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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 10.09.2003
Aktenzeichen: IV ZR 387/02
Rechtsgebiete: GG, AGBG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 3 Abs. 3 Satz 1
AGBG § 9 BK
Die Beitragsgestaltung der Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten hält trotz Nichtberücksichtigung von Teilzeitarbeit einer Inhaltskontrolle stand.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 387/02

Verkündet am: 10. September 2003 in dem Rechtsstreit

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, Wendt und die Richterin Dr. Kessal-Wulf auf die mündliche Verhandlung vom 10. September 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 10. Oktober 2002 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin ist Beamtin der ehemaligen Deutschen Bundesbahn und Mitglied der beklagten Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Aufgrund ihrer Satzung erfüllt die Beklagte (nach Maßgabe ihres Tarifs) die Fürsorgepflicht in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen, die dem durch Art. 1 § 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Eisenbahnwesens (Eisenbahnneuordnungsgesetz - ENeuOG) vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378) gebildeten Bundeseisenbahnvermögen obliegt. Mit Hilfe des zusätzlichen Beitragsaufkommens der Mitglieder ist die Beklagte in der Lage, deren Aufwendungen fast vollständig (bis zu 90%) zu erstatten. Die Mitgliedschaft bei der Beklagten wird nur auf Antrag erworben; Mitglieder können auch wieder austreten. Von den Bezügen der Klägerin wurden zugunsten der Beklagten gemäß deren Satzung monatliche Beiträge in Höhe von 192,80 DM einbehalten. Für die Beitragshöhe von Bedeutung ist die Besoldungs- oder Vergütungsgruppe sowie die Frage, ob Angehörige mitversichert sind. Ob das beitragspflichtige Mitglied voll arbeitet oder teilzeitbeschäftigt ist, spielt dagegen keine Rolle. Die Klägerin gehört der Besoldungsgruppe A 10 an, für die die wöchentliche Arbeitszeit 38,5 Stunden beträgt. Sie leistet Teilzeitarbeit in Höhe von 15 Wochenstunden. Mit ihrer Klage erstrebt sie deshalb eine Herabsetzung ihres Monatsbeitrags auf 75,20 DM.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, soweit Rückzahlung zuviel geleisteter Beiträge in der Zeit von August 1999 bis Oktober 2000 in Höhe von insgesamt 1.736,60 DM verlangt wird. Das Berufungsgericht hat die Klage insoweit abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch weiter.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

1. Die Vorinstanzen gehen zutreffend von einem privatrechtlichen Rechtsverhältnis zwischen den Parteien aus, für das der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet ist (BGH, Urteil vom 5. Februar 1981 - IVa ZR 50/80 - NJW 1981, 2005 unter I; BVerwG, Beschluß vom 21. Juni 1996, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 11). Die Regelungen der Satzung der Beklagten sind mithin als Allgemeine Geschäftsbedingungen einzuordnen (vgl. BGHZ 142, 103, 106). Sie unterliegen der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG/§ 307 BGB. Weil die Beklagte eine öffentliche Aufgabe wahrnimmt, erstreckt sich diese Kontrolle auch auf die Verletzung von Grundrechten; die Satzung darf überdies nicht gegen § 242 BGB verstoßen (vgl. BGHZ 103, 370, 383; BGH, Urteil vom 30. September 1998 - IV ZR 262/97 - VersR 1999, 210 unter 3).

