Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 19.01.2005
Aktenzeichen: IV ZR 286/02
Rechtsgebiete: VBLS, AGBG, BGB


Vorschriften:

VBLS § 39 n.F.
VBLS § 41 Abs. 2 b
VBLS § 41 Abs. 2 c
VBLS § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa
VBLS § 43a
VBLS § 75 Abs. 1 n.F.
VBLS § 75 Abs. 2 n.F.
AGBG § 9
BGB § 307
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

IV ZR 286/02

Verkündet am: 19. Januar 2005

in dem Rechtsstreit

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, die Richterin Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung vom 19. Januar 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 22. Juli 2002 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten eine höhere Zusatzversorgungsrente.

Die am 19. März 1924 geborene Klägerin war vom 1. September 1956 bis zum 31. März 1984 (331 Monate) beim Deutschen W. als Teilzeitangestellte sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Vor dieser Zeit hatte die Klägerin 121 Monate außerhalb des öffentlichen Dienstes ebenfalls sozialversicherungspflichtig gearbeitet. Seit 1. April 1984 bezieht sie von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Sozialversicherungsrente und von der Beklagten Zusatzversorgungsrente.

Mit ihrer am 24. Januar 1994 beim Amtsgericht eingereichten, auf Gewährung einer höheren Zusatzversorgungsrente gerichteten Klage rügte die Klägerin die Unwirksamkeit mehrerer Bestimmungen der damals maßgeblichen Satzung der Beklagten (im folgenden: VBLS a.F.). Unter anderem machte sie geltend, daß die Regelung über die Berechnung des fiktiven Nettoarbeitsentgelts auf der Grundlage eines auf eine Vollzeitbeschäftigung hochgerechneten gesamtversorgungsfähigen Entgelts infolge der Steuerprogression bei Teilzeitbeschäftigten zu einer übermäßigen Belastung führe und sie deshalb Teilzeitbeschäftigte gegenüber Vollzeitbeschäftigten gleichheitssatzwidrig und unangemessen benachteiligte. Ferner beanstandete die Klägerin, daß ihre Sozialversicherungsrente, die durch einen Zuschlag von 2,3579 Entgeltpunkten unter dem Gesichtspunkt der Anhebung der Rente nach Mindesteinkommen erhöht worden ist (vgl. Art. 1 § 262 und Art. 82 des Rentenreformgesetzes 1992 vom 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261), von der Beklagten in vollem Umfang bei der Berechnung der Höhe ihrer Zusatzversorgung angerechnet wird. Vielmehr dürften nur diejenigen Teile der gesetzlichen Rente abgezogen werden, die auf Arbeitsleistungen beruhten, nicht aber diejenigen Rententeile, die die öffentliche Hand aus sozialen Gründen einer bestimmten Gruppe von Rentnern, nämlich den Kleinstrentnern, gewähre.

Durch Urteil vom 22. August 1994 wies das Amtsgericht die Klage ab. Die Berufung der Klägerin wurde durch Urteil des Landgerichts vom 28. April 1995 zurückgewiesen. Die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde der Klägerin hatte teilweise Erfolg. Durch Beschluß vom 25. August 1999 (1 BvR 1246/95 - VersR 1999, 1518 ff. = Streit 2000, 14 ff.) hob das Bundesverfassungsgericht die vorgenannten Urteile wegen Verletzung der Klägerin in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG auf, soweit sie auf einer Anwendung des früheren § 43a i.V. mit § 41 Abs. 2 b und 2 c der Satzung der Beklagten über die Berechnung der Versorgungsrente von Teilzeitbeschäftigten beruhten. Soweit sich die Klägerin darüber hinaus durch die Urteile des Amts- und des Landgerichts in ihren Grundrechten verletzt sah, wurde die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen mit der Begründung, daß sie insoweit weder Fragen von grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Bedeutung aufwerfe, noch Aussicht auf Erfolg habe.

