Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 08.05.2003
Aktenzeichen: III ZR 68/02
Rechtsgebiete: GG, BauGB, EEG NW


Vorschriften:

GG Art. 14 (Ia)
GG Art. 14 (Ea)
BauGB § 194
BauGB § 217
BauGB § 226 Abs. 2
BauGB § 226 Abs. 3
EEG NW § 50 Abs. 1
Hat gegen die Festsetzung einer Enteignungsentschädigung durch die Enteignungsbehörde nur der Enteignungsbetroffene im baulandgerichtlichen Verfahren fristgerecht Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit dem Ziel einer Erhöhung eingereicht, so kann der entschädigungspflichtige Enteignungsbegünstigte nicht nach Ablauf der Antragsfrist "Widerklage" auf Herabsetzung der festgesetzten Entschädigung erheben (Abgrenzung zu BGHZ 35, 227).

Zur Frage des Bestandsschutzes eines im Außenbereich stehenden sog. Kottens, wenn die Baugenehmigungsbehörde dessen (möglicherweise illegale) Instandsetzung für Wohnzwecke aufsichtsbehördlich "begleitet" hat.


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

III ZR 68/02

Verkündet am: 8. Mai 2003

in der Baulandsache

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. Mai 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter Streck, Schlick, Dörr und Galke

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beteiligten zu 1 wird das Urteil des 16. Zivilsenats (Baulandsenats) des Oberlandesgerichts Hamm vom 21. Januar 2002 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beteiligten zu 1 entschieden worden ist.

Die Anschlußberufung der Beteiligten zu 2 gegen das Urteil der Kammer für Baulandsachen des Landgerichts Detmold vom 24. August 2000 wird als unzulässig verworfen, soweit damit eine Herabsetzung der Entschädigung für den Grund und Boden auf unter 51.170 DM (26.162,81 €) begehrt wird.

Im übrigen wird die Sache im Umfang der Aufhebung zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Beteiligten zu 1 und 2 streiten über die Höhe der Enteignungsentschädigung für die Inanspruchnahme eines 1.578 m² großen Grundstücks in der Gemarkung B. für den Bau der Bundesautobahn A 33 nach Maßgabe des Planfeststellungsbeschlusses vom 12. Februar 1996.

Die Beteiligten zu 1 hatten das im Außenbereich gelegene Grundstück, auf dem ein 1802 errichtetes Fachwerkgebäude (ein sogenannter Kotten) stand, im Jahr 1973 erworben. Der Oberkreisdirektor des Kreises G. hatte durch Verfügung vom 11. Juni 1982 die Beseitigung des Kottens wegen Baufälligkeit verfügt, auf den Widerspruch der Beteiligten zu 1 jedoch die Anordnung der sofortigen Vollziehung dieser Verfügung aufgehoben. Im Mai 1983 hatten die Beteiligten zu 1 mit Arbeiten an dem Gebäude begonnen, woraufhin am 17. Mai 1983 eine Stillegungsverfügung unter Anordnung des sofortigen Vollzugs ergangen war. Das Verwaltungsgericht M. hatte mit Beschluß vom 21. Juni 1983 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Beteiligten zu 1 gegen die Stillegungsverfügung zunächst vorläufig und nach Einholung eines Sachverständigengutachtens mit Beschluß vom 18. Oktober 1983 endgültig wiederhergestellt. Im Anschluß daran hatte der Oberkreisdirektor des Kreises G. die Beseitigungsverfügung vom 11. Juni 1982 und die Stillegungsverfügung vom 17. Mai 1983 aufgehoben. Die Beteiligten zu 1 hatten den Kotten insgesamt so weit wieder hergerichtet, daß er nach ihrerer Behauptung über Jahre als Wohngebäude diente.

Im von der Beteiligten zu 2 (Bundesstraßenbauverwaltung) beantragten Enteignungsverfahren erteilten die Beteiligten zu 1 durch Vertrag vom 19. August 1998 ihr Einverständnis mit der Inanspruchnahme des Grundstücks für Straßenzwecke und mit der Übertragung des Eigentums. Die Entschädigung für die aufstehenden Gebäude wurde mit 91.000 DM abschließend geregelt, die Festsetzung der Entschädigung für Grund und Boden wurde der Enteignungsbehörde überlassen.

