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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 19.11.2008
Aktenzeichen: IV AR(VZ) 1/08
Rechtsgebiete: ZPO, EGGVG


Vorschriften:

ZPO § 299 Abs. 2
EGGVG § 29 Abs. 1 Satz 2
EGGVG § 23
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

IV AR(VZ) 1/08

vom 19. November 2008

in dem Rechtsstreit

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, die Richterin Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch am 19. November 2008 beschlossen:

Tenor:

Die Sache wird zur weiteren Behandlung und Entscheidung an den 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München zurückgegeben.

Gründe:

I. Der Antragsteller, von Beruf Rechtsanwalt, erwirkte in eigener Sache vor dem Amtsgericht München gegen eine GmbH ein rechtskräftiges Versäumnisurteil über 3.500 € nebst Zinsen. Vollstreckungsversuche blieben erfolglos, da die GmbH laut Mitteilung des Gerichtsvollziehers unter der im Titel ausgewiesenen Münchener Anschrift nicht mehr geschäftsansässig war.

Der Antragsteller beantragte daraufhin bei der Antragsgegnerin, ihm als Gläubiger unter Angabe der Aktenzeichen und der Rubren mitzuteilen, welche Aktivprozesse die GmbH vor dem Landgericht München I führe und ihm anschließend gemäß § 299 Abs. 2 ZPO Einsichtnahme in die Prozessakten der betreffenden Verfahren auf der Geschäftsstelle des Landgerichts zu gewähren. Er sei auf diese Auskunft angewiesen, um die derzeitige Anschrift der Vollstreckungsschuldnerin in Erfahrung zu bringen, die er anderweit nicht habe ermitteln können, und sich über den Prozessstand und mögliche Vermögensgegenstände der GmbH zu informieren. Die Antragsgegnerin lehnte dies mit Schreiben vom 25. Juni 2008 mit der Begründung ab, das vom Antragsteller angeführte Interesse bestehe allein darin, Erkenntnisse für weitere Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu gewinnen, um seinen Zahlungsanspruch befriedigen zu können. Darin komme kein rechtliches, sondern lediglich ein wirtschaftliches Interesse zum Ausdruck, das eine Übermittlung der vom Antragsteller geforderten Angaben nicht zulasse.

Dagegen hat der Antragsteller am 13. Juli 2008 beim Oberlandesgericht Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. In ihrer Stellungnahme vom 19. August 2008 hat die Antragsgegnerin unter anderem dargelegt, die vom Antragsteller geforderte Übersicht über alle anhängigen Verfahren erfordere einen personellen Aufwand, den die Justizverwaltung nicht tragen könne, zumal auch datenschutzrechtliche Belange zu beachten und zu wahren seien. Überdies habe eine Überprüfung des Prozessregisters für den konkreten Fall gezeigt, dass die GmbH keine Aktivprozesse vor dem Landgericht München mehr führe. Seit dem Jahre 1992 seien vier Verfahren anhängig gewesen, für die die GmbH als klagende Partei verzeichnet gewesen sei. Sämtliche Verfahren seien mittlerweile in der Registratur weggelegt, das letzte am 4. Januar 2008. In zwei dieser abgeschlossenen Verfahren sei eine andere Adresse als die vom Antragsteller angegebene verzeichnet.

Der Antragsteller hat daraufhin erklärt, seine Anträge seien gestuft gestellt. Er erstrebe zunächst Auskunft über die von der GmbH vor dem Landgericht München I (derzeit) angestrengten Aktivprozesse, also nicht über Prozesse, die die GmbH in der Vergangenheit geführt habe. Erst danach werde er entscheiden, ob er Akteneinsicht benötige und - falls ja - in welche der Prozessakten. Die Frage, ob ihm überhaupt Akteneinsicht gewährt werden könne, brauche daher vorerst nicht entschieden zu werden.

