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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 24.05.2006
Aktenzeichen: IV ZB 47/05
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 317 | |
ZPO § 519 |
Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist auch gegeben, wenn die Rechtsmittelschrift zwar unvollständige oder unrichtige Angaben enthält, das wirklich Gewollte für Gericht und Prozessgegner aber zutage tritt.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 24. Mai 2006
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Richter Seiffert, Dr. Schlichting, Wendt, die Richterin Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch
am 24. Mai 2006
beschlossen:
Tenor:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 14. Dezember 2005 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 22. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 29. April 2004 als unzulässig verworfen worden ist.
Die Sache wird im Umfang ihrer Aufhebung zur erneuten Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
Wert: 74.581,20 €
Gründe:
I. Die Parteien und weitere Miterben streiten um den Nachlass ihrer Mutter und Großmutter, der im Jahre 2001 verstorbenen Erblasserin E. G. ; diese hatte die Klägerin zur Testamentsvollstreckerin bestimmt. Das Landgericht verurteilte die Beklagte, an die Klägerin als Erbin 74.581,20 € nebst Zinsen zu zahlen. Eine seitens der Beklagten gegen die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Testamentsvollstreckerin erhobene Widerklage wies es ab.
Die Urschrift des am 29. April 2004 verkündeten Urteils weist im Rubrum "Frau A. L. " als "Klägerin und Widerbeklagte" sowie "Frau E. K. " als "Beklagte und Widerklägerin" aus. Das Rubrum wurde von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle eigenmächtig geändert. Der Beklagten wurde am 4. Mai 2004 eine Ausfertigung zugestellt, in der die Parteibezeichnungen "Widerklägerin" und "Widerbeklagte" im Rubrum fehlen und es dort nunmehr "Frau A. L. als Testamentsvollstreckerin über den Nachlass der Frau E. G. " heißt. In der Entscheidung selbst hatte das Landgericht ausgeführt, die Klägerin habe den Rechtsstreit zwar als Testamentsvollstreckerin begonnen, dann aber - nach sachdienlicher Klagänderung - als Erbin im eigenen Namen fortgeführt und auf Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft gemäß Teilungsplan vom 9. September 2003 geklagt; die Miterben hätten ihre Ansprüche an sie abgetreten und die Klägerin zudem zum Einzug der Forderung gegenüber der Beklagten ermächtigt. Die Widerklage über 12.955,48 € nebst Zinsen sei hingegen gegenüber der Klägerin als Testamentsvollstreckerin erhoben.
Die zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Beklagten legten gegen das von ihnen im Einzelnen näher bezeichnete und in Ablichtung beigefügte Urteil mit einem am 21. Mai 2004 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung ein und führten im Rubrum "Frau A. L. als Testamentsvollstreckerin über den Nachlass der Frau E. G. " auf. Sie begründeten das Rechtsmittel nach entsprechender Fristverlängerung mit einem weiteren, am 2. August 2004 eingegangenen Schriftsatz und kündigten die Anträge an, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen und die Klägerin auf die Widerklage entsprechend dem erstinstanzlichen Antrag zu verurteilen.
Mit Verfügung vom 13. April 2005 wies das Berufungsgericht die Beklagte auf die Abweichung der Ausfertigung von der Urschrift des landgerichtlichen Urteils und zudem darauf hin, dass die Berufung allein gegen die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Testamentsvollstreckerin eingelegt sei. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle erstellte im Nachfolgenden eine mit der Urschrift übereinstimmende Ausfertigung, die dem erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 20. Mai 2005 zugestellt wurde. Bereits am 2. Mai 2005 hatten die zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Beklagten die Berichtigung des "Rubrums des Berufungsverfahrens" dahin beantragt, dass "Frau A. L. " als "Klägerin, Widerbeklagte und Berufungsbeklagte" aufzuführen sei. Sie beantragten ferner Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist und legten am selben Tage mit gesondertem Schriftsatz Berufung ein gegen "Frau A. L. " als "Klägerin, Widerbeklagte und Berufungsbeklagte", wobei sie das Rechtsmittel zugleich begründeten.
