt (vgl. Senatsurteil vom 21. Februar 2002 - III ZR 107/01 - VIZ 2002, 408, 409). Tatsächlicher Hintergrund dieser Fälle war jedoch, daß von den Schädigungsmaßnahmen (verfolgungsbedingte Vermögensverluste während der NS-Zeit, die zum Erwerb durch einen sogenannten "Ariseur" führten; staatliche Verwaltung des Vermögenswerts während der DDR-Zeit) unterschiedliche Personen betroffen waren.
bb) Die aufgezeigten Grundsätze, an denen der Senat festhält, sind jedoch an der Verwirklichung der vom Vermögensgesetz beabsichtigten Wiedergutmachung zu messen. So hat der Senat im Urteil vom 5. Juli 2001 in einem Fall, in dem es dem Eigentümer eines ehemals staatlich verwalteten Grundstücks wegen der nachfolgenden Restitution an den Berechtigten nicht möglich war, die Aufwendungsersatzansprüche des staatlichen Verwalters aus den ihm bis zur Restitution zugeflossenen Gebrauchsvorteilen zu erfüllen, diese Ansprüche der Höhe nach begrenzt und den staatlichen Verwalter, der auch im Verhältnis zum Restitutionsgläubiger Verfügungsberechtigter war, gegen diesen auf Ansprüche nach § 3 Abs. 3 Satz 4 VermG verwiesen (BGHZ 148, 241, 250 f). Die Begrenzung der Aufwendungsersatzansprüche des staatlichen Verwalters gegen den Eigentümer des verwalteten Vermögenswerts beruhte auf der Überlegung, den durch den Restitutionsanspruch eines besser Berechtigten betroffenen Eigentümer im Ergebnis nicht schlechter zu stellen, als wäre es bei seiner durch die staatliche Verwaltung bewirkten "wirtschaftlichen Enteignung" geblieben (BGHZ aaO S. 247 f).
cc) In der hier vorliegenden Fallkonstellation stellt die Inanspruchnahme der Beklagten als gesetzliche Vertreterin der unbekannten Erben des eingetragenen Eigentümers durch die Klägerin als Restitutionsberechtigte nur eine scheinbare Durchbrechung der angeführten Grundsätze dar. Zwar besteht - wie ausgeführt - zwischen der Klägerin und den unbekannten Erben des jüdischen Eigentümers kein eigentliches Restitutionsverhältnis. Die Klägerin hat aber nach § 2 Abs. 1 Satz 3 VermG im vermögensrechtlichen Sinn die Stellung eines Rechtsnachfolgers des jüdischen Eigentümers. Diese Rechtsnachfolge ist nicht auf den Rückgabeanspruch nach § 3 VermG beschränkt, sondern bezieht sich auch auf die Nutzungsherausgabeansprüche nach § 7 Abs. 7 Satz 2 VermG, die - abweichend vom Grundsatz, daß der Vermögenswert bis zur Bestandskraft des Rückgabebescheids Teil des Vermögens des Verfügungsberechtigten bleibt - unter anderem deshalb eingeführt worden sind, um einen Beitrag zur zügigen Rückübereignung der zu restituierenden Immobilien zu leisten (vgl. Senatsurteil vom 19. März 1998 - III ZR 145/97 - VIZ 1998, 323; BGHZ 141, 232, 235 f). Ist aber die Klägerin Rechtsnachfolgerin des jüdischen Eigentümers, bestehen keine Bedenken, ihr aus dem durch die Bestellung zur gesetzlichen Vertreterin gemäß § 11b Abs. 1 VermG begründeten Auftragsverhältnis auch die Rechte der unbekannten Erben gegen die Beklagte als gesetzliche Vertreterin zu geben. Dies gilt jedenfalls in dem hier beanspruchten Umfang der Nutzungsherausgabe nach § 7 Abs. 7 Satz 2 VermG.
Unbillige Nachteile für die Beklagte ergeben sich aus dieser Lösung nicht. Geht man davon aus, daß es auch an Erben des früheren jüdischen Eigentümers fehlt, liegt auf der Hand, daß der Beklagten aus dem nach § 11b Abs. 1 Satz 5 VermG begründeten Auftragsverhältnis keine Inanspruchnahme droht, für die sie die erwirtschafteten Überschüsse zurückbehalten müßte. Aber auch dann, wenn tatsächlich Erben vorhanden wären und diese die Beklagte auf Abrechnung in Anspruch nehmen würden, wären deren Rechte wegen der nicht rechtzeitigen Anmeldung der Ansprüche, spätestens jedoch wegen der bestandskräftigen Rückgabe des Vermögenswerts an die Klägerin untergegangen. Die Beklagte könnte einem diesbezüglichen Abrechnungsanspruch entgegenhalten, sie habe ihre Herausgabepflicht nach § 667 BGB wirksam gegenüber der Klägerin erfüllt.
Soweit die Revisionserwiderung unter Bezugnahme auf das Senatsurteil BGHZ 153, 258, 264 f meint, bei dem von der Beklagten vertretenen Eigentümer könne es sich nicht um den früheren jüdischen Eigentümer oder dessen Erben gehandelt haben, weil diese ungeachtet der weiterbestehenden Grundbucheintragung das Eigentum an dem Grundstück verloren hätten, liegt dem eine Sichtweise zugrunde, die mit der Bestellung nach § 11b Abs. 1 VermG nicht in Einklang steht. Denn insoweit war maßgeblich, daß es sich hier um einen ehemals staatlich verwalteten Vermögenswert handelte, für den das Grundbuch auf einen Eigentümer hinwies, dessen Erben nicht festzustellen waren. Hätte man seinerzeit erkannt, daß es sich um ehemaliges Reichsvermögen handelte, das dem Bund zugefallen ist, hätte für die Bestellung eines gesetzlichen Vertreters nach § 11b Abs. 1 VermG wegen Fehlens eines "wirklichen" Verwalterverhältnisses keine Grundlage bestanden. Im übrigen hat die Beklagte in den Tatsacheninstanzen nicht zu erkennen gegeben, daß sie sich aus dem durch die Bestellung als gesetzliche Vertreterin begründeten Auftragsverhältnis gegenüber dem Bund oder dem Land Berlin für verpflichtet halte oder von diesen auf Abrechnung in Anspruch genommen werde.
Soweit das Berufungsgericht in Erwägung zieht, der Bund oder das Land kämen als verfügungsberechtigte Eigentümer bis zur Bestandskraft des Rückgabebescheids als Anspruchsgegner der Klägerin in Betracht, kommt es hierauf nicht an, weil auch die Beklagte - wie ausgeführt - Verfügungsberechtigte war und in dieser Stellung die Nutzungen des Vermögenswerts gezogen hat.
4. Nach allem ist der Klageanspruch in dem noch anhängigen Umfang dem Grunde nach gerechtfertigt. Die Sache ist zur Verhandlung und Entscheidung über den Betrag des Anspruchs an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das auch zu klären hat, ob die von der Beklagten hilfsweise zur Aufrechnung gestellten - weit hinter der Klageforderung zurückbleibenden - Kostenerstattungsansprüche nach § 3 Abs. 3 Satz 4 VermG, die ihr als Verfügungsberechtigter zustehen können, begründet sind.
Ende der Entscheidung
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