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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 15.12.2004
Aktenzeichen: IV ZR 399/02
Rechtsgebiete: BVKS, BetrAVG, VBLS, AGBG, BGB


Vorschriften:

BVKS § 33 Abs. 2 Buchst. a a.F.
BVKS § 33 Abs. 2 Doppelbuchst. aa a.F.
BVKS § 33 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a
BVKS § 33 Abs. 2 Satz 1 Doppelbuchst. aa
BetrAVG § 18
VBLS § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a
VBLS § 42 Abs. 2 Satz 1 Doppelbuchst. aa
AGBG § 9
BGB § 307
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

IV ZR 399/02

Verkündet am: 15. Dezember 2004

in dem Rechtsstreit

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, die Richterin Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung vom 15. Dezember 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 29. Oktober 2002 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten eine höhere Zusatzrente mit Wirkung ab 1. Januar 2001.

Er ist 1946 geboren und war im öffentlichen Dienst bei einem Dienstherrn beschäftigt, der an der beklagten Versorgungsanstalt beteiligt ist. Seit 1. Dezember 1999 bezieht der Kläger eine Zusatzrente von der Beklagten. Nach § 33 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a, Doppelbuchst. aa ihrer Satzung (im folgenden: BVKS) in der für die Berechnung der Rentenhöhe des Klägers maßgebenden Fassung berücksichtigte die Beklagte für den Faktor der gesamtversorgungsfähigen Zeit, von dem die Höhe ihrer Zusatzrente abhängt, außer den Umlagemonaten, in denen ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes mit Umlagezahlungen an die Beklagte für die Altersversorgung des bei ihm beschäftigten Klägers beigetragen hat, darüber hinaus andere, außerhalb des öffentlichen Dienstes zurückgelegte Beschäftigungszeiten nur zur Hälfte (sog. Halbanrechnungsgrundsatz). Andererseits war nach der seinerzeit geltenden Satzung bei der Berechnung der Versorgungsrente grundsätzlich von der vollen Höhe der an den Kläger gezahlten gesetzlichen Rente auszugehen; diese wurde durch die von der Beklagten gewährte Zusatzversorgung lediglich insoweit aufgestockt, wie die gesetzliche Rente hinter der nach der Satzung berechneten Gesamtversorgung zurückblieb (§ 31 Abs. 1 BVKS a.F.). Das Bundesverfassungsgericht hat in der Halbanrechnung von Vordienstzeiten bei voller Berücksichtigung der gesetzlichen Rente einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG gesehen, der nur bis zum Ablauf des Jahres 2000 hingenommen werden könne (VersR 2000, 835 = NJW 2000, 3341). Der Kläger hat daher beantragt die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. Januar 2001 unter Einbeziehung seiner vollen, nicht im öffentlichen Dienst zurückgelegten Rentenversicherungszeiten eine um 247,16 € monatlich erhöhte Rente zu zahlen, in der Berufungsinstanz hilfsweise ihm einen neuen, auf den 1. Januar 2002 bezogenen Rentenbescheid unter Berücksichtigung des neuen Regelwerks zu erteilen, weiter hilfsweise, ihm Auskunft über die Höhe der Rente ab dem 1. Dezember 2001 nach dem neuen Regelwerk zu erteilen und ihm ab diesem Zeitpunkt eine nach Auskunftserteilung noch zu beziffernde Rente zu zahlen.

Das Landgericht hat seine Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht seine Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision bleibt ohne Erfolg.

1. Nach Auffassung des Berufungsgerichts gehören zwar auch Berechtigte, die - wie der Kläger - am 31. Dezember 2000 schon Renten von der Beklagten bezogen haben, zu dem Personenkreis, für den das Bundesverfassungsgericht die streitige Regelung beanstandet hat. Selbst wenn man aber annehme, daß auch für diese Gruppe von Rentenberechtigten die Halbanrechnung unzulässig und § 33 Abs. 2 Buchst. a Doppelbuchst. aa BVKS a.F. seit dem 1. Januar 2001 insoweit unwirksam sei, könne die Klage keinen Erfolg haben. Denn es stehe eine Grundentscheidung der beteiligten Sozialpartner in Frage, die jedenfalls hier nicht vom Gericht im Wege ergänzender Auslegung eines lückenhaft gewordenen Vertrages geschlossen werden könne.

