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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 25.06.2008
Aktenzeichen: IV ZR 313/06
Rechtsgebiete: AKB


Vorschriften:

AKB § 11 Nr. 2
Der Versicherungsnehmer einer Kfz-Haftpflichtversicherung hat gegen den Versicherer keinen Anspruch auf Ersatz der an einem anderen, in seinem Eigentum stehenden Fahrzeug entstandenen Schäden, wenn eine mitversicherte Person diese Schäden durch den Gebrauch des versicherten Fahrzeuges verursacht hat.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

IV ZR 313/06

Verkündet am: 25. Juni 2008

in dem Rechtsstreit

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, die Richterin Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung vom 25. Juni 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 5. Dezember 2006 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist Halter zweier Kraftfahrzeuge, für die er als Versicherungsnehmer Kfz-Haftpflichtversicherungsverträge bei der Beklagten hält. Eines der Fahrzeuge, ein VW Golf, steht im Eigentum seiner Ehefrau. Als Führerin ihres Fahrzeugs stieß diese auf der Hofeinfahrt des ehelichen Anwesens gegen den anderen vom Kläger gehaltenen, in seinem Eigentum stehenden Pkw Mini Cooper und verursachte daran einen Schaden in Höhe von 1.442,23 €.

Der Kläger begehrt die Zahlung des genannten Betrages und meint, die Beklagte müsse ihm diesen Schaden wie einem geschädigten Dritten erstatten. Die Beklagte beruft sich auf den Haftungsausschluss aus § 11 Nr. 2 ihrer den Versicherungsverträgen zugrunde liegenden Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB). Danach sind Haftpflichtansprüche des Versicherungsnehmers, Halters oder Eigentümers gegen mitversicherte Personen wegen Sach- oder Vermögensschäden von der Versicherung ausgeschlossen.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen, mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I. Nach Auffassung des Landgerichts hat der Kläger keinen Direktanspruch gegen den beklagten Kfz-Haftpflichtversicherer aus § 3 PflVG a.F., weil im Deckungsverhältnis der Leistungsausschluss des § 11 Nr. 2 AKB greife. Diese Klausel sei die Konsequenz dessen, dass sich der Versicherungsschutz in der Kfz-Haftpflichtversicherung auch auf mitversicherte Personen erstrecke. Sie habe zur Folge, dass der Versicherungsnehmer keinen Leistungsanspruch gegen den Versicherer erwerbe, wenn eine mitversicherte Fahrerin ein anderes Kraftfahrzeug des Versicherungsnehmers beschädige. Weil der Leistungsausschluss sich nicht auf das versicherte Fahrzeug als Schadensobjekt beschränke, sondern auf das gesamte Vermögen des Versicherungsnehmers erstrecke, komme es nicht darauf an, dass für das beschädigte Fahrzeug ein anderweitiger Versicherungsvertrag bestehe. Soweit die Risikoausschlussklausel eine Lücke im Versicherungsschutz schaffe, hätte sich der Kläger durch den Abschluss einer Kfz-Kaskoversicherung für das später geschädigte Fahrzeug ausreichend schützen können.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.

1. Der Kläger könnte nur dann einen Direktanspruch gegen seinen Kfz-Haftpflichtversicherer aus dem Vertrag über das den Schaden verursachende Fahrzeug (den VW Golf der Ehefrau) nach dem hier noch anwendbaren § 3 Nr. 1 PflVG (in der Fassung vom 5. April 1965 - BGBl. I S. 213) haben (zur Fortgeltung früherer schuldrechtlicher Bestimmungen für Schuldverhältnisse, die bereits unter ihrer Geltung entstanden sind, vgl. BGHZ 44, 192 ff. und Senatsurteil vom 19. März 2003 - IV ZR 233/01 - VersR 2003, 635 unter III 1 m.w.N.), wenn er als "Dritter" im Sinne der Vorschrift anzusehen wäre und sich die Schadensersatzleistung darüber hinaus "im Rahmen der Leistungspflicht des Versicherers aus dem Versicherungsverhältnis" bewegte.

Beide Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

a) Zwar hat der Bundesgerichtshof für die Geltendmachung eines Personenschadens durch den geschädigten Versicherungsnehmer angenommen, auch dieser könne insoweit "Dritter" im Sinne von § 3 Nr. 1 PflVG a.F. sein (BGH, Urteil vom 10. Juni 1986 - VI ZR 113/85 - VersR 1986, 1010 unter II 2 a m.w.N.). Der Bundesgerichtshof hat dies aber auf die Fälle beschränkt, in denen dem Versicherungsnehmer ein vom Versicherungsvertrag gedeckter Schadensersatzanspruch gegen seinen Haftpflichtversicherer zusteht. Nur dort ist es geboten, den Versicherungsnehmer in den mit dem Direktanspruch gewährleisteten Schutz der Unfallgeschädigten einzubeziehen (BGH aaO). Das betrifft allein den Ersatz von Personenschäden des Versicherungsnehmers, denn nur diese sind seit einer zum 1. Januar 1977 in Kraft getretenen Änderung des früheren § 11 Nr. 3 AKB vom Leistungsausschluss für durch mitversicherte Personen (§ 10 Abs. 2 AKB) verursachte Schäden des Versicherungsnehmers nicht mehr erfasst (vgl. dazu Bauer in der Anm. zum vorgenannten Urteil des BGH aaO S. 1011).

