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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 27.06.2001
Aktenzeichen: IV ZR 130/00
Rechtsgebiete: VVG


Vorschriften:

VVG § 12 Abs. 3
Die Klagefrist des § 12 Abs. 3 VVG kann durch eine Teilklage für den gesamten Leistungsanspruch des Versicherungsnehmers gewahrt werden. Das gilt nicht nur, wenn der Versicherungsnehmer die eingeklagte Forderung ausdrücklich als Teilforderung bezeichnet hat, sondern auch, wenn es sich aus den Gesamtumständen ergibt, daß der Versicherungsnehmer eine Teilklage erheben wollte.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

IV ZR 130/00

Verkündet am: 27. Juni 2001

Heinekamp Justizsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting und Seiffert, die Richterin Ambrosius und den Richter Wendt auf die mündliche Verhandlung vom 27. Juni 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 30. März 2000 aufgehoben, soweit zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist.

In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von dem beklagten Versicherer eine Invaliditätsentschädigung aufgrund eines Unfallversicherungsvertrages.

Der Kläger erlitt am 17. April 1993 einen Skiunfall, der nach seinem Vortrag schwere Dauerschäden im neurologischen und orthopädischen Bereich zur Folge hatte. Die Beklagte lehnte nach Einholung eines ärztlichen Gutachtens eine Entschädigung ab, weil kein unfallbedingter Dauerschaden eingetreten sei. Daraufhin reichte der Kläger am 20. Juni 1994 Klage ein.

Mit der Klageschrift kündigte der Kläger einen Antrag auf Feststellung an, daß die Beklagte seinen materiellen und immateriellen Schaden aus dem Unfallereignis auszugleichen habe. Im ersten Verhandlungstermin am 26. Januar 1995 ordnete das Landgericht ohne Antragstellung der Parteien das schriftliche Verfahren an. Mit Schriftsatz vom 8. März 1995 beantragte der Kläger, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 50.000 DM nebst 12,5% Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen, und wies darauf hin, daß er diesen Betrag als Teilforderung geltend mache, weil es ihm nach seinem jetzigen Wissensstand nicht möglich sei, den Grad seiner Invalidität anzugeben, den nur Fachärzte feststellen könnten. Nachdem das Gericht daraufhin erneut die mündliche Verhandlung anberaumt hatte, kündigte der Kläger mit Schriftsatz vom 22. Mai 1995 nunmehr die Anträge an, (1) die Beklagte zur Zahlung eines vorläufigen Betrages in Höhe von 40.000 DM nebst Zinsen zu verurteilen, (2) festzustellen, daß die Beklagte ihm aus dem Unfallereignis weitere Invaliditätsentschädigung entsprechend dem bestehenden Versicherungsvertrag zu leisten habe. Im Verhandlungstermin vom 29. Juni 1995 wies das Landgericht den Kläger darauf hin, daß für den Antrag zu 2) der Streitwert noch nicht festgesetzt worden sei und insoweit noch keine Kostendeckung bestehe. Der Kläger stellte deshalb lediglich den Antrag zu 1). Das Gericht verkündete anschließend einen Beweisbeschluß, wonach über die Behauptung des Klägers, aufgrund des Unfallereignisses bestehe eine Minderung seiner Erwerbsfähigkeit im orthopädischen und neurologischen Bereich, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens über den Grad und die Dauer einer eventuellen Invalidität Beweis erhoben werden sollte. Nachdem das Gericht mit Verfügung vom 21. August 1996 vom Kläger einen weiteren Auslagenvorschuß angefordert hatte, beantragte der Kläger mit Schriftsatz vom 17. Oktober 1996, ihm für das weitere Verfahren Prozeßkostenhilfe zu gewähren. Mit Beschluß vom 6. Dezember 1996 gewährte das Landgericht dem Kläger bezüglich des Klageantrags zu 1) Prozeßkostenhilfe. Über Prozeßkostenhilfe für den Klageantrag zu 2) entschied das Landgericht nicht. Nach Erstattung der gerichtlich bestellten Sachverständigengutachten, die sich bis September 1998 hinzog, wiederholte der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung am 14. Januar 1999 den Klageantrag zu 1).

