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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 27.02.2008
Aktenzeichen: IV ZR 45/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 544 Abs. 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IV ZR 45/06

vom 27. Februar 2008

in dem Rechtsstreit

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, die Richterin Dr. Kessal-Wulf und den Richter Dr. Franke

am 27. Februar 2008

beschlossen:

Tenor:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 31. Januar 2006 zugelassen.

Das vorbezeichnete Urteil wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Streitwert: 35.000 €

Gründe:

I. 1. Der Kläger, der bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit als beamteter Postzusteller tätig war, begehrt Versicherungsleistungen aus einer bei der Beklagten gehaltenen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Er macht geltend, wegen eines Wirbelsäulenleidens bedingungsgemäß zu mindestens 50% berufsunfähig zu sein. Der vom Landgericht bestellte medizinische Sachverständige, der Facharzt für Orthopädie Dr. S. , kam nach Untersuchung des Klägers zu der Einschätzung, dieser sei in seiner Tätigkeit als Postzusteller lediglich zu 30% berufsunfähig. Das Landgericht hat die Klage daraufhin abgewiesen.

2. Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg gehabt. Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme, so das Berufungsgericht, seien dem Kläger ganztägig leichte bis mittelschwere Belastungen zumutbar. Zwar seien für den Berufsalltag des Klägers typische Bewegungsabläufe aufgrund der Erkrankung seiner Wirbelsäule mit Rückenschmerzen verbunden, so beispielsweise Körperbewegungen mit endgradiger Rotation, Aufrichten des Körpers nach Vorneigen mit gestreckten Kniegelenken und Tragen von Lasten mit einem Gewicht von über 5 Kilogramm. Der Sachverständige Dr. S. habe jedoch überzeugend dargelegt, dass sich die meisten dieser Bewegungsabläufe ebenso wie schmerzhafte Zwangshaltungen, etwa beim Einlegen von Postsendungen in tiefer liegende Briefschlitze, durch Umstellungen in den jeweiligen Bewegungsabläufen vermeiden ließen. Tragen und Heben von Gegenständen mit einem Gewicht von über 5 Kilogramm kämen nur selten vor. Dass solche Umstellungen mit einer Verlangsamung der Arbeitsabläufe verbunden sein können, sei in die Bewertung des Sachverständigen eingeflossen. Deshalb bedürfe es der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens insoweit nicht.

II. Die Beschwerde rügt in diesem Zusammenhang zu Recht, dass das Berufungsgericht einen Antrag des Klägers auf Sachverständigenbeweis übergangen hat. Damit hat es zugleich dessen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

Nach der Rechtsprechung des Senats erfordert die Beurteilung, ob der Versicherte bedingungsgemäß berufsunfähig ist, dass die konkrete Ausgestaltung des von dem Versicherten zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles ausgeübten Berufes und die sich aus dieser Berufsausübung ergebenden Anforderungen festgestellt werden; diese Feststellungen zum unverrückbaren außermedizinischen Sachverhalt sind einem medizinischen Sachverständigen als Grundlage seiner Gutachtenerstattung vorzugeben (BGHZ 119, 263, 266 und ständig). Kommt es darauf an, wie sich bestimmte medizinisch festgestellte Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit auf die zuletzt konkret ausgeübte Berufstätigkeit des Versicherten auswirken, sind hierzu gegebenenfalls Zeugen und ein berufskundlicher Sachverständiger zu hören (Senatsurteil vom 11. Oktober 2000 - IV ZR 208/99 - VersR 2001, 89 unter III). Der Kläger hatte schon im ersten Rechtszug unter Beweisantritt vorgetragen, dass das Tragen und Bewegen von Gewichten über 5 Kilogramm eine wesentliche, unverzichtbare und damit prägende Einzelverrichtung seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Postzusteller darstelle. Er habe regelmäßig Ablagebeutel und Behälter sowie Zustelltaschen zu tragen, die bis zu 20 Kilogramm schwer sein könnten. Er hat ferner eine Tätigkeitsbeschreibung vorgelegt, in der ausdrücklich die Rede davon ist, dass die Tätigkeit als Postzusteller ein hohes Maß an körperlicher Belastbarkeit voraussetze, weil Gewichte bis zu 20 Kilogramm und im Zusammenhang mit dem Ladungsaustausch in Einzelfällen auch bis zu 30 Kilogramm ohne die Möglichkeit des Einsatzes von Hilfsmitteln zu heben und zu tragen seien. Im Berufungsrechtszug hat der Kläger diesen Vortrag wiederholt und erneut die Einholung eines berufskundlichen Sachverständigengutachtens beantragt. Über diesen Beweisantritt hätte das Berufungsgericht nicht hinweggehen dürfen. Zwar hat der medizinische Sachverständige bei der Bewertung des Gewichts der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers berücksichtigt, dass bestimmte, für die Berufsausübung notwendige Bewegungsabläufe für diesen mit Schmerzen verbunden sein könnten. Der Vortrag des Klägers war jedoch insoweit ersichtlich darauf gerichtet, die zum außermedizinischen Sachverhalt - den prägenden Tätigkeitsmerkmalen seines zuletzt ausgeübten Berufs als Postzusteller - vom Sachverständigen zu Grunde gelegten Anknüpfungstatsachen zu erschüttern, auf denen die Bewertung seiner Berufsunfähigkeit - lediglich 30% - entscheidend beruhte. Dass das Berufungsgericht für die Beurteilung dieser Fragen selbst über die erforderliche Sachkunde verfügte, ergibt sich aus den Urteilsgründen nicht. Deshalb hätte es zunächst durch Vernehmung der vom Kläger als Zeugin benannten Filialleiterin der Deutschen Post AG dessen Beweisbehauptungen nachgehen müssen. Sodann hätte es erwägen müssen, ob die vom Kläger ebenfalls beantragte Einholung eines berufskundlichen Sachverständigengutachtens geboten war. Der Sachverständige hätte, wie die Beschwerde zu Recht herausstellt, die dem Kläger in seinem Beruf konkret abverlangten Verrichtungen nicht nur einzeln, sondern auch im Zusammenhang mit denjenigen bewerten müssen, mit denen sie einen einheitlichen Lebensvorgang bilden (vgl. dazu Senatsurteil vom 26. Februar 2003 - IV ZR 238/01 - VersR 2003, 631 unter II 2 a). Nur so kann bei der Beurteilung der Berufsunfähigkeit zutreffend eingeschätzt werden, ob nicht die Unfähigkeit zur Ausführung einzelner Arbeitsschritte dergestalt Auswirkungen auf die gesamte Arbeitsleistung hat, dass ein sinnvolles Arbeitsergebnis nicht mehr zu erzielen ist.

Ende der Entscheidung

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