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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 07.03.2001
Aktenzeichen: IV ZR 155/00
Rechtsgebiete: BGB, ZSEG, ZPO
Vorschriften:
BGB § 2027 Abs. 1 | |
ZSEG § 2 Abs. 3 Satz 2 | |
ZPO § 3 | |
ZPO § 91 Abs. 1 Satz 2 | |
ZPO § 4 Abs. 1 |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 7. März 2001
Heinekamp Justizsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Richter Terno, Prof. Römer, Dr. Schlichting, Seiffert und die Richterin Ambrosius auf die mündliche Verhandlung vom 7. März 2001
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 17. Mai 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien sind die Erben der am 13. Juni 1996 verstorbenen E. R.. Die Beklagte ist die Tochter, die Kläger sind die Kinder des 1986 gestorbenen Sohnes der Erblasserin. Im Rahmen einer Stufenklage hat das Landgericht gegen die Beklagte als Erbschaftsbesitzerin nach § 2027 Abs. 1 BGB ein Teilurteil mit folgendem Tenor erlassen:
"Die Beklagte wird verurteilt, den Klägern ein Bestandsverzeichnis über den Nachlaß der am 13.06.1996 verstorbenen E. R. vorzulegen, die Kontoauszüge der verstorbenen E. R. über sämtliche geführten Konten der Erblasserin von dem Jahr 1988 bis zur jeweiligen Kontoauflösung vorzulegen und herauszugeben, sämtliche Vertragsgestaltungen für die Häuser K.straße in W. sowie F. 8 in W. vorzulegen und herauszugeben, sämtliche Reparaturkostenrechnungen, Mietverträge und Mieteinnahmen sowie sonstige Ausgaben und Einnahmebelege für die Häuser F. 8 und K.straße in W. bis zu deren Verkauf vorzulegen und herauszugeben, den Klägern darüber Auskunft zu erteilen, welche monatlichen Aufwendungen die Erblasserin E. R. privat zu tragen hatte, welche Einkünfte sie monatlich erzielte, dies durch die Einkommenssteuerbescheide 1988-1996 zu belegen, zu belegen, wie die Kaufpreiserlöse aus dem Verkauf des Grundstückes K.straße sowie des Grundstückes F. 8 verwandt wurden, Zahlungen über bezahlte Rechnungen der Beklagten für das Haus F. 8, die als Darlehensgewährungen über einen Betrag von 82.279,51 DM durch die Beklagte dargestellt wurden, zu belegen und die Belege herauszugeben."
Die Berufung gegen das Teilurteil hat das Oberlandesgericht als unzulässig verworfen, weil der Wert der Beschwer der Beklagten nur 800 DM betrage und damit die Berufungssumme nicht erreicht sei. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten ist zulässig. Der Wert ihrer Beschwer durch das Teilurteil des Landgerichts übersteigt 1.500 DM deutlich.
I. Das Berufungsgericht geht im Ansatz zutreffend davon aus, daß sich der Wert des Beschwerdegegenstandes (§ 511a Abs. 1 ZPO) bei einer Berufung gegen die Verurteilung zur Erteilung einer Auskunft nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in der Regel nach dem Aufwand an Zeit und Kosten bemißt, den die Erfüllung des titulierten Anspruchs erfordert (Großer Senat für Zivilsachen, BGHZ 128, 85; Beschluß vom 15. Februar 2000 - X ZR 127/99 - NJW 2000, 1724 unter II 3b m.w.N.). Die nach § 3 ZPO im freien Ermessen stehende Bewertung des Rechtsmittelinteresses kann vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht die gesetzlichen Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat; letzteres kann insbesondere der Fall sein, wenn das Berufungsgericht bei der Ausübung seines Ermessens die in Betracht zu ziehenden Umstände nicht umfassend berücksichtigt hat (BGH, Beschluß vom 29. April 1998 - XII ZB 20/98 - BGHR ZPO § 3 Rechtsmittelinteresse 38; BGH, Urteil vom 2. Juni 1993 - IV ZR 211/92 - NJW-RR 1993, 1154 unter 2).