Mit Entschädigungsfeststellungsbeschluß vom 19. Januar 1999 hat die Beteiligte zu 3 (Enteignungsbehörde) die Entschädigung für Grund und Boden auf 51.170 DM festgesetzt. Hiergegen haben die Beteiligten zu 1 Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit dem Ziel einer höheren Entschädigung gestellt. Das Landgericht (Kammer für Baulandsachen) hat die Entschädigung auf 63.120 DM angehoben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beteiligten zu 1, mit der sie eine weitere Anhebung der Entschädigung um mindestens 30.000 DM begehrt haben, hat das Oberlandesgericht (Senat für Baulandsachen) zurückgewiesen; zugleich hat es auf die Anschlußberufung der Beteiligten zu 2 die Entschädigung auf 11.048,95 DM (= 5.649,24 €) herabgesetzt. Mit der Revision verfolgen die Beteiligten zu 1 ihren zuletzt gestellten Antrag weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Beteiligten zu 1 ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, zur Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts in Höhe des im Entschädigungsfeststellungsbeschluß der Enteignungsbehörde zugunsten der Beteiligten zu 1 festgesetzten Entschädigungsbetrages und im übrigen zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Soweit das Berufungsgericht auf die Anschlußberufung der Beteiligten zu 2 die Entschädigung für Grund und Boden auf einen Betrag (5.649,24 € = 11.048,95 DM) unter die von der Enteignungsbehörde im Beschluß vom 19. Januar 1999 festgesetzte Entschädigung von 51.170 DM (= 26.162,81 €) herabgesetzt hat, unterliegt sein Ausspruch ohne Sachprüfung der Aufhebung, weil das betreffende, erstmals mit der Anschlußberufung angebrachte Herabsetzungsbegehren der Beteiligten zu 2 unzulässig ist. Denn es fehlt seitens der Beteiligten zu 2 an einem fristgerechten Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§§ 50 Abs. 1 Satz 2 EEG NW i.V.m. § 217 Abs. 2 BauGB) gegen den Entschädigungsfeststellungsbeschluß vom 19. Januar 1999, den nur die Beteiligten zu 1 mit dem Ziel der Höhersetzung der Enteignungsentschädigung rechtzeitig gerichtlich angefochten haben.

1. Zu Unrecht stützt das Berufungsgericht seine Auffassung, es reiche für die (weitergehende) gerichtliche Nachprüfung der Entschädigungsfestsetzung auf die Anschlußberufung der Beteiligten zu 2, daß die Beteiligten zu 1 ihren Antrag auf gerichtliche Entscheidung fristgerecht gestellt hätten, auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Klage und Widerklage in Enteignungsentschädigungsverfahren nach § 61 LBG (Senatsurteil BGHZ 35, 227, 229 ff) und § 30 Abs. 1 PrEnteigG (Senatsurteil vom 13. Juli 1978 - III ZR 112/75 = NJW 1979, 923; vgl. auch - zu § 9 Abs. 3 AKG - Senatsurteil vom 22. Januar 1968 - III ZR 17/67 - WM 1968, 606, 608).

a) Dieser in BGHZ 35, 227, 229 - in Abkehr vom Reichsgericht (RG JW 1884, 99 Nr. 65; RGZ 97, 181) - begründeten Rechtsprechung liegt die Erwägung zugrunde, daß die Klagefristen der genannten Enteignungsgesetze dazu bestimmt seien, die Frage der Enteignungsentschädigung im Interesse der Allgemeinheit und der Beteiligten alsbald einer endgültigen Klärung zuzuführen. Diesem Zweck sei bereits Genüge getan, wenn nur eine Partei rechtzeitig Klage erhoben habe. Entschließe sich ein Beteiligter zur Klage, so sei es ihm zuzumuten, daß sein Gegner auch noch nach Abschluß der Klagefrist eine von dem Bestand der Klage unabhängige Widerklage erhebe. Habe eine Partei rechtzeitig Klage erhoben, so müßten sich alle Beteiligten darauf einstellen, daß die Höhe der Entschädigung offen sei. Ein schutzwürdiges Interesse daran, daß nach Ablauf der Klagefrist die Festsetzung der Enteignungsbehörde insoweit bestehen bleibe, als sie von der klagenden Partei nicht angegriffen worden sei, könne nicht anerkannt werden.