II. Das Oberlandesgericht hält den Antrag im Ergebnis für statthaft und auch im weiteren für zulässig und möchte über ihn in der Sache entscheiden. Es hat dazu ausgeführt: Der Antrag sei nach seiner Auffassung zurückzuweisen, weil der Antragsteller nur ein wirtschaftliches, nicht aber ein rechtliches Interesse i.S. des § 299 Abs. 2 ZPO geltend mache. Durch die begehrte Auskunft und eine eventuell darauf folgende Akteneinsicht wolle der Antragsteller lediglich die Voraussetzungen schaffen, um die titulierte Forderung gegen die Vollstreckungsschuldnerin durchsetzen zu können, ohne dass ein rechtlicher Bezug zum Streitstoff etwaiger anhängiger Aktivprozesse der GmbH bestehe.

Mit dieser Auffassung sieht sich das Oberlandesgericht in einem - im einzelnen nicht aufgezeigten - Widerspruch zu den Entscheidungen des Kammergerichts Berlin vom 19. März 2008 (NJW 2008, 1748) sowie des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 19. April 2005 und vom 15. Juli 2004 (beide abgedruckt JurBüro 2005, 434). Es hat auf dieser Grundlage die Sache dem Bundesgerichtshof gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 EGGVG zur Entscheidung vorgelegt.

III. Die Vorlage ist nicht zulässig. Die Sache war daher an das Oberlandesgericht zur Behandlung und Entscheidung in eigener Zuständigkeit zurückzugeben.

1. Zu den Voraussetzungen einer zulässigen Vorlage nach § 29 Abs. 1 Satz 2 EGGVG gehört, dass das vorlegende Oberlandesgericht von einer aufgrund des § 23 EGGVG ergangenen Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen will. Dabei ist der Bundesgerichtshof an die Auffassung des Oberlandesgerichts gebunden, dass es einer Stellungnahme zu der von diesem herausgestellten Rechtsfrage bedarf (BGHZ 105, 395, 398). Unbeschadet dessen hat er zu prüfen, ob in der streitigen Rechtsfrage ein Abweichungsfall vorliegt. Das Erfordernis der Abweichung beinhaltet insbesondere, dass die begehrte Stellungnahme für die zu treffende Entscheidung des Falles erheblich sein muss. Dazu hat das Oberlandesgericht darzutun, dass die Befolgung der abweichenden, von ihm vertretenen Rechtsansicht zu einer anderen Fallentscheidung führen würde. Es ist also eine Abweichung im Ergebnis erforderlich, eine lediglich abweichende Begründung reicht nicht aus (vgl. Senatsbeschlüsse vom 16. Mai 2007 - IV AR(VZ) 5/07 - ZIP 2007, 1379 unter III 1; vom 23. September 1992 - IV ARZ (VZ) 1/92 - bei juris abrufbar Tz. 9; vom 22. September 1993 - IV ARZ (VZ) 1/93 - VersR 1994, 73 unter II 3; vom 18. Februar 1998 - IV AR(VZ) 2/97 - ZIP 1998, 961 unter II 1).

2. An einer solchen Darlegung fehlt es hier; eine Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Rechtsfrage wird auch sonst nicht erkennbar. Das vorlegende Oberlandesgericht berücksichtigt nicht, dass die Antragsgegnerin die vom Antragsteller erstrebten Angaben bereits gemacht hat. Sie hat in ihrer dem Antragsteller zur Kenntnis gelangten Stellungnahme vom 19. August 2008 mitgeteilt, dass anhängige Aktivprozesse der GmbH im Register des Landgerichts München I nicht verzeichnet sind. Damit hat der Antragsteller die begehrte Auskunft erhalten. Da seinem Auskunftsinteresse insoweit genügt ist, hat sich sein Gesuch erledigt, ohne dass das Oberlandesgericht auf diesen Umstand eingegangen ist oder in anderer Weise aufgezeigt hat, dass es auf die von ihm vorgelegte Rechtsfrage noch ankommt und es dazu einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs bedarf. Soweit es um den angeführten Beschluss des Kammergerichts geht, ist dies ersichtlich nicht der Fall, weil darin (aaO unter II 6 = Tz. 19) die Rechtsfrage, die dem Oberlandesgericht Anlass zur Divergenzvorlage gegeben hat, ausdrücklich als nicht entscheidungserheblich bezeichnet worden ist.



Ende der Entscheidung

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