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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 18.12.2002
Aktenzeichen: IV ZB 23/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 238 Abs. 2
ZPO § 519b Abs. 1 Satz 2 a.F.
ZPO § 522 Abs. 1 Satz 4
ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IV ZB 23/02

vom

18. Dezember 2002

in dem Rechtsstreit

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting und Seiffert, die Richterin Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch

am 18. Dezember 2002

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluß des 19. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 25. April 2002 aufgehoben.

Dem Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung gewährt.

Beschwerdewert : 7.889,07 € (15.423,82 DM).

Gründe:

I. Das der Klage stattgebende Urteil des Landgerichts ist dem Beklagtenvertreter am 9. Oktober 2001 zugestellt worden. Am Montag, dem 12. November 2001, ging seine auf den 8. November 2001 datierte Berufungsschrift beim Berufungsgericht ein. Nachdem dieses - eingehend beim Beklagtenvertreter am 20. Dezember 2001 - darauf hingewiesen hatte, daß die Berufungsschrift verspätet eingegangen sei, hat der Beklagte durch am 3. Januar 2002 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz dagegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten hat zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs versichert, er habe den Ablauf der Berufungsfrist ordnungsgemäß für den 9. November 2001 notiert und nicht nur die Berufungsschrift am 8. November 2001 gefertigt, sondern im weiteren auch überwacht, daß der Schriftsatz versendungsfertig in die Postausgangschale der Kanzlei gelegt worden sei. Die darin liegende Ausgangspost werde nach seiner Anweisung von denjenigen Mitarbeitern mitgenommen, die die Kanzlei bei Dienstschluß um 16.00 Uhr verließen. Die Post werde dann in einen Briefkasten am Nachbarhaus der Kanzlei eingeworfen. Er habe sich am 8. November 2001 persönlich davon überzeugt, daß der Berufungsschriftsatz nach 16.00 Uhr nicht mehr im Postausgangsfach gelegen habe.

Mit Beschluß vom 25. April 2002 hat das Berufungsgericht die Wiedereinsetzung versagt und die Berufung gemäß § 519b Abs. 1 Satz 2 ZPO a.F. als verspätet verworfen. Es hat einen dem Beklagten zurechenbaren Mangel der anwaltlichen Büroorganisation angenommen. Denn mit der anwaltlichen Anweisung, Post des Postausgangsfachs der Kanzlei sei von Mitarbeitern - meist Auszubildenden - mitzunehmen und in einen nahegelegenen Briefkasten zu werfen, welche die Kanzlei bei Dienstschluß um 16.00 Uhr verließen, sei nicht festgelegt, welcher Mitarbeiter jeweils konkret mit diesem Botendienst betraut sei. Es sei auch nicht gewährleistet, daß eine ausreichende Belehrung des betreffenden Mitarbeiters über die besondere Sorgfalt im Umgang mit Fristsachen und eine stichprobenartige Kontrolle der Zuverlässigkeit der Auszubildenden erfolge.

II. Die gemäß §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 238 Abs. 2, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO n.F. statthafte Rechtsbeschwerde des Beklagten ist zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, von der im Ansatz auch das Berufungsgericht ausgeht, muß der Prozeßbevollmächtigte dafür sorgen, daß ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig hergestellt wird und innerhalb der Frist bei Gericht eingeht. Im Rahmen der dafür erforderlichen Fristenkontrolle (vgl. dazu BGH, Urteil vom 11. Januar 2001 - III ZR 148/00 - NJW 2001, 1577 = VersR 2002, 380 unter II 1 m.w.N.) muß der Rechtsanwalt durch organisatorische Maßnahmen auch gewährleisten, daß für den Postversand vorgesehene Schriftstücke zuverlässig auf den Postweg gebracht werden. Das ist im allgemeinen dann gewährleistet, wenn durch die Kanzleiorganisation sichergestellt wird, daß der fristwahrende Schriftsatz in ein Postausgangsfach der Kanzlei als "letzter Station auf dem Weg zum Adressaten" eingelegt und von dort unmittelbar zum Briefkasten gebracht wird. Einer zusätzlichen Ausgangskontrolle bedarf es dann nicht mehr (BGH aaO. m.w.N.). Der Bundesgerichtshof hat in diesem Zusammenhang die allgemeine Anweisung eines Rechtsanwalts, die in einem solchen Postausgangsfach liegende Post von Mitarbeitern zweimal täglich frankieren und (ohne weiteren Zwischenschritt) am selben Tag zum Briefkasten bringen zu lassen, als ausreichend angesehen (BGH aaO unter II. 2).

2. Gemessen daran hat das Berufungsgericht die Sorgfaltspflichten des Rechtsanwalts für die Kontrolle ausgehender fristgebundener Post überspannt. Seine Forderung, es müsse gewährleistet sein, daß sich der jeweilige Auftrag, Post aus dem Postausgangsfach zu entnehmen und in den am Nachbarhaus der Kanzlei angebrachten Briefkasten zu werfen, stets an einen konkret identifizierbaren Kanzleimitarbeiter richte, übersieht, daß es insoweit um Botendienste einfachster Art geht (vgl. dazu auch BGH, Beschluß vom 3. Juli 1992 - V ZB 11/92 - BGHR ZPO § 233 Büropersonal 5 unter 1.). Sie verlangen den damit betrauten Personen keine weitergehenden eigenen Entscheidungen ab und können deshalb von jedermann - und insbesondere auch von Auszubildenden einer Rechtsanwaltskanzlei - geleistet werden, ohne daß es hierfür einer weitergehenden Belehrung über die besonderen Sorgfaltspflichten im Umgang mit fristgebundenen Schriftsätzen bedarf. Der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten ist deshalb den genannten Anforderungen an eine Kanzleiorganisation ausreichend gerecht geworden.

Er hat überdies glaubhaft gemacht, daß er nicht nur das Einlegen der versandfertigen Berufungsschrift in das Postausgangsfach der Kanzlei überwacht, sondern sich darüber hinaus davon überzeugt hatte, daß das Fach am 8. November nach 16.00 Uhr geleert war.

Ende der Entscheidung

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