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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 15.12.2004
Aktenzeichen: IV ZR 257/02
Rechtsgebiete: VBLS, BGB, AGBG
Vorschriften:
VBLS § 37 | |
VBLS § 39 n.F. | |
VBLS § 42 Abs. 2 Satz 1 | |
VBLS § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a | |
VBLS § 42 Abs. 2 Satz 1 Doppelbuchst. aa | |
VBLS § 75 Abs. 2 | |
BGB § 242 | |
AGBG § 9 |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 15. Dezember 2004
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, die Richterin Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung vom 15. Dezember 2004
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 6. Juni 2002 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten eine höhere Zusatzrente.
Sie ist 1940 geboren und war vor dem 3. Oktober 1990 im Beitrittsgebiet beschäftigt. Seit dem 1. Januar 1991 ist sie bei der beklagten Versorgungsanstalt versichert. Sie bezieht seit dem 1. Januar 2001 eine Rente von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte und ist von diesem Zeitpunkt an berechtigt, auch von der Beklagten eine Versorgungsrente nach § 37 ihrer Satzung (im folgenden: VBLS a.F.) zu verlangen. Sie erhielt von der Beklagten zunächst 152,67 DM im Monat. Dabei berücksichtigte die Beklagte nach § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa VBLS a.F. für den Faktor der gesamtversorgungsfähigen Zeit, von dem die Höhe der Zusatzrente abhing, außer den Umlagemonaten, in denen ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes mit Umlagezahlungen an die Beklagte für die Altersversorgung der bei ihm beschäftigten Klägerin beigetragen hat, darüber hinaus andere Zeiten, die (über die Umlagemonate hinaus) der gesetzlichen Rente der Klägerin zugrunde liegen, nur zur Hälfte (sog. Halbanrechnungsgrundsatz). Dementsprechend hat die Beklagte von den Monaten, die die Klägerin in der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt hat (hier nach Abzug von Kindererziehungszeiten 487 Monate), zunächst die Monate abgezogen, in denen ihr Arbeitgeber Umlagen an die Beklagte gezahlt hat (hier 115 Monate); aus der Hälfte der verbleibenden Monate sowie den Umlagemonaten setzt sich danach die gesamtversorgungsfähige Zeit zusammen (hier 301 Monate).
Andererseits war nach der seinerzeit geltenden Satzung bei der Berechnung der Versorgungsrente grundsätzlich von der vollen Höhe der an die Klägerin gezahlten gesetzlichen Rente auszugehen; diese wurde durch die von der Beklagten gewährte Zusatzversorgung lediglich insoweit aufgestockt, wie die gesetzliche Rente hinter der nach der Satzung berechneten Gesamtversorgung zurückblieb (§ 40 Abs. 1 VBLS a.F.). Das Bundesverfassungsgericht hat in dieser vollen Berücksichtigung der gesetzlichen Rente trotz einer nur hälftigen Anrechnung von Vordienstzeiten einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG gesehen, der nur bis zum Ablauf des Jahres 2000 hingenommen werden könne (Beschluß vom 22. März 2000, VersR 2000, 835 = NJW 2000, 3341).
Die Klägerin hat daher beantragt festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, ab 1. Januar 2001 eine Versorgungsrente für Versicherte auf der Grundlage einer gesamtversorgungsfähigen Zeit von 487 Monaten zu gewähren.
Das Landgericht hat der Klage mit der Einschränkung stattgegeben, daß lediglich die nach dem 3. Oktober 1990 angefallenen Vordienstzeiten voll zu berücksichtigen seien. Dagegen haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat das landgerichtliche Urteil aufgehoben, die Klage auf die Berufung der Beklagten in vollem Umfang abgewiesen und die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Sie verfolgt ihren Klageantrag mit der Revision weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision bleibt ohne Erfolg.
