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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 14.04.1999
Aktenzeichen: IV ZR 197/98
Rechtsgebiete: VVG, AVB
Vorschriften:
VVG § 12 Abs. 1 Satz 2 | |
AVB f. Rechtsschutzvers. (ARB 75) § 2 Abs. 2 |
Zur Verjährung der Ansprüche auf Versicherungsschutz in der Rechtsschutzversicherung.
BGH, Urteil vom 14. April 1999 - IV ZR 197/98 - OLG Frankfurt LG Kassel
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 14. April 1999
Schick Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Schmitz, die Richter Römer, Terno, Seiffert und die Richterin Ambrosius auf die mündliche Verhandlung vom 14. April 1999
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 14. Zivilsenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 14. Juli 1998 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin zu 1) unterhält bei der Beklagten eine Rechtsschutzversicherung, die den Kläger zu 2) als mitversicherte Person einschließt. Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung (ARB 75) zugrunde. Die Parteien streiten darüber, ob die Ansprüche auf Versicherungsschutz verjährt sind.
Die Kläger wurden bei einem Verkehrsunfall vom 28. April 1991 (richtig wohl: 24. August 1991) verletzt. Noch im selben Jahr beauftragten sie Rechtsanwalt D., ihre Schadensersatzansprüche gegenüber dem unfallverursachenden Kraftfahrzeuglenker, dem Eigentümer des Fahrzeugs und dem Kfz-Haftpflichtversicherer geltend zu machen. Letzterer leistete im Verlauf der außergerichtlichen Verhandlungen Teilzahlungen an die Kläger. Eine abschließende Einigung scheiterte im Herbst 1995 daran, daß die Kläger nicht auf Ansprüche wegen möglicher Zukunftsschäden verzichten wollten. Im November 1995 beauftragten die Kläger mit der Wahrnehmung ihrer Interessen in der Unfallangelegenheit die jetzigen vorinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten. Diese meldeten der Beklagten mit Schreiben vom 21. November 1995 den Versicherungsfall und baten um Deckungsschutz. Die Kläger möchten Ansprüche über 150.000 DM einklagen. Die Beklagte meint, die Verjährungsfrist für die Ansprüche auf Versicherungsschutz sei gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 VVG Ende 1993, spätestens Ende 1994 abgelaufen. Die Ansprüche seien Ende 1991 fällig geworden, weil sich bereits damals für die Kläger abgezeichnet habe, daß in der Unfallsache Rechtsverfolgungskosten entstehen würden.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, den Klägern für die außergerichtliche und gerichtliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aus dem Verkehrsunfall vom 28. April 1991 gegenüber dem Unfallgegner, dem Eigentümer des gegnerischen Fahrzeugs und dessen Haftpflichtversicherer Kostendeckungszusage im Rahmen der Versicherungsbedingungen zu gewähren. Die Berufung wurde zurückgewiesen. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Das Landgericht und das Oberlandesgericht haben im Ergebnis richtig entschieden. Die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche auf Kostendeckungszusage sind nicht verjährt.
1. Wann die Verjährungsfrist für Ansprüche des Versicherungsnehmers oder Versicherten aus einem Vertrag auf der Grundlage der ARB 75 beginnt, ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten.
