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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 21.04.1999
Aktenzeichen: IV ZR 192/98
Rechtsgebiete: VVG


Vorschriften:

VVG § 178 f
VVG § 178 f

Ein privat Krankenversicherter, der seinen Vertrag kündigt, hat keinen Anspruch auf Auszahlung einer Alterungsrückstellung.

BGH, Urteil vom 21. April 1999 - IV ZR 192/98 - OLG Karlsruhe LG Mannheim


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

IV ZR 192/98

Verkündet am: 21. April 1999

Schick Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Schmitz, die Richter Römer, Dr. Schlichting, Seiffert und die Richterin Ambrosius auf die mündliche Verhandlung vom 21. April 1999

für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 2. Juli 1998 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Auszahlung von Alterungsrückstellungen in der privaten Krankenversicherung nach Beendigung des Krankenversicherungsvertrages durch Kündigung des Versicherungsnehmers.

Der Kläger war bis zum 30. Juni 1994 bei der Beklagten privat krankenversichert. Der Vertrag endete durch Kündigung des damals im 46. Lebensjahr stehenden Klägers. Dem Versicherungsvertrag lagen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten (MB/KK 76) nebst Tarifbestimmungen zugrunde. Aus Anlaß der Kündigungserklärung bot die Beklagte dem Kläger die Fortsetzung der Versicherung zu geänderten Bedingungen an und nannte dem Kläger mit Schreiben vom 26. Juli 1994 den Wert der für seinen Vertrag gebildeten Alterungsrückstellungen zu Mitte des Jahres 1994 in Höhe von insgesamt 29.024 DM. In diesem Schreiben wies die Beklagte darauf hin, daß nach ihrer Ansicht die Alterungsrückstellung kein individuelles Recht sei und deshalb auch kein finanzieller Anspruch des Klägers bestehe.

Der Kläger hat vorgetragen, die Alterungsrückstellung begründe ein ihm zustehendes Anwartschaftsrecht. Über dieses dürfe die Beklagte nicht verfügen, indem sie seine Rückstellung allen anderen Versicherten der jeweiligen Tarife zuwende. Die Beklagte sei bei Erstarken der Anwartschaft zum Vollrecht mit Vollendung des 65. Lebensjahres verpflichtet, den Betrag auszuzahlen. Jedenfalls aber sei die Beklagte verpflichtet, die Rückstellungen auf einen anderen, vom Kläger zu benennenden Versicherer zu übertragen.

Der Kläger hat beantragt festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger zum 11. November 2013 die für ihn gebildete Deckungsrückstellung einschließlich der bis zu diesem Zeitraum auf die Deckungsrückstellung entfallenden Zinsen auszuzahlen, hilfsweise auf einen vom Kläger zu benennenden Krankenversicherer zu übertragen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung blieb ohne Erfolg (NVersZ 1999, 129 = NJW-RR 1999, 324). Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg.

Das Berufungsgericht hat - ebenso wie das Landgericht - einen Anspruch des Klägers auf Auszahlung einer Alterungsrückstellung an den Kläger oder einen anderen Krankenversicherer verneint. Ein solcher Anspruch ergebe sich weder aus dem Versicherungsvertrag mit der Beklagten noch aus dem Gesetz. Die dagegen geführten Angriffe der Revision greifen nicht durch.

1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Bedingungen des zwischen den Parteien geschlossenen Krankenversicherungsvertrages sähen keinen Anspruch auf Auszahlung einer Alterungsrückstellung vor. Das trifft zu. Die Bedingungen enthalten keine Regelung, nach der vereinbart ist, daß der Versicherer verpflichtet sei, dem Versicherungsnehmer nach dessen Kündigung des Vertrages irgendwelche Zahlungen aus Rückstellungen zu leisten. Auch die Revision zeigt eine solche Regelung nicht auf. Damit steht bereits fest, daß sich ein vertraglicher Anspruch, wie ihn der Kläger geltend macht, nicht aus dem Wortlaut der Bedingungen ergibt.

