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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 10.11.2004
Aktenzeichen: IV ZR 325/02
Rechtsgebiete: VBLS, AGBG, BGB


Vorschriften:

VBLS § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa
VBLS n.F. § 75 Abs. 1
VBLS n.F. § 75 Abs. 2
VBLS n.F. § 39
AGBG § 9
BGB § 307
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

IV ZR 325/02

Verkündet am: 10. November 2004

in dem Rechtsstreit

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Richter Seiffert, Dr. Schlichting, Wendt, die Richterin Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung vom 10. November 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 22. Juli 2002 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger begehrt im Wege der Feststellungsklage von der Beklagten eine höhere Zusatzrente mit Wirkung ab 1. März 2001 (Rentenbeginn).

Er ist am 30. Mai 1944 geboren und war im öffentlichen Dienst bei einem Dienstherrn beschäftigt, der an der beklagten Versorgungsanstalt beteiligt ist. Seit 1. März 2001 bezieht der Kläger eine Zusatzversorgungsrente von der Beklagten. Nach § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa ihrer Satzung (im folgenden: VBLS) in der für die Berechnung der Rentenhöhe maßgebenden Fassung berücksichtigte die Beklagte für den Faktor der gesamtversorgungsfähigen Zeit, von dem die Höhe ihrer Zusatzrente abhängt, außer den Umlagemonaten, in denen ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes mit Umlagezahlungen an die Beklagte für die Altersversorgung des bei ihm beschäftigten Klägers beigetragen hat, darüber hinaus andere Zeiten, die (über die Umlagemonate hinaus) der gesetzlichen Rente des Klägers zugrunde liegen, nur zur Hälfte (sog. Halbanrechnungsgrundsatz). Andererseits war nach der seinerzeit geltenden Satzung bei der Berechnung der Versorgungsrente grundsätzlich von der vollen Höhe der jeweils gezahlten gesetzlichen Rente auszugehen; diese wurde durch die von der Beklagten gewährte Zusatzversorgung lediglich insoweit aufgestockt, wie die gesetzliche Rente hinter der nach der Satzung berechneten Gesamtversorgung zurückblieb (§ 40 Abs. 1 VBLS a.F.). Das Bundesverfassungsgericht hat in der Halbanrechnung von Vordienstzeiten bei voller Berücksichtigung der gesetzlichen Rente einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG gesehen, der nur bis zum Ablauf des Jahres 2000 hingenommen werden könne (VersR 2000, 835 = NJW 2000, 3341). Der Kläger hat daher beantragt festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, ab 1. März 2001 seine vollen, nicht im öffentlichen Dienst zurückgelegten Rentenversicherungszeiten zu berücksichtigen, bis eine neue, die Regelung der Vordienstzeiten ändernde Satzung in Kraft trete.

Das Landgericht hat der Klage insoweit stattgegeben; das Oberlandesgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Die Revision bleibt ohne Erfolg.

1. Das Berufungsgericht hat den Kläger derjenigen Gruppe von Versorgungsberechtigten zugerechnet, die schon vor dem 31. Dezember 2000 Renten bezogen haben. Nach Auffassung des Berufungsgerichts gehören solche Berechtigte nicht zu dem Personenkreis, für den das Bundesverfassungsgericht die streitige Regelung beanstandet hat. Selbst wenn man aber annehme, daß im Falle des Klägers die Halbanrechnung unzulässig und die Satzung insoweit unwirksam sei, könne die Klage keinen Erfolg haben. Denn es stehe eine Grundentscheidung der beteiligten Sozialpartner in Frage, die jedenfalls hier nicht vom Gericht im Wege ergänzender Auslegung eines lückenhaft gewordenen Vertrages geschlossen werden könne. Die Beklagte könne ihr Grundleistungsangebot nicht selbst gestalten, sondern müsse ein von den Sozialpartnern ausgehandeltes Ergebnis umsetzen, das notwendig kompromißhafte Züge trage und deshalb einer Auslegung unter dem Gesichtspunkt der Systemgerechtigkeit kaum zugänglich sei. Die mit der Klage geforderte zusätzliche Leistung sei, wenn man ihre finanziellen Auswirkungen auf die Beklagte abschätze, nicht etwa nur als Abrundung ihres Angebots zu werten, sondern erschüttere die Beklagte in ihrer wirtschaftlichen Substanz. Deshalb müsse als mögliche Neuregelung auch in Betracht gezogen werden, daß Vordienstzeiten bei der Berechnung der von der Beklagten gezahlten Zusatzrente überhaupt nicht mehr berücksichtigt werden könnten.