1. Nach Auffassung des Berufungsgerichts gehören Berechtigte, die am 31. Dezember 2000 schon Renten von der Beklagten bezogen haben, nicht zu dem Personenkreis, für den das Bundesverfassungsgericht die streitige Regelung beanstandet hat. Selbst wenn man aber annehme, daß auch für diese Gruppe von Rentenberechtigten die Halbanrechnung unzulässig und die Satzung insoweit unwirksam sei, könne die Klage keinen Erfolg haben. Denn es stehe eine Grundentscheidung der beteiligten Sozialpartner in Frage, die jedenfalls hier nicht vom Gericht im Wege ergänzender Auslegung eines lückenhaft gewordenen Vertrags geschlossen werden könne. Die Beklagte könne ihr Grundleistungsangebot nicht selbst gestalten, sondern müsse ein von den Sozialpartnern ausgehandeltes Ergebnis umsetzen, das notwendig kompromißhafte Züge trage und deshalb einer Auslegung unter dem Gesichtspunkt der Systemgerechtigkeit kaum zugänglich sei. Die von der Klägerin geforderte zusätzliche Leistung sei, wenn man ihre finanziellen Auswirkungen auf die Beklagte abschätze, nicht etwa nur als Abrundung ihres Angebots zu werten, sondern erschüttere die Beklagte in ihrer wirtschaftlichen Substanz. Deshalb müsse als mögliche Neuregelung auch in Betracht gezogen werden, daß Vordienstzeiten bei der Berechnung der von der Beklagten gezahlten Zusatzrente überhaupt nicht mehr berücksichtigt werden könnten.
Im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht lag der Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes vom 1. März 2002 vor, der das bisherige Gesamtversorgungssystem der Beklagten durch ein an den Grundsatz der Betriebstreue anknüpfendes Punktemodell ersetzt; Vordienstzeiten werden - abgesehen vom Bestandsschutz - nicht mehr berücksichtigt (GMBl. S. 371 ff.). Im Hinblick darauf hat das Berufungsgericht keinen Anlaß gesehen, die Satzung etwa wegen Untätigkeit der Sozialpartner ergänzend auszulegen.
2. Das hält im Ergebnis den Rügen der Revision stand.
a) Der Senat hat sich bereits in seinem Urteil vom 27. September 2000 (IV ZR 140/99 - VersR 2000, 1530) mit einem ehemals bei den Berliner Verkehrsbetrieben in Ostberlin Beschäftigten befaßt, der von der Senatsverwaltung Berlin zum 1. April 1991 bei der Beklagten versichert worden war und nach Erreichen der Altersgrenze im Jahre 1998 eine Versorgungsrente von der Beklagten erhielt. In dieser Entscheidung hat der Senat die Frage offengelassen, ob der Ausschluß von Dienstzeiten in der ehemaligen DDR bei der Berechnung der gesamtversorgungsfähigen Zeit, so wie er durch die 28. Satzungsänderung in § 42 Abs. 2 Satz 1 VBLS vorgenommen worden ist, unwirksam sei. Jedenfalls könne sich die Beklagte nach § 242 BGB auf die Neuregelung aber nicht gegenüber Versicherten berufen, die schon vor dieser Satzungsänderung bei der Beklagten nach den gleichen Regeln versichert waren, die für Mitglieder des öffentlichen Dienstes der alten Bundesländer gelten. Solche Versicherte dürften grundsätzlich darauf vertrauen, daß die ihnen bei ihrer Anmeldung zugesagten Versorgungsansprüche nicht durch eine nachträgliche Änderung der Satzung der Beklagten in einer ins Gewicht fallenden Weise wieder entzogen würden. Der Senat hat in der genannten Entscheidung aber nicht etwa gefordert, daß Vordienstzeiten uneingeschränkt berücksichtigt werden müßten, wie es die Klägerin hier verlangt, sondern nur nach Maßgabe des § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa VBLS a.F., d.h. zur Hälfte. Daran hält der Senat fest.
