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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 18.02.2004
Aktenzeichen: IV ZR 126/02
Rechtsgebiete: VVG, AVB f. Haftpflichtvers.
Vorschriften:
VVG § 149 | |
VVG § 150 | |
VVG § 152 | |
AVB f. Haftpflichtvers. (AHB) § 4 II 1 |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 18. Februar 2004
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, die Richterin Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung vom 18. Februar 2004
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 6. Februar 2002 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger verlangt für einen von seinem mitversicherten Stiefsohn durch Brandstiftung verursachten Schaden Deckungsschutz aus einer seit 1979 beim Beklagten bestehenden Privathaftpflichtversicherung, der die Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) zugrunde liegen.
In den frühen Morgenstunden des 6. September 1997 zündete der Stiefsohn des Klägers die Ladung eines in der Remise eines Scheunengebäudes stehenden Heuwagens an. Das Feuer breitete sich aus und zerstörte das gesamte Gebäude nebst Inhalt. Der Beklagte verweigerte mit Schreiben vom 11. Juni 1999 Deckungsschutz mit der Begründung, nach § 4 II 1 AHB seien Ansprüche der Personen, die den Schaden vorsätzlich herbeigeführt haben, vom Versicherungsschutz ausgeschlossen.
Der Geschädigte erhob im Oktober 1999 gegen den Stiefsohn des Klägers Klage auf Ersatz des Gebäudeschadens, die zu einem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Dortmund vom 17. Oktober 2000 auf Zahlung von 86.000 DM nebst Zinsen führte. Das Landgericht hat den auf § 823 Abs. 1 BGB gestützten Anspruch damit begründet, der Stiefsohn des Klägers habe das Heu auf dem in der Scheune abgestellten Wagen vorsätzlich entzündet und die vollständige Zerstörung der Scheune auch grob fahrlässig herbeigeführt.
Der Kläger ist der Ansicht, der Beklagte könne sich wegen der Bindungswirkung des Haftpflichturteils nicht darauf berufen, der Vorsatz seines Stiefsohnes habe auch den Gebäudeschaden umfaßt. Insoweit habe das Landgericht Dortmund festgestellt, daß nur grobe Fahrlässigkeit vorliege, Vorsatz demgemäß nicht festgestellt, sondern damit implizit ausgeschlossen sei. Daran sei das Gericht im Deckungsprozeß gebunden.
Mit seiner Revision verfolgt der Kläger den in den Vorinstanzen erfolglos gebliebenen Antrag auf Gewährung von Deckungsschutz weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg. Der Versicherungsschutz ist nach § 4 II 1 Satz 1 AHB ausgeschlossen, weil der Stiefsohn des Klägers den durch das Anzünden des Heus verursachten gesamten Schaden vorsätzlich herbeigeführt hat.
I. Das Berufungsgericht (VersR 2002, 1369) hält es übereinstimmend mit dem Landgericht für erwiesen, daß sich der Vorsatz des Stiefsohnes des Klägers nicht darauf beschränkte, lediglich das auf dem Wagen gelagerte Heu zu entzünden, sondern daß er die Ausweitung des Feuers zumindest als möglich vorhergesehen und die Inbrandsetzung des gesamten Gebäudes nebst Inhalt zumindest billigend in Kauf genommen hat. Diese Feststellung greift die Revision nicht an.
II. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist der Beklagte durch das Urteil des Landgerichts Dortmund im Haftpflichtprozeß nicht daran gehindert, sich gegenüber dem Kläger darauf zu berufen, sein Stiefsohn habe den Gebäudeschaden vorsätzlich herbeigeführt. Zwar entfalte das Urteil im Haftpflichtprozeß Bindungswirkung für den nachfolgenden Deckungsprozeß. Dadurch werde verhindert, daß die Grundlagen der Entscheidung im Haftpflichtprozeß nochmals zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer in Frage gestellt würden. Das Landgericht Dortmund sei in seinem Urteil davon ausgegangen, der Stiefsohn des Klägers habe die vollständige Zerstörung der Scheune grob fahrlässig herbeigeführt. Vorsatz und Fahrlässigkeit seien zwei unterschiedliche Begehungsformen, die bei ein- und derselben Handlung nicht zugleich vorliegen könnten. Mit der Feststellung grober Fahrlässigkeit sei folglich Vorsatz verneint worden, ohne daß es dazu besonderer Ausführungen bedurft hätte. An diesen Vorsatzausschluß hinsichtlich des Schadensumfangs sei der Senat im Deckungsprozeß aber nicht gebunden, weil es insoweit an der Voraussetzungsidentität fehle. Für die Entscheidung im Haftpflichtprozeß sei es unerheblich gewesen, ob der Gebäudeschaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht worden sei. Für die Verurteilung wäre ausreichend gewesen, daß das Heu vorsätzlich angezündet und das Übergreifen des Feuers auf die gesamte Scheune dadurch adäquat kausal herbeigeführt worden sei. Eine Bindungswirkung der Feststellungen im Haftpflichtprozeß entstehe in dem Umfang, wie die festgestellten Tatsachen für beide Verfahren gleichermaßen von Bedeutung seien, d.h. nur bei Voraussetzungsidentität. Es sei zwar Aufgabe des Haftpflichtprozesses, über alle tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen des Haftpflichtanspruchs zu befinden, nicht jedoch, darüber hinaus Feststellungen zum Innenverhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer zu treffen, die für den Haftpflichtanspruch ohne Bedeutung seien.
III. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
1. Der Senat folgt der Ansicht des Berufungsgerichts, daß Feststellungen im vorangegangenen Haftpflichtprozeß zwischen dem Geschädigten und dem Versicherungsnehmer (oder dem Versicherten) im nachfolgenden Deckungsprozeß zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer Bindungswirkung nur bei Voraussetzungsidentität entfalten. Nach dem in der Haftpflichtversicherung geltenden Trennungsprinzip ist grundsätzlich im Haftpflichtprozeß zu entscheiden, ob und in welcher Höhe der Versicherungsnehmer dem Dritten gegenüber haftet (BGH, Urteil vom 20. Juni 2001 - IV ZR 101/00 - VersR 2001, 1103 unter II 2 a m.w.N.). Notwendige Ergänzung des Trennungsprinzips ist die Bindungswirkung des rechtskräftigen Haftpflichturteils für den nachfolgenden Deckungsrechtsstreit. Damit wird verhindert, daß die im Haftpflichtprozeß getroffene Entscheidung und die zugrunde liegenden Feststellungen im Deckungsprozeß erneut überprüft werden können (BGH aaO unter II 2 b m.w.N.). Die Bindungswirkung geht aber nicht weiter, als sie danach geboten ist (BGH, Urteil vom 12. Februar 1969 - IV ZR 539/68 - VersR 1969, 413 unter III b). Geboten ist die Bindungswirkung nur insoweit, als eine für die Entscheidung im Deckungsprozeß maßgebliche Frage sich auch im Haftpflichtprozeß nach dem vom Haftpflichtgericht gewählten rechtlichen Begründungsansatz bei objektiv zutreffender rechtlicher Würdigung als entscheidungserheblich erweist, also Voraussetzungsidentität vorliegt. Nur dann ist es gerechtfertigt anzunehmen, eine Feststellung sei Grundlage für die Entscheidung im Haftpflichtprozeß. Die Begrenzung der Bindungswirkung auf Fälle der Voraussetzungsidentität ist insbesondere deshalb geboten, weil der Versicherungsnehmer und der Versicherer keinen Einfluß darauf haben, daß der Haftpflichtrichter "überschießende", nicht entscheidungserhebliche Feststellungen trifft oder nicht entscheidungserhebliche Rechtsausführungen macht (vgl. zur fehlenden Interventionswirkung nach § 68 ZPO bei sogenannten überschießenden Feststellungen BGH, Beschluß vom 27. November 2003 - V ZB 43/03 - zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). Allein gegen solche "überschießenden" Begründungsinhalte könnten sie sich auch nicht mit einem Rechtsmittel wehren, weil ein Rechtsmittel, mit dem bei gleichem Ergebnis nur eine andere Entscheidungsbegründung erstrebt wird, mangels Beschwer unzulässig ist (vgl. BGH, Urteil vom 2. März 1994 - XII ZR 207/92 - NJW 1994, 2697 unter 2 a aa).
Der Senat hat zwar bisher nicht ausgesprochen, Bindungswirkung bestehe nur bei Voraussetzungsidentität. Das läßt sich aber, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, dem Senatsurteil vom 30. September 1992 entnehmen (BGHZ 119, 276, 279 f.). Dort hat der Senat Bindungswirkung des Haftpflichturteils angenommen, weil die Feststellung fehlenden Vorsatzes maßgeblich sei sowohl für die Haftungsfrage, nämlich die Höhe des Schmerzensgeldes, als auch insbesondere für den Deckungsausschluß gemäß § 4 II 1 AHB, für den vorsätzliches Handeln Voraussetzung sei. Weiter hat der Senat ausgeführt, daß von der dortigen Beklagten herangezogene Urteile in diesem Zusammenhang keine Bedeutung hätten, weil sie sich nicht mit Fällen der Voraussetzungsidentität befaßten.
2. Ob die Annahme des Berufungsgerichts rechtlich haltbar ist, das Landgericht Dortmund habe mit der Feststellung grob fahrlässig herbeigeführter vollständiger Zerstörung der Scheune zugleich Vorsatz ausgeschlossen, kann dahinstehen. Eine solche Feststellung wäre für den Deckungsprozeß nicht bindend, weil es an der erforderlichen Voraussetzungsidentität fehlen würde. Das gilt selbst dann, wenn das Landgericht die Verurteilung auf den Tatbestand der Verletzung des Eigentums an dem Scheunengebäude gestützt und insoweit grobe Fahrlässigkeit angenommen hat. Ob der Stiefsohn des Klägers das Eigentum an der Scheune nur grob fahrlässig und nicht vorsätzlich beschädigt hat, ist von diesem rechtlichen Ansatz her für die Entscheidung bei objektiv zutreffender Würdigung ohne jede Bedeutung, weil einfache Fahrlässigkeit genügt. Ausführungen zu einem höheren Verschuldensgrad sind "überschießende", nicht entscheidungserhebliche Feststellungen, die für den Deckungsprozeß nicht bindend sind.
Es kann deshalb offenbleiben, ob es dem Berufungsgericht, wie die Revision meint, verwehrt gewesen ist, vom rechtlichen Ansatz her auf die vorsätzliche Verletzung des Eigentums am Heu und bezüglich des Schadens am Gebäude nur noch objektiv auf den adäquaten Kausalzusammenhang abzustellen.
3. Soweit der Kläger Deckungsschutz auch für Schadensersatzansprüche begehrt, die nicht Gegenstand eines Haftpflichturteils sind (unter anderem Schäden am Gebäudeinhalt), hat das Berufungsgericht mit Recht angenommen, daß eine Bindungswirkung nicht in Betracht kommen kann. Dagegen wendet sich die Revision auch nicht.
Ende der Entscheidung
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