II. Das Berufungsgericht hat das Rechtsmittelinteresse der Beklagten nicht ermessensfehlerfrei bewertet.
1. Es hat im wesentlichen auf die Kosten abgestellt, die der Beklagten dadurch entstehen, daß sie sich Unterlagen von Dritten beschaffen muß.
a) Bei den Kosten für die Wiederherstellung der Kontoauszüge bei der D. Bank (1993/1994 bis zum Erbfall) aus Mikrofilmen und Magnetbändern hat das Berufungsgericht fehlerfrei den Mittelwert von 450 DM aus dem von der Beklagten genannten Kostenrahmen angesetzt. Für die in gleicher Weise erforderliche Rekonstruktion der Kontoauszüge bei der Stadtsparkasse W. (1988 bis 1993) hatte die Beklagte einen Betrag in ähnlicher Größenordnung geltend gemacht. Diesen Vortrag hat das Berufungsgericht übergangen. Es hat nur insgesamt für die Anfertigung von etwa 500 Kopien durch die Stadtsparkasse, die Notarin und die Beklagte selbst weitere Kosten von ca. 150 DM veranschlagt. Der Senat hält es aufgrund der glaubhaften Darstellung der Beklagten für sachgerecht, die Rekonstruktion der Kontoauszüge durch die Stadtsparkasse W. ebenfalls mit 450 DM zu bewerten.
b) Die Anzahl der von der Notarin zu beschaffenden Kopien hat die Beklagte mit 200 bis 300 Seiten angegeben. Dem ist das Berufungsgericht offenbar gefolgt. Der Ansatz von 0,30 DM pro Seite ist jedoch fehlerhaft, wie die Revision mit Recht rügt. Es handelt sich um Notarkosten in der Form von Schreibauslagen, die nach §§ 136 Abs. 3, 141, 151a, der Kostenordnung abzurechnen sind. Für die ersten 50 Seiten ist danach ein Betrag von 1 DM je Seite und für jede weitere Seite ein Betrag von 0,30 DM zu entrichten, jeweils zuzüglich Umsatzsteuer. Bei einem geschätzten Mittelwert von 250 Seiten betragen die Kosten danach 127,60 DM.
Hinzu kommen weitere von der Beklagten selbst zu fertigende Kopien anderer Unterlagen, die sie nach dem Tenor des landgerichtlichen Urteils an die Kläger jedenfalls in einem nennenswerten Umfang herauszugeben hat.
Die Kopierkosten schätzt der Senat daher insgesamt auf 150 DM.
2. a) Mit Recht beanstandet die Revision ferner, daß das Berufungsgericht für den eigenen Zeitaufwand der Beklagten keinen Betrag angesetzt hat, weil der Beklagten als Hausfrau kein Verdienstausfall entstanden sei und sie selbst bei größerer zeitlicher Inanspruchnahme nicht mit erheblichen vermögenswerten Einbußen zu rechnen habe. Da der eigene Zeitaufwand des zur Erteilung einer Auskunft verurteilten Beklagten bei der Bemessung der Beschwer nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu berücksichtigen ist, muß er notwendigerweise auch in Geld bewertet werden. Welcher Stundensatz angemessen ist, hängt unter anderem von der Art der Auskunft und den persönlichen Verhältnissen des Auskunftspflichtigen ab (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 1999 - IX ZR 351/98 - NJW 1999, 3050 unter III 3; BGH, Beschluß vom 22. Februar 1989 - IVb ZB 5/89 - BGHR ZPO § 3 Rechtsmittelinteresse 20 unter 1 a; BGH, Beschluß vom 21. Juni 2000 - XII ZB 12/97 - NJW 2000, 3073 unter II 2). Der Senat hält es mit der Revision für sachgerecht, den Zeitaufwand einer nicht erwerbstätigen Hausfrau mindestens mit 20 DM je Stunde zu bemessen (vgl. etwa § 2 Abs. 3 Satz 2 ZSEG, § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO für die Entschädigung von Zeugen und Parteien im Zivilprozeß).
