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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 26.11.2003
Aktenzeichen: IV ZR 6/03
Rechtsgebiete: BGB, VVG, AVB Warenkredit 1999
Vorschriften:
BGB § 307 Bk | |
VVG § 14 | |
AVB Warenkredit 1999 § 4 | |
AVB Warenkredit 1999 § 9 | |
AVB Warenkredit 1999 § 15 |
b) § 103 Abs. 1 InsO läßt § 14 Abs. 1 VVG unberührt.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 26. November 2003
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, Wendt und die Richterin Dr. Kessal-Wulf auf die mündliche Verhandlung vom 26. November 2003
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 13. Dezember 2002 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter der V. GmbH & Co. Vertriebs KG (im folgenden: Schuldnerin) Versicherungsschutz aus einer bei der Beklagten genommenen Warenkreditversicherung. Dem Versicherungsvertrag liegen Allgemeine Bedingungen für die Warenkreditversicherung (AVB Warenkedit 1999) zugrunde, die auszugsweise wie folgt lauten:
§ 1 Gegenstand der Versicherung
Der Versicherer ersetzt dem Versicherungsnehmer Ausfälle an Forderungen aus Warenlieferungen, Werk- und Dienstleistungen, die während der Laufzeit des Versicherungsvertrages durch Zahlungsunfähigkeit versicherter Kunden entstehen.
§ 4 Beginn und Ende des Versicherungsschutzes
...
3. Der Versicherungsschutz erlischt für alle versicherten Forderungen mit Beendigung des Versicherungsvertrages, soweit nicht der Versicherungsfall eingetreten ist.
...
§ 9 Versicherungsfall
1. Der Versicherungsfall tritt nur ein, wenn der Kunde zahlungsunfähig wird.
Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn
a) das Insolvenzverfahren eröffnet oder dessen Eröffnung vom Gericht mangels Masse abgewiesen worden ist
...
2. Als Zeitpunkt für den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit gilt
im Falle a) ... der Tag des Gerichtsbeschlusses.
§ 15 Aufhebung und Beendigung des Versicherungsvertrages
Der Versicherer hat das Recht, im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Versicherungsnehmers den Versicherungsvertrag mit einer Frist von 1 Monat zu kündigen.
Nachdem über das Vermögen der Schuldnerin am 29. März 2000 das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, kündigte die Beklagte den Versicherungsvertrag mit Wirkung zum 7. Mai 2000. Die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche betreffen Forderungsausfälle der Schuldnerin in Höhe von insgesamt 42.008,46 €, die bei sechs Kunden eingetreten sind. Bei fünf dieser Kunden wurde im Zeitraum vom 29. Mai 2000 bis 23. April 2001 entweder das Insolvenzverfahren eröffnet oder die Eröffnung desselben mangels Masse abgewiesen.
Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 5.853,19 € nebst Zinsen stattgegeben. Auf die Berufung des Klägers ist die Beklagte zur Zahlung weiterer 2.107,07 € nebst Zinsen verurteilt worden. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren in vollem Umfang weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat die Klagabweisung hinsichtlich vier versicherter Forderungen im wesentlichen wie folgt begründet: Die Beklagte habe den Versicherungsvertrag gemäß § 15 Abs. 1 AVB Warenkredit 1999 wirksam zum 7. Mai 2000 gekündigt. Durch die Kündigung sei das Versicherungsverhältnis beendet worden mit der Folge, daß gemäß § 4 Nr. 3 AVB Warenkredit 1999 der Versicherungsschutz für alle Forderungen erloschen sei, soweit nicht der Versicherungsfall gemäß § 9 AVB Warenkredit 1999 eingetreten sei. Letzteres sei bei den in Rede stehenden Forderungen jedenfalls vor dem 7. Mai 2000 nicht der Fall gewesen. Die Klausel des § 15 Abs. 1 AVB Warenkredit 1999 entspreche der Regelung des § 14 Abs. 1 VVG und sei schon deshalb nicht gemäß § 9 AGBG unwirksam. Auch gegen die Wirksamkeit des § 4 Nr. 3 AVB Warenkredit 1999 bestünden insoweit keine Bedenken. Es gebe keinen Grundsatz des deutschen Versicherungsrechts, daß ein einmal in Deckung genommenes Risiko bis zu seinem endgültigen Wegfall unkündbar versichert bleibe. Eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers sei auch nicht darin zu erkennen, daß § 9 Nr. 1 AVB Warenkredit 1999 für den Eintritt des Versicherungsfalles auf die im Insolvenzverfahren ergehenden gerichtlichen Beschlüsse und nicht bereits auf die Stellung des Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens abstelle. Eine zusammenwirkende Betrachtung der genannten Klauseln führe zu keinem anderen Ergebnis. Der Beklagten könne nicht angesonnen werden, für bereits begründete Forderungen der Schuldnerin gegen Dritte auf unbestimmte Zeit einstandspflichtig zu sein, ohne hierfür für den Zeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens für das von ihr weiterhin zu tragende Ausfallrisiko entsprechende Prämien zu erhalten oder auch nur der Ungewißheit über eine Vertragsfortsetzung nach den §§ 103 ff. InsO ausgesetzt zu sein.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand. Die wesentlichen Rechtsfragen, die dem Berufungsgericht Anlaß zur Zulassung der Revision gegeben haben, sind durch den Senat bereits entschieden. Dennoch ist der Senat an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden (§ 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO).