Das Berufungsgericht hat eine Berichtigung des "Rubrums des Berufungsverfahrens" abgelehnt, hingegen das Rubrum der Urschrift des landgerichtlichen Urteils gemäß § 319 Abs. 1 ZPO berichtigt. Partei des Rechtsstreits in erster Instanz sei (als Widerbeklagte) auch "Frau A. L. als Testamentsvollstreckerin über den Nachlass der Frau E. G. ". Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten - unter Versagung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - als unzulässig verworfen, soweit sich das Rechtsmittel gegen die Verurteilung zur Zahlung richtete. Soweit die Beklagte das landgerichtliche Urteil wegen Abweisung ihrer Widerklage angreife, sei die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beklagte mit ihrer Rechtsbeschwerde, soweit er die Verwerfung ihres Rechtsmittels als unzulässig zum Gegenstand hat.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V. mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO zulässig, weil die Entscheidung des Berufungsgerichts die Beklagte in ihren Verfahrensgrundrechten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) sowie auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG) verletzt und der angegriffene Beschluss hierauf beruht (BGHZ 154, 288, 296; 159, 135, 139 ff. zu § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Sie ist auch begründet.
1. Das Berufungsgericht hat zur Verwerfung des Rechtsmittels als unzulässig im Wesentlichen ausgeführt: Die Berufungsschrift weise eindeutig (nur) A. L. als Testamentsvollstreckerin aus. Daraus folge, dass die Beklagte ihr Rechtsmittel gegen die Klägerin als Erbin nicht fristgerecht eingelegt habe. Zwar sei die Zustellung am 4. Mai 2004 nicht ordnungsgemäß erfolgt, weil die Ausfertigung von der Urschrift gravierend abweiche. Davon unabhängig sei jedoch mit Urteilsverkündung am 29. April 2004 die fünfmonatige Ausschlussfrist des § 517 Halbs. 2 ZPO in Lauf gesetzt worden; diese Frist zur Einlegung der Berufung habe am 29. Oktober 2004 geendet. Die am 21. Mai 2004 eingegangene Berufungsschrift sei gegen die falsche Partei - die Klägerin als Testamentsvollstreckerin - gerichtet gewesen, die am 2. Mai 2005 eingelegte Berufung außerhalb der Frist des § 517 ZPO eingegangen. Wiedereinsetzung habe der Beklagten nicht gewährt werden können, weil die Fristversäumnis auf dem - ihr zuzurechnenden - Verschulden der zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten beruhe. Spätestens bei Abfassung der Berufungsbegründung am 30. Juli 2004 wäre es deren Aufgabe gewesen, beide - ihnen in vollständiger Ablichtung vorliegende - Aktenbände durchzuarbeiten. Es habe - wie unentschuldbar vorgetragen werde - nicht genügt, sich allein mit dem ersten Band zu befassen, der mit dem landgerichtlichen Sitzungsprotokoll ende. Bei Wahrung der erforderlichen anwaltlichen Sorgfalt wäre die Abweichung der Urschrift von der zugestellten Ausfertigung bemerkt worden. Dass diese Abweichung auch den erkennenden Richtern des Berufungssenats selbst erst nach Ablauf der Frist des § 517 ZPO im April 2005 aufgefallen sei, ändere nichts, weil ohnehin keine Verpflichtung bestanden habe, die Beklagte auf die drohende Versäumung der Berufungsfrist hinzuweisen.
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung unter keinem Gesichtspunkt stand.
a) Dem Berufungsgericht ist schon darin nicht zu folgen, dass die am 4. Mai 2004 bewirkte Zustellung nicht geeignet gewesen ist, die Frist zur Einlegung der Berufung in Lauf zu setzen. Der Wirksamkeit der Zustellung stand insbesondere nicht entgegen, dass die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in die von ihr erstellte Ausfertigung ein mit der Urschrift nicht übereinstimmendes Rubrum aufgenommen hat.