Zum Teil wird die Ansicht vertreten, in der Rechtsschutzversicherung gebe es wegen der Sorgeleistungspflicht des Versicherers einen generellen, einheitlichen Anspruch auf Versicherungsschutz als Hauptanspruch, der gesondert verjähren könne und nach dessen Verjährung auch später fällig gewordene einzelne Kostenerstattungsansprüche nach § 2 ARB 75 wegen Verjährung nicht mehr geltend gemacht werden könnten (vgl. u.a. Harbauer, Rechtsschutzversicherung 6. Aufl. § 18 ARB 75 Rdn. 3 und 4; Böhme, ARB 10. Aufl. § 4 Rdn. 65; OLG Hamm r+s 1999, 28 f. und VersR 1997, 231; OLG Karlsruhe VersR 1992, 735 f.; OLG Köln VersR 1986, 805 f.). Der einheitliche Anspruch auf Versicherungsschutz soll fällig werden, wenn sich für den Versicherungsnehmer die Notwendigkeit einer rechtlichen Interessenwahrnehmung so konkret abzeichne, daß er mit der Entstehung von Kosten rechnen müsse. Zur Begründung wird im wesentlichen auf eine Ähnlichkeit mit der Haftpflichtversicherung und darauf verwiesen, daß es dort nach herrschender Meinung ebenfalls einen einheitlichen Haftpflichtversicherungsanspruch gebe, dessen Verjährung sich auf alle vom Versicherer geschuldeten Leistungen erstrecke (BGH, Urteil vom 20. Januar 1971 - IV ZR 1134/68 - VersR 1971, 333 und Voit in Prölss/Martin, VVG 26. Aufl. § 149 VVG Rdn. 4, jeweils m.w.Nachw.).
Nach anderer Ansicht gibt es bei einem Vertrag nach Maßgabe der ARB 75 keinen generellen Anspruch auf Versicherungsschutz, die Ansprüche auf Sorgeleistung und Kostenübernahme würden vielmehr unabhängig voneinander verjähren (OLG Frankfurt VersR 1991, 66 ff.; OLG Stuttgart VersR 1992, 954 unter 2; Prölss in Prölss/Martin, aaO § 18 ARB 75 Rdn. 2 und § 14 ARB 94 Rdn. 1 m.w.Nachw.).
Für den hier gegebenen Fall der aktiven Rechtsverfolgung wird im Berufungsurteil im Anschluß an die Entscheidungen des 19. Zivilsenats des Berufungsgerichts (OLG Frankfurt aaO und VersR 1987, 1028) die Auffassung vertreten, die Verjährung des Anspruchs auf Versicherungsschutz beginne überhaupt erst mit der tatsächlichen Inanspruchnahme des Versicherers.
2. In einer Rechtsschutzversicherung auf der Grundlage der ARB 75 gibt es keinen generellen, einheitlichen Anspruch auf Versicherungsschutz, der als solcher verjähren kann und dessen Verjährung sich auch auf erst später fällig werdende Ansprüche auf Kostentragung nach § 2 ARB 75 erstreckt. Für die Verjährung dieser Ansprüche kommt es darauf an, wann die Leistungen im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 2 VVG jeweils verlangt werden können. Wann sie vom Versicherungsnehmer tatsächlich verlangt werden, ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts für den Verjährungsbeginn unerheblich. Etwas anderes könnte allenfalls für den hier nicht geltend gemachten Anspruch auf Bestimmung eines Rechtsanwalts auf Verlangen des Versicherungsnehmers gelten (§ 16 Abs. 1 Satz 2 ARB 75).
a) Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 VVG beginnt die Verjährung eines Anspruchs aus dem Versicherungsverhältnis mit dem Ende des Jahres, in dem die Leistung verlangt werden kann. Diese Regelung unterscheidet sich von der in § 198 BGB, die auf die Entstehung des Anspruchs, aber auch von der des § 852 BGB, die auf die Kenntnis des Schadens und der Person des Ersatzpflichtigen abstellt. Im Rahmen des § 12 Abs. 1 VVG kommt es demnach nicht auf die Entstehung, sondern auf die Fälligkeit des Anspruchs an. Es muß also Klage auf sofortige Leistung erhoben werden können (BGH, Urteil vom 10. Mai 1983 - IVa ZR 74/81 - VersR 1983, 673 unter II; ebenso Urteile vom 4. November 1987 - IVa ZR 141/86 - VersR 1987, 1235 unter 3 und vom 19. Januar 1994 - IV ZR 117/93 - VersR 1994, 337 unter 2b, jeweils m.w.Nachw.; vgl. auch Römer in Römer/Langheid, VVG § 12 Rdn. 8 ff.). Maßgeblich ist dabei diejenige Leistung, die vom Gläubiger gefordert und vom Schuldner mit der Verjährungseinrede verweigert wird. Soweit die Leistungen, die ein Versicherer aus Anlaß eines bestimmten Versicherungsfalls schuldet, zu unterschiedlichen Zeiten fällig werden, laufen für die einzelnen Teilleistungen auch unterschiedliche Verjährungsfristen. Daraus folgt, daß der Gläubiger im Rahmen des § 12 Abs. 1 VVG - anders als nach den §§ 198, 852 BGB, anders auch als nach § 12 Abs. 3 VVG - nicht auf die Feststellungsklage verwiesen werden kann, um den Ablauf der Frist und den damit verbundenen Rechtsnachteil zu vermeiden.