b) Hinsichtlich der ihm selbst entstandenen Sach- oder Vermögensschäden ist der Versicherungsnehmer als Partei des Versicherungsvertrages nicht zugleich "Dritter" im Sinne von § 3 Nr. 1 PflVG a.F. Denn insoweit greift der Leistungsausschluss des § 11 Nr. 2 AKB, weshalb dem Versicherungsnehmer keine Rechte aus dem Versicherungsvertrag zustehen, die es erforderten, ihm auch den erweiterten Schutz eines Direktanspruchs zu gewähren. Zugleich verhindert der Leistungsausschluss, dass sich die vom Kläger erhobene Schadensersatzforderung noch im Rahmen der Leistungspflicht des Versicherers aus dem Versicherungsverhältnis hält.

2. Das ergibt die Auslegung der Klausel aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmers (vgl. BGHZ 123, 83, 85).

a) Gerade der Wortlaut des § 11 Nr. 2 AKB verdeutlicht dem Versicherungsnehmer, dass jegliche ihm von (nach § 10 Abs. 2 AKB) mitversicherten Personen zugefügten Sach- oder Vermögensschäden von dem Leistungsausschluss erfasst werden. Damit ist der Klausel eine Beschränkung auf Schäden am versicherten Fahrzeug nicht zu entnehmen. In diesem Verständnis wird der Versicherungsnehmer weiter dadurch bestärkt, dass die sich unmittelbar anschließende Bestimmung des § 11 Nr. 3 AKB Haftpflichtansprüche wegen Beschädigung des Fahrzeugs, auf welches sich die Versicherung bezieht, vom Versicherungsschutz ausnimmt. Das verdeutlicht, dass der Regelungsgehalt der Nummern 2 und 3 des § 11 AKB unterschiedliche Schädigungsobjekte erfasst, denn die Regelung in Nr. 3 wäre überflüssig, wenn sich bereits der vorangehende Leistungsausschluss in Nr. 2 auf Schäden am versicherten Fahrzeug beschränkte.

b) Dieser Auslegung des § 11 Nr. 2 AKB wird in Rechtsprechung und Schrifttum nahezu einhellig zugestimmt (OLG Saarbrücken MDR 2007, 1130; OLG Jena VersR 2004, 1168; OLG Hamm VersR 1989, 1081; 1981, 825 - zu § 11 Nr. 3 AKB a.F. ; OLG Celle ZfS 1988, 50; OLG Stuttgart NJW-RR 1986, 904; KG VersR 1963, 525 - zu § 11 Nr. 3 AKB a.F.; Schütz VersR 1968, 29, 30; Knappmann in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 11 AKB Rdn. 4; Feyock/Jacobsen/Lemor, Kraftfahrtversicherung 2. Aufl. § 11 AKB Rdn. 7 ff.). Danach erstreckt sich der Haftungsausschluss auf das gesamte Vermögen des Versicherungsnehmers, ohne dass es dabei von Belang ist, ob einzelne geschädigte Gegenstände - hier der Pkw Mini Cooper des Klägers - ihrerseits Objekt einer anderweitigen Haftpflichtversicherung sind. Ebenso wenig ist es von Bedeutung, ob die geschädigte Sache ein Fahrzeug oder irgendein anderer Gegenstand ist (vgl. dazu auch OLG Hamm VersR 1989, 1081, 1082).

c) Allerdings meint die Revision angelehnt an die von Stiefel/Hofmann (AKB 17. Aufl. § 11 AKB Rdn. 12) und möglicherweise auch Lemcke (r+s 1997, 59, 60) vertretene Auffassung, der durchschnittliche Versicherungsnehmer verstehe die von § 11 Nr. 2 AKB aufgestellte Voraussetzung, dass der vom Deckungsschutz ausgeschlossene Schaden von einer mitversicherten Person herbeigeführt sein müsse, dahin, dass sich der Ausschluss nur auf Schäden an Fahrzeugen beschränke, hinsichtlich derer der Schädiger mitversicherte Person sei. Denn die Frage, ob ein anderer mitversichert sei, könne sich immer nur im Rahmen eines Haftpflichtversicherungsvertrages stellen und bleibe auch in seinen Rechtsfolgen auf dieses Versicherungsverhältnis beschränkt.