1. Dem Berufungsgericht ist darin zu folgen, daß die Beklagte berechtigt war, den Versicherungsvertrag zu kündigen. Nach § 14 Abs. 1 VVG kann sich der Versicherer für den Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Versicherungsnehmers die Befugnis ausbedingen, das Versicherungsverhältnis mit einer Frist von einem Monat zu kündigen. Von dieser ihr gesetzlich eingeräumten Möglichkeit hat die Beklagte mit § 15 Abs. 1 AVB Warenkredit 1999 Gebrauch gemacht. In Anbetracht dessen, daß die Klausel den Regelungsgehalt des § 14 Abs. 1 VVG wiedergibt, benachteiligt sie den Versicherungsnehmer nicht unangemessen.
2. Nach dem Leistungsversprechen der Beklagten in § 1 AVB Warenkredit 1999 sind dem Versicherungsnehmer die Ausfälle an Forderungen aus Warenlieferungen sowie Werk- und Dienstleistungen zu ersetzen, die während der Laufzeit des Versicherungsvertrages durch Zahlungsunfähigkeit versicherter Kunden entstehen. Der Versicherungsschutz erlischt für alle in Deckung genommenen Forderungen mit der - durch die Beklagte zum 7. Mai 2000 wirksam herbeigeführten - Beendigung des Versicherungsvertrages, soweit nicht der Versicherungsfall bereits eingetreten ist (§ 4 Nr. 3 AVB Warenkredit 1999). Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß für die von der Klagabweisung betroffenen Forderungen während der Dauer des Versicherungsverhältnisses der Versicherungsfall nicht eingetreten ist.
a) Wann für den Versicherungsnehmer ein Forderungsausfall durch Zahlungsunfähigkeit des Kunden gegeben ist, bestimmt sich nach der Regelung des § 9 AVB Warenkredit 1999. Darin hat sich der Versicherer bemüht, die - ohnehin schwierige - Feststellung des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit an möglichst eindeutige Umstände wie den Zeitpunkt des Erlasses gerichtlicher Beschlüsse anzuknüpfen. Das entspricht dem wohlverstandenen Interesse des Versicherungsnehmers, weil der ihm obliegende Nachweis der Voraussetzungen des Versicherungsfalls auf diese Weise leicht zu erbringen ist. Die in § 9 Nr. 1 Satz 1 und 2 lit. a i.V. mit Nr. 2 AVB Warenkredit 1999 getroffenen Bestimmungen stellen daher ebenfalls keine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers im Sinne der §§ 9 AGBG, 307 BGB dar (vgl. BGHZ 120, 291, 298 f).
b) Auch die Regelung über das Erlöschen des Versicherungsschutzes in § 4 Nr. 3 AVB Warenkredit 1999 hält einer Inhaltskontrolle stand. Einen einheitlichen Typus der Kreditversicherung mit bestimmt strukturierter vertraglicher Nachhaftung gibt es nicht (BGH, Urteil vom 17. September 1986 - IVa ZR 73/85 - VersR 1987, 68 unter I 2). Es zählt weder zu den Wesensmerkmalen der Kreditversicherung, daß der Versicherer Versicherungsschutz für den Ausfall von einmal in das Versicherungsverhältnis einbezogenen Forderungen auch dann schuldet, wenn die Zahlungsunfähigkeit des Kunden erst nach formeller Vertragsbeendigung eingetreten ist, noch gehört es allgemein zu den Eigentümlichkeiten des deutschen Versicherungsrechts, daß ein in Deckung genommenes Risiko bis zu seinem endgültigen Wegfall unkündbar versichert bleibt (BGH aaO unter I 1 u. II 2 a).