In der hierzu grundlegenden Entscheidung (BGHZ 35, 227, 229) wird allerdings hervorgehoben, daß die Gesetzgebung, was die zu entscheidende Frage angeht, keine einheitliche und auf die Besonderheiten der jeweiligen Regelung - dort § 61 LBG - abzustellen sei (dies bekräftigt Kreft in seiner Anmerkung LM LandbeschG Nr. 2). Für eine Übertragung des Grundgedankens der Entscheidung auf das baulandgerichtliche Verfahren nach dem Baugesetzbuch (§§ 217 ff BauGB; früher: §§ 157 ff BBauG) läßt sich daraus nichts entnehmen.

b) Für das baulandgerichtliche Verfahren sind die besonderen Bestimmungen in § 226 Abs. 2 und 3 BauGB maßgeblich, die den Inhalt der Sachentscheidung für den Fall regeln, daß das Gericht den Antrag auf gerichtliche Entscheidung für begründet erachtet; eine solche Regelung ist in § 30 PrEnteigG und den übrigen Enteignungsgesetzen, auf die sich die oben zitierte Senatsrechtsprechung bezieht, nicht enthalten. Während das Gericht durch § 226 Abs. 3 Satz 2 BauGB besonders ermächtigt wird, einen Enteignungsbeschluß, wenn der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nicht einen Anspruch auf Geldleistung betrifft, über den Antrag des Beteiligten hinaus, der den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt hat - jedoch nicht zu dessen Nachteil - auf Antrag eines anderen Beteiligten zu ändern, eröffnet das Gesetz in allen anderen Fällen (§ 226 Abs. 2 BauGB) - insbesondere dann, wenn ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung einen Anspruch auf eine Geldleistung betrifft (Absatz 2 Satz 1) - diese Entscheidungsmöglichkeit nicht. Maßgeblich ist also, von der genannten Ausnahme nach § 226 Abs. 3 Satz 2 BauGB abgesehen, für die gerichtliche Entscheidung allein der - dem Fristerfordernis des § 217 Abs. 2 BauGB unterliegende - Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Für eine Widerklage eines Beteiligten, der nicht (fristgemäß) den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt hat, ist nach diesem Regelungsgefüge kein Raum. Überdies läßt sich der Regelung in § 226 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 der Grundsatz entnehmen, daß in einem durch Antrag auf gerichtliche Entscheidung eingeleiteten baulandgerichtlichen Verfahren eine Änderung der angefochtenen Entscheidung der Enteignungsbehörde zum Nachteil desjenigen, der - allein - den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt hat, nicht statthaft ist (Verbot der reformatio in peius). Die gesetzliche Regelung bedeutet der Sache nach, daß ein Verwaltungsakt, der einen Anspruch auf eine Geldleistung betrifft, nur insoweit Streitgegenstand des baulandgerichtlichen Verfahrens ist, als er durch den (fristgerechten) Antrag auf gerichtliche Entscheidung angefochten worden ist. Das schließt auch aus, eine Entschädigungsfeststellung, die allein vom Betroffenen mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung angegriffen worden ist, nach ihrer Bestätigung durch das erstinstanzliche Gericht auf die Anschlußberufung des Gegners zum Nachteil des Betroffenen zu ändern.

Dieses Verständnis vom Sinn und Regelungszusammenhang der Absätze 2 und 3 des § 226 BauGB, das von der der baulandverfahrensrechtlichen Fachliteratur überwiegend geteilt wird (Kalb, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger BauGB § 222 Rn. 19, § 226 Rn. 15; Porger, in: BerlKomm zum BauGB 2. Aufl. § 222 Rn. 6; Stang, in: Schrödter BauGB 6. Aufl. § 222 Rn. 5, § 226 Rn. 7, 8; ebenso schon zu § 166 BBauG Förster, in: Brügelmann BBauG, Stand 1986, § 166 Anm. 4b; Schütz/Frohberg BBauG § 166 Anm. 3; vgl. auch ders. aaO 3. Aufl. § 166 Anm. 3; a.A. Aust NJW 1976, 1830; Aust/Jacobs/Pasternak, Die Enteignungsentschädigung 5. Aufl. Rn. 259), wird auch durch die Gesetzesgeschichte zum inhaltsgleichen § 166 BBauG 1960 bestätigt: Die Regierungsvorlage erstrebte eine Vorschrift entsprechend § 40 Abs. 2 Satz 2 des Baulandbeschaffungsgesetzes, wonach das Gericht über den Antrag des Beteiligten hinaus, der den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt hatte, einen Enteignungsbeschluß nach Antrag eines anderen Beteiligten oder der Enteignungsbehörde ändern durfte (vgl. BT-Drucks. 3/336 S. 48, 117 zu § 206 E). Auf den Bericht des Ausschusses für Wohnungswesen, Bau- und Bodenrecht (BT-Drucks. 3/1794 S. 123 und zu BT-Drucks. 3/1794 S. 30) hin wurden die Absätze 2 und 3 des § 166 BauGB 1960 wie geschehen formuliert, wobei die Regelung in Absatz 3 Satz 2 Halbsatz 2 als "Klarstellung" entsprechend einer Empfehlung des Rechtsausschusses bezeichnet wurde, daß das Gericht, sofern nur ein Beteiligter einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt habe, bei seiner Entscheidung zwar über dessen Antrag hinaus auch Anträge anderer Beteiligter berücksichtigen könne, jedoch nur insoweit, als dadurch die bisherige Rechtsstellung des Beteiligten, der die gerichtliche Entscheidung beantragt hatte, nicht verschlechtert werde ("Verbot der reformatio in peius").