Nachdem die Sache vom Bundesverfassungsgericht an das Amtsgericht und von dort an das Landgericht verwiesen worden und zwischenzeitlich in anderer Sache der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 22. März 2000 (1 BvR 1136/96 - VersR 2000, 835 ff.) ergangen war, machte die Klägerin zusätzlich geltend, ab 1. Januar 2001 einen Anspruch auf volle Berücksichtigung ihrer außerhalb des öffentlichen Dienstes zurückgelegten Rentenversicherungszeiten (Vordienstzeiten) bei der Berechnung der Zusatzversorgungsrente zu haben. Das Bundesverfassungsgericht habe in der von der Beklagten vorgenommenen lediglich hälftigen Berücksichtigung der Vordienstzeiten (sog. Halbanrechnung) bei voller Berücksichtigung der Sozialversicherungsrente einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG gesehen, der nur noch bis zum Ablauf des Jahres 2000 hingenommen werden könne.

Dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 25. August 1999 (aaO) hat die Beklagte durch eine Satzungsänderung und eine Neuberechnung der Zusatzversorgungsrente der Klägerin Rechnung getragen. Bezüglich der Halbanrechnung stellte das Landgericht im Urteil vom 18. Mai 2001 fest, daß die Beklagte verpflichtet sei, die Vordienstzeiten für eine Übergangszeit voll anzurechnen und der Klägerin ab dem 1. Januar 2001 eine Versorgungsrente für Versicherte auf der Grundlage einer gesamtversorgungsfähigen Zeit von 452 Monaten zu gewähren, längstens bis zu dem Zeitpunkt, an dem im Rahmen einer Satzungsreform zu den Vordienstzeiten eine neue, geänderte Regelung wirksam werde. In bezug auf die begehrte Nichtanrechnung der Erhöhung der Sozialversicherungsrente nach Mindesteinkommen bei der Berechnung der Zusatzversorgungsrente durch die Beklagte wies es die Klage ab. Das Oberlandesgericht wies durch Urteil vom 22. Juli 2002 die Berufung der Klägerin zurück und auf die Berufung der Beklagten die Klage ab. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre im Berufungsrechtszug gestellten Anträge weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision bleibt ohne Erfolg.

I. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, daß der Klägerin kein Anspruch auf eine Zusatzversorgungsrente zustehe, bei der der Zuschlag aus einer Sozialversicherungsrente nach Mindesteinkommen von der Anrechnung ausgenommen werde. Die in der Satzung der Beklagten vorgesehene Anrechnung verstoße nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen Grundrechte der Klägerin.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Beklagte auch nicht verpflichtet, der Klägerin ab dem 1. Januar 2001 für eine Übergangszeit eine Zusatzversorgungsrente unter voller Berücksichtigung ihrer außerhalb des öffentlichen Dienstes zurückgelegten Vordienstzeiten zu gewähren. Berechtigte, die, wie die Klägerin, am 31. Dezember 2000 schon Renten von der Beklagten bezogen hätten, gehörten nicht zu dem Personenkreis, für den das Bundesverfassungsgericht im Beschluß vom 22. März 2000 die streitige Regelung beanstandet habe. Selbst wenn man aber annehme, daß auch für diese Gruppe von Rentenberechtigten die Halbanrechnung unzulässig und die Satzung insoweit unwirksam sei, könne die Klage keinen Erfolg haben. Denn es stehe eine Grundentscheidung der beteiligten Sozialpartner in Frage, die jedenfalls hier nicht vom Gericht im Wege ergänzender Auslegung eines lückenhaft gewordenen Vertrages geschlossen werden könne. Die Beklagte könne ihr Grundleistungsangebot nicht selbst gestalten, sondern müsse ein von den Sozialpartnern ausgehandeltes Ergebnis umsetzen, das notwendig kompromißhafte Züge trage und deshalb einer Auslegung unter dem Gesichtspunkt der Systemgerechtigkeit kaum zugänglich sei. Die von der Klägerin geforderte zusätzliche Leistung sei, wenn man ihre finanziellen Auswirkungen auf die Beklagte abschätze, nicht etwa nur als Abrundung ihres Angebots zu werten, sondern erschüttere die Beklagte in ihrer wirtschaftlichen Substanz. Deshalb müsse als mögliche Neuregelung auch in Betracht gezogen werden, daß Vordienstzeiten bei der Berechnung der von der Beklagten gezahlten Zusatzversorgungsrente überhaupt nicht mehr berücksichtigt werden könnten. Außerdem habe im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht der Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes vom 1. März 2002 vorgelegen, der das bisherige Gesamtversorgungssystem der Beklagten durch ein an den Grundsatz der Betriebstreue anknüpfendes Punktemodell ersetze; Vordienstzeiten würden - abgesehen vom Bestandsschutz - nicht mehr berücksichtigt. Über diese Grundentscheidung der Tarifvertragsparteien könnten sich die ordentlichen Gerichte nach Ansicht des Berufungsgerichts nicht hinwegsetzen.