d) Ein solches Verständnis der Klausel liegt indes fern. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer weiß, dass der Zweck einer Haftpflichtversicherung im Kern darin besteht, ihn selbst vor Schadensersatzansprüchen Dritter zu schützen. Der Versicherungsnehmer erkennt deshalb auch, dass der Haftpflichtversicherer im Grundsatz nur dann eintreten muss, wenn der Versicherungsnehmer anderen Personen Schäden zufügt, und die Haftpflichtversicherung grundsätzlich nicht eintritt, wenn er sich selbst schädigt. Diese Kenntnis ist vor allem im Bereich der Kraftfahrtversicherung weit verbreitet, weil gerade darin ein wesentlicher Unterschied zur (zusätzliche Prämienzahlungen erfordernden) Kfz-Kaskoversicherung besteht, die über den Haftpflichtschutz hinaus auch Eigenschäden des Versicherungsnehmers abdeckt.

Dass der Versicherungsnehmer selbst Geschädigter sein und sich dennoch die Frage der Eintrittspflicht seines Kfz-Haftpflichtversicherers stellen kann, folgt allein daraus, dass § 10 Abs. 2 AKB den Haftpflichtversicherungsschutz auf Schädigungshandlungen der dort genannten mitversicherten Personen erweitert. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer ist in der Lage zu erkennen, dass damit zunächst offen und klärungsbedürftig ist, ob eine ihn selbst treffende Schädigungshandlung einer mitversicherten Person nach dem Leistungsversprechen des Haftpflichtversicherers als eine vom Versicherungsschutz ausgenommene (erweiterte) Eigenschädigung oder eine Quasi-Fremdschädigung verstanden werden soll, bei der der Versicherungsnehmer einem geschädigten Dritten gleichgestellt wäre. Vor diesem Hintergrund ist es rechtlich von Bedeutung, ob ein Schaden von einer mitversicherten Person verursacht wird. Soweit deshalb die Klausel des § 11 Nr. 2 AKB eine solche Schadensverursachung durch eine mitversicherte Person voraussetzt, geht es erkennbar nicht darum, den Leistungsausschluss auf den Gegenstand des Haftpflichtversicherungsvertrages zu begrenzen. Vielmehr soll gerade die oben aufgezeigte Frage angesprochen werden, ob der Versicherungsnehmer selbst Versicherungsschutz genießt, wenn er durch das Verhalten einer mitversicherten Person Sach- oder Vermögensschäden erleidet. Die Klausel des § 11 Nr. 2 AKB führt dem Versicherungsnehmer diese Problematik vor Augen und macht ihm zugleich deutlich, dass insoweit jeglicher Sach- oder Vermögensschaden vom Versicherungsschutz ausgenommen bleiben soll.

3. Der vorstehenden Auslegung steht auch nicht entgegen, dass Versicherungsbedingungen nach Möglichkeit so auszulegen sind, dass keine dem Versicherungsnehmer nicht erkennbaren Lücken im Versicherungsschutz entstehen. Das ist hier, wie dargelegt, nicht der Fall. Zum anderen wären Lücken im Versicherungsschutz jedenfalls nicht in unzumutbarem Umfang zu erwarten (vgl. dazu auch OLG Hamm aaO). Der Versicherungsnehmer selbst ist, soweit es um eigene Personenschäden geht, ohnehin geschützt, weil der Leistungsausschluss diese nicht erfasst. Soweit es um das Risiko eigener Sach- und Vermögensschäden geht, kann dieses jedenfalls für andere Fahrzeuge des Versicherungsnehmers durch eine Vollkaskoversicherung abgedeckt werden. Der Versicherungsschutz wird durch die Ausschlussklausel deshalb auch nicht unzumutbar ausgehöhlt (im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB).

4. Anders als die Revisionsbegründung hält der Senat die Klausel auch nicht für überraschend im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB. Als Ausschlussklausel ist sie durch die Überschrift des § 11 AKB ("Ausschlüsse") deutlich gekennzeichnet. Sie ist - wie die oben unter II 2 d angestellten Erwägungen zeigen - auch nicht so ungewöhnlich, daß ein Versicherungsnehmer keinesfalls mit ihr zu rechnen brauchte. Vielmehr betrifft die Klausel eine nach Einbeziehung mitversicherter Personen in den Haftpflichtversicherungsschutz klärungsbedürftige Frage des Leistungsumfangs (vgl. dazu auch OLG Hamm aaO). Deshalb kann ein Versicherungsnehmer auch nicht ohne Weiteres darauf vertrauen, dass die Schädigung eigener Sachen oder Vermögenswerte durch einen Mitversicherten als erstattungsfähiger Fremdschaden behandelt wird, er kann und muss vielmehr auch damit rechnen, dass ein solcher Schaden vom Versicherungsschutz ebenso ausgenommen wird, wie ein von ihm selbst verursachter.

Ende der Entscheidung

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