2. Danach hat der Enteignungsentschädigungsbeschluß der Beteiligten zu 3, soweit er nicht durch die Beteiligten zu 1 durch Antrag auf gerichtliche Entscheidung angefochten worden ist, also in Höhe von 51.170 DM (= 26.162,81 €), Bestandskraft erlangt. Der auf eine Änderung dieser Festsetzung zu Lasten der Beteiligten zu 1 abzielende Berufungsantrag der Beteiligten zu 2 ist - unter Aufhebung des gegenteiligen Ausspruchs des Berufungsgerichts - als unzulässig zu verwerfen.

II.

Soweit das Berufungsgericht außerhalb der dargelegten Bestandskraft des Entschädigungsfeststellungsbeschlusses auf die Anschlußberufung der Beteiligten zu 2 die erstinstanzliche Entschädigungsfestsetzung zu Lasten der Beteiligten zu 1 abgeändert hat (Differenz: 63.120 DM - 51.170 DM), war die Anschlußberufung der Beteiligten zu 2 zwar prozessual unbedenklich. Die Entscheidung des Berufungsgerichts unterliegt aber insoweit, ebenso wie hinsichtlich der Zurückweisung der Berufung der Beteiligten zu 1, in sachlicher Hinsicht durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

1. a) Die von der Beteiligten zu 2 zu zahlende Enteignungsentschädigung richtet sich nach dem Verkehrswert des von den Beteiligten zu 1 zur Vermeidung einer Enteignung abgegebenen Grundstücks in der Gemarkung B. (§ 10 Abs. 1 EEG NW). Maßgeblich ist die Qualität zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vorabvertrages vom 19. April 1998 (vgl. Senatsurteil vom 6. April 1995 - III ZR 27/94 - WM 1995, 1195, 1196) beziehungsweise - bei Zugrundelegung der "Vorwirkungen" der in Gang gesetzten Enteignung durch das vorausgegangene Planfeststellungsverfahren für den Autobahnbau - zum Zeitpunkt der Planfeststellung (vgl. Senatsurteile BGHZ 64, 382 und vom 1. Dezember 1977 - III ZR 130/75 - WM 1978, 200). Revisionsrechtlich ist daher von einem "Qualitäts-Stichtag" spätestens im Februar 1996 auszugehen.

Der betreffende Grund und Boden liegt (unstreitig) im Außenbereich. Baulandqualität kann er nach dem im Revisionsverfahren gegebenen Sachstand nur im Zusammenhang damit gehabt haben, daß er zum maßgeblichen Zeitpunkt mit einem (Wohn-)Gebäude bebaut war (sogenanntes faktisches Bauland; vgl. Senatsurteil vom 27. September 1990 - III ZR 97/89 - WM 1991, 155 f; Aust/Jacobs/Pasternak aaO Rn. 319 ff, 322). Voraussetzung für die Anerkennung als eigentumsrechtliches Qualitätsmerkmal ist, daß dieses Gebäude baurechtlichen Bestandsschutz hatte.