Es sei nicht Aufgabe der Gerichte, anstelle der Tarifvertragsparteien durch Auslegung der Satzung eine Berechnung vorzunehmen, die nicht dem Willen der Tarifvertragsparteien entspreche oder mit dem geltenden Betriebsrentenrecht möglicherweise nicht in Einklang stehe. Daher habe das Bundesverfassungsgericht auch in seiner Entscheidung zu § 18 BetrAVG (BVerfGE 98, 365) keine eigenständige Regelung getroffen, sondern die Tarifvertragsparteien aufgefordert, ab dem 1. Januar 2001 eine Neuregelung zu schaffen, die den verfassungsrechtlichen Vorgaben entspreche. Eine solche Neuregelung sei nunmehr mit der rückwirkend zum 1. Januar 2001 in Kraft getretenen Satzung der Beklagten vom 1. März 2002 geschaffen worden. Sie enthalte eine Grundentscheidung der beteiligten Sozialpartner darüber, inwieweit die Versorgung der Arbeiter und Angestellten im öffentlichen Dienst an die Beamtenversorgung angeglichen werden solle. Diese Grundentscheidung hätten Gerichte grundsätzlich hinzunehmen, wobei die Beklagte auch bei der Umsetzung der Grundentscheidung eine weitgehende Gestaltungsfreiheit habe.

Diesen Spielraum habe die Beklagte mit ihrer neuen Satzung nicht überschritten. Sie habe die vor dem 1. Januar 2001 bestehende Ungleichbehandlung dadurch aufgehoben, daß sie das bisherige Gesamtversorgungssystem durch ein kapitalgedecktes Betriebsrentensystem ersetzt habe, welches beitragsbezogen sei und nunmehr ausschließlich Zeiten und Entgelte während einer Beschäftigung im öffentlichen Dienst berücksichtige. Damit stelle sich das Problem der Halbanrechnung von außerhalb des öffentlichen Dienstes zurückgelegten Beschäftigungszeiten nicht mehr. Zwar werde der Kläger durch das neue System nicht unmittelbar erfaßt, weil er seine bisherige Rente nach der Satzung als - ab 2002 dynamisierte - Bestandsrente weitererhalte (vgl. § 69 Abs. 1 und 2 BVKS n.F.). Der Kläger habe aber nicht vorgetragen, daß sich bei Zugrundelegung des neuen Betriebsrentensystems für ihn eine höhere Rente berechnen lasse, als er sie aufgrund der alten Regelung erhalte.

Allerdings setze sich innerhalb der Gruppe der Bezieher von Bestandsrenten die Ungleichbehandlung zwischen denjenigen Rentnern, die keine Anrechnungszeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes zurückgelegt hätten, zu denjenigen, welche solche Anrechnungszeiten aufwiesen, fort. Doch halte sich dies noch im Rahmen einer zulässigen Generalisierung, weil die Beklagte angesichts der hochkomplizierten Regelungsmaterie zu Vereinfachungen gezwungen, davon eine nur verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betroffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv sei. Zusätzlich werde die Ungleichbehandlung künftig auch durch die Dynamisierung der Besitzstandsrenten teilweise kompensiert.

