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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 15.03.2000
Aktenzeichen: IV ZR 222/98
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 2034
BGB § 2035
BGB § 138
ZPO § 420
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

IV ZR 222/98

Verkündet am: 15. März 2000

Schick Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Schmitz und die Richter Prof. Römer, Dr. Schlichting, Terno und Seiffert auf die mündliche Verhandlung vom 15. März 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Beklagten zu 2) wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 30. Juli 1998 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin macht als Miterbin zu 3/8 am Nachlaß ihres Großvaters ein Vorkaufsrecht gemäß §§ 2034, 2035 BGB geltend. Der Nachlaß besteht nur noch aus einem Hausgrundstück in L.. Neben der Klägerin war der ursprüngliche Beklagte, ihr Onkel, ein Sohn des Erblassers, zu 5/8 Miterbe. Er schloß am 13. Februar 1992 u.a. mit den ihn später in diesem Rechtsstreit in erster Instanz vertretenden Rechtsanwälten einen notariell beurkundeten Vertrag, nach dessen Wortlaut er "seinen Anspruch auf Auseinandersetzung und Auflassung ... sowie den Verkauf seines Anteils nebst Auflassung ... zu einem Kaufpreis von DM 400.000,-" übertrug. In bezug auf diesen Vertrag hat die Klägerin das Vorkaufsrecht ausgeübt. Der frühere Beklagte hat bestritten, daß der Vertrag einen Erbteilskauf zum Gegenstand gehabt habe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung hat die Klägerin ihre Auffassung weiterverfolgt, der Vertrag sei als Erbteilskauf zu werten. Während des Berufungsverfahrens starb der ursprüngliche Beklagte. Er wurde von seiner kurze Zeit später ebenfalls verstorbenen Ehefrau beerbt, deren Erben die jetzigen Beklagten zu 1) und 2) sind. Der Beklagte zu 2) hat geltend gemacht, der Vertrag vom 13. Februar 1992 sei gemäß § 138 BGB nichtig, weil der vereinbarte Preis von 400.000 DM nur etwa 1/5 des wahren Wertes des Erbanteils ausmache. In einem bei den Akten des vorliegenden Verfahrens befindlichen Gutachten ist der Verkehrswert des gesamten Grundstücks zum 2. Februar 1993 auf 3,11 Mio. DM bestimmt worden. Das Gutachten war in einem auf Antrag des ursprünglichen Beklagten eingeleiteten Teilungsversteigerungsverfahren vom Gericht eingeholt worden; dieses Verfahren ist nach Rücknahme des Antrags aufgehoben worden. Das Berufungsgericht hat die Beklagten zur gesamten Hand verurteilt, den Erbanteil von 5/8 Zug um Zug gegen Zahlung von 400.000 DM an die Klägerin zu übertragen.

Dagegen wendet sich der Beklagte zu 2) mit der Revision.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Nach Ansicht des Berufungsgerichts hat der ursprüngliche Beklagte durch den Vertrag vom 13. Februar 1992 der Sache nach seinen Erbteil verkauft; der Klägerin stehe daher ein Vorkaufsrecht zu, das sie auch fristgemäß und wirksam ausgeübt habe. Das nimmt die Revision hin.

Die Ausübung des Vorkaufsrechts ginge jedoch ins Leere, wenn der Kaufvertrag nichtig wäre (vgl. BGH, Urteil vom 9. Januar 1960 - V ZR 103/58 - WM 1960, 551 unter 2; Urteil vom 14. November 1969 - V ZR 115/66 - WM 1970, 321 unter II). Das Berufungsgericht hält den Beklagten zu 2) wegen seines Einwands, der Vertrag sei im Hinblick auf den viel zu geringen Kaufpreis sittenwidrig, für beweisfällig. Das bei den Akten befindliche Gutachten sei nicht im streitgegenständlichen Verfahren eingeholt worden und deshalb als Beweismittel nicht geeignet. Im übrigen sei kein Beweis angetreten worden.

2. Dagegen wendet sich die Revision mit Recht.

a) Daß das Verkehrswertgutachten in einem anderen Verfahren eingeholt worden ist, steht seiner Verwertung zu Beweiszwecken im vorliegenden Verfahren als Urkunde nicht im Wege; dies wäre sogar von Amts wegen möglich. Dadurch wird das Recht beider Parteien nicht eingeschränkt, die persönliche Vernehmung des Sachverständigen und eine ergänzende Begutachtung auch durch einen anderen Sachverständigen zu verlangen. Das Gericht kann solche ergänzenden Maßnahmen auch von sich aus anordnen, soweit die Verwertung des Gutachtens aus dem anderen Verfahren im Wege des Urkundenbeweises nicht ausreicht, die Beweisfragen zu klären (BGH, Urteil vom 26. Mai 1982 - IVa ZR 76/80 - NJW 1983, 121, 122 f.; Urteil vom 22. April 1997 - VI ZR 198/96 - NJW 1997, 3381, 3382 unter II 1 a aa; Urteil vom 10. Juli 1997 - III ZR 69/96 - NJW 1997, 3096 unter I 2 a).