Diesen Anforderungen ist die Beklagte im vorliegenden Fall bei der Berechnung der Rente des Klägers unstreitig bereits nachgekommen.
b) Ferner ist der Senat im Urteil vom 11. Februar 2004 (IV ZR 52/02 - VersR 2004, 499 unter 2 d) im Hinblick auf den Einigungsvertrag, das Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz vom 25. Juli 1991 (BGBl. I 1606, 1677) sowie insbesondere das Urteil BVerfGE 100, 1 ff. davon ausgegangen, daß keine Verpflichtung besteht, die Berechtigten aus den Versorgungssystemen der DDR so zu behandeln, als hätten sie ihre Erwerbsbiographie in der BRD zurückgelegt. Vielmehr sind die in den Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der DDR erworbenen Ansprüche und Anwartschaften grundsätzlich durch ihre Überführung in die gesetzliche Rentenversicherung nach Maßgabe des Urteils des Bundesverfassungsgerichts in verfassungsrechtlich zulässiger Weise abgegolten worden. Insoweit fällt u.a. ins Gewicht, daß westdeutsche Berechtigte in der Regel höhere Beitragsleistungen für ihre über die gesetzliche Rente hinausgehende Versorgung geleistet haben. Daß Dienstzeiten im öffentlichen Dienst der DDR nach der alten Fassung der Satzung der Beklagten nicht wie voll anzurechnende Umlagemonate gewertet werden, ist daher weder verfassungswidrig noch unangemessen im Sinne von § 9 AGBG.
c) Hauptsächlich wendet sich die Revision gegen die Halbanrechnung von Vordienstzeiten unter Bezug auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 22. März 2000 (aaO). Die Klägerin ist hier unstreitig nicht schon bis zum 31. Dezember 2000 rentenberechtigt geworden. Sie fällt daher nicht mehr unter diejenigen Rentnergenerationen, für die das Bundesverfassungsgericht in diesem Beschluß und - dem Bundesverfassungsgericht insoweit folgend - der Senat in seinem Urteil vom 26. November 2003 (IV ZR 186/02 - VersR 2004, 183) angenommen hatten, daß eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG durch die Halbanrechnung von Vordienstzeiten bei voller Berücksichtigung der gesetzlichen Rente noch hingenommen werden könne, weil sich die Ungleichbehandlung jedenfalls im Rahmen einer zulässigen Typisierung und Generalisierung einer komplizierten, eine sehr große Gruppe von Versicherten betreffenden Materie halte.
Ob den Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts zur Ungleichbehandlung der von der Halbanrechnung betroffenen Versichertengruppe trotz der Kritik der Beklagten in jedem Punkt zu folgen ist (vgl. auch Hebler, ZTR 2000, 337 ff.), kann der Senat jedoch auch in Fällen der hier vorliegenden Art weiterhin offen lassen. Denn die Beklagte hat ihre Satzung am 19. September 2002 mit Wirkung ab 1. Januar 2001 grundlegend geändert (§ 86 VBLS n.F., BAnz 2003 Nr. 1). Das bisherige Gesamtversorgungssystem ist mit Ablauf des 31. Dezember 2000 geschlossen worden, wie es bereits in Satz 2 der Präambel des Tarifvertrags Altersversorgung vom 1. März 2002 (GMBl. 371 ff.) vorgesehen war. Nach der Neuregelung kommt es auf Vordienstzeiten überhaupt nicht mehr an; vielmehr wird eine Betriebsrente auf der Grundlage von Versorgungspunkten gezahlt, für die das zusatzversorgungspflichtige Entgelt, eine soziale Komponente und Bonuspunkte maßgebend sind (§§ 35 ff. VBLS n.F.). Diese Betriebsrente wird vom Jahr 2002 an jährlich um 1% erhöht (§ 39 VBLS n.F.). Mithin ist den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts jedenfalls ausreichend Rechnung getragen (vgl. Senatsurteil vom 26. November 2003 - IV ZR 186/02 - VersR 2004, 183 unter 2 e; Senatsurteil vom 14. Januar 2004 - IV ZR 56/03 - VersR 2004, 453 unter II 2 c cc; Senatsurteil vom 11. Februar 2004 - IV ZR 52/02 - VersR 2004, 499 unter 3).