2. a) Die Revision wendet sich gegen die zusätzlichen Ausführungen des Berufungsgerichts, den Versicherungsbedingungen lasse sich im Gegenteil durch die Verweisung auf den technischen Geschäftsplan im Wege der Auslegung entnehmen, daß bei einer vorzeitigen Beendigung der Versicherung noch nicht verbrauchte Alterungsrückstellungen nicht an den Versicherungsnehmer ausgezahlt würden, sondern der Gemeinschaft der im Tarif verbleibenden Versicherungsnehmer zugute kommen sollten. Zur Begründung seiner Auffassung führt das Berufungsgericht weiter aus, auch aus dem in den Bedingungen verwendeten Begriff der "Anwartschaft" im Zusammenhang mit der Alterungsrückstellung folge nichts anderes. Dieser Begriff kennzeichne kein Anwartschaftsrecht im eigentlichen Sinne. Daraus, daß gemäß § 4 Teil II Nr. 8 d) der Allgemeinen Versicherungsbedingungen zur "Finanzierung einer Anwartschaft auf Beitragsermäßigung im Alter" der allgemeinen Deckungsrückstellung bestimmte Summen zuzuführen seien, folge nicht, daß es sich bei der Alterungsrückstellung um ein in der Entwicklung zum Vollrecht befindliches Recht des Klägers handele. Der Begriff der Anwartschaft meine in den Versicherungsbedingungen, daß der Versicherungsnehmer bei Vollendung des 65. Lebensjahres einen Anspruch darauf habe, eine geringere Prämie zu zahlen, als sich diese allein aus der Anwendung der allgemeinen Vorschriften und dem spezifisch höheren Risiko des älteren Menschen ergeben würde. Aus der Verwendung des Begriffs Anwartschaft ergebe sich auch nicht, daß dem Kläger ein individueller Anspruch auf eine bestimmte Summe Geldes oder einen bestimmten Anteil an der Deckungsrückstellung zustehe. Dementsprechend werde durch die Verweigerung der Zahlung dem Kläger auch kein schon begründetes, vermögenswertes Recht wieder entzogen. Der Kläger habe von vornherein keinen Anspruch auf Zahlung, der ihm aberkannt werden könnte. Auch die dagegen gerichteten Angriffe der Revision bleiben im Ergebnis ohne Erfolg.

b) Soweit das Berufungsgericht in seiner zusätzlichen Begründung auf den technischen Geschäftsplan verweist, kommt es darauf nicht an. Deshalb braucht auf die Rüge der Revision nicht weiter eingegangen zu werden, die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Versicherungsnehmers endeten, wenn technische Fachausdrücke verwendet würden oder mit dem Geschäftsplan auf Regelungswerke verwiesen werde, die ihm nicht geläufig seien. Entscheidend ist, welche Leistungen der Versicherer mit seinen Allgemeinen Versicherungsbedingungen dem Versicherungsnehmer verspricht. In diesem Zusammenhang weist die Revision zutreffend darauf hin, daß Allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen sind, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muß (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. BGHZ 123, 83, 85 m.w.N.). Aber auch wenn dieser Auslegungsmaßstab zugrunde gelegt wird, ergibt sich aus den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten kein Anspruch des Klägers auf Auszahlung eines Betrages als Alterungsrückstellung an sich oder ein anderes Versicherungsunternehmen.

Die Revision vertritt die Auffassung, bereits die Verwendung des Begriffs Anwartschaft lasse für den rechtsunkundigen Durchschnittskunden den Eindruck entstehen, er erwerbe durch die aus seinen Beiträgen finanzierten Rückstellungen eine gesicherte Rechtsposition dahin, daß sie zur zusätzlichen Senkung des Beitrages ab Erreichen des 65. Lebensjahres verwendet würden. Eine Einschränkung dahin, daß diese Gelder verfielen, wenn er vorzeitig ausscheide, lasse sich der Regelung dagegen nicht entnehmen. Dem kann so nicht zugestimmt werden.