Das Landgericht gab der Klage in Höhe von 40.000 DM nebst Zinsen statt. Über den Feststellungsantrag des Klägers entschied es nicht. Gegen dieses Urteil legten die Beklagte Berufung und der Kläger Anschlußberufung ein. Der Kläger beantragte, (1) die Beklagte zur Zahlung weiterer 82.500 DM nebst Zinsen zu verurteilen, und (2) festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, an ihn den über 122.500 DM hinausgehenden Betrag zu zahlen, der sich aus der Unfallversicherung aufgrund der festgestellten Invalidität ergebe. Zur Begründung trug er vor, daß ihm aufgrund des orthopädischen Gutachtens insgesamt 122.500 DM zustünden. Das Gericht sei aber nicht auf seine Einwendungen gegen das neurologische Gutachten eingegangen. Es hätte geklärt werden müssen, wie sich die isolierte Schädigung des Nervus peroneus links einstufen lasse und welche unfallbedingten Ersatzansprüche der Kläger insoweit gegen die Beklagte habe.

Das Berufungsgericht hat sowohl die Berufung der Beklagten als auch die Anschlußberufung des Klägers zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht hat die Abweisung dieser beiden Berufungsanträge des Klägers wie folgt begründet: Der Kläger habe für seine die Verurteilungssumme des Landgerichts übersteigenden Ansprüche entweder die Klagefrist versäumt (§ 12 Abs. 3 VVG) oder diese Ansprüche verjähren lassen (§ 12 Abs. 1 VVG), weil er seine erstinstanzliche Feststellungsklage entweder konkludent zurückgenommen oder nicht weiter betrieben habe.

Was die Versäumung der Klagefrist betreffe, so habe der Kläger zwar mit seinem ursprünglichen Feststellungsantrag die gesamte ihm zustehende Versicherungsleistung rechtzeitig gerichtlich geltend gemacht. Da er diesen Antrag jedoch konkludent zurückgenommen habe, sei die Feststellungsklage gemäß § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO als nicht anhängig gemacht worden anzusehen, weshalb die Klagefrist insoweit nicht gewahrt worden sei. Weil der Kläger Prozeßkostenhilfe beantragt habe, ohne auf den - in der mündlichen Verhandlung vom 29. Juni 1995 mangels Streitwertfestsetzung und Kostenvorschuß nicht gestellten - Feststellungsantrag zu 2) hinzuweisen, und weil ihm auch nur für den Zahlungsantrag zu 1) Prozeßkostenhilfe gewährt worden sei, müsse seine Nichtstellung des Feststellungsantrags in der mündlichen Verhandlung vom 14. Januar 1999 als konkludente Klagerücknahme angesehen werden.

Deute man das Verhalten des Klägers in bezug auf sein Feststellungsbegehren nicht als teilweise Klagerücknahme, so seien seine über die zuerkannten 40.000 DM hinausgehenden Ansprüche jedenfalls verjährt. Er habe insoweit das Verfahren seit Dezember 1996 nicht mehr betrieben. Denn nach Erhalt des Beschlusses, mit dem das Landgericht ihm Prozeßkostenhilfe nur für den Zahlungsantrag bewilligt habe, hätte er verdeutlichen müssen, daß er auch den Feststellungsantrag weiterverfolge und daß auch hierüber im Prozeßkostenhilfeverfahren entschieden werden müsse.

Da der Kläger demnach gehindert sei, Ansprüche geltend zu machen, die über 40.000 DM hinausgehen, müsse seine Anschlußberufung sowohl zurückgewiesen werden, soweit er weitere 82.500 DM begehre, als auch, soweit er die Feststellung begehre, daß die Beklagte verpflichtet sei, den über 122.500 DM hinausgehenden Betrag zu zahlen, der sich aufgrund der festgestellten Invalidität ergebe.

II. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Weder hat der Kläger hinsichtlich seiner über die zuerkannten 40.000 DM hinausgehenden Leistungsansprüche die Klagefrist versäumt, noch ist insoweit Verjährung eingetreten.