2. Dem ist jedenfalls im Ergebnis zuzustimmen.

a) Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluß vom 22. März 2000, auf den sich der Kläger stützt, die Verfassungsbeschwerde einer 1921 geborenen Rentnerin, die seit Anfang 1983 eine Zusatzversorgungsrente erhielt und im Ausgangsverfahren erfolglos deren Erhöhung wegen Unwirksamkeit von Satzungsbestimmungen verlangt hatte, nicht zur Entscheidung angenommen. Soweit sich die dortige Beschwerdeführerin gegen die volle Berücksichtigung ihrer Sozialversicherungsrente bei der Bestimmung der Höhe der Zusatzversorgung einerseits, aber die nur halbe Berücksichtigung von Zeiten vor Aufnahme ihrer Tätigkeit im öffentlichen Dienst bei der Bemessung der gesamtversorgungsfähigen Zeit andererseits gewandt hatte, hat das Bundesverfassungsgericht die Regelung in § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa der Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBLS) a.F., welcher im hier entscheidenden Punkt der Regelung in § 33 Abs. 2 Buchst. a, Doppelbuchst. aa BVKS a.F. entspricht, zwar im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG beanstandet, eine Verletzung von Grundrechten der dortigen Beschwerdeführerin aber "(noch) nicht" festgestellt. Die Ungleichbehandlung sei zwar gravierend, halte sich derzeit jedoch noch im Rahmen einer zulässigen Generalisierung. Der Satzungsgeber sei wegen der hochkomplizierten Materie zu gewissen Vereinfachungen gezwungen. Dabei dürfe er Ungleichbehandlungen in Kauf nehmen, solange davon nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betroffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv sei. Das treffe auf die Rentnergeneration der Beschwerdeführerin zu, wie das Bundesverfassungsgericht feststellt. Für die jüngeren Versichertengenerationen sei ein bruchloser Verlauf der Erwerbsbiographie im öffentlichen Dienst angesichts stark gestiegener Teilzeitarbeit und einer stärkeren Diskontinuität des Erwerbslebens allerdings nicht mehr in hinreichender Weise typisch. Angesichts dieser Entwicklung könne die Benachteiligung der Rentner durch volle Anrechnung der in Vordienstzeiten erworbenen Rentenansprüche bei nur hälftiger Berücksichtigung dieses Teils ihrer Lebensarbeitszeit im Rahmen der Berechnung der gesamtversorgungsfähigen Dienstzeit nicht länger als bis zum Ablauf des Jahres 2000 hingenommen werden. Zu diesem Zeitpunkt sei der Träger der Zusatzversorgung durch die Entscheidung BVerfGE 98, 365 = VersR 1999, 600 ohnehin zu einer grundlegenden Änderung seiner Satzung gezwungen.

b) Dieser Beschluß des Bundesverfassungsgerichts mag auch bei den Rentenempfängern der Beklagten die Erwartung geweckt haben, ihnen stehe vom Jahr 2001 an eine höhere Rente zu, wie sie sich bei voller Berücksichtigung der Vordienstzeiten aus der früher geltenden Fassung der BVKS ergeben würde. Anders als das Berufungsgericht meint, bezieht sich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aber nicht auf Rentenberechtigungen, die - wie beim Kläger - bereits vor dem 1. Januar 2001 entstanden sind (vgl. dazu Senat, Urteil vom 26. November 2003 - IV ZR 186/02 - VersR 2004, 183 ff.). Der Kläger des vorliegenden Verfahrens gehört damit nicht zu jenen jüngeren Versichertengenerationen, für die die angegriffene Halbanrechnung nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr hinnehmbar ist. Das Bundesverfassungsgericht hat die Halbanrechnung trotz verfassungsrechtlicher Bedenken noch als zulässige Typisierung und Generalisierung im Rahmen einer komplizierten Materie angesehen, weil ein bruchloser Verlauf der Erwerbsbiographie im öffentlichen Dienst erst für die jüngeren Versichertengenerationen nicht mehr hinreichend typisch sei. Bis zum Ablauf des Jahres 2000 könne die Halbanrechnung aber noch hingenommen werden. Mithin ist das Bundesverfassungsgericht davon ausgegangen, daß alle Versicherten, die vor Ablauf des Jahres 2000 Rentner bei Zusatzversorgungsträgern wie der Beklagten geworden sind, noch zu denjenigen Generationen zählen, für die ein bruchloser Verlauf der (bei Rentenbeginn abgeschlossenen) Erwerbsbiographie als typisch angesehen werden kann. Der Kläger bezieht bereits seit Dezember 1999 eine Zusatzrente von der Beklagten. Für ihn und für die Generation, der er angehört, ist die Halbanrechnung der Vordienstzeiten also noch hinzunehmen.

