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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 17.09.2003
Aktenzeichen: IV ZR 19/03
Rechtsgebiete: AVB Vermögen/WB


Vorschriften:

AVB Vermögen/WB § 3 II 2 c Satz 2
Zur Auslegung des Begriffes "rechtlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang" im Sinne der sogenannten Serienschadenklausel bei Vermittlungen von Beteiligungen an Immobilienfonds.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

IV ZR 19/03

Verkündet am: 17. September 2003

in dem Rechtsstreit

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Seiffert und Wendt, die Richterin Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung vom 17. September 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 17. Dezember 2002 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Versicherungsschutz aus einer bei der Beklagten genommenen Berufshaftpflichtversicherung, die unter anderem seine Tätigkeit als Vermittler von Beteiligungen an Immobilienfonds umfaßt. Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen zur Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden (AVB; VerBAV 1989, 347 ff.) zugrunde.

Aus 1995 und 1996 erfolgten Vermittlungen von Beteiligungen an dem geschlossenen Immobilienfonds der in D. /USA (Kommanditbeteiligungen) ist der Kläger verpflichtet, Anlegern Schadensersatz zu leisten, weil er sie nicht ausreichend über den Genehmigungsstand des geplanten, letztlich aber gescheiterten Bauvorhabens aufgeklärt hatte.

Die grundsätzliche Deckungsverpflichtung der Beklagten unter Berücksichtigung des vereinbarten Selbstbehalts und der vereinbarten Deckungshöchstsummen ist nach dem rechtskräftigen Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 30. Januar 2001 (4 U 138/00, Nichtannahmebeschluß des Senats vom 28. November 2001 - IV ZR 68/01) nicht mehr im Streit.

Die Beklagte beruft sich jetzt nur noch darauf, daß sie nach § 3 II 2 c AVB für alle Schadenfälle zusammen nur bis zum Höchstbetrag der vereinbarten Versicherungssumme von 200.000 DM einzustehen habe.

Diese sogenannte Serienschadenklausel lautet:

"Die Versicherungssumme ... stellt den Höchstbetrag der dem Versicherer in jedem einzelnen Schadenfalle obliegenden Leistung dar, und zwar mit der Maßgabe, daß nur eine einmalige Leistung der Versicherungssumme in Frage kommt ...

a) ...

b) ...

c) bezüglich sämtlicher Folgen eines Verstoßes. Dabei gilt mehrfaches, auf gleicher oder gleichartiger Fehlerquelle beruhendes Tun oder Unterlassen als einheitlicher Verstoß, wenn die betreffenden Angelegenheiten miteinander in rechtlichem oder wirtschaftlichem Zusammenhang stehen."

Das Landgericht hat dem Feststellungsantrag des Klägers, daß sich die Beklagte nicht auf die Klausel berufen kann, stattgegeben. Die Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Klagabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg.

I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts sind die Voraussetzungen der sogenannten Serienschadenklausel nicht erfüllt.

Gleichartige Verletzungen von Beratungspflichten gegenüber verschiedenen Anlegern stünden in keinerlei rechtlichem Zusammenhang.

Es begründe auch keinen wirtschaftlichen Zusammenhang, daß die Verstöße im Rahmen von Anlageberatungen über denselben Immobilienfonds erfolgt seien; als Klammer reiche dies nicht, um mehrere individuelle Vertragsverletzungen zu einem Verstoß zusammenzufassen. Der Versicherungsnehmer bezwecke mit dem Abschluß einer Haftpflichtversicherung seinen Schutz und den potentiell durch ihn geschädigter Dritter. Dafür spiele es keine Rolle, ob es sich um eine freiwillige oder eine Pflichtversicherung handele. Aus der Sicht des Geschädigten sei es belanglos, ob der Versicherungsnehmer gleichartige Verstöße auch gegenüber anderen Personen begangen habe. Ihm würde es unverständlich bleiben, deswegen unter Umständen Forderungsausfälle hinnehmen zu sollen. Auch der Bundesgerichtshof habe bereits in diesem Sinne entschieden (VersR 1991, 873).

II. Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.

1. Zutreffend und von der Revision auch nicht angegriffen geht das Berufungsgericht davon aus, daß mehrere Verstöße im Sinne von § 3 II 2 c AVB und damit an sich mehrere deckungspflichtige Schadenfälle vorliegen. Als Anlagevermittler schuldet der Beklagte jedem einzelnen Anlageinteressenten eine auf seine persönlichen Verhältnisse zugeschnittene Beratung und dabei richtige und vollständige Informationen über die Umstände, die für den jeweiligen Anlageentschluß von besonderer Bedeutung sind (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 1981 - IVa ZR 286/80 - NJW 1982, 1095 unter I 2 b). Jede Schlechterfüllung einzelner selbständiger Beratungsverhältnisse begründet einen Verstoß, der Haftpflichtansprüche gegen den Versicherungsnehmer zur Folge haben kann, für die die Beklagte gemäß § 1 AVB jeweils Deckungsschutz zugesagt hat, gleichviel ob die Pflichtverletzungen auf derselben Fehlvorstellung über den Beratungsumfang beruhen und Beteiligungen an demselben Anlageobjekt betreffen. Das läßt die einzelnen Verstöße nicht zu einem Dauerverstoß werden, für den trotz mehrerer Geschädigter Versicherungsschutz nur einmal bedingungsgemäß zu gewähren ist.

2. Die bei den verschiedenen Mandatsverhältnissen infolge unzureichender Information über dasselbe Beteiligungsobjekt begangenen Beratungspflichtverletzungen werden auch nicht über § 3 II 2 c Satz 2 AVB zu einem einzigen zu entschädigenden Verstoß zusammengefaßt, weil die betroffenen Angelegenheiten nicht den erforderlichen Zusammenhang aufweisen. Das ergibt die Auslegung der Klausel.

a) Wie bei allen Versicherungsbedingungen ist auch bei dieser mit ihrem Ausdruck "rechtlicher oder wirtschaftlicher" Zusammenhang schwer zu präzisierenden Klausel (Bruck/Möller/Johannsen, VVG 8. Aufl. IV G 45) auf die Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse abzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 5. November 1997 - IV ZR 1/97 - VersR 1998, 179 unter I 2 a und ständig). Auf die Sicht des geschädigten Klienten des Versicherungsnehmers, auf die sich das Berufungsgericht wie auch die Revision unter Berufung auf Bruck/Möller/Johannsen (aaO) hauptsächlich stützen wollen, kommt es insoweit nicht an. Daß es sich hier um eine freiwillige und nicht um eine Pflichthaftpflichtversicherung handelt, ist ebensowenig von Belang wie die von der Revision betonte drittschützende Funktion von Pflichthaftpflichtversicherungen.

Ausgehend vom Wortlaut der Klausel erschließt sich dem verständigen Versicherungsnehmer, daß der in § 1 AVB für alle Haftpflichtfälle aus beruflicher Tätigkeit zugesicherte Deckungsschutz schon bei gleicher oder gleichartiger und nicht erst bei identischer Ursache (Fehlerquelle) beschränkt werden soll. Diese weitgehende Risikobeschränkung erfährt für ihn ebenso erkennbar ihrerseits eine Eingrenzung, als sie nur zum Tragen kommen soll, wenn die betreffenden Angelegenheiten miteinander in rechtlichem oder wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Dabei wird er die "betreffenden Angelegenheiten" nicht abstrakt generell auf sein berufliches Tätigkeitsfeld beziehen. Er wird vielmehr darunter die jeweiligen Mandatsverhältnisse verstehen.