1. Die Klagefrist des § 12 Abs. 3 VVG hat der Kläger auch für seine weitergehenden Ansprüche gewahrt.

Das Berufungsgericht hat nicht beachtet, daß nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Wahrung der Klagefrist des § 12 Abs. 3 VVG für den gesamten Anspruch eine Teilklage ausreichen kann. Der Bundesgerichtshof hat die fristwahrende Wirkung der Teilklage zunächst für den Fall erklärt, daß der Versicherungsnehmer die eingeklagte Forderung ausdrücklich als Teilforderung bezeichnet hat, da dann der Versicherer erkennen könne, daß der Kläger auf dem Gesamtanspruch aus dem Versicherungsfall beharre, und sich mit seinen Rückstellungen auf den Gesamtanspruch einstellen könne (Urteil vom 20. Dezember 1968 - IV ZR 529/68 - VersR 1969, 171, 172). Später hat der Bundesgerichtshof diese Rechtsprechung dahin erweitert, daß die Frist auch dann gewahrt wird, wenn der Kläger nicht ausdrücklich kenntlich gemacht hat, daß er nur eine Teilklage erheben wollte, wenn sich dies aber aus den Gesamtumständen ergibt (Urteile vom 27. Februar 1991 - IV ZR 66/90 - VersR 1991, 450 unter 1 b; vom 13. Dezember 2000 - IV ZR 280/99 - VersR 2001, 326 unter II 1). Hier hat der Kläger beides getan. Er hat, als er mit Schriftsatz vom 8. März 1995 einen Zahlungsantrag in Höhe von 50.000 DM ankündigte, diese Summe ausdrücklich als Teilforderung gekennzeichnet, weil die Gesamthöhe seines Entschädigungsanspruchs noch nicht feststehe, und sich ausdrücklich vorbehalten, die Klage zu erweitern, sobald der Grad seiner Invalidität durch die vom Gericht zu beauftragenden Fachärzte festgestellt sei. Er hat aber auch immer wieder erklärt, daß er auf die gerichtliche Beweisaufnahme durch Einholung von ärztlichen Sachverständigen angewiesen sei, um die Höhe der ihm zustehenden Invaliditätsentschädigung erst einmal zu ermitteln, und damit konkludent zum Ausdruck gebracht, daß er die gesamte ihm zustehende Entschädigung verlangen werde, sobald er ihre Höhe kenne. Die Klagefrist des § 12 Abs. 3 VVG ist damit auch hinsichtlich der über den Zahlungsantrag in Höhe von 40.000 DM hinausgehenden Ansprüche auf Invaliditätsentschädigung durch die Erhebung der Teilklage gewahrt worden.

Über die weiteren von der Revision in diesem Zusammenhang erhobenen Rügen brauchte der Senat daher nicht zu entscheiden.

2. Die weitergehenden Ansprüche des Klägers sind, wie die Revision zu Recht geltend macht, auch nicht verjährt.

a) Das Berufungsgericht nimmt an, daß die Verjährungsfrist für den gesamten Anspruch des Klägers auf Versicherungsleistungen durch die Klageerhebung am 20. Juni 1994 zunächst unterbrochen worden sei (§ 209 BGB), daß diese Unterbrechung aber, was die über den Zahlungsantrag hinausgehenden Ansprüche angehe, im Dezember 1996 gemäß § 211 Abs. 2 BGB geendet habe, weil der Kläger insoweit das Verfahren seit Erhalt des Beschlusses, mit dem das Landgericht ihm Prozeßkostenhilfe nur für den Zahlungsantrag bewilligt habe, nicht mehr betrieben habe. Bei der erneuten Geltendmachung der weitergehenden Ansprüche am 4. Juni 1999 sei deshalb bereits die Verjährung eingetreten gewesen. Dem folgt der Senat nicht.