Die Unterscheidung, die das Bundesverfassungsgericht zwischen der Rentnergeneration der dortigen Beschwerdeführerin einerseits und den jüngeren Versichertengenerationen andererseits trifft, verlöre ihren Sinn, wenn auch Personen, die vor dem Stichtag schon Rentner bei der Beklagten waren, nach dem Stichtag als Angehörige der jüngeren Versichertengeneration hätten gelten sollen. Daß auch die dortige Beschwerdeführerin (und nicht nur die am Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht nicht beteiligten jüngeren Versichertengenerationen) vom Stichtag an einen Anspruch auf Änderung der sie benachteiligenden, gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden Satzungsbestimmungen gehabt hätte, ist nicht ersichtlich.

c) Der Senat folgt dem Bundesverfassungsgericht darin, daß die Anwendung des Halbanrechnungsgrundsatzes aus § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa VBLS a.F. (entsprechend hier § 33 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa BVKS a.F.) bei der Berechnung der Versorgungsrente für solche Versicherte, die - wie der Kläger - bis zum 31. Dezember 2000 versorgungsrentenberechtigt geworden sind, nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Damit liegt auch kein Verstoß gegen §§ 9 AGBG, 307 BGB vor. Dabei kann auf sich beruhen, ob den Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts zur Ungleichbehandlung der von der Halbanrechnung betroffenen Versichertengruppe trotz Kritik von Seiten der Versorgungsträger in jedem Punkte zu folgen ist (vgl. auch Hebler, ZTR 2000, 337 ff.). Denn mit dem Bundesverfassungsgericht ist der Senat der Auffassung, daß - ist mit der Halbanrechnung eine Ungleichbehandlung gegenüber denjenigen Versicherten verbunden, die ihr ganzes Berufsleben im öffentlichen Dienst verbracht haben - sich die Ungleichbehandlung jedenfalls im Rahmen einer zulässigen Typisierung und Generalisierung einer komplizierten, eine sehr große Gruppe von Versicherten betreffenden Materie hielt. Diese Ungleichbehandlung hat ein Versicherter, der bis zum Ablauf des Jahres 2000 Zusatzrentenempfänger geworden ist, nicht zuletzt auch im Interesse der Erhaltung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Versorgungsträgers hinzunehmen, selbst wenn für die Zukunft eine andere, die Ungleichbehandlung für zukünftige Rentenempfänger vermeidende Regelung zu treffen ist.

d) Der Kläger wird auch gegenüber Versicherten, deren Rente sich nach der ab 1. Januar 2001 geltenden Neufassung der BVKS richtet, nicht in rechtlich erheblicher Weise benachteiligt. Das Niveau der von der Beklagten in Zukunft aufgrund ihrer neuen Satzung zu leistenden Renten ist generell niedriger als bisher. Daß der Kläger im Ergebnis wirtschaftlich schlechter steht als Berechtigte, deren Rente nach neuem Satzungsrecht ohne Rücksicht auf Vordienstzeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes berechnet wird, ist daher nicht ersichtlich. Der in der Halbanrechnung von Vordienstzeiten vom Bundesverfassungsgericht gesehene Verstoß gegen den Gleichheitssatz ist - wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat - für die Zukunft ausgeräumt. Im Hinblick darauf stehen Rentenempfängern alten Rechts wie dem Kläger über die Wahrung ihres Besitzstandes hinaus auch nach dem 31. Dezember 2000 keine weitergehenden Ansprüche aus Gründen der Gleichbehandlung zu.

Das Berufungsgericht hat auch die Hilfsanträge zu Recht abgewiesen. Der Kläger gehört nicht zur jüngeren Versichertengeneration im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, für die ab 1. Januar 2001 die veränderten Satzungsregelungen Geltung erlangen. Vielmehr bezieht er seine bisherige - ab 2002 dynamisierte - Rente als Bestandsrente weiter; daß sich die Beklagte weigert, dem Kläger darüber einen Bescheid (Stichtag: 1. Januar 2002) zu erteilen, hat der Kläger - wie das Berufungsgericht feststellt - nicht vorgetragen.

Ende der Entscheidung

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