An dem bedingungsgemäßen Zusammenhang der Mandate fehlt es, wenn der Versicherungsnehmer mit ihnen unabhängig voneinander betraut worden ist und ihm aus deren selbständiger - wenngleich von der gleichen Fehlerquelle beeinflußten - Erledigung der jeweilige Haftungsvorwurf gemacht wird (vgl. BGH, Urteil vom 15. Mai 1991 - IV ZR 85/90 - VersR 1991, 873 unter 3 zu der Beauftragung eines Steuerberaters mit der Erstellung jährlicher Steuererklärungen desselben Steuerpflichtigen).

aa) Daß zwischen den einzelnen Anlagevermittlungsverhältnissen allein über die Empfehlung und spätere Vermittlung einer Anlagemöglichkeit kein rechtlicher Zusammenhang zu begründen ist, liegt auf der Hand. Die Beteiligung an demselben geschlossenen Immobilienfonds als einer Art Publikums-KG mag zwar zwischen den Anlegern auch Rechtsbeziehungen entstehen lassen können, dies vermag entgegen der Auffassung der Revision jedoch keine rechtlich bedeutsame Klammerwirkung zwischen den Vertragsverhältnissen der Mandate eines Anlageberaters zu erzeugen.

bb) Auch wirtschaftliche Zusammenhänge werden zwischen den Vermittlungsgeschäften so nicht geschaffen. Die Anleger, die bei ihrer Anlageentscheidung auf die Kenntnisse desselben Beraters vertraut haben, bilden keine - wie die Revision meint - über diesen vermittelte, die Beschränkung des Deckungsschutzes rechtfertigende "Schicksalsgemeinschaft", weil ihnen bei Geschäftsabschluß bewußt gewesen sein mußte, daß auch andere Interessenten eine gleichartige Beratung erfahren und auf die erhaltenen Informationen vertraut haben. Einem Versicherungsnehmer wird es sich nicht erhellen, daß er nur deswegen den für alle Fälle, in denen er schadensersatzpflichtig geworden ist, an sich zugesagten Deckungsschutz nicht erhalten soll, weil sich seine nicht ausreichenden Kenntnisse über ein Anlageobjekt bei verschiedenen, von ihm daher fehlerhaft beratenen Anlegern vermögensschädigend ausgewirkt haben.

b) Die Serienschadenklausel ist zudem als Risikobegrenzungsklausel grundsätzlich eng auszulegen, nämlich nicht weiter, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert. Denn der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nicht damit zu rechnen, daß er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne daß ihm diese hinreichend verdeutlicht werden (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BGH, Urteile vom 27. November 2002 - IV ZR 159/01 - VersR 2003, 187 unter III 2 a und vom 19. Februar 2003 - IV ZR 318/02 - VersR 2003, 454 unter II 1, jeweils m.w.N.). Ein ausdehnendes Verständnis dahingehend, daß ein Einbußen im Deckungsschutz rechtfertigender Serienverstoß auch gegeben sein soll, wenn selbständige Anlagemandate aufgrund derselben Fehlvorstellung des Beraters schlecht erfüllt werden, ist damit nicht zu vereinbaren. Es bedarf hier weder einer abstrakten Präzisierung, wann im Einzelfall bei dieser beruflichen Tätigkeit rechtliche oder wirtschaftliche Zusammenhänge den Deckungsumfang begrenzen können, noch einer Auseinandersetzung mit den Befürchtungen der Revision, daß für die Serienschadenklausel kein nennenswerter Anwendungsbereich mehr bliebe. Nach dem zugrunde zu legenden unstreitigen Sachverhalt über die Selbständigkeit der Vermittlungsgeschäfte liefe in diesem Fall jedes andere Verständnis der Klausel Gefahr, zum Nachteil des Versicherungsnehmers von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung der privaten Haftpflichtversicherung abzuweichen. Diese sieht in § 149 VVG die finanzielle Abdeckung der aus dem einzelnen Haftpflichtfall erwachsenen Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers einem Dritten gegenüber als Gegenstand des Leistungsversprechens des Versicherers vor (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 1990 - IV ZR 184/89 - VersR 1991, 175 unter 3 a).

c) Ob bei dem von der Revision geforderten Verständnis die Serienschadenklausel noch AGB-rechtlicher Kontrolle standhalten könnte, erscheint nicht unzweifelhaft, bedarf aber letztlich keiner abschließenden Entscheidung.



Ende der Entscheidung

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