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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 16.06.1999
Aktenzeichen: IV ZR 22/98
Rechtsgebiete: AKB


Vorschriften:

AKB § 13 (7)
AKB § 13 (7)

Ob der Versicherungsnehmer nach Ablauf der Monatsfrist des § 13 (7) AKB durch eine freiwillige Rücknahme des Fahrzeugs auf seinen Anspruch auf Ersatz des Wiederbeschaffungswerts verzichtet, ist eine Frage der Auslegung.

BGH, Urteil vom 16. Juni 1999 - IV ZR 22/98 - OLG Hamburg LG Hamburg


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

IV ZR 22/98

Verkündet am: 16. Juni 1999

Schick Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Schmitz und die Richter Römer, Dr. Schlichting, Terno und Seiffert auf die mündliche Verhandlung vom 16. Juni 1999

für Recht erkannt:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 12. Dezember 1997 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung wegen eines Betrages von 28.913,04 DM nebst 4% Zinsen seit 25. März 1997 zurückgewiesen worden ist.

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hamburg vom 11. Juli 1997 teilweise abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 19.400 DM nebst 4% Zinsen seit 25. März 1997 zu zahlen.

Im übrigen wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von der Beklagten als Kaskoversicherer die restliche Entschädigung für einen am 15. April 1995 entwendeten, von ihm geleasten PKW BMW auf der Basis eines Neupreises von 170.035,23 DM netto.

Auf die im Vorprozeß im August 1995 eingereichte Teilklage über 70.000 DM hatte das Landgericht die Beklagte verurteilt, diesen Betrag nebst Zinsen an die Leasinggeberin zu zahlen. Gegen das Urteil des Landgerichts vom 10. April 1996 legte die Beklagte Berufung ein. Im Januar 1996 hatten die Parteien erfahren, daß der gestohlene PKW von der holländischen Polizei sichergestellt worden war. Ab Mitte April 1996 kam es zwischen den Parteien und der Leasinggeberin zu Verhandlungen über die Verwertung des Fahrzeugs. Ende August 1996 veräußerte die Leasinggeberin den PKW mit Zustimmung der Beklagten zum Preis von 37.391,30 DM netto. Daraufhin machte die Beklagte im Berufungsverfahren geltend, nunmehr sei der Anspruch auf Ersatz des Wiederbeschaffungswerts entfallen, es bestehe nur noch Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten. Das Berufungsgericht ist dem gefolgt. Es hat in Höhe des Verwertungserlöses die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache festgestellt, dem Kläger einen Reparaturkostenbetrag von 15.000 DM zugesprochen und die Klage im übrigen abgewiesen.

Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt der Kläger weitere 100.035,23 DM. Mit der Revision verfolgt er den in den Vorinstanzen abgewiesenen Antrag weiter.

Der Senat hat die Revision angenommen, soweit der Kläger den Wiederbeschaffungswert abzüglich der Selbstbeteiligung und der durch den Vorprozeß erledigten 70.000 DM geltend macht.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Klägers hat im Umfang der Annahme Erfolg. Sie führt zur Verurteilung der Beklagten in Höhe von 19.400 DM nebst Zinsen und im übrigen zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Die unter Bezugnahme auf seine Entscheidung im Vorprozeß vertretene Ansicht des Berufungsgerichts, der Anspruch auf Ersatz des Wiederbeschaffungswerts sei dem Kläger deshalb versagt, weil wegen der Rücknahme des Fahrzeugs durch die Leasinggeberin die Rechtsfolgen des § 13 Nr. 7 AKB eingetreten seien, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Revision rügt mit Recht, daß das Berufungsgericht bei dieser Beurteilung wesentlichen Prozeßstoff außer acht gelassen und anerkannte Auslegungsgrundsätze nicht beachtet hat.

1. Schon der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, die Leasinggeberin habe durch ihr Verhalten im Zuge der Rücknahme des Fahrzeugs die Rechtsfolgen des § 13 Nr. 7 Satz 1 AKB akzeptiert, beruht auf einem fehlerhaften Verständnis von der Reichweite dieser Klausel. Sie ist hier von vornherein nicht einschlägig, weil das entwendete Fahrzeug nicht innerhalb der darin genannten Monatsfrist wieder zur Stelle gebracht worden ist.