Im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht lag der Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes vom 1. März 2002 vor, der das bisherige Gesamtversorgungssystem der Beklagten durch ein an den Grundsatz der Betriebstreue anknüpfendes Punktemodell ersetzt; Vordienstzeiten werden - abgesehen vom Bestandsschutz - nicht mehr berücksichtigt (vgl. Gilbert/Hesse, Die Versorgung der Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes, 37. Ergl. August 2002 Teil C Anl. 5). Im Hinblick darauf hat das Berufungsgericht keinen Anlaß gesehen, die Satzung etwa wegen Untätigkeit der Sozialpartner ergänzend auszulegen.

2. Dem ist jedenfalls im Ergebnis zuzustimmen.

a) Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluß vom 22. März 2000, auf den sich der Kläger stützt, die Verfassungsbeschwerde einer 1921 geborenen Rentnerin, die seit Anfang 1983 Leistungen von der Beklagten erhielt und im Ausgangsverfahren erfolglos deren Erhöhung wegen Unwirksamkeit von Satzungsbestimmungen verlangt hatte, nicht zur Entscheidung angenommen. Soweit sich die Beschwerdeführerin gegen die volle Berücksichtigung ihrer Sozialversicherungsrente bei der Bestimmung der Höhe der Zusatzversorgung einerseits, aber die nur halbe Berücksichtigung von Zeiten vor Aufnahme ihrer Tätigkeit im öffentlichen Dienst bei der Bemessung der gesamtversorgungsfähigen Zeit andererseits gewandt hatte, hat das Bundesverfassungsgericht die Regelung in § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa VBLS a.F. zwar im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG beanstandet, eine Verletzung von Grundrechten der Beschwerdeführerin aber "(noch) nicht" festgestellt. Die Ungleichbehandlung sei zwar gravierend, halte sich derzeit jedoch noch im Rahmen einer zulässigen Generalisierung. Der Satzungsgeber sei wegen der hochkomplizierten Materie zu gewissen Vereinfachungen gezwungen. Dabei dürfe er Ungleichbehandlungen in Kauf nehmen, solange davon nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betroffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv sei. Das treffe auf die Rentnergeneration der dortigen Beschwerdeführerin zu, wie das Bundesverfassungsgericht feststellt. Für die jüngeren Versichertengenerationen sei ein bruchloser Verlauf der Erwerbsbiographie im öffentlichen Dienst angesichts stark gestiegener Teilzeitarbeit und einer stärkeren Diskontinuität des Erwerbslebens allerdings nicht mehr in hinreichender Weise typisch. Angesichts dieser Entwicklung könne die Benachteiligung der Rentner durch volle Anrechnung der in Vordienstzeiten erworbenen Rentenansprüche bei nur hälftiger Berücksichtigung dieses Teils ihrer Lebensarbeitszeit im Rahmen der Berechnung der gesamtversorgungsfähigen Dienstzeit nicht länger als bis zum Ablauf des Jahres 2000 hingenommen werden. Zu diesem Zeitpunkt sei die Beklagte durch die Entscheidung BVerfGE 98, 365 = VersR 1999, 600 ohnehin zu einer grundlegenden Änderung ihrer Satzung gezwungen.