b) Nach Ansicht des Berufungsgerichts hatte das betroffene Grundstück unbeschadet der vorhandenen Bebauung keine höhere Qualität als die einer landwirtschaftlichen Nutzfläche. Die Baulichkeiten hätten keinen Bestandsschutz gehabt. Ob der ursprünglich um 1800 errichtete Kotten jemals baurechtlich legal gewesen sei, könne dahinstehen. Ein eventueller Bestandsschutz sei jedenfalls Anfang der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts erloschen. In diesem Zeitraum sei die Nutzung bereits über mehrere Jahre aufgegeben gewesen. Außerdem habe sich das Gebäude 1981/1982 in einem desolaten, nicht mehr nutzbaren Zustand befunden. Ob das Gebäude als solches schon abgängig gewesen sei, möge aufgrund des vom Verwaltungsgericht M. 1983 eingeholten Gutachtens W. zweifelhaft sein. Die von den Beteiligten zu 1 durchgeführten Bauarbeiten, die darauf abgezielt hätten, das Gebäude wieder bewohnbar zu machen, seien jedenfalls vom Bestandsschutz nicht mehr gedeckt gewesen. Von durch Bestandsschutz gedeckten Reparaturarbeiten könne keine Rede mehr sein, wenn die Identität der baulichen Anlage nicht mehr erhalten bleibe. Letzteres sei der Fall, wenn der Eingriff in die Bausubstanz so intensiv sei, daß er eine statische Nachrechnung der gesamten Anlage notwendig mache. Eine solche Nachrechnung sei vorliegend jedenfalls für die Wiedernutzbarmachung des Gebäudes zu Wohnzwecken erforderlich gewesen, wie dem zitierten Gutachten W. zu entnehmen sei. Der Sachverständige habe es abgelehnt, eine Aussage über die Standsicherheit des Holztragwerks für einen möglichen voll ausgebauten Zustand des Gebäudes zu treffen, und lediglich die Standsicherheit des Holztragwerks im offenen Bauzustand ohne Dacheindeckung als ausreichend angesehen. Diese Darlegungen des Sachverständigen belegten, daß ein vollständiger Ausbau des Objekts zwecks Wiedernutzbarmachung zu Wohnzwecken ohne umfassende statische Nachrechnung der gesamten Anlage nicht möglich gewesen wäre. Ob das Verwaltungsgericht hiernach die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Beteiligten zu 1 gegen die Stillegungsverfügung zu Recht wiederhergestellt habe, erscheine zweifelhaft, könne aber letztlich dahinstehen. Jedenfalls stünden die eindeutigen Aussagen des Gutachtens W. der Einschätzung entgegen, das Gebäude habe noch im Rahmen des Bestandsschutzes für eine ordnungsgemäße Wohnnutzung wieder hergerichtet werden können. Das von den Beteiligten zu 1 ihrer Meinung nach nur "instandgesetzte" Gebäude sei demgemäß ein nicht vom Bestandsschutz gedeckter Schwarzbau, aus dessen letztlich nur geduldeter Existenz die Beteiligten zu 1 keine Baulandqualität ihres Grundstücks herleiten könnten.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.

aa) Mangels anderweitiger Feststellungen des Berufungsgerichts ist im Revisionsverfahren zu unterstellen, daß es sich bei dem Kotten um eine ursprünglich rechtmäßig errichtete bauliche Anlage handelte.

Ob der einmal begründete Bestandsschutz (vgl. Senatsurteil vom 10. Mai 1990 - III ZR 84/89 - NVwZ 1991, 403) bereits dadurch Anfang der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts erlosch, daß die Nutzung des Gebäudes bereits über mehrere Jahre aufgegeben worden war - wie das Berufungsgericht wohl meint -, ist zweifelhaft. Inwieweit eine bestimmte Art der Nutzung einer baulichen Anlage in ihrem Bestand geschützt ist, richtet sich danach, ob und gegebenenfalls in welchem Maße die bebauungsrechtliche Situation nach der Verkehrsauffassung als noch von dieser Nutzung geprägt erscheint. Vom Standpunkt eines objektiven Betrachters aus gesehen muß die Anlage in ihrer Umgebung für die bisher dort ausgeübte Nutzung noch offen sein. Der Bestandsschutz für eine bestimmte Art von Nutzung endet nicht notwendig schon mit deren faktischer Beendigung. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG räumt dem Berechtigten vielmehr zum Schutze des Vertrauens in den Fortbestand einer bisherigen Rechtsposition je nach den konkreten Einzelumständen eine gewisse Zeitspanne ein, innerhalb derer der Bestandsschutz nachwirkt und noch Gelegenheit besteht, an den früheren Zustand anzuknüpfen. Jedoch überwiegt das öffentliche Interesse an der Durchsetzung der veränderten bebauungsrechtlichen Ordnung, wenn der Berechtigte erkennbar von dem Bestandsschutz keinen Gebrauch mehr machen will. In einer für die Verkehrsauffassung besonders sinnfälligen Weise kommt die Beendigung einer bestimmten Art von Nutzung dadurch zum Ausdruck, daß der Berechtigte in dem Gebäude eine andersartige Nutzung aufnimmt und dies nach außen sichtbar wird (BVerwGNVwZ 1989, 667, 668; vgl. auch BVerwGE 47, 185, 189).