b) Da das Berufungsgericht keine Feststellungen zum erforderlichen Zeitaufwand getroffen hat, kann der Senat ihn nach den Angaben der Beklagten selbst schätzen.
aa) Für das Anfertigen des Verzeichnisses über den Bestand des Nachlasses hat die Beklagte eine Stunde angesetzt sowie für das Heraussuchen, Besorgen und Kopieren von Unterlagen, für die Rekonstruktion der privaten Aufwendungen der Erblasserin und die Aufstellung über deren private Einkünfte, die Auskunft über die Verwendung der Erlöse aus den Grundstücksverkäufen und die Bezahlung von Rechnungen für das Haus F. 8 insgesamt 16 Stunden.
bb) Die Aufstellung über die Mieteinnahmen und die Ausgaben für die beiden Mietshäuser ist nach Darstellung der Beklagten mit einem ganz erheblichen Arbeitsaufwand verbunden und nicht ohne Hilfe des Steuerberaters möglich, der seinerzeit die Erklärungen gefertigt hat. Da Belege nicht mehr vorhanden seien, müßten die Einnahmen und Ausgaben im einzelnen aus den Kontoauszügen erschlossen werden. Es mag sein, wie das Berufungsgericht meint, daß die Beklagte die Übersicht selbst anfertigen kann, ohne damit einen Steuerberater zwei Tage beschäftigen zu müssen. Dann ist aber ihr Zeitaufwand zu berücksichtigen. Nach der im Revisionsverfahren vorgelegten Stellungnahme des Steuerberaters, die der Senat verwerten kann (vgl. BGH, Beschluß vom 10. Juli 1996 - XII ZB 15/96 - FamRZ 1996, 1543 unter II 2 c), würde dieser allein für das Sichten und Kopieren der Steuerunterlagen der Erblasserin etwa 10 Stunden benötigen. Es ist nicht anzunehmen, daß die Beklagte dies in kürzerer Zeit erledigen kann. Hinzu kommt noch das Anfertigen der Übersichten selbst für einen Zeitraum, dessen Beginn im Urteil des Landgerichts nicht genannt ist und der deshalb viele Jahre umfassen kann. Unter diesen Umständen schätzt der Senat den Zeitaufwand hierfür auf 15 Stunden.
cc) Insgesamt ergibt sich damit ein Zeitaufwand der Beklagten von 32 Stunden. Angesichts des Umfangs der teilweise unbestimmten und nicht näher umgrenzten Verurteilung erscheint dieser Aufwand glaubhaft. Er ist mit 640 DM zu bewerten.
3. Die Beschwer beträgt somit rechnerisch 1.690 DM. Hiervon sind entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keine Abstriche zu machen, weil ein Teil des Aufwands nach Einlegung der Berufung bis zur mündlichen Verhandlung bereits angefallen war. Für die Wertberechnung ist nach § 4 Abs. 1 ZPO der Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels entscheidend (BGH, Urteil vom 2. Juni 1993 - IV ZR 211/92 - NJW-RR 1993, 1154 unter 2 a). Schon deshalb ist es, anders als das Berufungsgericht meint, auch nicht möglich, den Tenor des landgerichtlichen Urteils wegen einer Erklärung der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht im Hinblick auf den Streitgegenstand einschränkend auszulegen. Diese Auslegung wäre im übrigen für das Vollstreckungsgericht nicht bindend (vgl. BGH, Beschluß vom 14. November 1990 - XII ZB 96/90 - NJW-RR 1991, 324 unter 3).
Ende der Entscheidung
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