2. Anders als das Landgericht hält das Berufungsgericht die angegriffene Nichtberücksichtigung von Teilzeitbeschäftigungen bei der Beitragsbemessung nicht für rechtswidrig und sieht insbesondere Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG nicht verletzt. Ob die überwiegende Mehrheit der Teilzeitbeschäftigten unter den Mitgliedern der Beklagten Frauen sind, stehe nicht fest. Es gehe hier aber nicht um die Gleichbehandlung von Männern und Frauen, sondern um die Gleichbehandlung von Teilzeitbeschäftigten (Frauen oder Männern) und Vollzeitbeschäftigten. Insoweit sei hervorzuheben, daß die Beklagte aufgrund der Zuschüsse des Bundeseisenbahnvermögens in Höhe von unstreitig ca. 75% ihres Budgets nur die restlichen ca. 25% durch Beiträge der Mitglieder decke. Diesen kämen daher erhebliche höhere Versicherungsleistungen zugute, als allein nach ihren Beiträgen zu erwarten wäre. Bei dieser Sachlage sei die von der Klägerin geltend gemachte Benachteiligung geringfügig. Sie sei im Hinblick auf die vom Satzungsgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit vorgenommene Typisierung der Beitragsbemessung nach Besoldungsgruppen hinzunehmen. Wenn man die Beitragshöhe unmittelbar an die Einkommenshöhe koppele, wie es die Klägerin verlange, müsse nicht nur bei Teilzeitbeschäftigten nach der individuell geleisteten Arbeitszeit differenziert, sondern z.B. auch berücksichtigt werden, daß Pensionäre nur reduzierte Bezüge erhalten. Gegen die Klägerin spreche darüber hinaus, daß sie als Teilzeitbeschäftigte von der Beklagten die gleichen Fürsorgeleistungen erhalte wie vollzeitbeschäftigte Mitglieder. Die in der Satzung vorgesehenen Maßstäbe der Beitragsbemessung seien im übrigen durch Art. 1 § 14 Abs. 2 ENeuOG vom Gesetzgeber vorgegeben.

3. Diesen Erwägungen ist jedenfalls im Ergebnis zuzustimmen. Die angegriffene Regelung ist wirksam.

a) Kraft seiner durch Art. 33 Abs. 5 GG begründeten Fürsorgepflicht muß der Dienstherr zwar Vorkehrungen dafür treffen, daß der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten bei besonderen finanziellen Belastungen durch Krankheits-, Geburts- und Todesfälle nicht gefährdet wird; in welcher Weise er dies tut, bleibt von Verfassungs wegen aber seiner Entscheidung überlassen (BVerfGE 83, 89, 100). Bei der Deutschen Bundesbahn wurde diese Fürsorgepflicht ursprünglich nicht mit Hilfe der Beihilfevorschriften des Bundes erfüllt (BhV, zuletzt in der Fassung vom 10. Juli 1995 GMBl. S. 470), sondern im wesentlichen dadurch, daß den Beamten die Möglichkeit eröffnet wurde, Mitglied der überwiegend vom Dienstherrn finanzierten Beklagten zu werden. Auch die Beihilfe ist ihrem Wesen nach eine Hilfeleistung, die zu der zumutbaren Eigenvorsorge des Beamten in angemessenem Umfang hinzutritt; sie deckt regelmäßig nur einen bestimmten Vomhundertsatz der aus Anlaß von Krankheits-, Geburts- und Todesfällen entstehenden Aufwendungen des Beamten ab; dieser hat aus eigenen Mitteln für die Begleichung des übrigen Teils der Aufwendungen selbst Vorsorge zu treffen (BVerfGE 83, 89, 100 f.). Demgegenüber erhebt die Beklagte von ihren Mitgliedern Beiträge; darin liegt deren Eigenanteil an der Risikovorsorge.

b) Im Hinblick auf Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, daß nach den Grundsätzen des Versicherungsrechts Versicherungsleistungen und Versicherungsbeiträge aufeinander bezogen sein, m.a.W. in einem "Gegenleistungsverhältnis" stehen müßten, soweit das Prinzip der sozialen Gerechtigkeit keine Abweichungen erfordere. Es entspreche dem Gedanken der Solidarität, daß die besserverdienenden Versicherten durch höhere Beiträge für den Versicherungsschutz der weniger gut verdienenden mit aufkommen. Unter dem Gesichtspunkt von Art. 3 Abs. 1 GG sei deshalb nicht zu beanstanden, daß Versicherte nach Maßgabe ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu Beiträgen herangezogen werden (BVerfGE 79, 223, 236 f.).

