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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 19.03.2008
Aktenzeichen: III ZR 49/07
Rechtsgebiete: BGB, BauGB


Vorschriften:

BGB § 839 Fe
BauGB a.F. § 215a
a) Steht ein Bauvorbescheidsantrag, betreffend eine Windkraftanlage im Außenbereich, in Widerspruch zu einem nachträglich beschlossenen Flächennutzungsplan, so hat die Bauaufsichtsbehörde, wenn sie einen formellen Mangel des Plans (hier: fehlerhafte Bekanntmachung) feststellt, der Gemeinde vor der Entscheidung Gelegenheit zu geben, diesen zu beheben (Fortführung des Senatsurteils vom 25. März 2004 - III ZR 227/02 = NVwZ 2004, 1143).

b) Lässt sich die Feststellung treffen, dass bei pflichtgemäßem Handeln der Bauaufsichtsbehörde der Mangel rückwirkend geheilt worden wäre, so kann dies einem auf die rechtswidrige Versagung des Bauvorbescheids gestützten Amtshaftungsanspruch unter dem Gesichtspunkt des rechtmäßigen Alternativverhaltens entgegengehalten werden.

c) Dies gilt auch dann, wenn der Anspruch auf Erteilung des Bauvorbescheids durch rechtskräftiges verwaltungsgerichtliches Verpflichtungsurteil tituliert ist, dieses Urteil aber wegen der zwischenzeitlichen Rechtsänderung erfolgreich mit der Vollstreckungsabwehrklage angegriffen werden kann (im Anschluss an BVerwGE 117, 44 = NVwZ 2003, 214).


BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

III ZR 49/07

vom 19. März 2008

in dem Rechtsstreit

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. März 2008 durch den Vorsitzenden Richter Schlick, die Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa und Wöstmann und die Richterin Harsdorf-Gebhardt

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 4. Februar 2007 - 1 U 248/06 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Streitwert: 1.676.504 €

Gründe:

Einer Zulassung der Revision bedarf es nicht. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass bei der Prüfung des hier in Rede stehenden Amtshaftungsanspruchs wegen der Versagung von Bauvorbescheiden für Windkraftanlagen im Außenbereich in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht zwei Gesichtspunkte zu unterscheiden sind:

- zum einen die Verzögerung der Entscheidung über die Bauvoranfragen der Klägerin in dem Zeitraum ab Antragstellung (27. Juli 1999) bis zur - ablehnenden - Bescheidung dieses Antrags durch die Bauaufsichtsbehörde (7. Dezember 2000);

- und zum anderen die mögliche inhaltliche Unrichtigkeit dieser Sachentscheidung der Bauaufsichtsbehörde, einschließlich der sich daraus ergebenden Folgeprobleme, insbesondere einer etwaigen nicht rechtzeitigen Befolgung des rechtskräftigen Urteils des Oberverwaltungsgerichts.

2. Hinsichtlich des ersten Komplexes - verzögerte Bearbeitung - hält das Berufungsgericht eine Amtspflichtverletzung des Beklagten zu 1 (Bauaufsichtsbehörde) für möglich. Es lässt den hieraus hergeleiteten Amtshaftungsanspruch jedoch daran scheitern, dass die Klägerin die ihr zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe des Primärrechtsschutzes, insbesondere eine verwaltungsgerichtliche Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO), nicht ausgeschöpft habe. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Beschwerde bleiben erfolglos.

a) Dass die Untätigkeitsklage hier ein geeignetes Rechtsmittel im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB gewesen ist, stellt auch die Beschwerde nicht in Frage.

b) Das Berufungsgericht hat weiter festgestellt, dass die Klägerin es fahrlässig unterlassen hat, von diesem Rechtsmittel Gebrauch zu machen, und dass dieses hätte zum Erfolg führen müssen, d.h. zu einer Verurteilung des Beklagten zu 1, die Bauvorbescheide zu erteilen, bevor mit dem Inkrafttreten des Flächennutzungsplans eine Rechtsgrundlage für die Versagung geschaffen worden war. Der Beschwerde ist zwar in diesem Zusammenhang zuzugeben, dass nach der Rechtsprechung des Senats Zurückhaltung geboten ist, wenn es darum geht, ob es dem Geschädigten zum Verschulden gereicht, wenn er nicht unmittelbar nach Ablauf der Dreimonatsfrist des § 75 Satz 2 VwGO Untätigkeitsklage erhebt (vgl. Senatsurteile vom 15. Februar 1990 - III ZR 87/88 - VersR 1990, 656, 658 und vom 31. Januar 1991 - III ZR 184/89 - NVwZ 1992, 298, 299 f). Ungeachtet dessen enthält die weitgehend auf tatrichterlichem Gebiet liegende Wertung des Berufungsgerichts keinen die Zulassung der Revision zwingend erfordernden Rechtsfehler.