b) Die Frage des Nichtbetreibens ist nicht etwa deshalb unerheblich, weil der Kläger jedenfalls eine Teilklage erhoben hat. Eine Teilklage unterbricht die Verjährung nur in Höhe des eingeklagten Teilanspruchs. Das gilt auch dann, wenn der Anspruch seinem ganzen Umfang nach dargelegt und die Geltendmachung des Restes ausdrücklich vorbehalten wird (Palandt/Heinrichs, BGB 60. Aufl. § 209 Rdn. 14 m.w.N.). Die Anwendung des zur Klagefrist des § 12 Abs. 3 VVG entwickelten Grundsatzes, wonach eine Teilklage die Frist bezüglich des gesamten Anspruchs wahrt, kommt für die Verjährungsunterbrechung nicht in Betracht (BGH, Urteil vom 27. November 1958 - II ZR 90/57 - VersR 1959, 22 unter 2; Prölss/Martin, VVG 26. Aufl. § 12 Rdn. 19; BK/Gruber, VVG § 12 Rdn. 35).

c) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt aber ein Nichtbetreiben zum einen dann nicht vor, wenn die Parteien mit triftigem Grund untätig bleiben, und kommt es zum anderen nicht in Frage, wenn die Leitung des Verfahrens beim Gericht liegt (vgl. nur BGH, Urteil vom 12. Oktober 1999 - VI ZR 19/99 - NJW 2000, 132 unter II 1 a und b). Im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger nicht einen prozeßwirtschaftlich vernünftigen Grund hatte, auf einer Prozeßkostenhilfeentscheidung auch für seinen Feststellungsantrag nicht zu bestehen. Denn auf jeden Fall lag die Leitung des Verfahrens beim Gericht. Dieses war verpflichtet, von Amts wegen für den Fortgang des Prozesses zu sorgen.

Das Landgericht hätte für den in der Klageschrift angekündigten Feststellungsantrag den Streitwert festsetzen (§ 25 Abs. 1 Satz 1 GKG) und den Gebührenvorschuß anfordern müssen (§ 22 Abs. 2 Kostenverfügung). Den Gerichtskostenvorschuß braucht der Kläger nicht von sich aus einzuzahlen; er kann vielmehr die Anforderung durch das Gericht abwarten (BGH, Urteil vom 25. November 1985 - II ZR 236/84 - NJW 1986, 1347; vom 29. Juni 1993 - X ZR 6/93 - NJW 1993, 2811 unter II 2 c). Vor allem aber hätte das Landgericht, nachdem der Kläger für die gesamte Klage Prozeßkostenhilfe beantragt hatte, diese nicht nur für den Zahlungsantrag gewähren dürfen, sondern auch über die Prozeßkostenhilfe für den Feststellungsantrag entscheiden müssen. Es war für die Prozeßkostenhilfeentscheidung unerheblich, daß für den Feststellungsantrag noch kein Streitwert festgesetzt und kein Gebührenvorschuß angefordert worden war. Denn die Prozeßkostenhilfe dient gerade dazu, der bedürftigen Partei die Prozeßführung ohne Vorschußeinzahlung zu ermöglichen. Ebenso unerheblich war es für die Prozeßkostenhilfeentscheidung, daß der Kläger den Feststellungsantrag in der mündlichen Verhandlung noch nicht gestellt hatte.

Zu Unrecht hat das Berufungsgericht dieser Pflicht des Landgerichts zur Verfahrensleitung eine eigene Prozeßförderungspflicht des Klägers entgegengesetzt. Der Kläger war nicht verpflichtet, dem Landgericht nach Erhalt des Prozeßkostenhilfebeschlusses zu verdeutlichen, daß auch noch über seinen Feststellungsantrag entschieden werden müsse. Er durfte vielmehr darauf vertrauen, daß das Landgericht über seinen vollständig gestellten Prozeßkostenhilfeantrag auch umfassend entscheiden werde.

Soweit ein Nichtbetreiben des Prozesses durch den Kläger bei der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 14. Januar 1999 in Betracht kommen könnte, als er wiederum den Feststellungsantrag nicht stellte, hätte zwar an diesem Tage die Unterbrechung der Verjährung geendet und die zweijährige Verjährungsfrist des § 12 Abs. 1 Satz 1 VVG erneut zu laufen begonnen, wäre aber bereits rund fünf Monate später und damit rechtzeitig durch die Anschlußberufungsbegründung des Klägers am 4. Juni 1999 erneut unterbrochen worden.

Ende der Entscheidung

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