bb) Die Frage braucht nicht weiter vertieft zu werden, weil das Berufungsgericht - im Ansatz zutreffend - einen Wegfall des Bestandsschutzes auch im Hinblick darauf in Betracht gezogen hat, daß der Kotten sich 1981/1982 in einem desolaten, nicht mehr nutzbaren Zustand befand und in einen wieder bewohnbaren Zustand nur durch Bauarbeiten gebracht werden konnte, nach deren Art und Umfang keine Identität zwischen dem wiederhergestellten und dem ursprünglichen Bauwerk (vgl. zu diesem Erfordernis BVerwGE 47, 126, 128 ff; 61, 112, 116; 72, 362 f) mehr gegeben war. An der notwendigen Identität fehlt es, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, stets schon dann, wenn der mit der Instandsetzung verbundene Eingriff in den vorhandenen Bestand seiner Qualität nach so intensiv ist, daß er eine statische Nachrechnung des gesamten Gebäudes erforderlich macht (BVerwG aaO).

Das Berufungsgericht ist in nicht zu beanstandender tatrichterlicher Würdigung zu dem Ergebnis gelangt, daß im Streitfall eine solche statische Nachrechnung jedenfalls für die Wiedernutzbarmachung des Gebäudes zu Wohnzwecken erforderlich war. Die hiergegen gerichteten Rügen der Revision sind unbegründet. Zwar hat der Sachverständige W. keine Aussage zur Standsicherheit des Holztragwerks des Kottens für einen voll ausgebauten Zustand des Gebäudes gemacht, weil keine verbindlichen Ausbaupläne vorlagen und deshalb die vollständigen Belastungen nicht bekannt waren; gerade diese fehlende Beurteilungsmöglichkeit des Sachverständigen impliziert aber, daß eine isolierte baupolizeilich-statische Prüfung nicht möglich war und eine Nachrechnung des gesamten Gebäudes erforderlich wurde. Für die maßgebliche Frage der Identität zwischen dem ursprünglichen Gebäude und dem erneuerten Gebäude kommt es entgegen der Revision nicht auf eine Veränderung der statischen Verhältnisse im Vergleich zum ursprünglichen bestandsgeschützten Zustand an. Die Revision vermag auch aus dem Beschluß des Verwaltungsgerichts M. vom 18. Oktober 1983 nichts Gegenteiliges zu der Würdigung des Berufungsgerichts herzuleiten. Zwar wird in diesem Beschluß festgestellt, daß es sich bei den von den dortigen Antragstellern "vorgenommenen Maßnahmen" um nicht genehmigungspflichtige, vom Bestandsschutz gedeckte Reparaturen und Wiederherstellungsarbeiten gehandelt habe. Zugleich wird in dieser Entscheidung jedoch ausdrücklich offengelassen, "ob die Standsicherheit des Holztragwerks für einen voll ausgebauten Zustand des Gebäudes und eine Wiederbenutzung ausreichend ist ...".

cc) Die Revision rügt aber mit Recht, daß das Berufungsgericht die sich an die - die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Beteiligten zu 1 gegen eine Stillegungsverfügung wiederherstellende - Entscheidung des Verwaltungsgerichts M. vom 18. Oktober 1983 anschließenden Vorgänge nicht hinreichend in seine Beurteilung mit einbezogen hat. Diese waren dadurch geprägt, daß die Bauaufsichtsbehörde unter dem Eindruck der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht nur die ergangene Beseitigungsverfügung vom 11. Juni 1982 wie auch die Stillegungsverfügung vom 17. Mai 1983 aufgehoben, sondern auch in der Folgezeit - wie jedenfalls im Revisionsverfahren zu unterstellen ist - keine Einwendungen mehr gegen die - ebenfalls zu unterstellenden - seitens der Beteiligten zu 1 fortgesetzten und im Sinne der Herstellung einer Wohnnutzung abgeschlossenen Instandsetzungsarbeiten erhob.

