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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 12.03.2008
Aktenzeichen: IV ZR 228/07
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 138 Abs. 3
ZPO § 528 Abs. 1
ZPO § 544 Abs. 7
BGB § 518 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IV ZR 228/07

vom 12. März 2008

in dem Rechtsstreit

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, die Richterin Dr. Kessal-Wulf und den Richter Dr. Franke

am 12. März 2008

beschlossen:

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 26. Juli 2007 wird zugelassen.

Das vorbezeichnete Urteil wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Streitwert: 360.415,79 €.

Gründe:

Das Berufungsgericht hat wesentliche Teile des Sachvortrags zum Nachteil der Klägerin übergangen und damit deren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt; darauf beruht das angefochtene Urteil.

Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BVerfGE 86, 133, 145). Dem hat das Berufungsgericht nicht hinreichend Rechnung getragen.

1. Die Klägerin hat ihren Klaganspruch darauf gestützt, dass sie zur fristlosen Kündigung des Darlehensvertrages vom 11. Februar 1998 berechtigt sei. Zu diesem Darlehensvertrag hat sich der Beklagte in der Klagerwiderung wie folgt eingelassen:

"Nachdem der Vater aufgrund eines seit 1997 einsetzenden erneuten Krebsleidens gesundheitlich immer stärker beeinträchtigt war, hat der Vater der Parteien zur Absicherung der Zukunft seines aufgebauten Unternehmens und zur Altersabsicherung seiner Kinder seinen Anteil an dem Betriebsvermögen in Höhe von 1,24 Mio. DM auf seine Kinder aufgeteilt, so dass jedes Kind weitere 310.000,-- DM an Betriebsvermögen erhielt. Der von der Klägerin vorgelegte Darlehensvertrag vom 11.2.1998 ist ebenfalls nicht von dem Beklagten, sondern noch von dem gemeinsamen Vater erstellt worden. Die Darlehenssumme, die in diesem Darlehensvertrag mit 610.071,70 DM aufgeführt ist, resultiert aus dem Guthaben der Klägerin zum 31.12.1997 und dem zusätzlichen Anteil am Betriebsvermögen in Höhe von 310.000,-- DM."

a) Das Berufungsgericht hat sich mit diesem Vorbringen, über das mündlich verhandelt worden ist, nicht auseinandergesetzt. Es hat weder erwogen, ob der Klägerin die geltend gemachte Darlehensforderung der Höhe nach zugestanden hat (§ 288 Abs. 1 ZPO), noch beachtet, dass insoweit übereinstimmender Vortrag der Parteien zum Verständnis des Vertragsinhalts vorliegt, so dass dieser als unstreitig i.S. des § 138 Abs. 3 ZPO zu behandeln gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 2004 - II ZR 415/02 - BGH-Report 2004, 974 unter II 2 b). Beide Parteien sind ersichtlich vom Abschluss eines Darlehensvertrages ausgegangen, in den verschiedene Verbindlichkeiten des Beklagten in seiner Eigenschaft als Inhaber der vom Vater übernommenen Firma eingeflossen sind, wobei Einigkeit gegeben war, dass diese Verbindlichkeiten - gleich welchen Rechtsgrund sie bis dahin hatten - für die Zukunft als Darlehen geschuldet sein sollten (§ 607 Abs. 2 BGB a.F., § 311 Abs. 1 BGB n.F.). Für die Auffassung des Berufungsgerichts, die Vereinbarung habe unter dem Vorbehalt gestanden, dass die im Vertrag vom 11. Februar 1998 zusammengefassten Verbindlichkeiten zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich bestanden, also die ursprünglichen Verträge weder nichtig noch aus einem sonstigen Grunde unwirksam waren, ist vor diesem Hintergrund kein Raum. Dafür gibt das begleitende Schreiben der Klägerin vom 11. Februar 1998, mit dessen Inhalt sich das Berufungsgericht gleichfalls nicht erschöpfend auseinandergesetzt hat, ebenso wenig her wie das wiederum übereinstimmende Bekunden der Parteien, der neue Darlehensvertrag gebe den gemeinsamen Willen der Familie wieder, eine Regelung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge mit dem Ziel zu schaffen, das Betriebsvermögen vorerst zu schonen und den Bestand der Firma durch das vorzeitige Abziehen von Kapital nicht zu gefährden. Entsprechend ist der Vertrag nachfolgend praktiziert worden, ohne dass sich irgendein Anhalt für die vom Berufungsgericht vertretene Sichtweise fände. Die Parteien des Darlehensvertrages hatten weder Bedenken hinsichtlich des Bestehens der früheren, am 11. Februar 1998 zu einer einheitlichen Darlehensforderung zusammengefassten Verbindlichkeiten, noch sollte der Beklagte nach Abschluss des (neuen) Darlehensvertrages die darin einbezogenen Verbindlichkeiten überhaupt künftig in Zweifel ziehen können. Davon abgesehen, haben sich solche Zweifel beim Beklagten nachfolgend nicht ergeben. Dafür sprechen die von ihm erstellten Jahressalden per 31. Dezember 2001, die unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den Darlehensvertrag vom 11. Februar 1998 gefertigt wurden. Auch mit diesen Jahressalden hat sich das Berufungsgericht nicht befasst.