b) Demgegenüber macht die Revisionserwiderung geltend, ein ausdrücklicher Beweisantritt des Beklagten zu 2) gemäß § 420 ZPO fehle selbst im Hinblick auf das im Teilungsversteigerungsverfahren eingeholte Gutachten. Da die Klägerin dieses Gutachten bereits als offensichtlich falsch beurteilt und sich unter Verwahrung gegen die Beweislast auf ein Sachverständigengutachten bezogen habe, bevor sich der Beklagte zu 2) darauf für seinen Einwand aus § 138 BGB stützte, müsse das Fehlen eines ausdrücklichen Beweisantritts des Beklagten als Verzicht gewertet werden. Aus dem Vorbringen des Beklagten zu 2) ist jedoch der Beweisantritt durch Bezugnahme auf das bereits vorliegende Gutachten hinreichend deutlich zu entnehmen. Das kann der Senat selbst beurteilen (BGH, Urteile vom 26. Juni 1991 - VIII ZR 231/90 - NJW 1991, 2630, 2631 unter II 3; vom 12. Juli 1995 - IV ZR 369/94 - NJW-RR 1995, 1469 unter 2 a).

c) Darüber hinaus ist die Revisionserwiderung der Meinung, es fehle schon an einem substantiierten Vorbringen des Beklagten zu 2) zu der im Gutachten angenommenen Höhe des Verkehrswerts. Denn er habe nicht durch Tatsachenvortrag die Bedenken der Klägerin gegen das Gutachten ausgeräumt, etwa daß der Bodenrichtwert auf die gesamte Grundstücksfläche ohne Unterscheidung zwischen unbebauten und bebauten Flächen angewandt worden sei, daß der im Rahmen der Verkehrswertermittlung höher gewichtete Ertragswert nicht richtig ermittelt worden sei, daß der Gutachter von einer unrealistischen Höhe der zu erzielenden Mieten ausgegangen sei und daß er das Bestehen von Nutzungsverhältnissen Dritter an dem Grundstück nicht berücksichtigt habe. Insoweit handelt es sich jedoch um Einwände, deren Beantwortung besondere Sachkunde voraussetzt und die die Zuziehung eines Sachverständigen erforderlich machen können. Daß der Beklagte zu 2) lediglich das Ergebnis des Gutachtens vorgetragen hat, macht sein Vorbringen nicht unsubstantiiert oder unschlüssig (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 1991 - X ZR 77/89 - NJW 1991, 2707, 2709 unter II 4 b aa; Urteil vom 13. März 1996 - VIII ZR 36/95 - NJW 1996, 1826, 1827 unter II 2 c bb).

3. Das Berufungsgericht hat sich mithin verfahrensfehlerhaft nicht mit dem Verkehrswertgutachten aus dem Teilungsversteigerungsverfahren auseinandergesetzt. Das wird nach Zurückverweisung des Verfahrens nachzuholen sein.

Die Revisionserwiderung weist zwar mit Recht darauf hin, daß der Wert eines Erbanteils u.a. wegen der Notwendigkeit einer Erbauseinandersetzung im allgemeinen geringer sein wird, als der dem Erbteil entsprechende Teilwert des Nachlasses, hier also des Grundstücks. Der ursprüngliche Beklagte hat aber der Klägerin unter dem 25. September 1992 geschrieben, von anderer Seite seien ihm für seinen Erbteil 1,2 bis 1,5 Mio. DM geboten worden (GA I 33). Schon wenn die Leistung der einen Seite knapp doppelt so viel wert ist wie die der Gegenseite, spricht dies bei Grundstücksgeschäften in der Regel für ein auffälliges Mißverhältnis und auch für eine verwerfliche Gesinnung dessen, der einen so außergewöhnlichen Vorteil vereinnahmt (BGH, Urteile vom 23. Juni 1995 - V ZR 265/93 - NJW 1995, 2635, 2636 unter III; vom 21. März 1997 - V ZR 355/95 - BGHR BGB § 138 Abs. 1 Mißverhältnis 6 = DtZ 1997, 229 = WM 1997, 1155 = ZIP 1997, 931 unter I 3; vom 4. Februar 2000 - V ZR 146/98 - zur Veröffentlichung bestimmt). Daß hier besondere Umstände entgegenstehen könnten, geht aus dem Parteivorbringen bisher nicht hervor.

Ende der Entscheidung

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