Zwar begründet die bloße Duldung einer baulichen Anlage noch keine als Eigentum geschützte Rechtsposition. Die dem Eigentümer im Einzelfall unter dem Gesichtspunkt, daß hoheitliche Eingriffe grundsätzlich nicht über das zur Gefahrenabwehr oder sonst zum Schutz öffentlicher Interessen Erforderliche hinausgehen dürfen und es deshalb im Falle eines behördlichen Beseitigungsverlangens der Abwägung zwischen dem jeweils geschützten Interesse und den privaten Belangen des Betroffenen bedarf, tatsächlich auf absehbare Zeit verschaffte Möglichkeit, eine formell und materiell illegale Anlage oder Nutzung noch weiter aufrechtzuerhalten, wird nicht vom Eigentumsrecht aus Art. 14 GG umfaßt (Senatsurteil BGHZ 140, 285, 292 f). Im Streitfall läßt sich aber nicht ausschließen, daß die Bauaufsichtsbehörde mehr getan hat, als durch bloße Untätigkeit einen existenten baulichen Zustand zu dulden. Der Umstand, daß letztendlich eine Wiederherrichtung in einem Umfang, die eine Wohnnutzung ermöglichte, erfolgt ist, könnte dafür sprechen, daß dies seitens der Bauaufsichtsbehörde "sehenden Auges" geschehen ist. In diese Richtung weist etwa der Umstand, daß dem Bauaufsichtsamt im Jahre 1992 die wasserrechtliche Erlaubnis für die Entwässerung durch eine Klärgrube zur Kenntnis gegeben wurde (Vorgang in den Bauakten), ohne daß gegen diese - auch in dem Gutachten A. vom 25. Juli 1998 ausgewiesene - bauliche Maßnahme eingeschritten wurde. Auch im übrigen läßt sich nicht ausschließen, daß die Bauaufsichtsbehörde durch besonderes Verhalten den Beteiligten zu 1 gegenüber Veranlassung zu der Annahme gegeben hat, die Baumaßnahmen seien vom Bestandsschutz gedeckt, und diese im Vertrauen darauf Vermögensdispositionen getroffen haben. Bestätigt die Bauaufsichtsbehörde auf eine solche Weise den Bestandsschutz, kann das schützenswerte Vertrauen des Eigentümers in den Bestand das öffentliche Interesse an einer Beseitigung überwiegen und eine Beseitigungs- oder Nutzungsuntersagungsverfügung - auf Dauer - ausgeschlossen sein (vgl. OVG Rheinland-Pfalz BRS 36 Nr. 216). Auch in einem solchen Fall ist der Bau endgültig in seiner Substanz gesichert.

Die Beteiligten tragen zwar erst mit ihrer Revisionsbegründung ausdrücklich vor, die Renovierung sei "bauaufsichtlich begleitet" worden, ohne daß sich Beanstandungen ergeben hätten. Wie die Revision der Sache nach auch rügt, hätten aber die im gerichtlichen Verfahren angesprochenen beziehungsweise sich aus dort vorgelegten Unterlagen ergebenden Gesamtumstände dem Berufungsgericht (schon) wegen des im baulandgerichtlichen Verfahren geltenden Untersuchungsgrundsatzes Veranlassung geben müssen, von Amts wegen den weiteren Fortgang der "Instandsetzung" des Kottens (siehe etwa die Angaben in der "Baubeschreibung" des Gutachtens A. vom 25. Juli 1998) unter dem Blickwinkel aufzuklären, ob die Bauaufsichtsbehörde über die bloße Duldung des Bauwerks hinaus durch ihr Verhalten ein schutzwürdiges Vertrauen der Beteiligten zu 1 begründet hat.

2. Da demnach die bisherige Begründung des Berufungsgerichts die Ablehnung einer Entschädigung für das Grundstück nach Baulandqualität nicht trägt, ist seinem Urteil auch insoweit die Grundlage entzogen, als es die Berufung der Beteiligten zu 1 abgewiesen hat, ohne sich - aus seiner Sicht folgerichtig - mit deren Berufungsvorbringen zu befassen.

III.

Der Rechtsstreit ist in dem oben zu II angesprochenen Umfang noch nicht entscheidungsreif. Die Sache muß insoweit zur weiteren tatrichterlichen Beurteilung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden (§ 565 Abs. 1 ZPO a.F. i.V.m. § 221 Abs. 1 BauGB).

Ende der Entscheidung

Zurück