3. Die von der Revision erhobenen Einwendungen führen zu keiner anderen Beurteilung.
a) Allerdings ist ihr zuzugeben, daß nach der zum 1. Januar 1999 in Kraft getretenen Insolvenzordnung der Fortführung eines insolventen Unternehmens - wie hier der Schuldnerin - eine weit größere Bedeutung zukommt als unter der Geltung der früheren Konkursordnung. Ohne den Fortbestand der durch die in Vermögensverfall geratene Gesellschaft abgeschlossenen Versicherungsverhältnisse kann dem Insolvenzverwalter eine Fortführung des Betriebes wesentlich erschwert oder sogar unmöglich werden. Denkbar ist weiter, daß der Insolvenzverwalter einen Massekredit nur erhält, wenn nicht lediglich die künftigen Forderungen der Schuldnerin gegen ihre Kunden an das Kreditinstitut sicherungshalber abgetreten werden, sondern zusätzlich über eine Warenkreditversicherung gegen Ausfall abgesichert sind. Gleichwohl ist der Revision nicht darin zuzustimmen, daß deshalb dem Insolvenzverwalter bei Versicherungsverträgen ein - nur im Rahmen des § 119 InsO abdingbares - Wahlrecht nach § 103 InsO zukommen müsse, vom anderen Teil - dem Versicherer - Erfüllung zu verlangen. Denn der speziell auf Versicherungsverhältnisse zugeschnittene und damit vorrangige § 14 Abs. 1 VVG sieht demgegenüber vor, daß sich der Versicherer für den Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Versicherungsnehmers die Befugnis ausbedingen kann, das bestehende Versicherungsverhältnis mit einer Frist von einem Monat zu kündigen. Diese Vorschrift hat der Gesetzgeber anläßlich der Verabschiedung der Insolvenzordnung nur redaktionell angepaßt, indem er die Worte "des Konkurses oder des Vergleichsverfahrens" durch die Worte "der Eröffnung des Insolvenzverfahrens" ersetzt hat (Art. 88 Ziff. 2 EGInsO vom 5. Oktober 1994, BGBl. I S. 2911, 2946). Hieraus folgt, daß er ihren sachlichen Regelungsgehalt nicht ändern und an ihrem Vorrang gegenüber den allgemeinen insolvenzrechtlichen Bestimmungen festhalten wollte. Er hat den Zeitraum von einem Monat bis zum Wirksamwerden der durch den Versicherer ausgesprochenen Kündigung nach wie vor als ausreichend angesehen, um den Insolvenzverwalter in die Lage zu versetzen, anderweitig für Versicherungsschutz zu sorgen.
b) Entgegen der Ansicht der Revision führen das Zusammenspiel der §§ 4 Nr. 3, 9 Nr. 1 Satz 1 und 2 lit. a i.V. mit Nr. 2 und 15 Abs. 1 AVB Warenkredit 1999 und die Möglichkeit des Versicherers, sich bei Insolvenz des Versicherungsnehmers ungeachtet der von diesem über einen längeren Zeitraum bezahlten Prämien kurzfristig vom Vertrag und damit von den versicherten Risiken zu lösen, nicht zu einer unangemessenen und den Versicherungsnehmer einseitig benachteiligenden Verschiebung des Gleichgewichts zwischen Leistung und Gegenleistung. Diese Betrachtungsweise hat nur das Ende des Versicherungsverhältnisses im Blick. Ebenso kann es aber zu seinem Beginn geschehen, daß die in den Versicherungsschutz einbezogenen Forderungen schon nach kurzer Zeit notleidend werden und einen Versicherungsfall herbeiführen. In diesen Fällen ist es der Versicherer, der Nachteile zu tragen hat, weil er eintrittspflichtig ist, obwohl er für das versicherte Risiko bis dahin nur geringe Versicherungsprämien bekommen hat. Deshalb ist es nicht unangemessen im Sinne der §§ 9 AGBG, 307 BGB, wenn bei Beendigung des Versicherungsvertrages durch Kündigung nach § 15 Abs. 1 AVB Warenkredit 1999 der Versicherungsschutz auch hinsichtlich solcher Forderungen erlischt, für die der Versicherer während einer längeren Laufzeit des Versicherungsvertrages Versicherungsprämien erhalten hat, ohne daß der Versicherungsfall eingetreten wäre.
III. Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 Satz 1 ZPO).
Ende der Entscheidung
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