2. Es kommt vielmehr, was das Berufungsgericht nicht hinreichend beachtet hat, darauf an, was die drei am Versicherungsvertrag Beteiligten oder in ihn Einbezogenen (Versicherungsnehmer und Leasinggeber einerseits, Versicherer andererseits) als Rechtsfolge der Rücknahme und Verwertung des Fahrzeugs durch die Leasinggeberin vereinbart haben.

a) Das ist eine Frage der Auslegung der Erklärungen und des Verhaltens der Beteiligten unter Berücksichtigung der Umstände des Falles nach den §§ 157, 133 BGB. Dabei ist auch der Grundsatz zu beachten, daß ein Verzicht auf Ansprüche nicht zu vermuten ist und an die Feststellung des Verzichtswillens und die Annahme eines Erlaßvertrages vielmehr strenge Anforderungen zu stellen sind (BGH, Urteil vom 15. Juli 1997 - VI ZR 142/95 - VersR 1998, 122 unter 2).

b) Bei Anwendung dieser Auslegungsgrundsätze konnte die Beklagte nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte dem Verlangen des Klägers und der Leasinggeberin auf Rückübertragung des Fahrzeugs und Zustimmung zur Verwertung nicht entnehmen, diese wollten damit auf den geltend gemachten und vom Landgericht teilweise schon zuerkannten Anspruch auf Wertersatz verzichten und sich stattdessen mit dem Ersatz der Reparaturkosten begnügen. Nach den ausdrücklichen Erklärungen des Klägers und den gesamten Umständen der Verhandlungen über die Verwertung des Fahrzeugs ist vielmehr das Gegenteil der Fall. Mit der Entwendung des Fahrzeugs war nicht nur der Versicherungsfall eingetreten, sondern auch der Anspruch auf Zahlung der Versicherungssumme nach Maßgabe von § 13 Abs. 1 AKB entstanden, lediglich die Fälligkeit dieses Anspruchs war nach § 15 Abs. 1 Satz 1 AKB bis zum Ablauf der Monatsfrist des § 13 Abs. 7 AKB hinausgeschoben (vgl. BGH, Urteil vom 17. November 1981 - IVa ZR 230/80 - VersR 1982, 135 unter 2 a). Insoweit kommt es auf den Streit der Parteien, welche Fassung der AKB dem Vertrag zugrunde liegt, nicht an. Von einem Verzicht des Klägers oder der Leasinggeberin auf den Anspruch auf Wertersatz ist in dem Schriftwechsel zwischen den Beteiligten keine Rede. Der Kläger hatte vielmehr von Anfang an ausdrücklich darauf hingewiesen, daß er an einer Rückübereignung des Fahrzeugs nicht interessiert sei und der Anspruch auf Regulierung in vollem Umfang aufrecht erhalten bleibe. Unter Hinweis auf die Leistungsverweigerung der Beklagten einerseits sowie die von ihm weiter zu zahlenden Leasingraten und den laufenden Wertverlust des herumstehenden Fahrzeugs andererseits forderte er die Beklagte auf, entweder das Fahrzeug oder einen etwaigen Verwertungserlös an die Leasinggeberin herauszugeben. Dies war auch für die Leasinggeberin der Grund für die Rücknahme und Verwertung des Fahrzeugs. Daraus kann aus der Sicht der Beklagten redlicherweise nur der Schluß gezogen werden, daß die Rücknahme und Verwertung des Fahrzeugs durch die Leasinggeberin mit Zustimmung der Beklagten allein den Sinn haben sollte, weiteren Schaden von demjenigen abzuwenden, der letztlich den Prozeß verlieren wird.

3. Der Netto-Wiederbeschaffungswert beträgt nach Behauptung des Klägers 103.913,04 DM, nach Behauptung der Beklagten 94.400 DM. Unter Abzug der Selbstbeteiligung von 5.000 DM und der durch den Vorprozeß erledigten 70.000 DM sind dem Kläger deshalb jedenfalls 19.400 DM zuzusprechen. Wegen der streitigen Differenz von 9.513,04 DM bedarf die Sache weiterer Aufklärung.

II. Leistungsfreiheit der Beklagten nach § 6 Abs. 3 VVG i.V. mit § 7 I (1), V (4) AKB wegen falscher Angaben zum Kaufpreis ist nicht eingetreten. Dies wurde im Vorprozeß vom Landgericht und vom Oberlandesgericht abgelehnt. Die Vorsatzvermutung sei widerlegt, weil die Beklagte den der Leasinggeberin beim Kauf gewährten Rabatt schon bei Abschluß des Versicherungsvertrages gekannt habe und der Kläger und sein Prozeßbevollmächtigter von dieser Kenntnis ausgegangen seien und weil sie die Beklagte gebeten hätten, sich wegen der Regulierung mit der Leasinggeberin in Verbindung zu setzen. Diese Beurteilung ist nicht zu beanstanden und wird durch die wiederholte Berufung der Beklagten auf Leistungsfreiheit im jetzigen Verfahren nicht in Frage gestellt.

Ende der Entscheidung

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