b) Wann der Anspruch auf Kostentragung fällig wird, richtet sich nicht nach § 11 Abs. 1 VVG, da diese Vorschrift nur auf reine Geldleistungsansprüche, also Zahlungsansprüche anwendbar ist (Prölss, aaO § 11 VVG Rdn. 1; Römer, aaO § 11 Rdn. 2). Der Anspruch nach § 2 ARB 75 geht auf Befreiung von den bei der Wahrung der rechtlichen Interessen entstehenden Kosten (BGH, Urteil vom 14. März 1984 - IVa ZR 24/82 - VersR 1984, 530 unter II). Der Schuldbefreiungsanspruch ist einem Zahlungsanspruch nicht gleichartig (BGHZ 25, 1, 7 f.). Für die Fälligkeit des Kostenbefreiungsanspruchs kommt es vielmehr nach § 2 Abs. 2 ARB 75 darauf an, wann der Versicherungsnehmer wegen der Kosten in Anspruch genommen wird (Römer, aaO § 11 Rdn. 26; Harbauer, aaO § 2 ARB 75 Rdn. 150 ff.). Erst dann ist eine auf Kostenbefreiung gerichtete Leistungsklage möglich und zur Unterbrechung der Verjährung auch nötig. Vorher kann nur auf Feststellung geklagt werden, daß der Versicherer verpflichtet sei, Kostendeckung oder Rechtsschutz in bestimmten Angelegenheiten zu gewähren (vgl. BGH, Urteile vom 10. November 1993 - IV ZR 87/93 - VersR 1994, 44 unter 1 und vom 16. Oktober 1985 - IVa ZR 49/84 - VersR 1986, 132 unter 1; vgl. allgemein zur Fälligkeit des Freistellungsanspruchs und zu den Voraussetzungen einer auf Freistellung gerichteten Leistungsklage BGH, Urteil vom 20. November 1990 - VI ZR 6/90 - NJW 1991, 634 unter A; BGHZ 91, 73, 77 ff.). In diesem Sinne sind auch die Klageanträge im vorliegenden Fall als Feststellungsanträge aufzufassen. Ein Feststellungsinteresse ist regelmäßig nach Leistungsablehnung und stets dann gegeben, wenn eine Klagefrist nach § 12 Abs. 3 VVG gesetzt worden ist.
c) Der Auffassung, für die Verjährung des Kostenbefreiungsanspruchs komme es wie in der Haftpflichtversicherung darauf an, ob der generelle, einheitliche Hauptanspruch auf Versicherungsschutz verjährt sei, stimmt der Senat nicht zu.