3. Nach der rechtskräftigen Berufungsentscheidung des Oberverwaltungsgerichts im Verfahren des verwaltungsgerichtlichen Primärrechtsschutzes steht auch mit Bindungswirkung für den vorliegenden Amtshaftungsprozess fest, dass der Ablehnungsbescheid des Beklagten zu 1 vom 7. Dezember 2000 objektiv rechtswidrig gewesen war. Beide Vorinstanzen haben jedoch mit Recht entschieden, dass dies der Klägerin im Ergebnis nichts nützt.

a) Die Feststellung der Rechtswidrigkeit beruhte ausschließlich auf einem formellen Mangel - fehlerhafte Bekanntmachung - des den Vorhaben der Klägerin inhaltlich entgegenstehenden Flächennutzungsplans, der am 24. November 2000 hätte in Kraft treten sollen, das heißt der angewandten Rechtsgrundlage. Dieser Mangel war jedoch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung in Anwendung des hier noch einschlägigen § 215a Abs. 2 BauGB a.F. durch eine erneut beschlossene Änderung des Flächennutzungsplans rückwirkend behoben worden.

Nach dem von der Beschwerde angegriffenen Rechtsstandpunkt des Berufungsgerichts - dem sie unter Hinweis auf die zum Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 9. März 2005 (NVwZ 2005, 1457) ergangene Anmerkung von Krohn/de Witt (NVwZ 2005, 1387) eine durch höchstrichterliches Urteil klärungsbedürftige Rechtsfrage entnehmen will - kann nach den zur nachträglichen Heilung einer fehlerhaften Gebührensatzung entwickelten Grundsätzen des Senatsurteils BGHZ 127, 223 ff im vorliegenden Fall durch die rückwirkende Heilung eines Bauleitplanes dem tatbestandlich zunächst gegebenen Amtshaftungsanspruch nachträglich wieder der Boden entzogen werden.

b) Die von der Beschwerde formulierte Grundsatzfrage stellt sich freilich so nicht. Denn die Rechtswidrigkeit des Ursprungsbescheids reichte für sich allein genommen nicht aus, einen Amtshaftungsanspruch zu begründen. Zu prüfen ist nämlich, wie sich die Vermögenslage der geschädigten Klägerin bei rechtmäßigem und amtspflichtgemäßem Vorgehen der Bauaufsichtsbehörde gestaltet hätte. Diese hätte bei pflichtgemäßer Prüfung im für die Klägerin günstigsten Falle die interne Feststellung treffen müssen, dass der Flächennutzungsplan nicht wirksam bekannt gemacht worden war. Dann aber hätte sie dem Begehren der Klägerin nicht etwa ohne weiteres stattgeben und die beantragten Bauvorbescheide erteilen dürfen. Vielmehr hätte sie - entsprechend den im Senatsurteil vom 25. März 2004 (III ZR 227/02 = NVwZ 2004, 1143, 1144) niedergelegten Grundsätzen - der zweitbeklagten Gemeinde vor der Entscheidung Gelegenheit geben müssen, den Bekanntmachungsfehler zu beheben. Mangels jeden entgegengesetzten Anhaltspunktes ist davon auszugehen, dass die Beklagte zu 2 in diesem Falle schon vor der abschließenden Entscheidung über die Bauvoranfragen der Klägerin die ordnungsgemäße Bekanntmachung nachgeholt und damit den Formmangel geheilt hätte. Dieser tatsächliche Geschehensablauf wird insbesondere dadurch nahe gelegt, dass die Beklagte zu 2, nachdem ihr durch das Urteil des Oberverwaltungsgerichts der Mangel bewusst geworden war, unverzüglich die entsprechenden Schritte zur Behebung ergriffen hatte.

c) In dieser Beziehung unterscheidet sich der vorliegende Fall von denjenigen Fallgestaltungen, die den Senatsentscheidungen vom 12. Juli 2001 (III ZR 282/00 = NVwZ 2002, 124 = BauR 2001, 1884) und vom 26. Juli 2001 (III ZR 206/00 = BauR 2001, 1887) zugrunde gelegen hatten. Dort hatten die jeweils erreichten Planungsstände der Bauaufsichtsbehörde keine Grundlage für die Nichtweiterbearbeitung der entscheidungsreifen Baugesuche geboten. Hier dagegen hatte die Beklagte zu 2 durch ihr zuständiges Gemeindeorgan ihren Planungswillen eindeutig kundgetan. Gescheitert war die Realisierung dieses Planungswillens nur an Verfahrensfehlern, die bei rechtmäßigem Verhalten der Gemeindeorgane hätten vermieden werden müssen. Die Endentscheidung hätte also bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften nicht anders ausfallen können, da inhaltliche, materiellrechtliche Mängel des Flächennutzungsplans nicht vorlagen (siehe in diesem Sinne auch Senatsurteil vom 25. März 2004 aaO S. 1144; ferner OLG Jena NVwZ-RR 2001, 702, 704; bestätigt durch nicht mit Gründen versehenen Nichtannahmebeschluss des Senats vom 3. Mai 2001 - III ZR 55/00). Der Sache nach handelt es sich insoweit um den von Amts wegen zu berücksichtigenden Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens (Staudinger/Wurm, BGB [2007] § 839 Rn. 232).