b) Dieser Beschluß des Bundesverfassungsgerichts mag bei den Rentenempfängern der Beklagten die Erwartung geweckt haben, ihnen stehe vom Jahr 2001 an eine höhere Rente zu, wie sie sich bei voller Berücksichtigung der Vordienstzeiten aus der früher geltenden Fassung der VBLS ergeben würde. Das Bundesverfassungsgericht hat die Halbanrechnung trotz verfassungsrechtlicher Bedenken noch als zulässige Typisierung und Generalisierung im Rahmen einer komplizierten Materie angesehen, weil ein bruchloser Verlauf der Erwerbsbiographie im öffentlichen Dienst erst für die jüngeren Versichertengenerationen nicht mehr hinreichend typisch sei. Bis zum Ablauf des Jahres 2000 könne die Halbanrechnung aber noch hingenommen werden. Mithin ist das Bundesverfassungsgericht davon ausgegangen, daß alle Versicherten, die vor Ablauf des Jahres 2000 Rentner bei der Beklagten geworden sind, noch zu denjenigen Generationen zählen, für die ein bruchloser Verlauf der (bei Rentenbeginn abgeschlossenen) Erwerbsbiographie als typisch angesehen werden kann. Für diese Generation ist die Halbanrechnung der Vordienstzeiten also noch hinzunehmen (vgl. dazu Senatsurteil vom 26. November 2003 - IV ZR 186/02 - VersR 2004, 183).

Die Unterscheidung, die das Bundesverfassungsgericht zwischen der Rentnergeneration der dortigen Beschwerdeführerin einerseits und den jüngeren Versichertengenerationen andererseits trifft, verlöre ihren Sinn, wenn auch Personen, die vor dem Stichtag schon Rentner bei der Beklagten waren, nach dem Stichtag als Angehörige der jüngeren Versichertengeneration hätten gelten sollen. Daß auch die Beschwerdeführerin (und nicht nur die am Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht nicht beteiligten jüngeren Versichertengenerationen) vom Stichtag an einen Anspruch auf Änderung der sie benachteiligenden, gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden Satzungsbestimmungen gehabt hätte, ist nicht ersichtlich.

c) Der Senat folgt dem Bundesverfassungsgericht darin, daß die Anwendung des § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa VBLS a.F. bei der Berechnung der Versorgungsrente für solche Versicherte, die - anders als der Kläger des vorliegenden Verfahrens - bis zum 31. Dezember 2000 versorgungsrentenberechtigt geworden sind, nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Damit liegt insoweit auch kein Verstoß gegen die §§ 9 AGBG, 307 BGB vor. Dabei kann auf sich beruhen, ob den Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts zur Ungleichbehandlung der von der Halbanrechnung betroffenen Versichertengruppe trotz der Kritik der Beklagten in jedem Punkte zu folgen ist (vgl. auch Hebler, ZTR 2000, 337 ff.). Denn mit dem Bundesverfassungsgericht ist der Senat der Auffassung, daß - ist mit der Halbanrechnung eine Ungleichbehandlung gegenüber denjenigen Versicherten verbunden, die ihr ganzes Berufsleben im öffentlichen Dienst verbracht haben - sich die Ungleichbehandlung jedenfalls im Rahmen einer zulässigen Typisierung und Generalisierung einer komplizierten, eine sehr große Gruppe von Versicherten betreffenden Materie hielt. Diese Ungleichbehandlung hat ein Versicherter, der bis zum Ablauf des Jahres 2000 Zusatzrentenempfänger geworden ist, nicht zuletzt auch im Interesse der Erhaltung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Versorgungsträgers hinzunehmen, selbst wenn für die Zukunft eine andere, eine die Ungleichbehandlung für zukünftige Rentenempfänger vermeidende Regelung zu treffen ist.

d) Der Kläger des vorliegenden Verfahrens gehört, das hat das Berufungsgericht übersehen, allerdings bereits zu jenen jüngeren Versichertengenerationen, für die die angegriffene Halbanrechnung von Vordienstzeiten nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr hinnehmbar ist (Rentenbeginn ist hier der 1. März 2001). Dennoch ist er durch die von der Beklagten vorgenommene Rentenberechnung im Ergebnis nicht in seinen Rechten aus Art. 3 GG verletzt.