Für die Zustellung als Voraussetzung für den Beginn der Rechtsmittelfrist kommt es entscheidend auf äußere Form und Inhalt der zur Zustellung verwendeten Ausfertigung an; bei Abweichungen ist die Ausfertigung maßgeblich, weil allein sie nach außen in Erscheinung tritt und die beschwerte Partei ihre Rechte nur anhand der Ausfertigung wahrnehmen kann und muss (BGH, Beschluss vom 24. Januar 2001 - XII ZB 75/00 - VersR 2002, 464 unter 2 c). Ist in der Ausfertigung ein Mangel enthalten, kann er sich aber auf die Urteilszustellung nicht schwerwiegender auswirken, als wenn er bereits in der Urschrift des Urteils enthalten gewesen wäre. Die Wirksamkeit der Zustellung wird nicht berührt, wenn es sich um einen Fehler handelt, der - wäre er bei der Urteilsabfassung unterlaufen - gemäß § 319 ZPO hätte korrigiert werden können. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, ob die zugestellte Ausfertigung formell und inhaltlich geeignet war, der Partei die Entschließung über die Notwendigkeit der Einlegung eines Rechtsmittels zu ermöglichen, weil sich ein Fehler in der Sphäre des Gerichts nicht als eine Beeinträchtigung oder gar Vereitelung der Rechtsmittelmöglichkeit auswirken darf. Der Zustellungsempfänger muss aus der Ausfertigung wenigstens den Inhalt der Urschrift und vor allem den Umfang seiner Beschwer und die tragenden Entscheidungsgründe erkennen können. Das landgerichtliche Urteil muss in der Fassung, in der es zugestellt wird, die Grundlage für das weitere prozessordnungsgemäße Handeln der Partei bilden können (BGHZ 67, 284, 288; 113, 228, 231; BGH, Beschluss vom 30. September 1981 - IVb ZB 805/81 - VersR 1982, 70; Urteil vom 10. März 1981 - VI ZR 236/79 - VersR 1981, 548 unter II 1; Beschlüsse vom 13. April 2000 - V ZB 48/99 - NJW-RR 2000, 1665 unter II 1; vom 24. Juni 2003 - VI ZB 10/03 - FamRZ 2003, 1380 unter II 2).
Hier konnte die Beklagte - unbeschadet des Aktivrubrums - anhand des Tenors der ihr zugestellten Urteilsausfertigung erkennen, dass das Landgericht sie zur Zahlung von 74.581,20 € nebst Zinsen verurteilt und ihre Widerklage in Höhe von 12.955,48 € nebst Zinsen abgewiesen hatte. An ihrer sich daraus ergebenden Beschwer konnte kein Zweifel bestehen. Den Entscheidungsgründen war dazu ohne weiteres zu entnehmen, dass die Klägerin den Klaganspruch - nach Klagänderung - im eigenen Namen verfolgte. Weil die Beklagte ihrerseits die Widerklage gegen die Klägerin als Testamentsvollstreckerin erhoben hatte, war das Rubrum zudem nicht unrichtig, sondern aus Sicht der Beklagten lediglich unvollständig. Diese Unvollständigkeit betraf indes nicht das Urteil insgesamt, weil Tenor und Entscheidungsgründe ergaben, dass der Klageanspruch durch das Landgericht beschieden worden war. Es handelte sich bei der Unvollständigkeit des Rubrums um ein nach § 319 ZPO korrigierbares Versehen, das das Berufungsgericht mit Beschluss vom 14. Dezember 2005 für die Urschrift auch korrigiert hat, die ebenfalls unvollständig war, weil sie - anders als die später erstellte Ausfertigung - die Klägerin nicht zugleich als Testamentsvollstreckerin, sondern ausschließlich als Erbin aufführte.
b) Mithin lief die Frist zur Einlegung der Berufung schon von der Zustellung der ersten Ausfertigung am 4. Mai 2004 an. Die später durch das Berufungsgericht und durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vorgenommenen Berichtigungen ändern daran nichts. Der auf die Urschrift bezogene Berichtigungsbeschluss des Berufungsgerichts wirkt auf die Zeit der Verkündung des Urteils zurück; dessen geänderte Fassung gilt als die ursprüngliche (BGHZ 89, 184, 186; 113, 228, 230; BGH, Urteil vom 5. Mai 1993 - XII ZR 44/92 - FamRZ 1993, 1424 unter 1 b).
c) Es kommt daher allein darauf an, ob die Beklagte am 21. Mai 2004 eine ordnungsgemäße Berufungsschrift eingereicht hat. Das ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts zu bejahen.