4. a) Die Besonderheit des vorliegenden Falles besteht darin, dass hier ein rechtskräftiges Urteil des Oberverwaltungsgerichts vorliegt, durch das der Beklagte zu 1 verurteilt worden ist, der Klägerin die beantragten Bauvorbescheide für die Errichtung von vier Windkraftanlagen zu erteilen, und in dem weiter festgestellt worden ist, dass der Beklagte zu 1 bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVU-Richtlinie und weiterer EG-Richtlinien zum Umweltschutz vom 27. Juli 2001 verpflichtet gewesen war, den begehrten Bauvorbescheid auch hinsichtlich der beiden weiteren Windkraftanlagen zu erteilen. Gegen die Vollstreckung aus diesem Urteil hatte der Beklagte zu 1, gestützt auf die am 18. November 2003 erneut beschlossene Änderung des Flächennutzungsplans und deren rückwirkende Inkraftsetzung zum 24. November 2001, Vollstreckungsabwehrklage erhoben. Damit hatte er insoweit Erfolg, als die Klägerin ihren Vollstreckungsantrag zurücknahm.

b) Gegenüber der Vollstreckung aus einem rechtskräftigen Verpflichtungsurteil auf Erteilung eines Bauvorbescheides für eine Windenergieanlage kann die Behörde die Vollstreckungsabwehrklage darauf stützen, dass nach Rechtskraft des Urteils durch eine Änderung des Flächennutzungsplans die Voraussetzungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB geschaffen wurden (BVerwGE 117, 44 = NVwZ 2003, 214). Zwar kann sich ein bestandskräftiger Bauvorbescheid, der die Feststellung enthält, dass das Vorhaben bauplanungsrechtlich zulässig ist, gegenüber nachfolgenden Rechtsänderungen durch das Inkrafttreten einer Veränderungssperre oder eines Bebauungsplans durchsetzen. Dem kann jedoch nicht ohne weiteres der Fall gleichgestellt werden, dass eine Behörde durch rechtskräftiges Urteil zum Erlass eines Bauvorbescheids verpflichtet worden ist, den Bescheid aber noch nicht erteilt hat. Der gerichtlich festgestellte Anspruch auf Erteilung verleiht, auch hinsichtlich des Vertrauensschutzes, nicht die gleiche Rechtsposition wie ein bereits erlassener Bauvorbescheid. Wie aus § 14 Abs. 3 BauGB zu ersehen ist, schützt erst ein erteilter Bescheid den Bauherrn vor Rechtsänderungen. Bis dahin steht der Anspruch auf Erteilung, auch wenn er rechtskräftig tituliert ist, unter dem Vorbehalt, dass sich die Sach- und Rechtslage nicht in rechtlich relevanter Weise ändert (BVerwG aaO S. 215 m.w.N.).

c) Dementsprechend ist eine weitere, selbständige Amtspflichtverletzung auch nicht darin zu erblicken, dass der Beklagte der rechtskräftigen Verurteilung nicht nachgekommen ist. Die Ergreifung des solchermaßen zulässigen Rechtsbehelfs der Vollstreckungsabwehrklage war vielmehr rechtmäßig und entsprach der durch die rückwirkende Heilung des Flächennutzungsplans geschaffenen Rechtslage.

5. Daraus folgt, dass auch ein Amtshaftungsanspruch gegen die zweitbeklagte Gemeinde wegen der möglicherweise rechtswidrigen Versagung des Einvernehmens nicht besteht. Deswegen bedarf die Grundsatzfrage keiner Entscheidung, ob diese Versagung überhaupt noch drittgerichtete Außenwirkung gehabt hatte, nachdem Rheinland-Pfalz der Bauaufsichtsbehörde bereits im Jahre 1998 die Möglichkeit eingeräumt hatte, das Einvernehmen im bauaufsichtlichen Verfahren zu ersetzen (vgl. Staudinger/Wurm aaO Rn. 602, 606).

Ende der Entscheidung

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