II. Dem ist jedenfalls im Ergebnis zuzustimmen.

1. Durch die Anrechnung der vollen Sozialversicherungsrente einschließlich ihrer Erhöhung unter dem Gesichtspunkt der Rente nach Mindesteinkommen wird die Klägerin nicht in ihren Grundrechten verletzt. Hierin hat schon das Bundesverfassungsgericht in dem Verfahren der von der Klägerin erhobenen Verfassungsbeschwerde keine Grundrechtsverletzung gesehen. Es hat festgestellt, daß die Klägerin "die Anrechnung der Erhöhung der Sozialversicherungsrente wegen Mindesteinkommen" beanstande (BVerfG, Streit 2000, 14 unter I 3; in VersR 1999, 1518 insoweit nicht abgedruckt), die Verfassungsbeschwerde jedoch insoweit mangels Erfolgsaussicht nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, Streit 2000, 14 unter II 3 = VersR 1999, 1518 unter 3). Dem tritt der Senat bei.

2. a) Soweit sich die Revision unter Bezugnahme auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 22. März 2000 (aaO) gegen die Anrechnung von Vordienstzeiten nur zur Hälfte wendet, hat der Senat bereits klargestellt, daß die Bedenken des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG nicht diejenigen Rentnergenerationen betreffen, die vor dem 1. Januar 2001 Rentenempfänger geworden sind. Für die Generation der Klägerin des vorliegenden Verfahrens, die schon seit 1984 Rente bezieht, ist nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts davon auszugehen, daß verfassungsrechtlich etwa bedenkliche Folgen einer Halbanrechnung noch im Rahmen einer bei der Regelung einer komplizierten Materie zulässigen Generalisierung bleiben und deshalb hinzunehmen sind. Insoweit verstößt die Anwendung des in § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa VBLS a.F. vorgesehenen Halbanrechnungsgrundsatzes bei der Berechnung der Zusatzversorgungsrente der Klägerin auch nicht gegen die §§ 9 AGBG, 307 BGB (vgl. Senatsurteile vom 26. November 2003 - IV ZR 186/02 - VersR 2004, 183 unter 2 c und d; vom 11. Februar 2004 - IV ZR 52/02 - VersR 2004, 499 unter 2 c).

b) Im übrigen hat die Beklagte ihre Satzung mit Wirkung ab 1. Januar 2001 grundlegend geändert (vgl. BAnz. 2003 Nr. 1). Dadurch wurde der bei den jüngeren Versichertengenerationen in der Halbanrechnung von Vordienstzeiten vom Bundesverfassungsgericht gesehene Verstoß gegen den Gleichheitssatz für die Zukunft ausgeräumt. Nach der Neuregelung kommt es nämlich auf Vordienstzeiten überhaupt nicht mehr an; vielmehr wird eine Betriebsrente auf der Grundlage von Versorgungspunkten gezahlt, für die das zusatzversorgungspflichtige Entgelt, eine soziale Komponente und Bonuspunkte maßgebend sind (§§ 35 ff. VBLS n.F.). Aufgrund der Übergangsregelung des § 75 Abs. 1 und 2 VBLS n.F. werden Versorgungsrenten nach dem bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Satzungsrecht für die am 31. Dezember 2001 Versorgungsrentenberechtigten als Besitzstandsrenten weitergezahlt und entsprechend § 39 VBLS n.F. vom Jahr 2002 an jährlich zum 1. Juli um 1% erhöht. Die Klägerin macht nicht geltend und es ist auch nicht ersichtlich, daß sie danach im wirtschaftlichen Ergebnis schlechter stünde als Rentenberechtigte, für die das neue Satzungsrecht gilt.

Ende der Entscheidung

Zurück