Am 19. September 2002 hat die Beklagte ihre Satzung mit Wirkung ab 1. Januar 2001 geändert. Vorangegangen - und mit der Neufassung der VBLS umgesetzt - ist die von den Sozialpartnern des öffentlichen Dienstes mit dem Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst vom 1. März 2002 (GMBl. 2002, 371) getroffene Entscheidung, rückwirkend zum 1. Januar 2001 ein neues System der Zusatzversorgung zu errichten und damit das bisherige System der Gesamtversorgung zu ersetzen. Danach wird die bisherige Aufstockung der gesetzlichen Rente auf eine Gesamtversorgung durch ein allein an die Beschäftigungszeiten im öffentlichen Dienst anknüpfendes Punktemodell ersetzt. Außerhalb des öffentlichen Dienstes zurückgelegte Beschäftigungszeiten werden nicht mehr angerechnet. Damit haben die Tarifvertragsparteien an die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Beschluß vom 22. März 2000 (aaO) angeknüpft, wonach bei der Zusatzversorgung, welche eine Betriebsrente darstelle und als solche im Grundsatz die Betriebstreue von Mitarbeitern belohnen solle, sogenannte Vordienstzeiten aus Verfassungsgründen nicht berücksichtigt werden müßten. Die vom Kläger geforderte volle Anrechnung der Vordienstzeiten ist in den neuen Satzungsbestimmungen für künftige Rentnergenerationen deshalb nach wie vor nicht vorgesehen.

Nach der Übergangsregelung in § 75 Abs. 1 und 2 VBLS n.F. werden allerdings die nach bisherigem Satzungsrecht gezahlten Versorgungsrenten für die bis zum 31. Dezember 2001 Versorgungsrentenberechtigten grundsätzlich als Besitzstandsrenten weitergezahlt und entsprechend § 39 der Neufassung jährlich um 1% vom Jahr 2002 an erhöht. Dadurch, daß deshalb auch die Rente des Klägers weiterhin aufgrund der alten Satzungsbestimmungen errechnet und als sogenannte Besitzstandsrente weitergezahlt wird, wird der Kläger einerseits gleichbehandelt mit den Versicherten, deren Rentenberechtigung schon vor dem 1. Januar 2001 entstanden war, andererseits gegenüber denjenigen Versicherten, deren Rente sich nach der ab 1. Januar 2001 geltenden Neufassung der VBLS errechnet, nicht in rechtlich erheblicher Weise benachteiligt. Denn nach dem unwidersprochenem Vortrag der Beklagten ist das Niveau der von ihr in Zukunft aufgrund ihrer neuen Satzung zu leistenden Versorgungsrenten generell niedriger als bisher; den Berechtigten wird daneben eine ergänzende Altersvorsorge angeboten, die aus eigenen Beiträgen aufgebaut werden muß. Daß der Kläger trotz der dynamisierten Besitzstandsrente, die er nach § 75 Abs. 2 VBLS n.F. erhält, wirtschaftlich im Ergebnis schlechter stehe als Berechtigte, deren Versorgungsrente nach neuem Satzungsrecht ohne Rücksicht auf Vordienstzeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes berechnet wird, ist weder dargetan noch ersichtlich. Der in der Halbanrechnung von Vordienstzeiten vom Bundesverfassungsgericht gesehene Verstoß gegen den Gleichheitssatz ist für die Zukunft ausgeräumt. Im Hinblick darauf stehen Rentenempfängern wie dem Kläger über die Wahrung ihres Besitzstandes hinaus auch nach dem 31. Dezember 2000 keine weitergehenden Ansprüche aus Gründen der Gleichbehandlung zu.



Ende der Entscheidung

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