Die Regelung des § 4 der Bedingungen, der sich entsprechend seiner Überschrift mit dem Umfang der Leistungspflicht des Versicherers befaßt und auf den die Revision abstellt, lautet in seinem Teil II unter Nr. 8 wie folgt:

Beitragsrückerstattung

Die erfolgsabhängige Beitragsrückerstattung erfolgt entsprechend den Vorschriften der Satzung und den Beschlußfassungen der Mitgliedervertreter-Versammlung.

a) Aus dem Überschuß der Gesellschaft wird eine Rückstellung für erfolgsabhängige Beitragsrückerstattung gebildet, die nur zugunsten der Versicherten verwendet werden darf.

b) Als Form der Überschußbeteiligung kommt insbesondere die Finanzierung einer Anwartschaft auf Beitragsermäßigung im Alter in Betracht. Daneben kann als Form der Überschußbeteiligung von der Mitgliedervertreter-Versammlung auch gewählt werden: Auszahlung oder Gutschrift, Beitragssenkung, Verwendung als Einmalbeitrag für Leistungserhöhungen oder aber auch zur Abwendung oder Milderung von Beitragserhöhungen.

c) Falls eine Beitragsrückerstattung für Leistungsfreiheit von der Mietgliedervertreter-Versammlung beschlossen wird, werden die Voraussetzungen hierfür den Versicherungsnehmern bekanntgegeben.

d) Zur Finanzierung einer Anwartschaft auf Beitragsermäßigung im Alter werden der Deckungsrückstellung aller Versicherten von Krankheitskostentarifen, für die geschäftsplanmäßig eine Deckungsrückstellung über das 65. Lebensjahr hinaus zu bilden ist, zusätzliche Beträge nach Maßgabe eines von der Aufsichtsbehörde genehmigten Geschäftsjahres jährlich zugeschrieben. Dieser Teil der Deckungsrückstellung wird spätestens ab Vollendung des 65. Lebensjahres des Versicherten für Beitragsermäßigungen entsprechend der Feststellung im Geschäftsplan verwendet.

Die Regelung unter Nr. 8 d), die sich mit der Alterungsrückstellung befaßt, wird sich einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer, der keine Rechtskenntnisse hat, nicht in vollem Umfang erschließen. Die Regelung verweist auf einen außerhalb der Bedingungen vorhandenen Geschäftsplan, den ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer, auch wenn er ihn vorliegen hätte, nicht verstünde. Des weiteren enthält die Regelung Begriffe der Versicherungstechnik und der Rechtssprache, die einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer ebenfalls nicht verständlich sind. Trotz alledem gibt der Wortlaut auch dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer keinen Anlaß zu dem Verständnis, er werde aus der Alterungsrückstellung irgendwelche Zahlungen erhalten, wenn er den Vertrag kündigt. Der Regelung ist ohne weiteres zu entnehmen, daß sich Vorteile überhaupt erst ab dem 65. Lebensjahr auswirken. Dieses Alter hatte der Kläger bei seiner Kündigung des Vertrages noch nicht erreicht. Außerdem ist für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne Schwierigkeiten erkennbar, daß sich diese Vorteile als Beitragsermäßigung im Alter auswirken, wie der letzte Satz besonders deutlich macht. Dasselbe gilt für den Wortlaut des ersten Satzes unter 8 b).

Auch die Verwendung des Begriffs Anwartschaft kann im Zusammenhang mit dem übrigen Wortlaut den durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht zu dem Verständnis führen, die Bedingungen gäben ihm einen Anspruch auf Auszahlung eines bestimmten Betrages, wie die Revision meint. Zunächst handelt es sich bei dem Begriff der Anwartschaft um einen - auch für den Versicherungsnehmer erkennbaren - Begriff der Rechtssprache. Solche Begriffe sind nach der Rechtsprechung des Senats im Zweifel entsprechend dem Sinn auszulegen, den die Rechtssprache mit dem verwendeten Begriff verbindet (vgl. Senatsurteil vom 29. April 1998 - IV ZR 21/97 - VersR 1998, 887 unter 2 a m.w.N.), und nicht nach dem Verständnis des Versicherungsnehmers, der im allgemeinen keine Rechtskenntnisse hat. Im vorliegenden Fall macht der Wortlaut der Nr. 8 unter b) und d) sowohl dem Rechtskundigen als auch dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer deutlich, daß die Anwartschaft nur dazu führt, die Beiträge im Alter zu ermäßigen. Zu einem Verständnis dahin, daß der Versicherungsnehmer bei einer Kündigung Beträge ausbezahlt bekommt, kann es folglich auch bei einem verständigen, um den erkennbaren Sinnzusammenhang bemühten Versicherungsnehmer nicht kommen.