In der Rechtsschutzversicherung ist der Anspruch auf Kostenbefreiung nicht lediglich die unselbständige "Ausstrahlung" eines Hauptanspruchs, er stellt vielmehr selbst die Hauptleistung des Versicherers dar (vgl. Harbauer, aaO § 2 ARB 75 Rdn. 1; Römer, aaO § 11 Rdn. 26). Diese Kosten bilden den Schaden, dessen Deckung der Rechtsschutzversicherer übernommen hat (BGH, Urteil vom 24. April 1967 - II ZR 229/64 - VersR 1967, 774 unter II 2). Die Sorgeleistung ist demgegenüber nur eine untergeordnete Nebenpflicht (Prölss, aaO § 18 ARB 75 Rdn. 2; vgl. auch Römer, aaO § 11 Rdn. 27 und Harbauer, aaO § 2 ARB 75 Rdn. 145). Sie erschöpft sich im wesentlichen darin, daß der Versicherer, der selbst eine Rechtsberatung nicht betreiben darf (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1961 - II ZR 139/59 - VersR 1961, 433 unter II; Harbauer, aaO § 1 ARB 75 Rdn. 6 ff.), auf Verlangen des Versicherungsnehmers einen Rechtsanwalt bestimmt, der seine Interessen wahrnehmen soll (§ 16 Abs. 1 Satz 2 ARB 75). Diese Leistung des Versicherers ist im Vergleich zur Kostenübernahme nur von untergeordneter praktischer Bedeutung und schon deshalb nicht geeignet, einen Einfluß auf die Verjährung des Kostenbefreiungsanspruchs auszuüben. Demgegenüber sind in der Haftpflichtversicherung die Ansprüche auf Abwehr unbegründeter und Erfüllung begründeter Haftpflichtansprüche (§ 3 II 1 Abs. 1 AHB) gleichrangige Hauptleistungen des Versicherers (BGH, Urteile vom 21. Januar 1976 - IV ZR 123/74 - VersR 1976, 477 unter I und vom 3. Oktober 1979 - IV ZR 45/78 - VersR 1979, 1117 unter II 1, jeweils m.w.Nachw.). Schon deshalb können die Grundsätze über die Verjährung in der Haftpflichtversicherung nicht auf die Rechtsschutzversicherung übertragen werden. Auch in anderen Punkten unterscheidet sich die Haftpflichtversicherung von der Rechtsschutzversicherung (vgl. BGH, Urteile vom 20. Februar 1961 aaO unter II und vom 18. März 1992 - IV ZR 51/91 - VersR 1992, 568 unter 3).
Einen dem Anspruch auf Sorgeleistung und Kostenbefreiung übergeordneten, mit der Leistungsklage verfolgbaren Anspruch auf Versicherungsschutz gibt es in der Rechtsschutzversicherung nicht. Er kann auch nicht aus § 1 Abs. 1 ARB 75 hergeleitet werden. Bei dieser Bestimmung handelt es sich nur um eine einleitende Leistungsbeschreibung, die Ansprüche des Versicherungsnehmers noch nicht begründet (BGH, Urteil vom 20. Februar 1985 - IVa ZR 137/83 - VersR 1985, 538 unter 3). Gegen das Bestehen eines solchen Anspruchs spricht auch, daß nach den ARB 75 kein Anspruch auf eine umfassende, sondern nur auf die jeweilige Instanz beschränkte Kostendeckungszusage besteht (Senatsbeschluß vom 2. Mai 1990 - IV ZR 294/89 - r+s 1990, 275 f.). Bei Ersatzansprüchen wegen Personenschäden ziehen sich die Verhandlungen und Streitigkeiten oft über Jahre hin. Der Versicherungsnehmer müßte dann befürchten, daß der Versicherer (jeweils) nach zwei Jahren alle erst in Zukunft möglicherweise entstehenden, konkret noch gar nicht absehbaren Kostenbefreiungsansprüche mit der Verjährungseinrede abzuwehren versucht.
3. Daraus folgt, daß der hier geltend gemachte Anspruch auf Kostendeckungszusage für die beabsichtigte außergerichtliche und gerichtliche Verfolgung der Schadensersatzansprüche mit Hilfe der jetzigen vorinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten nicht verjährt ist. Er ist nicht einmal fällig, weil die Kläger wegen der Kosten noch nicht in Anspruch genommen worden sind.
Ansprüche auf Übernahme von Kosten, die durch die Beauftragung von Rechtsanwalt D. im Jahre 1991 entstanden sein könnten, sind nach dem Inhalt der Klagebegründung und ausdrücklicher Erklärung im Berufungsverfahren nicht Gegenstand des Rechtsstreits. Deshalb kommt es auf die vom Berufungsgericht behandelte Frage, ob die Beklagte wegen dieser Kosten nach § 16 Abs. 3 ARB 75 leistungsfrei ist, und die darauf bezogene Revisionsrüge nicht an.
Ende der Entscheidung
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