Zwar muss nach § 519 Abs. 2 Nr. 1 ZPO das angefochtene Urteil so bestimmt bezeichnet sein, dass sich das angerufene Gericht noch innerhalb der Berufungsfrist über dessen Identität Gewissheit verschaffen kann. Dazu gehört die Bezeichnung der Partei, gegen die sich das Rechtsmittel richtet (BGH, Beschlüsse vom 21. März 1991 - IX ZB 6/91 - NJW 1991, 2081 unter II 1; vom 30. Mai 2000 - VI ZB 12/00 - VersR 2000, 1299 unter 1). Ein Rechtsmittel darf jedoch nicht an unvollständigen oder fehlerhaften Angaben scheitern, wenn für Gericht und Prozessgegner das wirklich Gewollte zutage tritt (BGH, Beschluss vom 16. Juli 1998 - VII ZB 7/98 - VersR 1998, 1529 unter 1 a). Nicht jede Ungenauigkeit, die eine Berufungsschrift bei einzelnen Angaben enthält, führt zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels. Fehlerhafte oder - wie hier - unvollständige Angaben schaden nicht, wenn aufgrund der sonstigen Umstände nicht zweifelhaft bleibt, welches Urteil angefochten wird und in welchem Umfang dies der Fall ist. Den unvollständigen Angaben kommt jedenfalls dann keine ausschlaggebende Bedeutung mehr zu, wenn der Rechtsmittelführer - wie geschehen - in der Berufungsschrift auf die beigefügte Ablichtung der angefochtenen Entscheidung verweist. Es wird spätestens dadurch hinreichend deutlich erkennbar, dass sich das Rechtsmittel gegen das beigefügte Urteil richtet (BGH, Beschluss vom 12. April 1989 - IVb ZB 23/89 - FamRZ 1989, 1063 unter II).
Hinzu tritt: Die Beklagte hat ihre Rechte anhand der ihr zugestellten - und in Ablichtung zur Berufungsschrift genommenen - Ausfertigung wahrgenommen. Ebenso wie für die Beklagte bei Zustellung der Ausfertigung war für das Berufungsgericht aus dem Tenor und den Entscheidungsgründen des landgerichtlichen Urteils das Ausmaß des Obsiegens und Unterliegens der Beklagten erkennbar. Insoweit wurde dem angerufenen Rechtsmittelgericht nicht mehr abverlangt als zuvor der Partei bei Bekanntgabe der landgerichtlichen Entscheidung. Ein Berufungsgericht ist gehalten, bei fehlerhafter oder unvollständiger Parteibezeichnung Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen (und beigefügten) Urteils für die Auslegung der Berufungsschrift heranzuziehen (BGH, Beschluss vom 30. Mai 2000 aaO unter II 2). Dabei ist im Zweifel dasjenige gewollt, was nach dem Maßstab der Rechtsordnung vernünftig ist und dem recht verstandenen Interesse der Partei entspricht (Senatsurteil vom 14. Dezember 2005 - IV ZR 96/04 - bei juris abrufbar unter II 1). Anhaltspunkte, dass sich die Beklagte entgegen der aus dem landgerichtlichen Urteil erkennbaren Beschwer mit ihrem Berufungsangriff auf die Abweisung der Widerklage beschränken wollte, waren nicht ersichtlich. Das von der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 21. Mai 2004 verwendete Rubrum konnte eine solche Annahme gerade nicht nahe legen, weil es genau dem aus der ihr zugestellten Ausfertigung entsprach (vgl. BGH, Urteil vom 3. April 1996 - VIII ZR 54/95 - VersR 1996, 752 unter II 1 und 2).