Damit ist die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes der Höhe nach generell auf ein niedrigeres Niveau abgesenkt worden, das aber den an die Beklagte geleisteten Umlagen der an ihr beteiligten Arbeitgeber entspricht. Allein damit wird Art. 14 Abs. 1 GG nicht verletzt. Zum eigentumsgeschützten Kern eines Rentenanspruchs oder einer Rentenanwartschaft gehört weder eine bestimmte Leistungshöhe oder -art noch eine bestimmte Festsetzung des Leistungsbeginns; nur die auf Beitragsleistungen gründenden Elemente oder Faktoren der Anspruchskonstituierung sind in den Eigentumsschutz einbezogen (Senatsurteil vom 14. Januar 2004 aaO unter II 1 d a.E.). Daß die neue Satzung der Beklagten mit ihrem niedrigeren Rentenniveau in diesen geschützten Kernbereich eingegriffen hätte, ist nicht dargetan.
Nach der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Satzung berechnete Renten führten demgegenüber zu höheren Leistungen der Beklagten. Mit Rücksicht darauf ist in § 75 Abs. 2 i.V. mit Abs. 1 der neuen Satzung vorgesehen, daß die Höhe der sich bis zum 31. Dezember 2001 ergebenden Versorgungsrenten grundsätzlich noch nach der alten Satzung zu berechnen und als Besitzstandsrenten weiterzuzahlen sind, die entsprechend § 39 VBLS n.F. dynamisiert werden. Dazu heißt es in einer dem Tarifvertrag vom 1. März 2002 beigefügten Anlage 1 zum Altersvorsorgeplan 2001 (GMBl. 2002, 387) sinngemäß, für das Jahr 2001 sei aus verwaltungstechnischen Gründen eine Einführungsphase für das neue System vorgesehen, in der sich die Anwartschaften technisch nach den Berechnungsmethoden des alten Systems fortentwickeln; diese Regelung liege noch in der Normsetzungsbefugnis der Tarifvertragsparteien, weil sie eine für die Betroffenen günstige Übergangsregelung schaffe.
Diese Übergangsregelung hält nicht etwa das alte System noch für das Jahr 2001 aufrecht. Vielmehr ist die vom Bundesverfassungsgericht gerügte Ungleichbehandlung durch die Neuregelung mit Wirkung ab 1. Januar 2001 entfallen. Der Klägerin und anderen Versicherten, die im Laufe des Jahres 2001 (oder am 1. Januar 2002) rentenberechtigt geworden sind, hat die Beklagte lediglich im Rahmen einer (gemäß §§ 75-77 VBLS n.F.) zeitlich begrenzten Übergangsregelung die Vorteile belassen, die sich für diesen Personenkreis aus dem am 31. Dezember 2000 geschlossenen Gesamtversorgungssystem im Vergleich zu der seit 1. Januar 2001 geltenden Neuregelung ergaben, und diese Rentenberechtigten zusätzlich an der neu eingeführten Dynamisierung beteiligt. Die Tarifvertragsparteien haben auch nicht im letzten Absatz der dem Tarifvertrag vom 1. März 2002 beigefügte Anlage 1 zum Altersvorsorgeplan die Grundsatzfrage, ob Vordienstzeiten zur Hälfte oder ganz in die gesamtversorgungsfähige Zeit einzurechnen sind, für die Zeit nach dem 31. Dezember 2000 einer Entscheidung durch ein Bundesgericht überlassen, sondern diese Frage wie dargestellt auch für die Übergangszeit bis zur Anwendung der neuen Satzung selbst geregelt.
d) Diese Übergangsregelung ist auch für die Rente maßgebend, die die Klägerin bezieht. Damit wird die Klägerin gegenüber Versicherten, deren Rente sich nach der ab 1. Januar 2001 geltenden Neufassung der VBLS richtet, nicht in rechtlich erheblicher Weise benachteiligt. Daß die Klägerin trotz der dynamisierten Besitzstandsrente, die sie nach § 75 Abs. 2 VBLS n.F. zu beanspruchen hat, wirtschaftlich im Ergebnis schlechter stehe als Berechtigte, deren Rente nach neuem Satzungsrecht ohne Rücksicht auf Vordienstzeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes berechnet wird, ist weder dargetan noch ersichtlich. Im Hinblick darauf stehen Rentenempfängern wie der Klägerin über die Wahrung ihres Besitzstandes hinaus keine weitergehenden Ansprüche aus Gründen der Gleichbehandlung zu.
Ende der Entscheidung
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