c) Die Revision rügt, die Auslegung des Berufungsgerichts verstoße gegen den Auslegungsgrundsatz, daß bei mehreren möglichen Auslegungen derjenigen der Vorzug zu geben sei, die nicht zur Nichtigkeit oder Verbotswidrigkeit der Regelung führe. Dieser Rüge ist schon dadurch der Boden entzogen, daß es hier an der Voraussetzung mehrerer Auslegungsmöglichkeiten fehlt, wie oben unter 2. b) dargelegt. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer kann bei verständiger Würdigung von vornherein nicht zu dem Ergebnis kommen, die Regelungen der Allgemeinen Versicherungsbedingungen gewährten ihm einen Anspruch auf Auszahlung einer Alterungsrückstellung. Deshalb geht auch die weitere Rüge der Revision fehl, die Auslegung des Berufungsgerichts verstoße gegen § 5 AGBG. Diese Unklarheitenregelung ist nicht schon dann anzuwenden, wenn Streit über die Auslegung besteht. Voraussetzung ist vielmehr, daß nach Ausschöpfung der in Betracht kommenden Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel bleibt und mindestens zwei Auslegungsmöglichkeiten rechtlich vertretbar sind (Senatsurteil vom 6. März 1996 - IV ZR 275/95 - VersR 1996, 622 unter 3 a). An dieser Voraussetzung fehlt es hier.

3. a) Das Berufungsgericht ist der Auffassung des Klägers nicht gefolgt, ein gesetzlicher Anspruch auf Auszahlung der Alterungsrückstellung ergebe sich aus § 178 f Abs. 1 VVG oder aus einer entsprechenden Anwendung dieser Vorschrift. Nach § 178 f Abs. 1 VVG bleibe dem Versicherungsnehmer zwar die Alterungsrückstellung bei einem Tarifwechsel erhalten. Voraussetzung sei aber, daß er nicht den Krankenversicherer wechsele, sondern den anderen Tarif bei demselben Versicherer nehme. Daran fehle es hier unstreitig. Eine analoge Anwendung scheide aus, weil es insoweit an einer planwidrigen Lücke in der gesetzlichen Regelung fehle. Der Gesetzgeber habe im Gesetzgebungsverfahren das Problem der sogenannten Mitnahme der Alterungsrückstellung bei Wechsel des Versicherungsunternehmens erkannt und sich trotz entsprechender Regelungsvorschläge im Gesetzgebungsverfahren nur zu der auf den Wechsel des Tarifs bei demselben Versicherer beschränkten Lösung entschlossen. Bei dieser Sachlage würde es die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschreiten, wenn sich das Gericht bei einer unzweifelhaft vom Gesetzgeber anders beabsichtigten Regelung zu einer entsprechenden Anwendung der Vorschrift entschlösse.

b) Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand. Bei den Beratungen zum Dritten Gesetz zur Durchführung versicherungsrechtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften (3. DurchfG/EWG) vom 21. Juli 1994 (BGBl. I S. 1630), mit dem § 178 f in das Versicherungsvertragsgesetz eingeführt wurde, war auch die Frage diskutiert worden, ob dem Versicherungsnehmer die Alterungsrückstellung mitgegeben werden könne, wenn er den Versicherer wechsele, um den Wettbewerb auch um die Bestände älterer Versicherter zu beleben (vgl. z.B. den schriftlichen Beitrag von Ulrich Meyer, S. 21. bei der öffentlichen Anhörung des Bundestagsfinanzausschusses vom 13. April 1994, Protokoll Nr. 74, Deutscher Bundestag, 12. Wahlperiode; ders. eingehend in Versicherungswissenschaftliche Studien, Deregulierung, Private Krankenversicherung, Kfz-Haftpflichtversicherung, Baden-Baden 1994, S. 86, 102). Zu einer weitergehenden Regelung als der Möglichkeit eines Tarifwechsels unter Mitnahme der Alterungsrückstellung innerhalb desselben Versicherungsunternehmens kam es nicht, weil die mit einem Wechsel des Versicherungsnehmers zu einem anderen Unternehmen verbundenen Probleme kurzfristig nicht zu lösen waren. Deshalb war vorgeschlagen worden, daß sich eine unabhängige Expertenkommission mit diesen Fragen befassen solle (vgl. die Bemerkungen des Abg. Dr. Fell, Kurzprotokoll 79/38 der 79. Sitzung des Bundestagsausschusses für Wirtschaft vom 18. Mai 1994). Das Gutachten der unabhängigen Expertenkommission zur Untersuchung der Problematik steigender Beiträge der privat Krankenversicherten im Alter vom 18. Juni 1996 (BT-Drucks. 13/4945) nimmt zum Problem des Wechsels eines Versicherungsnehmers zu einem anderen Unternehmen bei Mitnahme der Alterungsrückstellung ausführlich Stellung (S. 42 ff.). Die Kommission kam zu dem Ergebnis, daß dieses Modell dem Gesetzgeber derzeit nicht empfohlen werden könne, weil theoretische Fragen noch offen seien und in praktischer Hinsicht erhebliche Probleme bestünden (vgl. dazu auch Wasem, Stand der Reformbestrebungen in der Krankenversicherung unter besonderer Berücksichtigung des Gutachtens der Kommission Krankenversicherung, Mannheimer Vorträge zur Versicherungswissenschaft, Heft 68, Karlsruhe 1997, S. 22 ff.; auch Ulrich Meyer, Die Vorschläge der Expertenkommission PKV in Versicherungswissenschaftliche Studien, Anleger- und objektgerechte Beratung, Private Krankenversicherung, Ein Ombudsmann für Versicherungen, Baden-Baden 1999, S. 105, 125).

Unter diesen Umständen kann nicht von einer planwidrigen Regelungslücke des Gesetzes gesprochen werden, die eine entsprechende Anwendung des § 178 f VVG erst zuließe.

4. Ein gesetzlicher Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 812 Abs. 1 Satz 2 Altern. 1 BGB.

a) Dazu hat das Berufungsgericht ausgeführt, die Beklagte habe den der Alterungsrückstellung entsprechenden Teil der Prämie mit Rechtsgrund erhalten und dürfe ihn auch in Zukunft behalten, weil sie durch die Kündigung des Klägers um diesen Teil nicht bereichert sei.

Bei der Kalkulation der Prämien werde berücksichtigt, daß die Alterungsrückstellung erfahrungsgemäß nicht in vollem Umfang aufgelöst werden müsse, weil einzelne Versicherte verstürben oder der Vertrag aus anderen Gründen beendet (storniert) werde, bevor die in jungen Jahren erwirtschafteten Überschüsse zur Finanzierung eines im Alter erhöhten Risikos ganz oder teilweise hätten verbraucht werden müssen. Der Beitrag des einzelnen Versicherungsnehmers sei um den sich aus diesen Stornowahrscheinlichkeiten ergebenden Anteil geringer, als er sein müßte, um allein eine über die gesamte Versicherungsdauer gleichbleibende Versicherungsprämie und die zusätzliche Prämienminderung ab dem 65. Lebensjahr zu erwirtschaften. Durch die Kündigung des Klägers sei die Beklagte nicht im Sinne des § 812 BGB ungerechtfertigt bereichert. Bei ihr sei nämlich keine Verbesserung der Vermögenslage eingetreten. Die der Alterungsrückstellung zugeführten Beträge verblieben auch nach der Kündigung in der Rückstellung und zeigten damit bilanztechnisch an, daß dieses Vermögen nicht dem Eigenkapital der Beklagten zuzurechnen, sondern durch die Ansprüche der verbliebenen Versicherten fremdfinanziert sei. Die Beklagte habe auch rechtlich keine Aufwendungen erspart, weil sie zwar an den Kläger keine Leistungen mehr erbringen, insgesamt aber weiterhin die gesamte Alterungsrückstellung zugunsten aller Versicherten verwenden müsse.