3. Aber auch vom eigenen Standpunkt des Berufungsgerichts aus, am 4. Mai 2004 sei eine wirksame Zustellung nicht bewirkt worden, ergibt sich für die Zulässigkeit der Berufung kein anderes Ergebnis.
a) Ist das Urteil - wie vom Berufungsgericht bejaht - in seiner der Partei zugestellten Ausfertigung nicht klar genug, um die Grundlage für das weitere Handeln der Parteien zu bilden, beginnt mit der Bekanntmachung des Berichtigungsbeschlusses eine neue Rechtsmittelfrist zu laufen (BGHZ 17, 149, 151; BGH, Urteil vom 5. Mai 1993 aaO; vgl. auch BGHZ 89, 184, 187 f.). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass Verfahrensregeln nicht um ihrer selbst Willen, sondern wesentlich auch im Interesse der Beteiligten geschaffen werden. Der Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen darf nicht in einer Weise gehindert werden, die aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigen ist. Der Irrtum eines Gerichts oder - wie hier - das eigenmächtige Handeln eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle dürfen sich nicht dahin auswirken, dass Rechtsmittelmöglichkeiten erschwert oder ausgeschlossen werden (vgl. BGHZ 113, 228, 231 f.).
Das bedeutet hier: Wäre schon die am 20. Mai 2005 erfolgte Zustellung der durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle berichtigten Ausfertigung des landgerichtlichen Urteils ausreichend, um eine weitere Rechtsmittelfrist in Lauf zu setzen, hätte die Beklagte mit Schriftsatz vom 2. Mai 2005 eine weitere Berufungsschrift eingereicht, in der die Klägerin als Erbin aufgeführt war. Ist hingegen der förmliche Berichtigungsbeschluss des Berufungsgerichts vom 14. Dezember 2005 entscheidend, weil erst dieser erkennen lässt, dass die Klägerin als Testamentsvollstreckerin und als Erbin am Rechtsstreit beteiligt war, so hätte das Berufungsgericht mit der Berichtigung des landgerichtlichen Urteils nicht die Verwerfung des Rechtsmittels als unzulässig verbinden dürfen, weil erst mit Bekanntgabe des Berichtigungsbeschlusses die Berufungsfrist (erneut) in Gang gesetzt worden wäre. Zudem hätte das Berufungsgericht dem Umstand Beachtung schenken müssen, dass schon seit dem 2. Mai 2005 eine gegen "Frau A. L. " gerichtete zweite Berufungsschrift vorlag. In beiden Fällen wäre die Berufung zulässig, weil fristgerecht eingelegt gewesen.
b) Auf die vom Berufungsgericht erörterten Fragen des § 517 ZPO kommt es nicht an. Unbeschadet dessen wäre auch eine am 29. Oktober 2004 ablaufende Berufungsfrist durch die Beklagte gewahrt. Mit Einreichung der Berufungsbegründung am 2. August 2004 mussten aus Sicht des Berufungsgerichts letzte Zweifel beseitigt sein, dass die Beklagte das landgerichtliche Urteil in vollem Umfang angreifen wollte. Das ergab sich aus den angekündigten Berufungsanträgen, in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung die Klage abzuweisen und der Widerklage stattzugeben. Die Einreichung der Berufungsbegründung innerhalb der Frist des § 517 Halbs. 2 ZPO wäre als Wiederholung der Berufung aufzufassen gewesen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Dezember 1969 - VIII ZB 43/69 - VersR 1970, 184).
c) Zu Weiterem musste sich die Beklagte nicht veranlasst sehen. Es war nicht ihre Sache - und erst recht kann daraus kein anwaltliches Verschulden ihrer zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten abgeleitet werden -, bei Fertigung der Berufungsbegründung die gesamten Prozessakten erneut durchzusehen und die ihr zugestellte Ausfertigung mit der darin enthaltenen Urschrift auf Abweichungen zu vergleichen. Die berufungsführende Partei hat ein Recht darauf, Akteneinsicht zu nehmen, ohne dass indes eine entsprechende Verpflichtung dazu bestünde. Sie darf sich bei ihrer Einsichtnahme auf den Akteninhalt beschränken, der aus ihrer Sicht für die Erstellung der Berufungsbegründung von Bedeutung ist. Sie ist nicht gehalten, bei dieser Gelegenheit Versäumnisse, Kompetenzüberschreitungen oder sonstige Fehler aufzudecken, die in den Verantwortungs- und Organisationsbereich des Gerichts und seiner Hilfspersonen fallen. Das ist vornehmlich Aufgabe des Gerichtes selbst, das sich ihr erstmals im April 2005 unterzogen hat.
Ende der Entscheidung
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