Es hat deshalb übersehen, dass - auf den Widerspruch der Klägerin hin - in die korrigierte Fassung des Jahressaldos per 31. Dezember 2001 genau die 84.754,76 DM eingestellt worden sind, die aus der erbrechtlichen Auseinandersetzung nach dem Tode der gemeinsamen Mutter stammten. Daher bemängelt das Berufungsgericht auch zu Unrecht, die Klägerin habe weder substantiiert noch unter Beweis gestellt, in die Darlehensforderung sei nach dem Tode der Mutter ein weiterer Betrag von 84.754,76 DM (43.334,42 €) eingeflossen.

b) Danach kommt es auf die Ausführungen des Berufungsgerichts zum Rechtsgrund und zum Bestehen der dem Darlehensvertrag vom 11. Februar 1998 zugrunde liegenden Forderungen nicht an. Aber selbst vom rechtlichen Standpunkt des Berufungsgerichts aus erweist sich das Berufungsurteil als fehlerhaft. Jedenfalls die Schenkung in Höhe von 310.000 DM wäre gemäß § 518 Abs. 2 BGB vollzogen. Denn zum Zeitpunkt der Schenkung war der einzelkaufmännische Betrieb schon vom Vater an den Beklagten übergeben. Der Vater ließ das von ihm eingebrachte Kapital in der Firma, wobei zu seinen Gunsten ein Darlehenskonto eingerichtet wurde, er mithin in Höhe des stehen gebliebenen Kapitals dem Beklagten ein Darlehen gewährte. Wenn der Vater diese Darlehensforderung zwischen der Klägerin und ihren Schwestern schenkweise aufteilte, liegt der Vollzug dieser Schenkung in der - hier erfolgten - Abtretung der Darlehensforderung (vgl. Senatsurteil vom 16. April 1986 - IVa ZR 198/84 - FamRZ 1986, 982 unter 2 b).

2. Das Berufungsurteil leidet noch an einem weiteren grundlegenden Mangel.

a) Das Landgericht hat die Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs verneint, weil der Klägerin die Berechtigung fehle, sich aus dem Darlehensvertrag vom 11. Februar 1998 vorzeitig zu lösen. Das ergibt sich mit der gebotenen Deutlichkeit aus den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils, wenn es dort heißt, zum Kündigungszeitpunkt sei der Klägerin noch zuzumuten gewesen, am Vertrag festzuhalten und sich darauf zu beschränken, die aufgrund des jährlichen "Entnahmerechts" jeweils fälligen Forderungen vom Beklagten zu verlangen und gegebenenfalls einzuklagen. Im Weiteren enthält das landgerichtliche Urteil nur hilfsweise - und im Ergebnis verneinte - Erwägungen, ob sich außerhalb des Vertrages vom 11. Februar 1998 Rechtsgründe ergeben, die der Klägerin zu einem fälligen Zahlungsanspruch verhelfen könnten.

b) Die Klagabweisung als derzeit unbegründet kann im Tenor zum Ausdruck gebracht werden, ohne dass dies jedoch zwingend erforderlich wäre. Es reicht, wenn sich die Einschränkung aus den Urteilsgründen ergibt (BGHZ 143, 79, 88 f.; BGH, Urteil vom 28. September 2000 - VII ZR 57/00 - NJW-RR 2001, 310 unter II 2 a). Es ist demnach kein prozessualer Fehler, wenn die Abweisung als derzeit unbegründet nicht im Tenor enthalten ist, sondern sich erst in Auslegung der Urteilsgründe erschließt, auch wenn es tunlich sein mag, zum Zwecke der Klarstellung einen entsprechenden Zusatz in den Tenor aufzunehmen.

c) Das landgerichtliche Urteil ist daher insoweit nicht zu beanstanden. Demgegenüber ist die Vorgehensweise des Berufungsgerichts prozessual nicht ordnungsgemäß.

(1) Es war allerdings nicht gehindert, auch auf die Berufung der klägerischen Partei die Klage als endgültig unbegründet abzuweisen, selbst wenn diese im ersten Rechtszug lediglich als zurzeit unbegründet abgewiesen worden ist. Zwar wird die Klägerin durch ein solches Berufungsurteil prozessual schlechter gestellt; denn in einem solchen Fall erwächst nunmehr die endgültige Klagabweisung in Rechtskraft. Der Klägerin wird also durch den veränderten Rechtskraftumfang eine Rechtsposition aberkannt, die ihr durch das angegriffene Urteil, das die Klage (nur) als derzeit nicht begründet abgewiesen hat, zuerkannt worden ist. Sie hat jedoch an der Aufrechterhaltung der durch das Urteil des Landgerichts begründeten Rechtsstellung kein schutzwürdiges Interesse. Denn sie hat mit ihrem Rechtsmittel den gesamten Anspruch zur Überprüfung gestellt und somit weiterhin ein umfassendes Sachurteil erstrebt. Dann aber kann kein schutzbedürftiger Besitzstand vorliegen, den sie durch das erstinstanzliche Urteil erlangt hat und der in ihrem Interesse zu sichern wäre. Vielmehr muss sie durchaus auch mit einer endgültigen Abweisung der Klage rechnen (BGHZ 104, 212, 214 f.). Entgegen der Auffassung der Klägerin hat das Berufungsgericht somit die Grenzen der (Anschluss-)Berufung des Beklagten nicht überschritten und nicht gegen § 528 Abs. 1 ZPO verstoßen.

(2) Es hat indes den Tenor des erstinstanzlichen Urteils dahin ergänzt, die Klage werde über einen zuzuerkennenden Betrag von 14.060,69 € nebst Zinsen hinaus als derzeit unbegründet abgewiesen, ausweislich der Entscheidungsgründe dann aber den Klaganspruch in weiten Teilen als endgültig unbegründet abgewiesen. Somit besteht ein offensichtlicher Widerspruch zwischen dem Tenor und den Entscheidungsgründen des zweitinstanzlichen Urteils, den das Berufungsgericht auszuräumen haben wird.

Ende der Entscheidung

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