c) Auch die Beitragsregelung der Beklagten führt im Interesse der sozialen Gerechtigkeit zu einer gewissen Entlastung der Empfänger geringerer Bezüge. Als Maßstab dafür stellt sie jedoch nicht auf die individuelle wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des einzelnen Mitglieds ab. Deren Ermittlung hätte nicht nur die Berücksichtigung der tatsächlich ausgezahlten Nettobezüge erfordert, sondern z.B. auch eventueller Nebeneinkünfte einschließlich Kapitalerträge sowie bestehender Unterhaltspflichten oder außergewöhnlicher Belastungen. Statt dessen geht die Beitragstafel der Beklagten von einem "Eckmann Beitrag" aus, der ab 1. Januar 2003 für Mitglieder ohne mitversicherte Angehörige 4,5% eines (näher bestimmten) Gehalts der Besoldungsgruppe A 7 beträgt. Der so ermittelte Beitrag wird anschließend je nach der Besoldungs- oder Vergütungsgruppe, der das Mitglied angehört, mit einem Prozentsatz multipliziert, um den letzten Endes zu zahlenden Beitrag zu errechnen. Dieser Prozentsatz reicht von 70% für die Besoldungsgruppe A 1 bis zu 168,63% etwa für die Besoldungsgruppen B und C 4. Die Beklagte orientiert sich damit an ohne großen Aufwand zuverlässig feststellbaren und für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im allgemeinen wesentlichen Kriterien. Nicht ausgeschlossen ist aber, daß ein schlechter Verdienender etwa bei Teilzeitbeschäftigung in einer verhältnismäßig hohen Besoldungsgruppe im Einzelfall höhere Beiträge zahlen muß als ein Besserverdienender einer niedrigeren Besoldungsgruppe. Ob solche Fälle so seltene Ausnahmen sind, daß sie wegen der Notwendigkeit generalisierender, typisierender und pauschalierender Regelungen hingenommen werden müßten, scheint gerade im Hinblick auf Teilzeitbeschäftigung zweifelhaft (vgl. zu den Grenzen einer zulässigen Typisierung BVerfGE 82, 126, 151 f.).

d) Gleichwohl hält der Senat die Beitragsgestaltung der Beklagten trotz Nichtberücksichtigung einer Teilzeitbeschäftigung nicht für sachwidrig (Art. 3 Abs. 1 GG), unangemessen (§ 9 AGBG, § 307 BGB) oder treuwidrig (§ 242 BGB).

aa) Anders als bei der gesetzlichen Krankenversicherung werden die Leistungen der Beklagten weit überwiegend - nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hier zu ca. 75% - durch Zuschüsse des Dienstherrn finanziert. Das Aufbringen der restlichen Finanzierung durch Beiträge der Mitglieder fällt mithin für diese nicht so ins Gewicht wie bei der gesetzlichen Krankenversicherung. Die vom Dienstherrn pauschal gewährten Zuschüsse kommen allen Mitgliedern der Beklagten in gleicher Weise zugute, und zwar - worauf das Berufungsgericht mit Recht hinweist - auch den Teilzeitbeschäftigen ungeachtet der Tatsache, daß sie dem Dienstherrn weniger Arbeit leisten als die Vollzeitbeschäftigten. Für die Erfüllung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen spielt weder die Besoldungsgruppe noch das Maß der geleisteten Arbeit eine Rolle. Dementsprechend gewährt die Beklagte allen Mitgliedern die gleichen Leistungen.