b) Dem tritt die Revision mit der Rüge entgegen, der Versicherungsnehmer brauche mit einer ihn derartig benachteiligenden Berechnungsweise so lange nicht zu rechnen, wie ihm die im Geschäftsplan enthaltenen Kalkulationsgrundlagen nicht zugänglich gemacht würden. Eine Verweisung auf den Geschäftsplan in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen finde da ihre Grenze, wo die Gefahr bestehe, daß der Versicherungsnehmer seine Rechte nicht mehr wahrnehmen könne. Dasselbe gelte, wenn durch die Verweisung auf einen Geschäftsplan für den Versicherungsnehmer nicht erkennbar Rechtspositionen entzogen würden, von deren Bestehen er nach dem Wortlaut der Versicherungsbedingungen ausgehen könne. Von den Versicherungsbedingungen abweichende Regelungen im Geschäftsplan seien deshalb nach §§ 6 und 9 AGBG unwirksam und verstießen auch gegen Art. 59, 85 Abs. 1 EGV.

c) Der Revision ist zuzugeben, daß sich die Kalkulationsgrundlagen des Krankenversicherers, finden sie sich nun im Geschäftsplan, in einer Kalkulationsverordnung oder sonstwo, dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht erschließen. Diese Problematik berührt hier aber nicht die Frage nach einem Anspruch des Klägers wegen ungerechtfertigter Bereicherung. Deshalb kommt es auch nicht darauf an, ob Regelungen im Geschäftsplan gegen die §§ 6 und 9 AGBG verstoßen. Ein Anspruch des Klägers nach § 812 Abs. 1 BGB scheitert bereits daran, daß die Beklagte den Teil der Prämie, aus dem sie die Alterungsrückstellung gebildet hat, nicht ohne rechtlichen Grund erlangte und der rechtliche Grund später auch nicht weggefallen ist.

Der Kläger hat die volle Prämie, also auch den Teil für die Alterungsrückstellung, aufgrund des Versicherungsvertrages gezahlt. Darin liegt der rechtliche Grund. Aus dem Vertrag, nämlich aus § 4 Teil II Nr. 8 konnte der Kläger ersehen, daß die Beklagte Alterungsrückstellungen bildet, ohne daß gesagt ist, der Kläger erhalte diese Rückstellungen bei einer Kündigung ausbezahlt. Der rechtliche Grund ist durch die Kündigung des Klägers nicht weggefallen. Die Kündigung beendet den Vertrag nur für die Zukunft. Die bis zur Kündigung geleisteten Prämien hat die Beklagte also mit rechtlichem Grund erlangt. Darauf weist die Revisionserwiderung zu Recht hin.

5. Die Revision stellt zur Überprüfung, ob sich ein Anspruch des Klägers auf Auszahlung der Alterungsrückstellung als Schadensersatz nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 85 Abs. 1 EGV ergibt. Dabei vertritt die Revision die Auffassung, bei Art. 85 EGV handele es sich um ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Indessen hilft auch diese Betrachtungsweise dem Kläger nicht.

Zwar hat der Bundesgerichtshof entschieden, worauf die Revision hinweist, daß Art. 85 Abs. 1 EGV jedenfalls dann als ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB zugunsten des Beeinträchtigten anzusehen ist, wenn die verbotene Schädigung der Wettbewerbsfreiheit unmittelbar gegen den Betroffenen gerichtet ist (Urteile vom 10. November 1987 - KZR 15/86 - GRUR 1988, 327 unter I 3 b; vom 23. Oktober 1979 - KZR 21/78 - WuW/E BGH 1643 unter II 3 b). Diese Voraussetzungen liegen aber nicht vor. Es fehlt bereits daran, daß die Beklagte gegen den Kläger eine seine Wettbewerbsfreiheit beeinträchtigende Handlung gerichtet hat. Art. 85 EGV schützt zwar nicht nur den Wettbewerb als Institution, sondern auch die einzelnen Marktteilnehmer (Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1 1998, Art. 85 Rdn. 184). Der Kläger nimmt als Versicherungsnehmer aber nicht am Wettbewerb im Markt der Versicherer teil.

6. Da die Entscheidung nicht von der Anwendung europäischer Rechtsvorschriften abhängt, sieht der Senat ebenso wie das Berufungsgericht keine Veranlassung, der Anregung des Klägers zu folgen, die Sache dem Europäischen Gerichtshof zur Klärung irgendwelcher Rechtsfragen vorzulegen.

Ende der Entscheidung

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