bb) Vor diesem Hintergrund könnte die Beklagte einkommensunabhängig von allen Mitgliedern gleiche Beiträge erheben. Das würde dem Gegenleistungsverhältnis von Versicherungsleistung und Versicherungsbeiträgen entsprechen. Ähnlich müssen sich Beihilfeempfänger für die von der Beihilfe nicht gedeckten Aufwendungen privat versichern und dafür einkommensunabhängig Versicherungsbeiträge zahlen. Die Beklagte hat jedoch die Beitragslast im Interesse der sozialen Gerechtigkeit zugunsten der niedrigen Besoldungs- und Vergütungsgruppen abgestuft. Daß den Mitgliedern höherer Besoldungsgruppen dadurch etwa bei Teilzeitarbeit Beiträge zugemutet würden, deren Höhe in Widerspruch zur Fürsorgepflicht oder sonst außer Verhältnis zu den von der Beklagten gewährten Gegenleistungen stünden, hat die Klägerin nicht dargetan und ist auch nicht ersichtlich. Vielmehr ist anerkannt, daß sich die Mitglieder der Beklagten im Hinblick auf die beträchtliche Höhe der Zuschüsse des Dienstherrn im allgemeinen nicht schlechter stehen als Beihilfeempfänger (BVerwG ZBR 1972, 24; OVG Rheinland-Pfalz ZBR 1989, 119).

cc) Aus diesen Gründen greift auch die Rüge der Revision nicht durch, die Nichtberücksichtigung von Teilzeitarbeit bei der Beitragsbemessung diskriminiere Frauen und verstoße daher insbesondere gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG. Zwar kann eine unzulässige Anknüpfung an das Geschlecht auch dann vorliegen, wenn eine geschlechtsneutral formulierte Regelung nicht ausschließlich, aber überwiegend Frauen trifft und dies auf natürliche oder gesellschaftliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern zurückzuführen ist (BVerfGE 97, 35, 43; 57, 335, 343 ff.). In welchem Umfang die teilzeitbeschäftigten Mitglieder der Beklagten Frauen sind, braucht hier aber nicht aufgeklärt zu werden. Denn selbst wenn es sich überwiegend um Frauen handeln würde, werden sie durch die angegriffene Regelung nicht benachteiligt. Sie zahlen zwar die gleichen Beiträge wie Vollbeschäftigte, erhalten aber von der Beklagten auch die gleichen Leistungen und kommen in gleicher Weise in den Genuß der pauschalierten Zuschüsse des Dienstherrn. Dies gilt, obwohl sie weniger Arbeit für ihn leisten als die Vollzeitbeschäftigten. Im Hinblick darauf sieht der Senat keinen Anlaß, die Sache dem Europäischen Gerichtshofs vorzulegen.

dd) Endlich kann nicht außer Betracht bleiben, daß die Beklagte als betriebliche Sozialeinrichtung der ehemaligen Deutschen Bundesbahn mit Inkrafttreten des Eisenbahnneuordnungsgesetzes geschlossen worden ist und lediglich mit dem Ziel der Abwicklung weitergeführt wird (Art. 1 § 14 Abs. 1 ENeuOG). Das Berufungsgericht hält die von der Klägerin geforderte Anpassung der Beiträge an die Höhe der jeweils ausgezahlten Bezüge zwar sozialpolitisch für wünschenswert. Die Klägerin ist aber nicht genötigt, Mitglied der Beklagten zu bleiben; wenn sie austritt, verliert sie den Anspruch auf die Fürsorge des Dienstherrn in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen nicht. Nach dem nicht bestrittenen Vortrag der Beklagten würde sie die Fürsorgeleistungen des Dienstherrn in entsprechender Anwendung der Beihilfevorschriften erhalten. Demgegenüber steht einer Änderung der Beitragstafel der Beklagten, die der Gesetzgeber in Art. 1 § 14 Abs. 2 ENeuOG im Grundsatz bestätigt hat, unter anderem entgegen, daß ihre Mitglieder zum weit überwiegenden Teil im Ruhestand leben. Sie könnten Erhöhungen des bisher bezahlten Beitrags, die im Interesse einer Entlastung von Teilzeitbeschäftigten oder zum Zweck einer allgemeinen Angleichung der Beiträge nötig wären, also schwer ausgleichen. Die Fortführung des überkommenen Systems der Beitragsbemessung der Beklagten bis zu ihrer endgültigen Abwicklung erscheint danach unter Berücksichtigung des dem Gesetzgeber zukommenden weiten Gestaltungsspielraums hinnehmbar.



Ende der Entscheidung

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